29.07.2022 Aufrufe

Tabu – Reden ist Gold

Herzlich willkommen in der Tabuzone! Lassen Sie uns über Dinge sprechen, die bei vielen Menschen ein unangenehmes Gefühl auslösen. Zum Beispiel Ekel, wenn es um körperliche Ausscheidungen geht. Angst, wenn es sich um den Tod handelt. Neid beim Vergleich der Penisgröße. Scham, wenn es im Intimbereich juckt und brennt. Na, fühlen Sie sich ertappt? Auch wenn wir heute in einer Gesellschaft leben, die nicht müde wird zu betonen, dass für sie gar keine mehr existieren, gibt es sie immer noch zur Genüge: Tabuthemen. Meist fristen sie ein Dasein ohne große Erklärung, sondern basieren häufig auf dem seit der Kindheit vertrauten, peinlich berührten „Darüber spricht man nicht“. Damit ist jetzt Schluss – zumindest in dieser Lektüre. Wir laden Sie dazu ein, die Tabuzone tatsächlich und ohne komische Gefühle zu verlassen, indem wir aufklären, kein Blatt vor den Mund nehmen und vor allem zeigen, warum es für uns alle wichtig ist, über Tabuthemen zu sprechen.

Herzlich willkommen in der Tabuzone! Lassen Sie uns über Dinge sprechen, die bei vielen Menschen ein unangenehmes Gefühl auslösen. Zum Beispiel Ekel, wenn es um körperliche Ausscheidungen geht. Angst, wenn es sich um den Tod handelt. Neid beim Vergleich der Penisgröße. Scham, wenn es im Intimbereich juckt und brennt. Na, fühlen Sie sich ertappt? Auch wenn wir heute in einer Gesellschaft leben, die nicht müde wird zu betonen, dass für sie gar keine mehr existieren, gibt es sie immer noch zur Genüge: Tabuthemen. Meist fristen sie ein Dasein ohne große Erklärung, sondern basieren häufig auf dem seit der Kindheit vertrauten, peinlich berührten „Darüber spricht man nicht“. Damit ist jetzt Schluss – zumindest in dieser Lektüre.
Wir laden Sie dazu ein, die Tabuzone tatsächlich und ohne komische Gefühle zu verlassen, indem wir aufklären, kein Blatt vor den Mund nehmen und vor allem zeigen, warum es für uns alle wichtig ist, über Tabuthemen zu sprechen.

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Vom Schatten ins Licht<br />

LEITARTIKEL | VON NADINE EFFERT<br />

Fakt <strong>ist</strong>: Es gibt <strong>Tabu</strong>themen. Über sie sprechen?<br />

In der Regel schwierig. Dabei <strong>ist</strong> ein<br />

Sichtbarmachen von <strong>Tabu</strong>s nötig <strong>–</strong> zugunsten<br />

einer Normalisierung und um mit alten Regeln<br />

brechen zu können. Welches sind die <strong>Tabu</strong>themen<br />

der Deutschen? Und findet heutzutage<br />

ein offenerer Austausch über Intimes statt?<br />

Antworten darauf hat eine aktuelle repräsentative<br />

Studie gefunden.<br />

Bei <strong>Tabu</strong>s geht es nicht wie im gleichnamigen<br />

Gesellschaftsspiel um das Vermeiden von<br />

einzelnen Wörtern, sondern um ganze Themen,<br />

und zwar me<strong>ist</strong> ernste. Ob Frust im Bett,<br />

Geldsorgen, Tod, Regretting Motherhood, Missbrauch<br />

oder schwere Krankheiten <strong>–</strong> die L<strong>ist</strong>e <strong>ist</strong><br />

lang, und sie wird gefühlt nicht kürzer. Von einer<br />

enttabuisierten Gesellschaft sind wir auch hierzulande<br />

noch weit entfernt. Laut einer aktuellen<br />

„BRIGITTE”-Studie, bei der im Januar 2022<br />

Die me<strong>ist</strong>en Deutschen<br />

wünschen sich einen offeneren<br />

Umgang mit <strong>Tabu</strong>s.<br />

insgesamt 1.000 deutschsprachige Personen<br />

zwischen 16 und 75 Jahren befragt worden sind,<br />

gibt es bei 68 Prozent der Frauen und Männer<br />

mindestens ein <strong>Tabu</strong>thema, über welches sie mit<br />

niemandem sprechen. Die Top drei der „Shhh“-<br />

Themen sind dabei: Sexualleben, Unzufriedenheit<br />

mit dem Körper und Schönheits-OPs.<br />

Gemachte No-Gos<br />

<strong>Tabu</strong>s gab es schon immer, in jeder Epoche,<br />

Kultur und Gesellschaft <strong>–</strong> und es wird sie wohl<br />

auch immer geben. <strong>Tabu</strong>themen sind das Unaussprechbare,<br />

das Anstößige, und gerade deshalb<br />

üben sie eine fast magische Anziehung auf<br />

uns aus. Sie polarisieren, empören und sind<br />

ständig im Wandel. Wo alte <strong>Tabu</strong>s verschwinden,<br />

tauchen neue auf. Oder sie werden forciert,<br />

etwa durch die Politik, wie das im März 2022<br />

vom Senat des US-Bundesstaates Florida verabschiedete,<br />

umstrittene Gesetz zum Verbot der<br />

Themen sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität<br />

im lehrplanmäßigen Unterricht bis zur<br />

dritten Klasse zeigt. Die Prägung in der Kindheit,<br />

worüber man spricht und worüber nicht, darf<br />

nicht unterschätzt werden. Wer kannte ihn als<br />

Kind oder Teenager nicht, diesen Zustand zwischen<br />

<strong>Tabu</strong> und Neugier? Letztere führte nicht<br />

selten zu den versteckten Pornoheften unter<br />

dem Elternbett <strong>–</strong> und einem roten Kopf. Es gibt<br />

aber auch politische Entscheidungen, die dafür<br />

gefeiert werden, endlich mit <strong>Tabu</strong>s zu brechen.<br />

Beispiel: die Einführung eines Menstruationsurlaubs<br />

in Spanien <strong>–</strong> wobei Frauen mit starken<br />

Regelbeschwerden sich sicherlich nicht wie im<br />

Urlaub fühlen. Über die Begrifflichkeit der Maßnahme<br />

könnte man also diskutieren.<br />

Let’s talk about ...<br />

Apropos diskutieren. Damit bestimmte Themen<br />

enttabuisiert werden, muss man über sie sprechen,<br />

auch kontrovers. Dies erzeugt im Idealfall<br />

mehr Akzeptanz und Verständnis. Aufklärung <strong>ist</strong><br />

das A und O. Der Ansatz von Konrad Adenauer,<br />

dem ersten Bundeskanzler, der einst sagte: „Es<br />

iStock / Harbucks<br />

gibt Dinge, über die spreche ich nicht einmal mit<br />

mir selbst“, <strong>ist</strong> der falsche. Dieser Meinung sind<br />

auch die Befragten aus der „BRIGITTE”-Studie,<br />

denn 67 Prozent der Frauen und 63 Prozent der<br />

Männer sagen, dass es ihnen sehr hilft, mit anderen<br />

offen über intime oder persönliche Themen<br />

zu sprechen.<br />

Beim öffentlichen Umgang und Diskurs mit<br />

<strong>Tabu</strong>themen geht es auch darum, Betroffenen<br />

aufzuzeigen, dass sie mit ihren Emotionen und<br />

Beschwerden nicht allein sind. Schamgefühle<br />

spielen bei <strong>Tabu</strong>themen eine große Rolle. Sie<br />

sind der Grund, warum selbst in der Familie oder<br />

unter Freunden geschwiegen wird <strong>–</strong> oder im Fall<br />

von körperlichen und psychischen Beschwerden<br />

keine Arztpraxis aufgesucht wird.<br />

Folgen des Schweigens<br />

Dies kann fatale Folgen haben, zum Beispiel<br />

wenn um die eigene Sexualität ein Mantel des<br />

Schweigens gebreitet wird. „Sexuelle Probleme<br />

führen oft zu einer geringeren Lebenserwartung<br />

und Partnerschaftsqualität, erhöhter Depressivität<br />

und allgemeiner Unzufriedenheit“, heißt es im<br />

Männergesundheitsbericht der Stiftung Männergesundheit.<br />

Ob Männer mit Erektionsproblemen<br />

oder Frauen mit zu großen schmerzenden<br />

Schamlippen <strong>–</strong> Betroffenen braucht es nicht<br />

peinlich zu sein, ärztlichen Rat zu suchen. Denn<br />

Fakt <strong>ist</strong>: Man <strong>ist</strong> nie ein Einzelfall. Und die Chance<br />

auf ein freies, erfülltes oder auch beschwerdefreies<br />

Leben <strong>ist</strong> doch sehr verlockend, oder?<br />

Noch Luft nach oben<br />

Die gute Nachricht: Es <strong>ist</strong> <strong>–</strong> zumindest bei manchen<br />

Themen <strong>–</strong> ein tendenziell lockererer Umgang<br />

auszumachen. 89 Prozent der Frauen und<br />

85 Prozent der Männer sind der Meinung, dass<br />

über Themen wie Sexualität, psychische Probleme<br />

oder die finanzielle Situation heute offener<br />

gesprochen wird als vor zehn Jahren <strong>–</strong> so ein<br />

weiteres Ergebnis aus der „BRIGITTE”-Studie,<br />

welche übrigens den Titel „Die neue Offenheit“<br />

trägt. Gleichzeitig würden es rund zwei Drittel<br />

der Befragten bevorzugen, wenn die Menschen<br />

noch mehr über Intimes miteinander sprechen<br />

würden. Je mehr man über <strong>Tabu</strong>s spricht und<br />

das Thema vom Schatten ins Licht rückt, desto<br />

mehr trägt man zu einer Enttabuisierung bei <strong>–</strong><br />

für sich selbst, aber auch für viele andere! <br />

3<br />

Weitere Informationen unter www.reflex-portal.de<br />

Innovationen schneller einführen<br />

Gastbeitrag<br />

Medizintechnologien bringen<br />

lebensrettende Therapien und<br />

mehr Lebensqualität. Allerdings<br />

müssen Innovationen schneller<br />

zugänglich gemacht werden, fordert<br />

Dr. Marc-Pierre Möll, Geschäftsführer<br />

Bundesverband<br />

Medizintechnologie (BVMed).<br />

Die Welt der Medizintechnologien<br />

<strong>ist</strong> faszinierend: Kardiologische Implantate<br />

stärken schwache Herzen.<br />

Hygieneprodukte und Impfausrüstung<br />

helfen bei der Bekämpfung<br />

von Pandemien. Medizinische<br />

Hilfsmittel wie Inkontinenz- oder<br />

Stoma-Produkte unterstützen bei<br />

tabuisierten chronischen Erkrankungen<br />

und ermöglichen den Betroffenen<br />

wieder die Teilhabe am<br />

sozialen Leben.<br />

Die schnellere Einführung medizintechnischer<br />

Innovationen in den<br />

Gesundheitsmarkt hat auch ökonomische<br />

Vorteile: Neue Untersuchungs-<br />

und Behandlungsmethoden<br />

führen zu einer Reduzierung<br />

von Fehlzeiten und verkürzen die<br />

Genesungszeiten der Erkrankten,<br />

sodass sie schneller wieder am gesellschaftlichen<br />

Leben teilnehmen<br />

und an den Arbeitsplatz zurückkehren<br />

können.<br />

Was den Einsatz von Innovationen<br />

der Medizintechnologie oft erschwert:<br />

die me<strong>ist</strong> höheren Initial-<br />

kosten werden isoliert betrachtet,<br />

nicht jedoch die Nutzen- und Kosteneffekte<br />

über den Gesamtverlauf<br />

einer Behandlung oder Krankheit.<br />

Deshalb müssen die langfr<strong>ist</strong>igen<br />

Einsparpotenziale durch moderne<br />

MedTech-Verfahren in die Überlegungen<br />

und in die Kostenübernahme<br />

medizintechnologischer<br />

Produkte einbezogen werden.<br />

Der BVMed wirbt deshalb für eine<br />

„Gesamtbetrachtung von Behandlungsprozessen”.<br />

Das nennen wir<br />

„Value-based Healthcare“.

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