PREISSTEIGERUNGEN INFLATION – UND NUN? Die Inflation verteuert den Einkauf und macht Preiserhöhungen notwendig. Welche Auswirkungen die Geldentwertung auf Unternehmen und Kunden hat, und wie die Natursteinbranche mit dem Preisanstieg jetzt am besten umgeht. Von Annette Mühlberger 46 S09 | <strong>2022</strong>
KUNDEN GEWINNEN Das Schreckgespenst Inflation ist zurück. Seit den 1970er-Jahren hat es keine vergleichbaren Preisanstiege mehr gegeben. Die Schnelligkeit, mit der die Inflation damals und 2021 aufkam, genauso wie die Höhe der Preissteigerungen ähneln sich sogar verblüffend. Blöd nur, dass niemand, der heute Verantwortung trägt, auf die Erfahrungen von damals zurückgreifen kann. Selbst in Familienbetrieben ist die inflationserfahrene (Großeltern-)Generation längst im Ruhestand bzw. verstorben. DIE INFLATION BLEIBT – MIT ALL IHREN AUSWIRKUNGEN Sicher scheint: Für die Kunden und den betrieblichen Einkauf wird es so schnell nicht wieder günstiger. Das meint auch Professor Hermann Simon, Experte für Preis- und Gewinnmanagement und Gründer der Preis- und Vertriebsberatung Simon, Kucher und Partner. Denn, das betont er im Interview mit STEIN: „Die aktuelle Inflation hat viele Gründe.“ Neben Handelskonflikten, Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise und Lieferketten-Verwerfungen ist sie gleichzeitig eine Nachwirkung der Finanzkrise 2008–2010. Was heißt: Es ist zu viel Geld im Markt. „Inflation bedeutet nicht, wie vielfach angenommen, dass die Waren teuer werden, sondern dass das Geld entwertet wird“, erklärt Simon im Interview ab Seite 50. Selbst niedrige Inflationsraten führten langfristig zu einer Geldentwertung. Solange die Wirtschaft wächst – eine Situation, die wir in Deutschland (mit Ausnahme von 2009 und 2020) seit zwei Jahrzehnten haben – ist alles gut. Seit 2021 galoppieren die Preise jedoch quer über die Branchen und Materialien davon. Finanzierungszinsen führen nun dazu, dass die ersten Projekte unrentabel werden: Im Mai berichteten 13,4 Prozent der Hochbauer von Stornos, im April waren es noch 7,5 Prozent und im März 4,6 Prozent. Insgesamt sind die Auftragsbücher aber immer noch prall gefüllt. WIRD WICHTIGER: INTELLIGENTE PREISGESTALTUNG Ähnlich schätzt der Landesinnungsmeister von Rheinland-Pfalz, Hans-Peter Mulbach von Natursteine Mulbach in Bitburg, die Situation ein: „Ich denke, dass wir ab 2023 eine veränderte Kundennachfrage spüren werden“, erklärt er. Noch hat das Unternehmen gut zu tun. Preise kommuniziert Mulbach an seine Kunden offen und transparent. „Hier gehen wir fair und moderat vor“, erklärt er. Dass die Preissteigerungen für das Rohmaterial noch gemäßigt ausfallen, garantiert u.a. seine gute und enge Zusammenarbeit mit den Lieferanten: Mulbach reserviert die Ware am Block und nimmt sie zu vereinbarten Preisen in einem festen Zeitraum ab. „Da wir den Großteil der Materialien selbst bearbeiten, sind wir hier natürlich im Vorteil“, freut er sich (siehe auch Seite 53). Dennoch weiß er: Die Bauanträge für Neubauten in der Region gehen zurück. Und er sagt auch: „Wir haben für unsere Kunden stets preisgünstigere Lösungen im Hinterkopf.“ Auch wenn die aktuell noch gar nicht nachgefragt werden, will Mulbach, der viele unterschiedliche Kundengruppen bedient, vorbereitet sein. „Ich kann jedem Betrieb nur raten, breit aufgestellt zu sein“, erklärt er. MEHRWERT STATT PREIS VERKAUFEN Foto: Pixabay WAS PASSIERT MIT DEM BAUBOOM? Von der Inflation sind alle betroffen, Verbraucher und Betriebe. Können diese die gestiegenen Kosten nicht an die Kunden weitergeben, schmälert das den Gewinn. Geld, das für notwendige Investitionen in die Zukunft fehlt. Parallel hat die Materialknappheit auf deutschen Baustellen ihren Höchststand seit 1991 erreicht. „Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich die Lieferprobleme bei Baustoffen drastisch verschärft. Die Materialpreise legen infolge der Knappheit und höheren Energiekosten weiter zu. Aufgrund der steigenden Kosten und höheren Zinsen kommt es besonders im Wohnungsbau vermehrt zu Auftragsstornierungen“, beschreibt ifo-Forscher Felix Leiss die Situation. Im Hochbau hat laut ifo-Umfrage ein Großteil der Unternehmen die Preise bereits nach oben korrigiert. Die Kombination aus steigenden Baupreisen und höheren Was sich durch die steigenden Preise, zumal in Kombination mit einer abschwächenden Nachfrage ändern sollte, ist der Verkauf bzw. die Preisgestaltung. Schließlich ist die Zahlungsbereitschaft von Kunden unterschiedlich und sie unterscheidet sich nochmal je nach Produktgruppe und Anbieter. Von diesen Faktoren werden Kauf- und Zahlungsbereitschaft beeinflusst: • Preisimage im Wettbewerb (welche Preise kann ein Unternehmen am Markt durchsetzen), • individueller Produktmehrwert (welcher Mehrwert ist mit der Leistung verbunden, wie wichtig ist dem Kunden dieser Nutzen), • Marktpotenzial, • Produktlebenszyklus (vor allem in technologie-, mode- bzw. trendgetriebenen Märkten), • Preispsychologie (Eck- und Ankerpreise sowie Preisschwellen wie 999), • Kundenprofil. S09 | <strong>2022</strong> 47