18.09.2022 Aufrufe

Mariusz Horanin Dissertation_SUB

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Pestgeschehens in Augsburg: gott herr kom uns zu hilf oder herr gott erbarm dich über sie all

und bis in gnedig durch dein gruntlosen parmhertzigkait bestätigen eindeutig seine religiöse

Deutung des Pestphänomens 138 .

Zum anderen prägte die direkte körperliche Erfahrung mit den biologischen Auswirkungen

der Krankheit das spätmittelalterliche Bild des Pestphänomens. Die Zeitgenossen nahmen es

vor allem als „großes Sterben“ wahr, wodurch die übliche Vorstellung der Pest als einer

Krankheit mit sehr hohen Todeszahlen anschaulich zum Ausdruck gebracht wird. Die enorme

Virulenz der Pest konstituierte ihre zeitgenössische Wahrnehmung und bestimmte zugleich

den wichtigsten Unterschied zu anderen im Spätmittelalter auftretenden Krankheiten. Zu

diesem Zweck wurden in den Chroniken die aus heutiger Sicht bestürzend wirkenden

Todesstatistiken für die Pestzeit verzeichnet, um dadurch vor allem die ungewöhnlich hohe

Sterblichkeit hervorzuheben.

Den autobiographischen Aufzeichnungen von Burghard Zink ist auch zu entnehmen, dass die

Zeitgenossen während ihres Lebens mehrfach mit Pestepidemien konfrontiert werden

konnten 139 . Zum ersten Mal war die Familie von Burghard Zink im Jahr 1418 davon

betroffen, als sein Vater und seine Schwester in Memmingen an der pestilentz starben.

Während des nächsten Pestzuges 1430-1431 erlagen der Seuche zwei seiner Töchter, Anna

und Dorothea. Im Jahr 1438 starb auch sein Sohn Konrad. Burghard Zink erkrankte damals

ebenfalls an der Pest, allerdings konnte er sich von der Krankheit erholen. Dagegen wurde

seine Familie während der Epidemie in den Jahren 1462-1463 von der Pest verschont. Das

Beispiel der Familie Zink zeigt deutlich, dass die Pest als ein wiederkehrendes

Krankheitsphänomen von den Zeitgenossen wahrgenommen wurde, deren erneutes Auftreten

immer mit höchster Gefahr für Leib und Leben verbunden war.

Zum Dritten lässt sich feststellen, dass die Flucht angesichts der Pestbedrohung eine wichtige

Handlungsoption war. Während der Pestzeiten erkannten die Zeitgenossen aufgrund eigener

Beobachtungen und Erfahrungen, dass der Aufenthalt an einem verpesteten Ort der eigenen

Erkrankung deutlichen Vorschub leisten konnte. Aufgrund dieser Erkenntnis zogen sich die

Menschen aus der Stadt in die pestfreie Nachbarschaft zurück. Die Stadt konnten jedoch nur

solche Bürger verlassen, die über die dazu nötigen sozial-finanziellen Ressourcen verfügten.

Die Möglichkeit der Pestflucht beanspruchten u.a. die Stadtherren bis 1438 völlig

unbeschränkt, d.h. ungeachtet ihrer Amtspflichten konnten sie Augsburg für längere Zeit

verlassen. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass die Bewältigung der Pest im

138 Ebd. S. 294-295.

139 Ebd. S. 135-137, 149-150, 295.

38

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!