2022_33
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2 Dorfspiegel Dietlikon<br />
Kurier Nr. <strong>33</strong> 18.8.<strong>2022</strong><br />
Grosser Einsatz: Den Wasserrohrbruch an der Säntisstrasse werden die Feuerwehrleute nicht so schnell vergessen. (Foto zvg)<br />
Meldet es sich mitten in der Nacht,<br />
ist man sofort hellwach. «Da schiesst<br />
dir sofort das Adrenalin ins Blut. Du<br />
funktionierst dann einfach», hatte<br />
ein Mitglied der Feuerwehr dem Kurier<br />
bereits vor ein paar Wochen am<br />
Rande einer Feierlichkeit in der Gemeinde<br />
erzählt.<br />
Also raus aus den Federn, heisst es<br />
am Samstag auch für Alain Rieder.<br />
Wenige Minuten später sitzt er im<br />
Auto, auf dem Weg Richtung Industrie<br />
Dietlikon. Von dort hat «Schutz<br />
und Rettung» den Alarm gemeldet.<br />
Dass etwas Grösseres passiert sein<br />
muss, ist dem Einsatzleiter der Feuerwehr<br />
Dietlikon schnell bewusst.<br />
Laufend erhält er Nachrichten von<br />
weiteren Brandmelde- und Sprinkleranlagen<br />
in der Umgebung, die<br />
Alarm ausgelöst haben. «Wie immer<br />
muss man auf alles gefasst sein»,<br />
sagt Rieder. «Das kann ein Brand<br />
sein, oder eben Wasserleitungsbruch,<br />
wie wir ihn am Samstag hatten.»<br />
Moderne Brandmeldeanlagen<br />
reagieren eben auch auf Druckschwankungen<br />
in Gebäuden und Industrieanlagen.<br />
An diesem Samstag ist Oberleutnant<br />
Alain Rieder der Erste, der am Schadensplatz<br />
eintrifft, als Stellvertreter<br />
des Feuerwehrkommandanten, der<br />
in den Ferien weilt. «Ich habe in<br />
rund 25 Jahren, in denen ich bei der<br />
Feuerwehr bin, ja schon viel erlebt.<br />
Doch diesen Einsatz werde ich nicht<br />
so schnell vergessen», sagt er. Das<br />
Szenario, das er mitten in Dietlikon<br />
erblickt, ist alles andere als eine Bagatelle:<br />
Gewaltige Wassermassen<br />
schiessen unter der Säntisstrasse<br />
hervor, verwandeln den Postplatz<br />
und angrenzende Hauseingänge in<br />
einen stellenweise hüfthohen See,<br />
führen Schlamm mit sich, fluten<br />
Keller, ziehen Gebäude in der Umgebung<br />
in Mitleidenschaft.<br />
Der wahre Grund für den Rohrbruch<br />
Später wird sich herausstellen, dass<br />
eine Transportleitung geplatzt ist.<br />
Aus einem Riss von mehr als drei<br />
Metern Länge strömt das Trinkwasser<br />
mit hohem Druck in den<br />
Untergrund. Mit solchen Leitungen<br />
versorgen Wasserwerke wie die<br />
Gruppenwasserversorgung Lattenbuck<br />
verschiedene Gemeinden mit<br />
Frischwasser. Von diesen grossen<br />
Rohren, die einen Durchmesser<br />
von 35 Zentimetern besitzen, zweigen<br />
kleinere Leitungen als Einspeisungen<br />
ins Gemeindenetz ab.<br />
Dass eine solch zentrale Leitung<br />
bricht, passiert zum Glück selten,<br />
erklärt Rolf Lüssi, Stellvertretender<br />
Betriebsleiter der Gruppenwasserversorgung<br />
Lattenbuck. «Doch<br />
wenn es dann doch einmal dazu<br />
kommt, drängen sich aufgrund des<br />
Drucks und Durchmessers der Leitung<br />
grosse Wassermassen aus dem<br />
Rohr». Vermutlich hat der Zahn der<br />
Zeit an der Leitung unter der Säntisstrasse<br />
genagt, sie wurde im Jahre<br />
1959 verlegt. Die Lebenserwartung<br />
einer solchen Gussleitung<br />
liegt zwischen 60 bis 80 Jahren.<br />
Laut Rolf Lüssi hätte sie ihren<br />
Dienst noch ein paar wenige weitere<br />
Jahre tun sollen. «Bis die SBB<br />
den Bahnhof Dietlikon und das Gebiet<br />
rundherum umgebaut hat.<br />
Dann wäre sie ohnehin weggekommen».<br />
Aus Sicht der Versorgungssicherheit<br />
muss das defekte Rohrstück<br />
erneuert werden, auch wenn<br />
es nur für ein paar Jahre ist. So etwas<br />
lasse sich halt nicht planen.<br />
Das alles weiss Alain Rieder von<br />
der Feuerwehr Dietlikon allerdings<br />
noch nicht, als er am Samstagmorgen<br />
am Schadensort in der Industrie<br />
ankommt. Nur, dass da eine<br />
Wasserleitung geplatzt ist, ist ihm<br />
sofort bewusst. Rasch trifft Unterstützung<br />
ein. Jetzt macht sich bezahlt,<br />
was zuvor minutiös durchdacht<br />
und durchgeplant wurde:<br />
Damit es in der Ferienzeit keine<br />
Engpässe gibt, wird die Feuerwehr<br />
Bassersdorf, beziehungswese werden<br />
deren Offiziere bei Bedarf mit<br />
aufgeboten. Es sind bange Momente,<br />
an die sich Rieder erinnert:<br />
das gemeinsame Warten mit den<br />
Kameraden, bis das Wasser abgestellt<br />
wird. Eigentlich geht das<br />
schnell, sobald das Wasserwerk informiert<br />
ist. Doch in einem solchen<br />
Moment werden Minuten zu Ewigkeiten.<br />
Derweil steht allerdings<br />
nichts still, da diverse Notmassnahmen<br />
getroffen werden und der<br />
weitere Verlauf organisiert wird.<br />
Im Dorf übernimmt Thomas Marti<br />
die Einsatzleitung, in enger Zusammenarbeit<br />
mit dem internen<br />
Führungsteam.<br />
Als der Wasserstrom versiegt, geht<br />
die Routine los. Das Inspizieren der<br />
überfluteten Gebäudeteile, stets mit<br />
der Hoffnung verbunden, dass da<br />
keine Personen zu Schaden gekommen<br />
sind – was in Dietlikon zum<br />
Glück nicht geschehen ist. Das Aufräumen<br />
und Abpumpen von Wasser<br />
und Schlamm. Und die Unterstützung<br />
der Anwohner:innen, die<br />
durch den frühmorgendlichen<br />
Grosseinsatz auf dem Schlaf gerissen<br />
wurden und die Szenerie besorgt<br />
verfolgen. Noch ist die Schadensbilanz<br />
ungewiss. Sicher ist jedoch,<br />
dass eine Handvoll Gebäude<br />
durch den Rohrleitungsbruch in<br />
Mitleidenschaft gezogen wurden.<br />
Wasser und Schlamm haben Schäden<br />
in Kellern verursacht. «Hinter<br />
jedem Schaden stehen persönliche<br />
Schicksale. Das lässt einen nicht<br />
kalt, auch nicht nach so vielen Jahren<br />
in der Feuerwehr – und erst<br />
recht nicht, wenn man wie ich in<br />
der Gemeinde wohnt und den einen<br />
oder anderen Betroffenen kennt»,<br />
erzählt Alain Rieder.<br />
Einkauf eben noch in der Drogerie<br />
Erst gerade tags zuvor hatte er noch<br />
in der Drogerie Hafen eingekauft<br />
und sich mit der Geschäftsführerin<br />
unterhalten. Jetzt ist die Geschäftsstelle<br />
geschlossen, für mindestens<br />
drei Wochen, wie in der letzten<br />
Kurier-Ausgabe zu lesen war: «Die<br />
30 Millionen Liter Wasser, die<br />
beim Rohrleitungsbruch ausgelaufen<br />
sind, haben unsere Keller bis<br />
unters Dach mit Wasser gefüllt, und<br />
auch der Laden stand 30 Zentimeter<br />
unter Wasser», meldete das Drogerie-Team.<br />
Es wird noch länger dauern, bis alle<br />
Schäden beseitigt sind. Allein das<br />
Trocknen der Keller kann mehrere<br />
Wochen dauern. Nie vergessen indes<br />
wird Alain Rieder die Bilder<br />
des Samstagmorgens, wie er sagt:<br />
«Ich habe schon viel erlebt, aber<br />
dieser Einsatz war aufgrund des<br />
vielen Wassers inmitten der Gemeinde<br />
ausserordentlich». Und<br />
noch etwas wird ihm bleiben: Die<br />
reibungslose Zusammenarbeit mit<br />
seinen Kameraden sowie denjenigen<br />
der Feuerwehr Bassersorf. Nur<br />
gemeinsam, konnte das Schadensereignis<br />
bewältigt werden.