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procontra Ausgabe 04-2022 Preview

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August / September <strong>2022</strong> – D: 4,80 € • I: 6,50 € • E: 6,50 €<br />

Das freie Finanzmagazin<br />

Zinswende<br />

Die Lebensversicherer<br />

erwachen zu neuem Leben<br />

Betriebliche Pflege<br />

Führt der Weg über den Chef<br />

zur höheren Verbreitung der<br />

Pflegeversicherung?<br />

Klau am Bau<br />

Lieferengpässe und steigende<br />

Rohstoffpreise erfordern Absicherung<br />

von Bauvorhaben<br />

ESG-Präferenzabfrage<br />

Warum der grüne Start<br />

holpert und was Vermittler<br />

jetzt beachten müssen


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EDITORIAL<br />

Lebensversicherer<br />

bejubeln Zinswende<br />

pro Endlich! Die EZB ist vernünftig geworden und dreht wieder an der<br />

Zinsschraube. In die richtige Richtung, wohlgemerkt. Um satte – und für<br />

viele auch überraschende – 50 Basispunkte im ersten Schritt, da es die hohe<br />

Inflation erforderte. Für die deutschen Lebensversicherer ist es ein Segen, in<br />

vielerlei Hinsicht. Erstens: Die Solvenzquoten steigen. Bereits Ende 2021 lagen<br />

sie im Schnitt bei 250 Prozent, die Finanzaufsicht verlangt mindestens<br />

100 Prozent. Zweitens: die Zinszusatzreserve. Sie ist weitestgehend ausfinanziert<br />

und steht den Anbietern immer mehr als Ertragsquelle zur Verfügung.<br />

Drittens: die Kapitalanlage. Endlich können wieder festverzinsliche Coupons<br />

eingekauft werden, die oberhalb der Garantien im Bestand liegen. Die Zinswende<br />

ist ein wahrer Segen für die Branche.<br />

contra Bitte mal kurz die rosarote Zinsbrille absetzen. Dann ist der<br />

Blick auch frei auf die Herausforderungen, die diese und weitere Zinserhöhungen<br />

mitbringen werden. Erstens: schmelzende Bewertungsreserven. In der<br />

Neuanlage sind jetzt zwar höhere Coupons möglich, der Bestand ächzt jedoch<br />

darunter. Er ist niedrig verzinst und verliert an Attraktivität im Vergleich<br />

zur Neuanlage. Die Folge: Die Kurswerte der festverzinslichen Wertpapiere<br />

sinken, aus stillen Reserven werden jetzt stille Lasten. Zweitens: das<br />

Neugeschäft. Viele Lebensversicherer lockten mit Einmalbeiträgen Kunden,<br />

die lediglich dem Strafzins entgehen wollten. Der fällt bei Banken jetzt zunehmend<br />

weg und wird Anbieter unter Druck setzen, bei denen Einmalbeiträge<br />

einen besonders hohen Anteil am Neugeschäft ausmachen. Fehlt kompensierendes<br />

Neugeschäft, werden die Kostenquoten steigen. Die Zinswende hat<br />

neben dem Segen eben auch neue Herausforderungen im Gepäck.<br />

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Matthias Hundt<br />

Chefredakteur<br />

<strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22<br />

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<strong>procontra</strong> Inhaltsverzeichnis<br />

INHALT<br />

18<br />

Zinswende küsst die Branche wach<br />

Welche positiven und negativen<br />

Folgen die Zinserhöhung für die<br />

Lebensversicherer nun hat.<br />

Klau am Bau<br />

Diebe nehmen Baustellen vermehrt<br />

ins Visier. Wie sich Material<br />

und Lager absichern lassen.<br />

50<br />

Grüner Fehlstart?!<br />

Fehlende Standards erschweren<br />

die neue Pflicht zur Abfrage<br />

der ESG-Präferenzen.<br />

74<br />

76<br />

Der junge Makler und das Meer<br />

<strong>procontra</strong> stach in See – mit<br />

jeder Menge Fragen an Timo<br />

Vierow, der sich auf Taucher<br />

spezialisiert hat.<br />

4 <strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22


Inhaltsverzeichnis <strong>procontra</strong><br />

PANORAMA<br />

13 7 Tipps erfolgreicher Investoren<br />

Dr. Hans-Jörg Naumer über Wege,<br />

in Ruhe und Gelassenheit Kapital<br />

aufzubauen<br />

INVESTMENTFONDS<br />

32 Buschfunk<br />

34 »Angst führt zu Handlungsdruck«<br />

Wie Stimmungsbilder die<br />

Bewegungen am Markt beeinflussen,<br />

es aber nicht sollten. Dazu<br />

sprach <strong>procontra</strong> mit Manfred<br />

Hübner von der Sentix GmbH.<br />

VERSICHERUNGEN<br />

46 Buschfunk<br />

48 »Versicherer verkennen das<br />

Cyberpotenzial« Prof. Dr. Michael<br />

Fortmann von der TH in Köln über<br />

Hemmnisse in der Verbreitung eines<br />

privaten Cyberschutzes<br />

38 Im Zweifel für den Index In<br />

unsicheren Zeiten strömen Gelder<br />

vermehrt in Passivprodukte. Welche<br />

Vorteile dann zum Tragen kommen<br />

14 Panorama Fakten für Vertrieb<br />

und Stammtisch<br />

16 Leserbriefe<br />

TITEL<br />

18 Zinswende küsst die Branche<br />

wach Erleichtert blickten die Lebensversicherer<br />

auf die erste Zinserhöhung<br />

seit über zehn Jahren.<br />

Während sich die Solvenzlage und<br />

der Finanzierungsdruck zur Zinszusatzreserve<br />

nun deutlich bessern,<br />

entstehen aber auch neue Herausforderungen<br />

in der Kapitalanlage.<br />

40 Verlockende Falle?! Rohstoffinvestments<br />

stellen einerseits aktuell<br />

hohe Renditen in Aussicht, erfüllen<br />

andererseits nicht immer den allgemeinen<br />

Wunsch nach Nachhaltigkeit<br />

– was also tun?<br />

50 Klau am Bau Durch Lieferengpässe<br />

und Rohstoffrallye lagern auf Baustellen<br />

echte Vermögenswerte. Wie<br />

sich Baustellen (gegen Langfinger)<br />

absichern lassen<br />

54 Gutes Rad ist teuer Effizienter<br />

Schutz für E-Bike, Pedelec & Co.<br />

56 Tierisch gut versichert?! Der<br />

Markt für Haustiere ist seit Corona<br />

deutlich gewachsen und öffnet eine<br />

emotionale Tür zum Kunden.<br />

»Die Erzielung<br />

einer angemessenen<br />

Nettoverzinsung wird<br />

uns bis zu Beginn<br />

des nächsten Jahres<br />

herausfordern.«<br />

EBERHARD SAUTTER<br />

HanseMerkur<br />

44 Social Media im Depot Der Hype<br />

um soziale Netzwerke hat auch<br />

die Fondsindustrie erreicht. Was<br />

die Produkte können und welche<br />

Risiken lauern<br />

60 Betrieb als Knotenlöser?! Pflegezusatzvorsorge<br />

ist insgesamt ein<br />

Ladenhüter – was der Weg über den<br />

Chef bewirken könnte.<br />

<strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22<br />

5


<strong>procontra</strong> Inhaltsverzeichnis<br />

BERATER<br />

68 Buschfunk<br />

70 So ist’s Recht Urteile und Rechtsprechungen,<br />

die Makler kennen<br />

sollten<br />

72 »Es darf keinen Provisionsrichtwert<br />

geben« Votum-<br />

Vorstand Martin Klein mit wenig<br />

Verständnis für den erneuten<br />

BaFin-Vorschlag, Vergütungen zu<br />

regulieren<br />

SACHWERTE<br />

88 Buschfunk<br />

90 »Kunstsammler ticken sehr unterschiedlich«<br />

Makler Dr. Stephan<br />

Zilkens über die Eigenheiten der<br />

Kunstszene<br />

92 Renaissance der Bausparkassen?<br />

Der Klimawandel und steigende<br />

Zinsen verleihen Bausparverträgen<br />

eine neue Attraktivität.<br />

RUBRIKEN<br />

3 Editorial<br />

8 Firmen- und<br />

Personenverzeichnis<br />

8 Impressum<br />

98 Privat gefragt<br />

Steckbrief von Justus Lücke,<br />

Geschäftsführer Versicherungsforen<br />

Leipzig<br />

74 Grüner Fehlstart?! Die Abfrage der<br />

Nachhaltigkeitspräferenzen ist seit<br />

Anfang August verpflichtend. Fehlende<br />

Standards lassen den Start<br />

jedoch stottern.<br />

96 Von Grund auf erneuert Die<br />

Grundsteuerreform fordert Eigentümer<br />

zum Handeln. Was sich ändert<br />

und welche Fristen jetzt einzuhalten<br />

sind<br />

»Versicherungen<br />

werden sich stärker<br />

in den Alltag<br />

integrieren.«<br />

JUSTUS LÜCKE<br />

Versicherungsforen Leipzig<br />

76 Der junge Makler und das Meer<br />

Spezialisiert auf Taucher und engagiert<br />

im Umweltschutz – Versicherungsmakler<br />

Timo Vierow nahm<br />

<strong>procontra</strong> mit auf hohe See.<br />

82 Fressen oder gefressen werden<br />

Reges Treiben unter den Maklerpools,<br />

um sich für die Zukunft zu<br />

wappnen<br />

6 <strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22


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PANORAMA Leserbriefe<br />

KOMMENTIERT<br />

»Hier läuft einiges schief«<br />

Seit etlichen Jahren belegen Versicherungsvertreter<br />

den letzten Platz in der Berufsgruppenrangliste<br />

des dbb beamtenbunds - so<br />

auch in diesem Jahr. Nur 8 Prozent von über<br />

2.000 Befragten attestieren dieser Zunft<br />

ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Bei<br />

Feuerwehrleuten auf dem ersten Platz sind<br />

es dagegen 94 Prozent. Auch wenn dabei<br />

das Ansehen von Versicherungsmaklern<br />

nicht explizit abgefragt wurde, erzürnte das<br />

Ergebnis doch die Gemüter einiger <strong>procontra</strong>-Leser.<br />

Gähn, wenn ein Schaden innerhalb von<br />

wenigen Tagen reguliert wird, dann ist alles<br />

wieder gut. Es kommt auf den Menschen<br />

und seine Arbeitsweise im Beruf an.<br />

MARTHA UNTERSTAB<br />

via Facebook<br />

34D ODER 34F – WONACH SOLL ICH DEN KUNDEN BERATEN?<br />

Die ESG-Präferenzabfrage entzweit die Vermittler.<br />

Wenn so eine Umfrage überhaupt etwas<br />

aussagt, ist es für mich nicht der schlechte<br />

Ruf unserer Branche (sind wir ja gewohnt),<br />

sondern von Unternehmern allgemein. Das<br />

sind doch eigentlich die, die mit ihrem täglichen<br />

Einsatz das Volk, das hier abstimmt,<br />

ernährt. Hier läuft einiges schief.<br />

STEPHAN HECKER<br />

via Facebook<br />

»Das Geld lieber in die Tilgung stecken«<br />

Die Zinsen steigen wieder, und als eine der<br />

Folgen erhalten Bausparkassen wieder mehr<br />

Kundenzulauf – neben Baudarlehen steigt<br />

auch die Nachfrage nach energetischen<br />

Sanierungen. „Bausparverträge stellen eine<br />

hervorragende Option dar, um zeitnah Planungssicherheit<br />

zu schaffen“, sagt Jürgen<br />

Ertel, Regionalleiter beim Baufinanzierungsspezialisten<br />

Baufi24. Doch das sieht nicht<br />

jeder so.<br />

Der Bausparvertrag suggeriert eine Zinssicherheit,<br />

die gegebenenfalls gar nicht<br />

vorhanden ist. Hätte man nun, anstatt den<br />

Bausparer zu besparen, das Geld lieber<br />

monatlich in die Tilgung gesteckt, dann<br />

wäre immerhin die Restschuld niedriger und<br />

damit der Schaden durch einen gegebenenfalls<br />

höheren Anschlusszins geringer.<br />

VOLKER JESCHKE<br />

via Facebook<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

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Promi-Schlammschlacht beschäftigt auch Versicherer<br />

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VERSICHERUNGSBETRUG<br />

Mehr Fälle durch hohe Inflation?<br />

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»Wefox mehr als 4 Milliarden wert«<br />

Das Berliner InsurTech Wefox konnte vor<br />

Kurzem weitere 400 Millionen US-Dollar von<br />

Investoren einsammeln und ist damit (Stand:<br />

Juli <strong>2022</strong>) 4,5 Milliarden US-Dollar wert. Eine<br />

Größenordnung, die unter <strong>procontra</strong>-Lesern<br />

die verschiedensten Reaktionen hervorrief.<br />

Was genau macht dieses Unternehmen so<br />

wertvoll?<br />

TIM WOLFF<br />

via Facebook<br />

Dass die Investoren in ein paar Jahren das<br />

Zehnfache von ihrem Investment zurückerwarten.<br />

Ist doch ganz einfach. Wie bei allen<br />

Start-ups.<br />

JANN EGLI-HEHL<br />

via Facebook<br />

Mal sehen, wie lange diese Wette hält. So<br />

lange aber alles Gute ...<br />

NILS FISCHER<br />

via Facebook<br />

Wirecard 2.0<br />

ALEXANDER TASCH<br />

via Facebook<br />

16 Illustration: Jakob Bettin


Leserbriefe PANORAMA<br />

»Wichtiger denn je«<br />

Der Gesamtbestand an Riester-Verträgen<br />

war auch im Jahr <strong>2022</strong> rückläufig. Zudem ist<br />

eine Trendumkehr nicht in Sicht.<br />

Solange im Rentenausschuss Leute sitzen,<br />

für die Versicherer Verbrecher sind, kommt<br />

da nichts mehr. Auch die doppelte Förderung<br />

ist nicht mehr gewünscht. Dabei ist die<br />

kapitalgedeckte Altersvorsorge wichtiger<br />

denn je, wenn man bedenkt, dass 2030 die<br />

doppelte Haltelinie fällt. Hätte man doch<br />

nur eine Dienstleistungsindustrie, die hier<br />

Abhilfe schaffen könnte ...<br />

BJÖRN BAUER<br />

via Facebook<br />

»Bundesregierung verschläft PEPP«<br />

„Es macht keinen Sinn, ein System weiterzufahren,<br />

das seit 20 Jahren nicht funktioniert“,<br />

sagte Dorothea Mohn, Teamleiterin<br />

Finanzen beim Verbraucherzentrale Bundesverband,<br />

kürzlich im <strong>procontra</strong>-Interview mit<br />

Blick auf das System der privaten Altersvorsorge<br />

im Allgemeinen und der Riester-Rente<br />

im Speziellen. Die Verbraucherschützer werden<br />

dabei nicht müde, auf ihren Vorschlag<br />

der „Extrarente“ zu verweisen.<br />

Die „Experten“ sind wieder mal überhaupt<br />

nicht im Bilde. Es gibt bereits ein neues und<br />

auch kostengünstiges Produkt, nämlich die<br />

bereits verabschiedete Europarente PEPP.<br />

Leider schläft unsere Bundesregierung mal<br />

»Ein Bärendienst für<br />

das Vertrauen in die<br />

Branche.«<br />

JOHANNES PAULUS, VIA FACEBOOK, ZUM AXA-RUN-OFF<br />

wieder, weil dieses Produkt nur dann Sinn<br />

macht, wenn es steuerlich gefördert wird<br />

(ähnlich wie Riester bzw. Rürup). Aufgrund<br />

vieler anderer – offensichtlich wichtigerer –<br />

Aufgaben konnte man sich darum aber nicht<br />

kümmern, und somit gibt es bis heute in<br />

Deutschland noch keine Anbieter.<br />

ULLI MAR<br />

via Facebook<br />

»Kleinlein verlässt BdV«<br />

Ende September wird Axel Kleinlein sein Amt<br />

als Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten<br />

abgeben. Als lautstarker Kritiker<br />

der Lebensversicherer hatte er in den elf<br />

Jahren an der BdV-Spitze auch immer wieder<br />

die Vermittler gegen sich aufgebracht.<br />

Entsprechend unsanft fielen die meisten<br />

Abschiedsgrüße an ihn aus.<br />

Und es gibt sie doch noch, die guten Nachrichten.<br />

NORBERT GENTSCH<br />

via Facebook<br />

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17


TITEL LV-Bilanzanalyse<br />

18 Illustration: Eleonora Mavromati


LV-Bilanzanalyse TITEL<br />

ZINSWENDE KÜSST<br />

DIE BRANCHE WACH<br />

Die Zinserhöhung erleichtert die Lebensversicherer und<br />

stellt sie zugleich vor neue Herausforderungen in der Kapitalanlage.<br />

Was auf die Branche zukommt und wie Vermittler sich orientieren können<br />

– TEXT: MATTHIAS HUNDT –<br />

Die Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank<br />

(EZB) im Juli dieses Jahres läutete<br />

die lang ersehnte Zinswende ein.<br />

Dabei überraschte sie sogar mit einem<br />

ersten Schritt von 50 statt der bis zuletzt<br />

erwarteten 25 Basispunkte. In jedem Fall<br />

richtungsweisend. Gleichzeitig versprach<br />

EZB-Präsidentin Christine Lagarde „die<br />

Geldpolitik wieder normalisieren“ zu wollen.<br />

Experten hatten erst für September mit<br />

einer Erhöhung um 50 Basispunkte gerechnet.<br />

Noch im Mai sagte Lagarde den EU-<br />

Abgeordneten: „Wenn die mittelfristigen<br />

Inflationsaussichten bestehen bleiben oder<br />

sich verschlechtern, wird bei unserer Septembersitzung<br />

eine größere Erhöhung angemessen<br />

sein.“ Dieser Schritt wurde nun in<br />

den Juli vorverlegt. Auch weil die Inflation<br />

im Euroraum im Juni <strong>2022</strong> auf mittlerweile<br />

durchschnittlich 8,6 Prozent anstieg. Im<br />

Mai 2021 lag sie noch bei 2 Prozent und<br />

damit auf dem Niveau, das die EZB eigentlich<br />

dauerhaft gewährleisten muss.<br />

Das Normalniveau stellt sie jedoch erst für<br />

2024 wieder in Aussicht.<br />

Für Dr. Guido Bader, Past President der<br />

Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), ist<br />

die Zinserhöhung zwar ein erster wichtiger<br />

Schritt, aber noch lange nicht ausreichend,<br />

um die Inflation wieder in den Griff<br />

zu bekommen: „Es ist ein erstes Signal.<br />

Allerdings implizieren die Kapitalmärkte<br />

derzeit bereits eine Zinserhöhung in Europa<br />

von weit über 1 Prozent. Ich gehe davon<br />

aus, dass auch die nächste Erhöhung<br />

im September mindestens 50 Basispunkte<br />

betragen wird und wir bis Ende des Jahres<br />

einen Leitzins von deutlich über 1 Prozent<br />

sehen.“ Folgt die EZB der amerikanischen<br />

Notenbank (Fed), könnte der Leitzins noch<br />

schneller steigen als erwartet. Die Fed hob<br />

<strong>2022</strong> bereits mehrfach die Zinsen an, zuletzt<br />

zweimal um 75 Basispunkte – die<br />

größte Zinserhöhung seit fast 40 Jahren.<br />

Die Zinsspanne liegt in den USA schon zwischen<br />

2,25 und 2,5 Prozent.<br />

LV-PROBLEME VERSCHIEBEN SICH<br />

Von einer „lang ersehnten“ Zinswende<br />

dürften auch die deutschen Lebensversicherer<br />

sprechen. Immerhin wurde jahrelang<br />

deren prekäre Lage aufgrund anhaltend<br />

niedriger Zinsen beschrieben. Grenzenlosen<br />

Jubel hört man dennoch nicht. Denn<br />

die Notenbanken beeinflussen die Zinskurve<br />

zunächst nur am kurzen Ende. „Man<br />

kann es den Lebensversicherern nie ganz<br />

recht machen“, scherzt Bader. Was er<br />

meint, sind zwei Effekte, die sich nun in den<br />

Bilanzen und Kennzahlen der Anbieter umkehren.<br />

Zum einen sinken die Bewertungsreserven.<br />

Diese waren zuletzt bis auf rund<br />

200 Milliarden Euro angestiegen (2020).<br />

Bei den Lebensversicherern im <strong>procontra</strong>-<br />

LV-Check war mit einer Reservequote<br />

BEWERTUNGSRESERVEN STIEGEN RASANT …<br />

… mit der Zinswende beginnt die Schmelze.<br />

Bewertungsreserven Reservequote<br />

in Mrd. Euro in %<br />

250 25<br />

200 20<br />

150 15<br />

100 10<br />

50 5<br />

0 0<br />

2017 2018 2019 2020 2021<br />

Lebensversicherer<br />

Reservequote<br />

1 Inter 25,6 %<br />

2 LV 1871 25,3 %<br />

3 Delta Direkt 25,2 %<br />

4 Öffentliche Braunschweig 24,0 %<br />

5 Allianz 20,5 %<br />

6 Ideal 20,3 %<br />

7 Öffentliche Sachsen-Anhalt 19,5 %<br />

8 Provinzial Hannover 18,0 %<br />

Markt 15,3 %<br />

Quelle: <strong>procontra</strong>-LV-Check <strong>2022</strong>_Datenbasis: Geschäftsberichte 2021<br />

<strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22<br />

19


TITEL LV-Bilanzanalyse<br />

von 21,4 Prozent also ein dickes Polster<br />

vorhanden, um notwendige Erträge zu realisieren.<br />

Diese Reserven gingen bereits im<br />

vergangenen Geschäftsjahr spürbar zurück<br />

(siehe Grafik Seite 19).<br />

Durch die aktuelle Zinserhöhung wird<br />

die Neuanlage nun noch attraktiver. Die<br />

Lebensversicherer haben allerdings jede<br />

Menge Zinspapiere in den Büchern, die<br />

noch lange laufen und wenig abwerfen.<br />

Während also der Bestand festverzinsliche<br />

Coupons von nur 0,5 oder 1 Prozent ausweist,<br />

sind in der Neuanlage aktuell schon<br />

2 bis 3 Prozent möglich. Logische Folge:<br />

Der Kurswert im Bestand geht zurück, die<br />

Bewertungsreserven schmelzen. Aus stillen<br />

Reserven werden stille Lasten. Auch wenn<br />

sich diese bei festverzinslichen Wertpapieren<br />

– ebenso wie stille Reserven – zum<br />

Laufzeitende automatisch auflösen, wird es<br />

die Lebensversicherer noch ein paar Jahre<br />

herausfordern. „Solange keine Papiere, aufgrund<br />

von Downgrades durch Ratingagenturen,<br />

abgeschrieben werden müssen, können<br />

die stillen Lasten einfach ausgesessen<br />

werden“, beruhigt Bader.<br />

Bis dahin überwiegt der andere Effekt<br />

– steigende Solvenzquoten. Die hohe Zinssensibilität<br />

der Kapitalanlagebestände war<br />

bislang problematisch, da aus niedrigen<br />

Zinsen auch niedrige Solvenzquoten resultierten.<br />

Das kehrt sich nun um. „Die Solvenzquoten<br />

sind bereits seit 2021 deutlich<br />

angestiegen und werden ihren Positivtrend<br />

auch <strong>2022</strong> fortsetzen“, prognostiziert Lars<br />

Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung<br />

bei Assekurata. Er fügt an, dass<br />

sich durch diese Wende auch das Hauptaugenmerk<br />

im Rating wieder von Solvency II<br />

auf die HGB-Situation rund um die stillen<br />

Lasten verlagere, wo steigende Zinsen belastend<br />

wirken. Die Solvenzquoten lagen<br />

Ende 2021, ohne Übergangsmaßnahmen,<br />

im Schnitt bereits bei 250 Prozentpunkten.<br />

Ein Wert von etwa 300 Prozent wird für<br />

Ende <strong>2022</strong> erwartet, je nachdem, wie hoch<br />

der nächste Zinsschritt ausfällt.<br />

Zwar verringert sich durch die Abnahme<br />

der stillen Reserven die Manövriermasse<br />

der Lebensversicherer, dennoch ist die<br />

Zins er hö hung ein deutlicher Segen. Gerade<br />

mittel- bis langfristig überwiegt daher die<br />

Erleichterung bei den Anbietern. Immerhin<br />

können sie nun endlich wieder festverzinsliche<br />

Wertpapiere einkaufen, deren<br />

Coupons oberhalb des durchschnittlichen<br />

Garantieniveaus im Bestand liegen. „Aus<br />

»Die Solvenzquoten<br />

sind bereits seit 2021<br />

deutlich angestiegen<br />

und werden ihren<br />

Positivtrend auch<br />

<strong>2022</strong> fortsetzen.«<br />

LARS HEERMANN, ASSEKURATA<br />

Unternehmenssicht ist die Zinswende zunächst<br />

sehr erfreulich, insbesondere als<br />

positiver Impuls für rentierliche Altersvorsorgestrategien“,<br />

meint etwa Dr. Immo<br />

Dehnert, Leiter Kommunikation und<br />

Pressesprecher der W&W-Gruppe, für die<br />

Württembergische Lebensversicherung.<br />

Dehnert hegt auch die Hoffnung, dass bei<br />

einer Stabilisierung des Zinsumfelds die<br />

Überschussbeteiligungen für die Kunden<br />

mittelfristig wieder steigen könnten.<br />

KAPITALANLAGE WEITERHIN SCHWIERIG<br />

Eberhard Sautter, Vorstandsvorsitzender<br />

der HanseMerkur, sieht ebenfalls vorrangig<br />

positive Effekte, weist aber auch auf<br />

die Herausforderungen in der Kapitalanlage<br />

hin: „Lebensversicherer sind langfristig<br />

orientierte Anleger. Daher sind die Marktwerte<br />

der festverzinslichen Wertpapiere im<br />

Bestand aktuell unter Druck geraten, was<br />

die Renditeziele unmittelbar beeinflusst.<br />

Auch für uns ist die Erzielung einer angemessenen<br />

Nettoverzinsung eine große Herausforderung,<br />

die sich bis zu Beginn des<br />

nächsten Jahres noch fortsetzen wird.“<br />

Die Herausforderung begründet sich vor<br />

allem in der Struktur der Kapitalanlagen.<br />

Laut Assekurata schlummert der Großteil<br />

der Kapitalanlagen der Lebensversicherer<br />

weiterhin in festverzinslichen Wertpapieren.<br />

77 Prozent beträgt deren Anteil – um<br />

die Leistungsverpflichtungen sicherzustellen,<br />

überwiegend mit langen Laufzeiten<br />

und, der Vergangenheit geschuldet, niedrig<br />

verzinst.<br />

Wenn sich die Neuanlage nun aber um<br />

so viel attraktiver entwickelt, wie der<br />

Bestands cou pon, warum dann nicht einfach<br />

einen harten Cut im Bestand? Ein vorzeitiger<br />

Verkauf würde zwar Verluste realisieren,<br />

die frei werdenden Mittel könnten<br />

aber deutlich höher verzinst neu angelegt<br />

werden. Dr. Patrick Justen, Leiter Aktien,<br />

Renten und Cash bei der Alte Leipziger –<br />

Hallesche Gruppe (ALH), meint: „Im Wesentlichen<br />

käme es dann nur zu einer Verschiebung<br />

der Erträge. Realisiert man stille<br />

Reserven, so wird der zukünftige Gewinn<br />

vorgezogen, dafür sinken die laufenden Erträge.<br />

Verkauft man nun Papiere mit niedrigem<br />

Coupon, werden Verluste realisiert<br />

und die laufenden Erträge gesteigert. Bei<br />

unerwartet hohen Gewinnen, beispielsweise<br />

aus der ungeplanten Auflösung der Zinszusatzreserve,<br />

kann es aber durchaus sinnvoll<br />

sein, über eine Realisierung stiller Lasten<br />

20 <strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22


»ENDLICH MAL ’NE HAFTPFLICHT,<br />

DIE NICHT NUR SEHR GUT, SONDERN<br />

AUCH SEHR GÜNSTIG IST.«<br />

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TITEL LV-Bilanzanalyse<br />

zur Ergebnissteuerung nachzudenken.“ Der<br />

große Ausverkauf zugunsten der Neuanlage<br />

ist allerdings nicht zu erwarten, zumal<br />

er rein bilanziell wäre, ökonomisch blieben<br />

die Lebensversicherer gleich investiert. Für<br />

Sautter wäre es sogar wenig zielführend:<br />

„Aufgrund der geopolitischen Unsicherheit,<br />

steigender Inflationsraten und einer<br />

wahrscheinlich bevorstehenden Rezession<br />

sind alle Kapitalmärkte zurzeit schwerlich<br />

vorherzusehen. Ein derartiger Tausch wäre<br />

wirtschaftlich daher nicht sinnvoll.“<br />

Natürlich locken die Ertragschancen von<br />

Substanzwerten. Die von Assekurata befragten<br />

Asset-Manager der Lebensversicherer<br />

gaben an, ihre Portfolios weiter in<br />

Richtung Immobilien, Aktien, Infrastrukturprojekte<br />

oder Private Equity verlagern<br />

zu wollen. „Mittelfristig streben wir an, mit<br />

40 Prozent der Kundengelder in alternative<br />

Anlagen investiert zu sein“, bestätigt auch<br />

die Allianz auf <strong>procontra</strong>-Nachfrage. Der<br />

Fokus beim Marktführer liege dabei auf<br />

Investments, die nicht an der Börse gehandelt<br />

werden, wie Infrastruktur, erneuerbare<br />

Energien oder Finanzierungen von Gewerbeimmobilien.<br />

Die Metamorphose der Kapitalanlage<br />

im Gesamtmarkt ist allerdings ein langfristiges<br />

Umschichtungsthema. Sie muss dosiert<br />

erfolgen, um Aufsichtsvorgaben und<br />

Garantieverpflichtungen gleichermaßen zu<br />

erfüllen. Das zwingt dann auch zum Aussitzen<br />

niedrig verzinster Wertpapiere, je<br />

nachdem, wie schwer die Garantien den<br />

Bestand belas ten. Außerdem herrscht Skepsis<br />

bezüglich des Anlageumfelds. Während<br />

2021 noch über die Hälfte mit einem guten<br />

Kapitalanlagejahr rechneten, fiel dieser<br />

Wert für <strong>2022</strong> auf gerade einmal 10 Prozent<br />

(siehe Umfrageergebnisse rechts). „Die<br />

Grundstimmung unter den Kapitalanlegern<br />

ist aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen<br />

und geopolitischen Lage eher negativ,“<br />

fasst Heermann zusammen.<br />

Pandemieverlauf, Ukrainekrieg, Inflationsrekorde<br />

und eine steigende Volatilität<br />

sind viele Variablen, die unterschiedlich wirken<br />

und das Agieren an den Kapitalmärkten<br />

erschweren. Zudem könnten weitere,<br />

größere Zinsanhebungen den Druck auf<br />

Aktien und Immobilien zeitweise erhöhen.<br />

Da erscheint ein festverzinsliches – und nun<br />

auch wieder höher verzinstes – Wertpapier<br />

für den einen oder anderen Asset-Manager<br />

derzeit sogar als das attraktivste Gesamtpaket<br />

aus Risiko und Ertrag. Auch weil sich<br />

»Die Erzielung einer<br />

angemessenen Nettoverzinsung<br />

wird auch<br />

uns bis zu Beginn<br />

des nächsten Jahres<br />

herausfordern.«<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Angaben in Prozent<br />

EBERHARD SAUTTER, HANSEMERKUR<br />

der Finanzierungsbedarf zur Zinszusatzreserve<br />

verringert hat.<br />

ZINSZUSATZRESERVE AUSFINANZIERT<br />

Apropos Zinszusatzreserve. Als notwendige<br />

Maßnahme im Dauerniedrigzins umfeld<br />

müssen Lebensversicherer sie verpflichtend<br />

bilden, um ihre Garantieversprechen dauerhaft<br />

einhalten zu können. Eine enorme Belastung<br />

für die Anbieter, da die notwendigen<br />

Erträge vorrangig aus der Realisierung<br />

stiller Reserven gewonnen wurden. Diese<br />

kehren sich aber gerade in stille Lasten<br />

um, wie beschrieben. Woher kommen also<br />

künftig die Erträge zur Finanzierung der<br />

Zinszusatzreserve (ZZR)? „Wir haben den<br />

Peak der Zinszusatzreserve bereits erreicht“,<br />

erklärt Bader. Dank der Korridormethode<br />

würde der Referenzzins beim aktuellen<br />

Zinsniveau bei 1,57 Prozent verbleiben. Es<br />

gäbe also keinen Nachlaufeffekt und die<br />

ZZR würde tendenziell zurückgehen.<br />

Das bestätigt auch die Württembergische:<br />

„Aufgrund des Zinsanstiegs und bei Fortsetzung<br />

dieses Niveaus in den kommenden<br />

Monaten, wird bereits für das aktuelle Geschäftsjahr<br />

kein weiterer Aufbaubedarf bei<br />

der ZZR bestehen.“ Auch Justen von der<br />

Fortsetzung auf Seite 26<br />

»ES WIRD EIN GUTES JAHR BEZÜGLICH DER KAPITALANLAGE«?<br />

Stimmung unter Asset-Managern verschlechtert sich.<br />

stimme überhaupt<br />

nicht zu<br />

2021 <strong>2022</strong><br />

stimme eher<br />

nicht zu<br />

neutral<br />

stimme<br />

eher zu<br />

stimme<br />

voll zu<br />

Quelle: Assekurata<br />

22 <strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22


SOLIDARITÄT MIT DER UKRAINE –<br />

PROTEST GEGEN DEN KRIEG<br />

FRIEDEN SCHAFFEN OHNE WAFFEN!<br />

Die ÖKOWORLD steht in ihrem Denken und Fühlen seit Gründung<br />

für den Frieden. Selbstverständlich sind Waffen und Rüstung aus<br />

allen Investments ausgeschlossen.<br />

KEINE BLUTIGE RENDITE. KEIN BLUTIGES GELD.<br />

Fassungslos beobachten wir das Kriegstreiben, das Wladimir Putin<br />

kaltblütig und ohne jeden Verstand und ohne jegliche menschliche<br />

Regung vollzieht.<br />

Die ÖKOWORLD verurteilt das Verhalten<br />

der russischen Regierung auf das<br />

Allerschärfste! Wir investieren nicht in<br />

Aktien von russischen Unternehmen!<br />

Es wird Krieg geführt, mitten in Europa.<br />

Hunderttausende Menschen, darunter viele<br />

Frauen und Kinder, fliehen vor dem Blutvergießen<br />

und der brutalen Gewalt in ihrem Land.<br />

Sie werden gnadenlos vertrieben aus ihrer Heimat.<br />

Unser Mitgefühl ist bei allen Menschen, den Familien aus der<br />

Ukraine, die nun in Furcht und Angst leben.<br />

Wir hoffen auf eine baldige Entspannung in der Ukraine.<br />

ÖKOWORLD AG<br />

Itterpark 1, 40724 Hilden, Telefon: 02103 | 28 41-0, E-Mail: Info@oekoworld.com, www.oekoworld.com


TITEL LV-Bilanzanalyse<br />

SCHNELLE ZINSWENDE: EIN SEGEN<br />

FÜR DIE LEBENSVERSICHERER?<br />

Die EZB hat den Leitzins erhöht:<br />

Verbessert sich dadurch die Lage der<br />

deutschen Lebensversicherer? Dr.<br />

Herbert Schneidemann (Deutsche<br />

Aktuarvereinigung) und Prof. Dr. Hartmut<br />

Walz (BdV) mit konträren Ansichten<br />

Dr. Herbert Schneidemann,<br />

Vorstandsvorsitzender der<br />

Deutschen Aktuarvereinigung (DAV)<br />

Seit einigen Monaten erleben wir an den Finanzmärkten eine<br />

seit Jahren nicht mehr gesehene Entwicklung: steigende Zinsen.<br />

Getrieben vom vorsichtigen Einstieg der großen Notenbanken<br />

in den Ausstieg aus der ultralockeren Zinspolitik und damit der<br />

Ära des superbilligen Geldes klettern die Renditen auch von deutschen<br />

zehnjährigen Staatsanleihen langsam Richtung 1 Prozent.<br />

Und der für die Versicherungen wichtige zehnjährige Euro-SWAP<br />

bewegt sich zum Zeitpunkt, als diese Zeilen entstanden, zwischen<br />

1,5 und 2,0 Prozent. Wohlgemerkt im positiven Bereich – vor<br />

Jahresfrist sah das alles noch ganz anders aus. Für die Versicherungen<br />

und damit schlussendlich auch für die Kundinnen und<br />

Kunden sind das gute Nachrichten.<br />

Vor diesem Hintergrund wirken<br />

pro<br />

auch auf mich die Stimmen von einigen<br />

Ökonomen und Wissenschaftlern<br />

in großen Medien irritierend,<br />

die die angeblichen Schattenseiten<br />

des Zinsanstiegs in<br />

den Fokus rücken und<br />

den Versicherungen<br />

bereits großen Abschreibungsbedarf<br />

auf<br />

ihre Wertpapiere attestieren.<br />

Aus aktuarieller<br />

Sicht können wir<br />

diesen Alarmismus<br />

nicht teilen. Richtig<br />

ist, die Kapitalanlage<br />

der deutschen Versicherer besteht zu 80 bis 85 Prozent weiterhin<br />

aus festverzinslichen Wertpapieren. In Zeiten fallender oder sogar<br />

negativer Zinsen haben diese Kapitalanlagen große „stille Reserven“<br />

hervorgebracht. Diese werden jetzt im Zinsanstieg kleiner<br />

und haben sich in den meisten Häusern wahrscheinlich bereits in<br />

„stille Lasten“ gewandelt. Aber beides sind reine Momentaufnahmen,<br />

die für die Versicherungsnehmenden keine Konsequenzen<br />

haben. Denn üblicherweise halten die Versicherungen diese Wertpapiere<br />

bis zur Endfälligkeit, wodurch sich stille Reserven oder<br />

stille Lasten von allein auflösen. Selbst die US-amerikanische Fed<br />

hat nach eigener Aussage inzwischen stille Lasten von 330 Milliarden<br />

Dollar, und sie wird nicht unruhig. Das unterscheidet das<br />

Geschäftsmodell der Versicherer elementar von dem Kurzfristansatz<br />

der Geschäftsbanken, die den Zinsanstieg sicherlich auch mit<br />

einem kleinen weinenden Auge betrachten.<br />

Anders verhält es sich in den Kapitalanlageabteilungen der<br />

Versicherungen. Aktuell können Neu- und Wiederanlagen<br />

deutlich rentabler als in der Vergangenheit getätigt werden.<br />

»Keine<br />

Dramatisierung<br />

stiller Lasten!«<br />

24 <strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22


LV-Bilanzanalyse TITEL<br />

Dies wird die Ertragskraft der Kapitalanlagenportfolios der<br />

Versicherer mit der Zeit stärken. Zudem zeigen die DAV-Berechnungen:<br />

Sollten sich die Zinsen auf dem heutigen Niveau<br />

stabilisieren, wird die seit 2011 zu stellende Zinszusatzreserve<br />

im Branchenschnitt Ende 2021 mit knapp 100 Milliarden Euro<br />

ihren Höchststand erreicht haben und in den kommenden Jahren<br />

sogar leicht fallen. Von beiden Entwicklungen werden die<br />

Versicherungsnehmenden unseres Erachtens mittel- bis langfristig<br />

in Form höherer Kapitalerträge profitieren. Für mich sind<br />

das ziemlich gute Aussichten.<br />

Die aktuellen Veränderungen der Zinsen im Euroraum bringen<br />

den Versicherern in Wahrheit keine positiven Kurzfristeffekte.<br />

Allerdings auch keine negativen. Sondern sie sind weitgehend irrelevant<br />

für die Versicherer.<br />

Um diese Einschätzung zu verstehen, muss man sich zunächst<br />

klarmachen, dass die „schnelle Zinswende“ eher ein zaghaftes<br />

„Zinswendchen“ ist, das zusätzlich noch reichlich verspätet<br />

kommt. Natürlich bewirken höhere Zinsen ein Abschmelzen<br />

stiller Reserven und bei dem einen oder anderen Versicherer auch<br />

den Aufbau stiller Lasten. Diese Wirkungen sind jedoch im Gesamtzusammenhang<br />

nicht bedrohlich stark und werden zum Teil<br />

durch den gegenläufigen Effekt höherer Erträge im Neuanlagegeschäft<br />

kompensiert.<br />

Und dass sich der Zinsanstieg für Euro-Staatsanleihen noch<br />

kräftig fortsetzt, wird von der überwiegenden Mehrheit führender<br />

Makroökonomen als extrem unwahrscheinlich erachtet. Vor<br />

dem Hintergrund extrem hoher Staatsschulden würden starke<br />

Zinserhöhungen nämlich schnell zum Bankrott mancher EU-<br />

Mitglieder und damit zu einem Auseinanderbrechen der Gemeinschaftswährung<br />

führen.<br />

Bei einer strikt nominellen Sichtweise und dem Szenario nur<br />

moderater Zinssteigerungen ist die Welt der Versicherer also in<br />

bester Ordnung, zumal sich mit wachsendem Zeithorizont die<br />

positiven Wirkungen einer etwas rentabler werdenden Wiederanlage<br />

verstärken. Und parallel dazu nehmen etwaige stille Lasten<br />

mit sinkender Duration (durchschnittlicher Kapitalbindungsdauer)<br />

niedrig verzinster Anleihebestände in<br />

den Kapitalanlageportefeuilles der Gesellschaften<br />

ab.<br />

Dummerweise ist die ökonomisch korrekte<br />

Sicht der Versicherungskunden<br />

eine ganz andere und darf sich nicht an<br />

nominellen Zinsen ausrichten. Sie muss<br />

sich vielmehr zwingend an dem erzielbaren<br />

Realzins orientieren. Und da während<br />

des kleinen „Zinswendchens“ die<br />

Verbraucherpreisinflation um ein Mehrfaches<br />

des Zinsanstiegs zugelegt hat,<br />

erleben die Versicherungssparer aktuell<br />

Realzinsverluste in bisher unbekanntem<br />

Ausmaß. Bei einem aktuellen Kaufkraft-Minus von knapp 8<br />

Prozent sinkt der reale Wert der in kapitalbildenden Versicherungsprodukten<br />

angelegten Kundengelder schon binnen Jahresfrist<br />

um circa 5 Prozent. An dieser Stelle zeigt sich einmal mehr<br />

die Wertlosigkeit nomineller Garantieversprechen. Mit anderen<br />

Worten: Während die Lage der Versicherer recht gemütlich ist,<br />

contra<br />

»Kunden sehen sich einer bedrohlichen<br />

Entwicklung durch die reale Entwertung<br />

ihrer Ansprüche gegenüber.«<br />

Prof. Dr.<br />

Hartmut Walz,<br />

wissenschaftlicher<br />

Beirat<br />

im Bund der<br />

Versicherten<br />

(BdV)<br />

sehen sich deren Kunden einer zunehmend bedrohlichen Entwicklung<br />

durch die reale Entwertung ihrer Ansprüche gegenüber.<br />

Allmählich, jedoch wieder einmal zu spät, verstehen die<br />

Menschen, wer die Rechnung der Geldmengenausweitung und<br />

einer schönen neuen Geldpolitik ( = Modern Monetary Theory)<br />

bezahlt. <br />

<strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22<br />

25


TITEL LV-Bilanzanalyse<br />

Fortsetzung von Seite 22<br />

ALH und Sautter von der HanseMerkur<br />

gehen dank der Zinsanhebung zukünftig<br />

von einer „kontinuierlichen Auflösung“ der<br />

ZZR aus. Das deckt sich mit den Analysen<br />

von Assekurata: „Sollten die Zinsen ihr aktuelles<br />

Niveau nicht nur halten, sondern die<br />

positive Tendenz weiter fortsetzen, bliebe<br />

der Referenzzins bis 2027 auf konstantem<br />

Niveau und würde dann erstmalig steigen,<br />

wodurch sich der ZZR-Abbau zusätzlich<br />

beschleunigen würde“, so Heermann.<br />

Gute Nachrichten also, und dennoch<br />

hätte es kritisch werden können: wäre die<br />

Zinserhöhung gerade so hoch ausgefallen,<br />

dass sich stille Reserven in stille Lasten<br />

wandeln und die ZZR weiterhin hätte finanziert<br />

werden müssen. Alles Konjunktiv,<br />

der Zinsschritt war hoch genug. Künftig<br />

steht den Lebensversicherern die Zinszusatzreserve<br />

also immer mehr als Ertragsquelle<br />

zur Verfügung. Ende 2021 waren das<br />

immerhin fast 100 Milliarden Euro. Nicht<br />

jeder Lebensversicherer wird seine ZZR direkt<br />

auflösen können. Hier sind die Garantien<br />

im Bestand entscheidend. Wer über sie<br />

verfügen kann, dem wird es auch leichter<br />

fallen, den niedrig verzinsten Bestand an<br />

festverzinslichen Wertpapieren abzustoßen.<br />

Der Verlust kann durch die Erträge aus der<br />

ZZR kompensiert werden und der Weg ist<br />

frei für eine attraktive Neuanlage.<br />

ZINSERHÖHUNG IM NEUGESCHÄFT<br />

Spannend wird es, die Auswirkungen der<br />

Zinserhöhung auf das Neugeschäft zu<br />

beob achten. Viele Versicherer gewannen<br />

mit Einmalbeiträgen Kunden, die lediglich<br />

dem Strafzins entgehen wollten. Unter<br />

Druck könnten dann Anbieter geraten,<br />

bei denen Einmalbeiträge einen besonders<br />

hohen Anteil am Neugeschäft ausmachen.<br />

CosmosDirekt (60 Prozent), Ideal (66), SV<br />

Sachsen (73) oder HanseMerkur (88) sind<br />

hier zu nennen, wie der aktuelle <strong>procontra</strong>-<br />

LV-Check <strong>2022</strong> analysierte. Schwächelt<br />

dann noch das Geschäft gegen laufenden<br />

Beitrag, wie beispielswiese bei CosmosDirekt<br />

(minus 17,7 Prozent gegenüber 2020),<br />

dann steht ein großes Fragezeichen hinter<br />

dem zukünftigen Neugeschäft. Auf <strong>procontra</strong>-Anfrage<br />

wollte CosmosDirekt nicht<br />

antworten. Sautter von der HanseMerkur<br />

erwartet den skizzierten Rückgang: „Unser<br />

Einmalbeitragsgeschäft profitierte vom<br />

niedrigen Zinsniveau und von den Nega-<br />

»Wir haben den Peak<br />

der Zinszusatzreserve<br />

bereits erreicht.«<br />

Zins / Referenzzins (jahresbezogen)<br />

Angaben in Prozent<br />

DR. GUIDO BADER, DAV<br />

tivzinsen bei Banken. Die Nachfrage nach<br />

kapitalbildenden Produkten gegen Einmalbeitrag<br />

wird sich reduzieren, sodass<br />

wir im Neugeschäft eine Verschiebung zu<br />

Produkten gegen laufenden Beitrag, insbesondere<br />

zu fondsgebundenen Produkten<br />

erwarten.“<br />

Ein Rückgang der Einmalbeiträge würde<br />

dann auch die Kostenquoten beeinflussen.<br />

Sowohl Verwaltungs- als auch<br />

Abschlusskosten stehen in Relation zum<br />

Neugeschäft, genauer zu den gebuchten<br />

Bruttobeiträgen bzw. zur Beitragssumme<br />

des Neugeschäfts. Im Geschäftsjahr 2021<br />

hielten sich die Kostenquoten noch weitestgehend<br />

stabil gegenüber dem Vorjahr, obwohl<br />

die absoluten Aufwendungen stiegen.<br />

Geht das Neugeschäft – durch ausbleibende<br />

Einmalbeiträge – nun spürbar zurück, wird<br />

man in Zukunft steigende Kostenquoten<br />

beobachten. Sautter ordnet ein: „Die Verwaltungskostenquote<br />

vermittelt in dieser<br />

Situation allerdings ein unrichtiges Bild, so-<br />

ZINSZUSATZRESERVE WIRD ABSCHMELZEN<br />

Positiv-Szenario: steigende Zinsen<br />

ZZR-Bestand (nach Korridormethode)<br />

Referenzzins<br />

Fortsetzung auf Seite 30<br />

4 200<br />

3,5 175<br />

3 150<br />

2,5 125<br />

2 100<br />

1,5 1,57<br />

75<br />

1 50<br />

0,5 25<br />

0 0<br />

-0,5 -25<br />

2010<br />

2011<br />

2012<br />

2013<br />

2014<br />

2015<br />

2016<br />

2017<br />

2018<br />

2019<br />

2020<br />

2021<br />

<strong>2022</strong><br />

2023<br />

2024<br />

2025<br />

2026<br />

2027<br />

2028<br />

2029<br />

Bestand Zinszusatzreserve (kumuliert)<br />

Angaben in Mrd. Euro<br />

2030<br />

2031<br />

2032<br />

2033<br />

2034<br />

2035<br />

Quelle: ECB Statistical Data Warehouse, Deutsche Bundesbank, Assekurata<br />

26 <strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22


Paulo Patricio,<br />

HanseMerkur Organisationsdirektor<br />

Erstklassige KV für<br />

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INVESTMENTFONDS Anlergerpsychologie<br />

»Angst führt zu<br />

Handlungsdruck«<br />

Extreme Zeiten spiegeln sich in extremen Stimmungsbildern.<br />

Wie Stimmungsbarometer das Marktgeschehen einzufangen versuchen und was sie über<br />

mögliche künftige Entwicklungen aussagen können, erläutert Manfred Hübner.<br />

– TEXT: HEIKE GORRES –<br />

MANFRED HÜBNER ist<br />

neben Patrick Hussy<br />

Geschäftsführer<br />

der Sentix GmbH,<br />

eines Anbieters von<br />

Stimmungsindizes<br />

und Auswertungen<br />

dazu auf Basis der<br />

verhaltensorientierten<br />

Finanztheorie. Beide<br />

führen außerdem das<br />

Beratungsunternehmen<br />

Sentix Asset<br />

Management, wobei<br />

sie nach eigenen Angaben<br />

Erkenntnisse<br />

aus dem Anlegerverhalten<br />

anwenden und<br />

umsetzen.<br />

<strong>procontra</strong>: Derzeit kommen nicht sehr<br />

alltägliche Faktoren zusammen, etwa hohe<br />

Inflation bei niedrigen oder negativen<br />

Zinsen in Industrieländern, stark steigende<br />

Energiepreise, Lieferengpässe, große Unsicherheit<br />

aus dem Russland-Ukraine-Krieg.<br />

Inwieweit können Stimmungsindizes in<br />

Phasen wie diesen überhaupt „funktionieren“<br />

und daraus valide Aussagen abgeleitet<br />

werden?<br />

Manfred Hübner: Stimmungsindizes funktionieren<br />

gerade dann besonders gut, wenn<br />

34 Foto: Sentix Asset Management GmbH


Anlergerpsychologie INVESTMENTFONDS<br />

fristigen Sicht auf sechs Monate stellen<br />

die Menschen tendenziell umfassendere<br />

Überlegungen an, etwa zum Verlauf der<br />

Konjunktur oder zur Einschätzung, ob<br />

der Aktienmarkt teuer oder billig ist. Der<br />

Verhaltensökonom Richard Thaler hat<br />

dies einmal umschrieben als „schnelles“<br />

und „langsames“ Denken. Bei der Einmonatssicht<br />

kommt eher das „schnelle“,<br />

emotionale Denken zum Tragen und bei<br />

der Sechsmonatssicht das „langsame“,<br />

reflektierte Denken.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie verarbeiten Sie die gewonnen<br />

Daten?<br />

Hübner: Die Fragen zur kurzen Frist zum<br />

Beispiel fangen das eigentliche Sentiment,<br />

die Stimmungslage, ein. Die Fragen zur<br />

mittelfristigen Sicht erfassen mehr die<br />

»Wo Wissen verloren<br />

geht, nehmen Emotionen<br />

einen immer<br />

größeren Raum ein.«<br />

Grundüberzeugung oder Wertwahrnehmung<br />

der Teilnehmer, was wir strategischen<br />

Bias nennen. Für die Auswertung<br />

der Daten und deren Interpretation nutzen<br />

wir zum einen eigene Modelle und statistische<br />

Analysen. Zum anderen natürlich<br />

Erkenntnisse aus der Theorie, insbesondere<br />

zur Behavioral Finance und zum Börsengeschehen,<br />

um die Ergebnisse einzuordnen.<br />

Ein weiterer Faktor ist unsere Erfahrung,<br />

die auch helfen kann bei der Interpretation<br />

einer Situation. Es ist immer ein Zusammenspiel<br />

aus diesen Elementen.<br />

<strong>procontra</strong>: Welche Verhaltensmuster<br />

kommen aus Ihrer Sicht besonders zum<br />

Tragen?<br />

Hübner: Stimmungen schwanken im Regelfall<br />

sehr schnell zwischen den Polen Angst<br />

und Gier. Sie sind außerdem ein konträrer<br />

Indikator. Ein sehr einseitiges negatives<br />

Stimmungsbild zum Beispiel ist ein Indiz<br />

dafür, dass die Kurse danach steigen. Wenn<br />

Sie sehr negativ gestimmt und gleichzeitig<br />

voll investiert als Beispiel für den Parameter<br />

„Handlung“, bekommen Sie Angst<br />

um Ihr Geld. Diese Angst können Sie im<br />

Regelfall nicht sehr lange aushalten! Sie<br />

große Unsicherheiten bestehen. Denn im<br />

Regelfall befördert die Unsicherheit die<br />

Emotion. Überall dort, wo, vereinfacht<br />

gesagt, Wissen verloren geht, nehmen<br />

Emotionen einen immer größeren Raum<br />

ein. Das führt auch bei den Indikatoren zu<br />

stärkeren Ausprägungen. Und je stärker<br />

die Ausprägungen, umso leichter ist es, die<br />

Situation zu erkennen und daraus Informationen<br />

abzuleiten.<br />

<strong>procontra</strong>: Das klingt sehr abstrakt. Wie<br />

sieht das konkret aus?<br />

Hübner: Das Entscheidungsverhalten von<br />

Menschen wird im Großen und Ganzen<br />

von drei Parametern bestimmt: „Wissen“,<br />

„Emotion“ und „Handlung“, das, was<br />

sie bisher getan haben. In dem Moment,<br />

in dem der Anteil des Wissens kleiner<br />

wird, weil etwa viele neue unbekannte<br />

Faktoren auftreten oder sehr komplex und<br />

widersprüchlich werden und damit die<br />

Abschätzung der Folgen sehr kompliziert<br />

wird, erhalten die Parameter Emotion und<br />

Handlung zwangsläufig mehr Gewicht<br />

und Einfluss. Wenn Sie zum Beispiel hoch<br />

investiert sind und die Kurse fallen nach<br />

einem unvorhersehbaren einschneidenden<br />

Ereignis, entstehen Überlebensängste. Es<br />

werden grundlegende Bereiche des Menschen<br />

berührt. So entstehen Handlungsautomatismen,<br />

die sich auch aus Ihrer<br />

Positionierung im Markt ergeben.<br />

<strong>procontra</strong>: Sie leiten aus Umfragewerten<br />

Stimmungsbilder ab und Aussagen, was<br />

diese Bilder bedeuten. Worauf gründen Sie<br />

diese Aussagen? Wenden Sie zum Beispiel<br />

schematisch das gesammelte Lehrbuchwissen<br />

aus der Behavioral Finance an?<br />

Hübner: In einer wöchentlichen standardisierten<br />

Online-Kapitalmarktumfrage<br />

sammeln wir zunächst die Daten für<br />

die verschiedenen Indizes und Indikatoren.<br />

Die Fragen sind so ausgewählt<br />

und gestellt, dass sie die drei Parameter<br />

des Entscheidungsverhaltens berücksichtigen.<br />

Zum Beispiel fragen wir nach<br />

der Einschätzung, wie sich der Deutsche<br />

Aktienindex DAX auf Sicht von einem<br />

Monat und von sechs Monaten entwickeln<br />

wird. Die unterschiedlichen Zeithorizonte<br />

trennen zu einem gewissen Grad die<br />

Emotion vom Wissen. Denn bei der Sicht<br />

auf einen Monat sind die Teilnehmer sehr<br />

in der Gegenwart verhaftet und antworten<br />

stark entsprechend dem, was sie gerade<br />

beschäftigt. Dies ist im Regelfall stark von<br />

der Emotion beeinflusst. Bei der mittelversuchen,<br />

sich den Schmerz, der damit<br />

einhergeht, von der Seele zu nehmen,<br />

indem Sie verkaufen oder Absicherungen<br />

vornehmen. Die Angst führt grundsätzlich,<br />

bei allen Menschen, zu Handlungsdruck,<br />

früher oder später. Das erzeugt dann das<br />

Potenzial für die Gegenbewegung. Wer<br />

seine Angst überwindet und antizyklisch<br />

kauft, wird in einer solchen Situation im<br />

Regelfall gut entlohnt.<br />

<strong>procontra</strong>: Welche Rolle spielt dann die<br />

mittelfristige Sicht im Verhalten der Anleger?<br />

Hübner: Die Grundüberzeugung, der strategische<br />

Bias, spiegelt ein gewisses Klima<br />

im Markt. Wenn die Anleger mittelfristig<br />

wieder optimistischer werden, entsteht<br />

das, was wir eine Buy-on-dip-Mentalität<br />

nennen, Kauf nach Kursrückgang. In dem<br />

Maße, in dem Sie mittelfristig optimistisch<br />

sind, können Sie zwar kurzfristig noch<br />

Angst haben, fangen aber bereits an, nach<br />

Chancen zu suchen. Umgekehrt ist es bei<br />

einem Hoch. Bevor die Kurse wieder anfangen<br />

zu fallen, haben Sie in der Regel bereits<br />

einen Rückgang im strategischen Bias.<br />

Denn wenn die Kurse sehr weit oben sind,<br />

gibt es die ersten Anleger, die sagen, dass<br />

die Aktien reichlich teuer geworden sind.<br />

Das heißt nicht, dass sie sofort verkaufen.<br />

Aber es machen sich Zweifel an der<br />

Werthaltigkeit der Aktien bemerkbar. Der<br />

mittelfristige Index hat somit eine Vorlauffunktion.<br />

Dann kann es irgendein Event<br />

sein, eine negative Konjunkturprognose,<br />

eine Gewinnwarnung oder was auch immer,<br />

dass die Anleger sagen: Jetzt verkaufe<br />

ich! Denn das hatte ich sowieso vor.<br />

<strong>procontra</strong>: Was waren extreme Stimmungsbilder,<br />

die Sie festgestellt haben, und was<br />

folgte dann in der Realität? Anfang Mai<br />

berichteten Sie zum Beispiel von einem<br />

niedrigen Punktestand für Aktien aus<br />

Euroland, den Sie noch nie zuvor gemessen<br />

hätten. „Meist treten solche Stimmungsextreme<br />

in der Nähe von Markttiefs auf.<br />

Sehr starke Stimmungseinbrüche können<br />

aber auch eine letzte große Lawine<br />

auslösen, die von Kurzschlusshandlungen<br />

begleitet werden. Dies war beispielsweise<br />

im August 2008 der Fall“, lautete die<br />

Interpretation.<br />

Hübner: Mit dem Punktestand im Mai<br />

haben Sie bereits einen der stärksten<br />

Extremwerte genannt. Generell kann man<br />

zwar sagen: Nach großem Pessimismus<br />

kommen steigende Preise. Wenn Sie<br />

<strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22<br />

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PRIVAT GEFRAGT Justus Lücke, Geschäftsführer Versicherungsforen Leipzig<br />

»Versicherungen<br />

werden sich<br />

stärker in den<br />

Alltag integrieren«<br />

JUSTUS LÜCKE<br />

Jahrgang 1981, Geschäftsführer<br />

Versicherungsforen Leipzig,<br />

seit 2017 Geschäftsführer Maklerforen,<br />

seit 2021 verheiratet, 2 Kinder<br />

IHRE MEINUNG, HERR LÜCKE:<br />

Wir brauchen ein Unterrichtsfach<br />

Finanzen & Versicherungen<br />

Nach der Corona-Pandemie steige ich<br />

wieder ausschließlich auf analoge<br />

Termine um<br />

Der Austausch zwischen Maklern und<br />

Maklerunternehmen ist viel zu gering und<br />

schadet der Branche<br />

Unternehmen in der Versicherungs- und<br />

Finanzbranche sollten mehr mit der Politik<br />

zusammenarbeiten<br />

Nachhaltigkeit sollte in der Branche noch<br />

stärker priorisiert werden<br />

Es sollte mehr Dienstleister und<br />

Unterstützungsmöglichkeiten für Makler<br />

und die Versicherungswelt geben<br />

Zum Frühstück gibt es bei mir<br />

Kaffee, am besten handgemahlen, und<br />

Müsli mit laktosefreier Milch.<br />

Die Homeoffice-Kultur empfinde ich als<br />

einen wirklichen Gewinn an Flexibilität und<br />

Qualität für die Branche, aber auch als eine<br />

Herausforderung für Führung und Kultur.<br />

Diese neue Kompetenz habe ich mir<br />

(Corona-bedingt) angeeignet:<br />

Influencer-Technik-Sets mit gutem Preis-<br />

Leistungs-Verhältnis zusammenzustellen.<br />

Meine wahre Leidenschaft sind<br />

meine Familie, meine Freunde und Kollegen<br />

und ab und zu meine Grenzen etwas<br />

auszutesten.<br />

Meine Freizeit verbringe ich am liebsten<br />

damit,<br />

ein gutes Buch im Hängesessel im Garten<br />

zu lesen, wenn die Familie mal nicht da ist.<br />

Mein erstes Geld habe ich verdient als<br />

Aushilfe im Laden meines Vaters mit Flyerund<br />

Brötchenaustragen sowie Regaleeinräumen.<br />

Meiner Meinung nach gibt es beim Thema<br />

Nachhaltigkeit nicht nur Schwarz und Weiß,<br />

weil<br />

es hier keine eindeutige Definition gibt und<br />

es nicht wichtig ist, wer mehr tut, sondern<br />

dass alle etwas tun.<br />

Meine aktuelle Buch- oder<br />

Hörbuch empfehlung:<br />

„Gott ist ein Kreativer, kein Controller“<br />

von Frank Dopheide<br />

Ich würde gern mal einen Tag lang tauschen<br />

mit …, um dann Folgendes zu tun:<br />

Wladimir Putin, um diesen sinnlosen und<br />

grausamen Krieg sofort zu beenden.<br />

Wahrer Luxus ist für mich<br />

Gesundheit, Zeit für mich und sich keine<br />

Gedanken über die alltäglichen <strong>Ausgabe</strong>n<br />

machen zu müssen.<br />

Das ist mein liebstes Reiseziel:<br />

Australien ist einfach ein fantastisches<br />

Land, aber auch Korsika hat es uns sehr<br />

angetan.<br />

Meine erste Tat zu Beginn eines<br />

Arbeitstages:<br />

Ich suche mir mein gebuchtes Büro und<br />

checke beim ersten Kaffee meine E-Mails.<br />

Die Musik drehe ich lauter bei<br />

Deutsch-Rap wie Deichkind, Fettes Brot etc.<br />

oder Rock wie Metallica, Foo Fighters o. Ä.<br />

Das ist meiner Meinung nach der<br />

Versicherungstrend der Zukunft:<br />

Embedded Insurance. Ich denke, dass sich<br />

Versicherungen viel stärker in den Alltag<br />

der Menschen integrieren werden.<br />

Der größte Missstand in der Finanzund<br />

Versicherungsbranche ist<br />

ihr teilweise fehlender Veränderungswille<br />

aufgrund fehlenden Leidensdrucks.<br />

… so könnte der Missstand behoben<br />

werden:<br />

durch noch mehr mutige Entscheider, die<br />

auch einmal Wege außerhalb der eigenen<br />

Komfortzone gehen.<br />

Eine (unternehmerische) Entscheidung, die<br />

ich gern rückgängig machen würde, war<br />

keine, denn insbesondere aus falschen Entscheidungen<br />

lernt man. Ich hätte manche<br />

Entscheidungen nur deutlich früher treffen<br />

sollen.<br />

98 <strong>procontra</strong> <strong>04</strong> | 22

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