Mariusz Horanin Dissertation_SUB
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dein nichts bedarff odder auffkomen ist 372 . Während der Pestepidemie wurde eine sorgfältige
Pflege der eigenen Gesundheit als umso wichtiger erachtet, weil man ohne diese Pflege nicht
nur sich selbst schade, sondern durch die eigene Vernachlässigung auch viele andere Personen
mit der gefährlichen Krankheit vergiften könne. Damit verstießen die Menschen gegen die
Nächstenliebe und brächten die ganze Gemeinde in Todesgefahr: zu dem ist das noch
grewlicher, das ein solcher so seinen leib also verwarloset und der Pestilentz nicht hilfft
weren, so viel er kann, mochte damit auch viel ander beschmeissen und vergifften, welche
sonst wol lebendig bleiben, wo er seines leibs (wo er schuldig ist) hette gewartet, und wurde
also auch schuldig seines nehesten todes und viel mal für Got ein moerder 373 . Insbesondere
die Pestkranken selbst sollen keinesfalls unter Menschen gehen, sondern sich so bald als
möglich nach Ausbruch und Erkennung ihrer Erkrankung von dem gesunden Teil der
Bevölkerung absondern und umgehend medizinische Hilfe ergreifen. Diejenigen Infizierten,
die mit Absicht andere Menschen vergiften wollten, weil sie glaubten, sich selbst durch die
Übertragung der Pest auf andere davon befreien zu können oder einfach aus purer
Schadenfreude die Seuche weiter verbreiteten, sollten entsprechend wie Mörder und
Verbrecher verurteilt werden.
Außer um die Körperpflege solle man sich während der Pestepidemie zugleich auch um die
Seelenfürsorge bemühen und sich auf den möglichen Tod vorbereiten, so Luther. Die Leute
sollen rechtzeitig zur Beichte gehen und die Sakramente empfangen. Mit der Anforderung der
Seelsorger zur letzten Ölung der Kranken sei keinesfalls bis zu dem Zeitpunkt zu warten, bis
die betreffende Person schon das Bewusstsein und die Sprachfähigkeit verloren habe. Denn
dann könne man nicht mehr das Glaubenbekenntnis ablegen, welches jedoch eine
unentbehrliche Bedingung sei, um die Sakramente zu erhalten. Anders als die katholischen
Priester sollen nämlich die protestantischen Prediger ohne entsprechendes Bekenntnis zum
Evangelium keine Sakramente an die Kranken erteilen. Man solle sich ebenfalls rechtzeitig in
den Zeiten der Pestepidemien um die Ausfertigung von Testamenten oder auch um die
Aussöhnung mit Verwandten bemühen.
Darüber hinaus betont auch Luther die Bedeutung der obrigkeitlichen Fürsorge
während der Pestepidemien. Ein spezielles Spital oder einige Häuser, in denen die
Pestkranken gepflegt und versorgt würden, seien eine wesentliche Aufgabe für die christliche
Obrigkeit: Wol war ists, wo ein solch stadlich regiment ynn stedten und landen ist, das man
gemeine heuser und spital kann halten und mit leuten, die yhr warten, versorgen, da hin man
372 Ebd., S. 365.
373 Ebd., S. 363.
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