Mariusz Horanin Dissertation_SUB
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
II. Das Pestgeschehen im spätmittelalterlichen Augsburg
Mit dem Ausbruch des Schwarzen Todes in den Jahren 1347-1351 beginnt die Geschichte der
Pest im mittelalterlichen Europa 44 . Das ungestüme Einreißen dieses neuen
Krankheitsphänomens, das sich vor allem durch sehr hohe Virulenz und Mortalität von den
anderen im Mittelalter bekannten Krankheiten unterschied, hatte verheerende
Bevölkerungsverluste zur Folge, die die Entwicklungsrichtung der mittelalterlichen
Wirtschaft, Sozialordnung und Kultur beachtlich mitprägten. Diese bisher unbekannte Seuche
wirkte sich mit ihrer enormen Ansteckungs- und Todesgefahr auf die Zeitgenossen aus und
musste daher von ihnen als ein neues Lebensphänomen gedeutet und zwingend in die
Deutung ihrer Umwelt einbezogen werden 45 . Der Schwarze Tod blieb kein einmaliges
Ereignis, sondern wurde zu einer in unregelmäßigen Abständen wiederkehrenden Bedrohung
für die menschliche Existenz im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Im Folgenden
wird analysiert, aufgrund welcher kulturspezifischen Wahrnehmungen das Pestphänomen in
der spätmittelalterlichen Zeitperiode in Augsburg expliziert und bewältigt wurde. Die
Überlieferung zum Pestgeschehen im Spätmittelalter beschränkt sich dabei vor allem auf
chronikalische Aufzeichnungen, anhand derer man Einblicke in die jeweiligen Vorgänge und
Reaktionen im Umfeld des Pestausbruchs gewinnen kann 46 . In den Augsburger
Ratsprotokollen finden sich keine Informationen über die spätmittelalterlichen Epidemien.
Dagegen könnten die umfangreichen Bestände an Steuerbüchern und Baumeisterrechnungen
vor allem zu statistischen Untersuchungen herangezogen werden, die allerdings in dieser
Studie keinen Schwerpunkt bilden. Eine derartige Quellenlage für die spätmittelalterliche
Seuchengeschichte ist dabei nicht nur für die Stadt Augsburg charakteristisch, sondern stellt
sich auch für andere Städte aus dem deutschsprachigen Raum ähnlich dar 47 .
44 Die erste spätmittelalterliche Pestepidemie in den Jahren 1347-1351, die in der Forschung meistens als „der
Schwarze Tod“ bezeichnet wird, ist die am häufigsten erforschte Zeitperiode der Pestgeschichte. Zu ihr sind
zahlreiche Arbeiten und Monographien erschienen; einschlägige Studien dazu bieten vor allem: BERGDOLT, Der
Schwarze Tod; DERS, Pest; GRAUS, Pest; HERLIHY, Der Schwarze Tod; HORROX, The Black Death;
NAPHY/SPICER, Der Schwarze Tod; ZINN, Kanonen.
45 Die Erinnerung an die Justinianische Pest von 541-543 und die danach folgenden Pestwellen während des 6.
Jahrhunderts im Oströmischen Reich und in West- und Nordeuropa ist zweifellos im 14. Jahrhundert völlig
erloschen. Zu dieser Pestepidemie: MEIER, Justinianische Pest; LEVEN, Justinianische Pest.
46 Zu den Augsburger Chroniken im Spätmittelalter vgl. vor allem die Einleitungen der edierten Werke im
Rahmen der Editionsreihe „Die Chroniken der deutschen Städte“, auch dazu WEBER, Geschichtsschreibung;
JOACHIMSOHN, Geschichtsschreibung.
47 JANKRIFT, Up dat god sich aver uns verbarmen wolde; HÖHL, Pest; HATJE, Pest in Basel; MARTIN, Pest in
Würzburg; SCHMÖLZER, Pest in Wien; SCHÖPPLER, Pest in Regensburg; BÜHL, Pestepidemien in Nürnberg;
FÖßEL, Der Schwarze Tod in Franken.
24