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Tobias Gruber: »Kirchlich oder normal?« (Leseprobe)

In Deutschland entscheidet vielerorts noch der Status der Kirchenmitgliedschaft, ob man christlich bestattet wird. In den östlichen Teilen des Landes, genauer in Mitteldeutschland, sieht dies zunehmend anders aus. In dieser Studie wird der Fokus auf Akteurinnen und Akteure (Pfarrerinnen und Pfarrer, ein evangelischer Diakon) aus dem kirchlichen Bereich gelegt, die eine christliche Bestattung ungetaufter Menschen durchführen. Ihre Perspektiven, Ziele und konkreten Beschreibungen der Abläufe eines solchen Rituals sowie die Gedanken und Reflexionen konfessionsloser Angehöriger, die eine solche Bestattung für Verstorbene erlebt haben, werden in diesem Buch dargestellt und auf Kommunikations- und Lernprozesse sowie Diskussions- und Konfliktpunkte hin untersucht.

In Deutschland entscheidet vielerorts noch der Status der Kirchenmitgliedschaft, ob man christlich bestattet wird. In den östlichen Teilen des Landes, genauer in Mitteldeutschland, sieht dies zunehmend anders aus. In dieser Studie wird der Fokus auf Akteurinnen und Akteure (Pfarrerinnen und Pfarrer, ein evangelischer Diakon) aus dem kirchlichen Bereich gelegt, die eine christliche Bestattung ungetaufter Menschen durchführen. Ihre Perspektiven, Ziele und konkreten Beschreibungen der Abläufe eines solchen Rituals sowie die Gedanken und Reflexionen konfessionsloser Angehöriger, die eine solche Bestattung für Verstorbene erlebt haben, werden in diesem Buch dargestellt und auf Kommunikations- und Lernprozesse sowie Diskussions- und Konfliktpunkte hin untersucht.

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2Die ritual-defizit3re Perspektive und ihr ritual-werbendes Ziel 67<br />

quasi nicht. Es gibt ja nur Trauerredner und Pfarrer, so. Es gibt nichts dazwischen.<br />

Oder, die Bestatter selber. Und die haben erst recht keinen, also die lesen dann die<br />

Lebens- Lebensda- Lebenslauf vor und beten vielleicht auch mal ein Vaterunser, weil<br />

jemand gesagt hat, dass man das gut machen kann und das irgendwie gut passt, aber<br />

ansonsten haben die ja kein Verständnis von Ritual, was bedeutet das, was gibt es für<br />

Möglichkeiten //hm// was heißt das, was heißt das jemanden seelsorgerlich zu begleiten,<br />

was heißt denn, die wissen, die kennen sich vielleicht mit Trauerphasen aus,<br />

wann wird wie getrauert, <strong>oder</strong> so und was gibt es da für Methoden, aber eine, eine<br />

seelsorgerliche Begleitung und ein seelsorgerliches Auffangen in so einem Gespräch<br />

ist was anderes, als einfach nur die Kenntnis zu haben, äh, wie (.) Trauer im Buche<br />

steht, so. //hm// ja, pff, manchmal haben die vielleicht eine große Intuition und ein<br />

Gespür dafür, aber, da geht es, also bei Trauerrednern, die ich erlebt habe, <strong>oder</strong> die,<br />

was mir eben berichtet wird, da geht es wirklich um die Dienstleistung dieses äh<br />

dieser Rede. Und dann wird das gemacht und gehalten.<strong>«</strong> (Pfarrerin Mittwoch, Pos. 24–<br />

26)<br />

Für Pfarrerin Mittwoch gehört also zu ihrem Selbstverständnis eine klare Qualifikation<br />

gegenüber den Redner*innen, begründet in der ihr zuteil gewordenen<br />

Ausbildung.Sie sieht sich als Seelsorgerin in der Lage, ein »Mehr<strong>«</strong> zu bieten, das<br />

sich in Ritualkonstruktion und Trauerbegleitung konkretisiert. Übersetzt würde<br />

das bedeuten, dass sie sich selbst als intensiver im Umgang mit den Angehörigen<br />

wahrnimmt, als die Redner*innen. Sie nimmt die Situation viel intensiver und<br />

auch in ihrem Verständnis angemessener wahr, als die Redner*innen dies vermögen.<br />

Dass sie hier wieder von »seelsorgerlicher Begleitung<strong>«</strong>, <strong>oder</strong> aber auch<br />

von einem »seelsorgerliche[n] Auffangen<strong>«</strong> spricht, ist kein Zufall, sondern unterstreicht<br />

die bereits weiter oben im Rahmen ihres Selbstverständnisses verortete<br />

Verbindung von »Liebe zu den Menschen<strong>«</strong> und »Seelsorge<strong>«</strong>. Auch hier<br />

macht sie diesen Zusammenhang wieder stark, aber als eine Qualifikation gegenüber<br />

säkularen Redner*innen. Eben gerade weil sie die Menschen liebt und<br />

weil sie diese Ausbildung genossen hat, kann sie diese besser betreuen, soihr<br />

Verständnis. Und weil diese Betreuung so gut ist, ist sie der »Dienstleistung<strong>«</strong> der<br />

Redner*innen diametral entgegengesetzt. Die, wie auch immer, sich auf Erfahrungen<br />

zurückleiten lassenden Beschreibungen der Qualifikation der Redner*innen<br />

ist sehr eindeutig. Immer mal wieder wird zwar differenziert und<br />

abgewogen, dass sicherlich bestimmte Methoden und ein bestimmtes Wissen<br />

vorhanden sind, aber dies erreicht nicht die Qualität einer christlichen Bestattung.<br />

Mehr noch: wer rituell intensiver und individueller betreut werden möchte,<br />

was, in der Sicht von Pfarrerin Mittwoch, eigentlich jedem Menschen zusteht –<br />

kann dies ihrer Meinung nach eigentlich nur mit und bei einer Pfarrer*in bekommen.<br />

Diese detaillierte Kritik wird von Pfarrerin Dienstag so nicht geäußert, wohl<br />

aber finden sich deutliche Aussagen über ihre Einstellung gegenüber und zu

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