XPLR Magazin 03/2022
Liegt die Zukunft von Medien im Web3? Meetings, die im Metaverse stattfinden, Wallets, die eine Paywall ersetzen, und Artikel, die als NFT versteigert werden: Das Web3 hat das Potenzial, Abläufe, Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle in der Medienbranche zu revolutionieren. Während manche noch über Sinn und Unsinn des neuen Internets diskutieren, haben andere Blockchain & Co. längst als Zukunftstechnologie akzeptiert. Vordenker:innen, Startups und etablierte Medienhäuser aus Bayern erproben schon jetzt Anwendungsfälle für die Branche. Tauche ein ins Web3 und entdecke im Heft mutige Innovator:innen, Einschätzungen von Expert:innen und inspirierende Cases.
Liegt die Zukunft von Medien im Web3?
Meetings, die im Metaverse stattfinden, Wallets, die eine Paywall ersetzen, und Artikel, die als NFT versteigert werden: Das Web3 hat das Potenzial, Abläufe, Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle in der Medienbranche zu revolutionieren.
Während manche noch über Sinn und Unsinn des neuen Internets diskutieren, haben andere Blockchain & Co. längst als Zukunftstechnologie akzeptiert. Vordenker:innen, Startups und etablierte Medienhäuser aus Bayern erproben schon jetzt Anwendungsfälle für die Branche.
Tauche ein ins Web3 und entdecke im Heft mutige Innovator:innen, Einschätzungen von Expert:innen und inspirierende Cases.
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N o 3<br />
Media <strong>Magazin</strong>e<br />
MEDIEN<br />
IM WEB3<br />
CHANCEN, RISIKEN, CASES:<br />
WIE DIE MEDIENBRANCHE DAS NEUE<br />
INTERNET FÜR SICH NUTZEN KANN
EDITORIAL<br />
WAS IST EINE WALLET UND WOFÜR BRAUCHE ICH SIE?<br />
Servus<br />
wir sind:<br />
WAS BEDEUTET DER BEGRIFF WEB3?<br />
WAS SIND CHANCEN UND RISIKEN FÜR MEDIENUNTERNEHMEN?<br />
Wir zeigen dir Menschen, die die Medienwelt von morgen<br />
gestalten, informieren über relevante Trends und entdecken für<br />
dich innovative Medienunternehmen aus Bayern.<br />
Liegt die Zukunft von Medien im Web3?<br />
Meetings, die im Metaverse stattfinden, Wallets, die eine<br />
Paywall ersetzen, und Artikel, die als NFT versteigert werden:<br />
Das Web3 hat das Potenzial, Abläufe, Arbeitsweisen und<br />
Geschäftsmodelle in der Medienbranche zu revolutionieren.<br />
Während manche noch über Sinn und Unsinn des neuen<br />
Internets diskutieren, haben andere Blockchain & Co. längst als<br />
Zukunftstechnologie akzeptiert. Vordenker:innen,<br />
Startups und etablierte Medienhäuser aus Bayern erproben<br />
schon jetzt Anwendungsfälle für die Branche.<br />
Tauche ein ins Web3 und entdecke im Heft mutige<br />
Innovator:innen, Einschätzungen von Expert:innen und<br />
inspirierende Cases.<br />
COVERILLUSTRATION: TOBI FRANK, FOTOS: PRIVAT; DIESE SEITE: FOTO: ADOBE STOCK<br />
WIE GEHT MARKETING IM METAVERSE?<br />
JOIN<br />
THE<br />
INNOVATORS<br />
WELCHE PLAYER WERDEN IM WEB3 WICHTIG?<br />
GIBT ES NEUE MEDIEN IM WEB3?<br />
WIE KÖNNEN MEDIEN NFTS NUTZEN?<br />
2
INHALT<br />
„Eigentlich ist das Web3 wie ein<br />
Medikament für die Medienbranche.<br />
Sie ist die am wenigsten<br />
profitable Branche im Netz und<br />
hat jetzt die Chance, es völlig neu<br />
zu denken – weil die Regeln<br />
noch nicht festgeschrieben sind.“<br />
48<br />
WELL<br />
PLAYED<br />
CipSoft ruht sich nicht auf<br />
dem Erfolg seines Online-<br />
Rollenspiels „Tibia“ aus.<br />
30<br />
DIGITALES<br />
WUNDERKIND<br />
Noonoouri kann<br />
als virtuelle Influencerin<br />
Marken<br />
auf der ganzen<br />
Welt gleichzeitig<br />
vertreten.<br />
CHRISTIAN PFEIFFER,<br />
EXPERTE AUS DER WEB3-STUDIE<br />
02 EDITORIAL<br />
06 Q & A<br />
Wie gewinnen Medien den Kampf<br />
gegen Fakes? Verändert Haltung den<br />
Journalismus? Und was zeichnet preisgekrönte<br />
Podcasts aus? Medienschaffende<br />
geben Antworten.<br />
12 HERO STORIES<br />
12 A WHOLE NEW WORLD<br />
Dr. Annette Doms kennt die Möglich<br />
keiten von NFTs und zeigt auf, wie<br />
Medienschaffende die Technologie für<br />
sich nutzen können.<br />
18 FRAGEN ÜBER FRAGEN<br />
Das Reportage-Format „Die Frage“<br />
schreibt mit 360-Grad-Ansatz und<br />
intensivem Community-Management<br />
Erfolgsgeschichte.<br />
24 GANZ GROSSES KINO<br />
Ohne die Kameras von ARRI läuft in<br />
Hollywood nichts. Ein Blick hinter die<br />
Kulissen des Münchner Familienunternehmens.<br />
30 VIRTUELLE BOTSCHAFTERIN<br />
Noonoouri ist Deutschlands erfolgreichste<br />
virtuelle Influencerin. Ihr<br />
Schöpfer Jörg Zuber sieht sie bald auch<br />
im Metaverse.<br />
36 NEW PERSPECTIVES<br />
18<br />
NAH AN DER ZIELGRUPPE<br />
Frank Seibert und Lisa-Sophie Scheurell<br />
setzen bei „Die Frage“ auf tiefgründige<br />
Gespräche und Nahbarkeit.<br />
36 WEB3-STUDIE<br />
Welche Möglichkeiten eröffnet das<br />
Web3 Medienschaffenden?<br />
Expert:innen geben Antworten.<br />
42 USE-CASES IM WEB3<br />
Schon jetzt arbeiten bayerische Unternehmen<br />
an Projekten im Web3. Sechs<br />
Cases zeigen Perspektiven für die Medienbranche.<br />
48 HELLO FROM REGENSBURG Die<br />
Spieleschmiede CipSoft ist Studio des<br />
Jahres <strong>2022</strong> und geht mit Innovationsgeist<br />
und Verantwortungsbewusstsein<br />
in der Branche voran.<br />
52 UNTER DEM RADAR<br />
Diese neuen Player sollten Medienschaffende<br />
im Blick behalten: fünf<br />
bayerische Startups mit vielversprechenden<br />
Projekten.<br />
54 BLAUER PANTHER<br />
Der Bayerische Fernsehpreis will dem<br />
Wandel der TV- und Filmbranche gerecht<br />
werden – mit neuem Namen und<br />
einer umfassenden Digitalstrategie.<br />
56 POLIZEI IM METAVERSE?<br />
Mit dem Web3 entstehen auch neue<br />
Gefahren. Wer oder was kann für mehr<br />
Sicherheit im digitalen Raum sorgen?<br />
58 IMPRESSUM<br />
FOTOS: TANJA KERNWEISS, SEBASTIAN LOCK, JÖRG ZUBER STUDIO GMBH, FRITZ BECK, ARRI;<br />
ILLUSTRATION: 1E9 FÜR <strong>XPLR</strong>: MEDIA IN BAVARIA<br />
12<br />
DIE<br />
KUNST DES WEB3<br />
Für ihre virtuelle Ausstellung<br />
xcircle experimentiert<br />
Dr. Annette Doms mit der<br />
NFT-Technologie.<br />
24<br />
Web3-Studie:<br />
die Ergebnisse<br />
ab Seite 36<br />
DIE BLOCKBUSTER-MACHER:INNEN<br />
Wie sich ein bayerisches Familienunternehmen<br />
an die internationale<br />
Spitze setzen konnte.<br />
4 5
Q&A<br />
Q & A<br />
WELCHE THEMEN<br />
TREIBEN DIE<br />
MEDIENBRANCHE<br />
UM? UND WO<br />
LIEGEN DIE<br />
POTENZIALE VON<br />
MORGEN? HIER GIBT<br />
ES ANTWORTEN.<br />
WIE<br />
GEWINNEN<br />
WIR DEN<br />
KAMPF<br />
GEGEN<br />
FAKES?<br />
Die von Adobe ins Leben gerufene Content<br />
Authenticity Initiative will die Entstehungsgeschichte<br />
von Bildmaterial transparent<br />
und fälschungssicher machen. Stefanie<br />
Valdés-Scott, Head of Government Relations<br />
Central Europe bei Adobe, über einen<br />
neuen Standard gegen Fakes und Desinformation.<br />
FOTO: <strong>XPLR</strong>: MEDIA IN BAVARIA<br />
Adobe hat 2019 zusammen mit Twitter<br />
und der New York Times die Content<br />
Authenticity Initiative (CAI) gegründet.<br />
Inzwischen gehören ihr über 750<br />
Mitglieder an, darunter auch die dpa<br />
oder der „Stern“. Wofür setzt sich die<br />
Initiative ein?<br />
Wir wollen Menschen die Möglichkeit<br />
geben, die Herkunft und<br />
Bearbeitung von Bildern und Videos<br />
einfach nachprüfen zu können –<br />
transparent und fälschungssicher.<br />
Unser Ziel ist ein offener Standard,<br />
mit dem Medien, Journalist:innen,<br />
Künstler:innen und andere Kreative<br />
ihre audiovisuellen Arbeiten<br />
authentifizieren können. Wir wollen<br />
die Provenienz solcher Inhalte zweifelsfrei<br />
nachweisbar machen: Wer<br />
hat wann und wo das Foto oder das<br />
Video aufgenommen? Wie wurde es<br />
verändert?<br />
Sie setzen also auf Authentifizierung<br />
von Inhalten statt auf die Erkennung<br />
gefälschter Inhalte?<br />
Wenn Nutzer:innen sich informiert<br />
ein Bild machen können, ist das<br />
unserer Meinung nach der effektivste<br />
Weg, Fakes und Desinformation zu<br />
bekämpfen. Wenn wir Transparenz<br />
schaffen, können sie sich eine Mei-<br />
Q & A<br />
nung dazu bilden, was authentisch<br />
ist und was nicht – und bemerken<br />
auch, wenn ihnen diese Möglichkeit<br />
nicht gegeben wird. Erkennungstools<br />
sind wichtig, aber sie führen zu<br />
einem Wettlauf: Wenn ein KI-System<br />
Fakes erkennt, füttert es damit das<br />
lernende System, das Fakes erstellt<br />
und dann noch besser wird. Das ist<br />
ein Kampf gegen Windmühlen, der<br />
allein nicht die Antwort ist.<br />
Was ist erforderlich, damit Medien und<br />
Medienschaffende fälschungssichere<br />
Herkunfts- und Bearbeitungsnachweise<br />
nutzen können?<br />
Der technische Standard muss in<br />
ihren Systemen integriert werden.<br />
Bei Medien etwa im Content-<br />
Management-System. Wir wollen<br />
erreichen, dass der Provenienz-Nachweis<br />
an jeder Stelle der Wertschöpfungskette<br />
möglich ist. Schon beim<br />
Aufnehmen eines Fotos soll die<br />
Möglichkeit gegeben sein, per Opt-in<br />
die Metadaten anzuhängen, und das<br />
fälschungssicher. Denn momentan<br />
sind Metadaten an audiovisuellem<br />
Material leicht manipulierbar.<br />
Wie weit sind Sie bei der Umsetzung<br />
Ihrer Pläne?<br />
Es gibt eine erste Version des<br />
Standards. Wir als Adobe haben<br />
ihn mit dem Tool Content Credentials<br />
als Beta-Version in Photoshop<br />
integriert. Bei der Hardware – also<br />
Kameras oder Smartphones und den<br />
in ihnen genutzten Chips – wird es<br />
noch dauern, das flächendeckend<br />
umzusetzen. Aber wir haben bereits<br />
Prototypen und Case-Studies – und<br />
führende Chiphersteller wie Qualcomm<br />
gehören der CAI ebenfalls an.<br />
6<br />
Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A<br />
7
MARKETTE<br />
Q & A<br />
WIE GEWINNT MAN ALS<br />
SPORTJOURNALIST DEN<br />
DEUTSCHEN PODCAST PREIS?<br />
Q & A<br />
Für Max-Jacob Ost dauert ein Fußballspiel immer länger als 90 Minuten: Mit dem<br />
Sender Rasenfunk produziert er drei Fußball-Podcasts. Für die Biografie<br />
„11 Leben – die Welt von Uli Hoeneß“ erhielt er zweimal den Deutschen Podcast Preis.<br />
WARUM MACHT<br />
P7S1 SEINE NEWS<br />
WIEDER SELBST?<br />
Die Story von „11 Leben“ könnten Sie<br />
genauso gut in einem Buch erzählen.<br />
Warum haben Sie sich für das Format<br />
Podcast entschieden?<br />
Ein guter Freund produziert Podcasts<br />
und wollte mit mir arbeiten. Das<br />
Thema stand für mich fest: die Welt<br />
von Uli Hoeneß verstehen. Damit begann<br />
„11 Leben“. Podcasts eignen sich<br />
perfekt für Biografien. Man erreicht<br />
Hörer:innen anders als Leser:innen,<br />
man kann experimentieren. So konnte<br />
ich die chronologische Erzählweise<br />
mit aktuellen Geschichten aufbrechen<br />
und meine eigene Reise einflechten.<br />
Was ist das Besondere am Format<br />
von „11 Leben“?<br />
Wir haben viele Dinge neu arrangiert<br />
und auf keine Regeln Rücksicht<br />
genommen: sei es der Veröffentlichungsrhythmus,<br />
die Länge der<br />
Folgen oder die Anzahl der Gesprächspartner:innen.<br />
Im Lauf der<br />
Produktion haben wir gegen immer<br />
mehr Konventionen verstoßen. Das<br />
ist das Besondere an „11 Leben“: Wir<br />
haben gezeigt, dass sogar dreistündige<br />
Folgen von den Hörer:innen<br />
angenommen werden.<br />
Warum passen Sportjournalismus und<br />
Podcasts so gut zusammen?<br />
Ich weiß nicht, ob beides von Natur<br />
aus zusammenpasst. Der Rasenfunk<br />
ist zum Beispiel durch seine Länge<br />
von teils fünf Stunden eher sperrig,<br />
geht aber dafür in die Tiefe. Diesen<br />
detaillierten Blick kann die klassische<br />
Fußballberichterstattung nicht<br />
bieten. Bei Podcasts gibt es keine<br />
Grenzen. Wir entscheiden, wie wir<br />
eine Sendung gestalten.<br />
Corona, Krieg und Klimakrise – in Krisenzeiten ist für die ProSiebenSat.1 Media SE eine unabhängige Berichterstattung<br />
besonders wichtig. Deshalb übernehmen die Unterföhringer ab 2023 die Produktion aller Nachrichten wieder selbst. Sven<br />
Pietsch, Chefredakteur der Seven.One Entertainment Group, spricht über gesellschaftspolitische Verantwortung, crossmediale<br />
Ausspielung und das neue Mega-Studio: Dort sitzen bald TV-, Social-Media- und Online-Redaktion an einem Tisch.<br />
Warum holt ProSiebenSat.1 die komplette<br />
Nachrichtenproduktion wieder<br />
nach Unterföhring?<br />
Wir sind davon überzeugt, dass es eine<br />
journalistische und strategische Notwendigkeit<br />
ist, mehr Präsenz im Nachrichtlichen<br />
zu zeigen und mehr aus<br />
eigener Hand zu produzieren. Wir bündeln<br />
unsere Informationskompetenz<br />
und unser journalistisches Know-how<br />
noch stärker unter einem Dach. Das<br />
bietet uns völlig neue Möglichkeiten in<br />
der Berichterstattung: Wir können bei<br />
Bedarf schneller und flexibler agieren,<br />
zum Beispiel bei kurzfristigen Sondersendungen.<br />
Ein weiterer Vorteil ist die<br />
schnelle, crossmediale Ausspielung der<br />
Nachrichten über alle Plattformen.<br />
Was heißt das für die Arbeit der<br />
Redaktion?<br />
Eine Unterscheidung in TV und<br />
Digital wird es nicht mehr geben. Alle<br />
Kolleg:innen arbeiten Hand in Hand<br />
– egal, ob für die TV-Formate oder die<br />
digitale Ausspielung. In intensiven Vorbereitungen<br />
wurden Konzepte entwickelt<br />
und unterschiedlichste Szenarien<br />
und Optionen durchgespielt.<br />
Profitieren auch Nutzer:innen von<br />
News made in Unterföhring?<br />
Ja, denn damit setzen wir unsere<br />
Strategie konsequent fort, eigenen<br />
relevanten und lokalen Content<br />
auszubauen. Es ist eine gesellschaftspolitische<br />
Verantwortung, die wir in<br />
Zukunft noch stärker wahrnehmen<br />
wollen. Eine unabhängige aktuelle<br />
Berichterstattung ist in Zeiten von<br />
Fake News und algorithmischen Informationsflüssen<br />
wichtiger denn je.<br />
Im Herbst 2023 geht das neue Studio<br />
in Betrieb. Was erwartet die Zuschauer:innen?<br />
Die Nachrichtenformate von SAT.1,<br />
ProSieben und Kabel Eins werden<br />
dann in einem komplett neuen Setting<br />
on air gehen. Selbstverständlich<br />
wird das Studio auf dem neuesten<br />
Stand der Technik sein, voll automatisiert<br />
und mit modernstem Kameraund<br />
Studio-Equipment ausgestattet.<br />
Sie haben kein internationales Korrespondent:innen-Netz.<br />
Wie bekommen<br />
Sie Informationen und Bewegtbildmaterial<br />
aus erster Hand?<br />
Wir sind dabei, ein weltweites Netzwerk<br />
mit erfahrenen und etablierten<br />
Journalist:innen aufzubauen. Mit diesem<br />
freien Korrespondent:innen-Netz<br />
werden wir die wichtigsten Länder<br />
und Orte auf der Welt journalistisch<br />
abdecken können. Bei entsprechender<br />
Nachrichtenlage werden außerdem<br />
unsere eigenen Reporter:innen<br />
vor Ort berichten. Bewegtbildmaterial<br />
werden wir – wie generell in der<br />
Nachrichtenbranche üblich – auch<br />
von den großen Agenturen beziehen.<br />
FOTOS: SEVEN.ONE ENTERTAINMENT GROUP, HEIDI MAYER, PRIVAT<br />
WIE<br />
FUNKTIONIERT<br />
OPER AUF<br />
SOCIAL MEDIA?<br />
Die Bayerische Staatsoper will jüngere<br />
Menschen für Kultur begeistern – auch<br />
über soziale Netzwerke. Seit einem Jahr<br />
gibt es sie nun auch auf TikTok. Magdalena<br />
König, Managerin Online-Kommunikation,<br />
erklärt, wie Oper Social-Mediatauglich<br />
wird.<br />
Opern dauern meist lange, Social-Media-Inhalte<br />
sollten kurz und aktivierend<br />
sein. Wie geht das zusammen?<br />
Das ist tatsächlich eine Herausforderung,<br />
denn wir haben kein Produkt<br />
im herkömmlichen Sinne, sondern<br />
arbeiten mit Emotionen und<br />
einem Live-Erlebnis. Da braucht es<br />
einen Mittelweg: Inhalte vermitteln,<br />
aber kurz, gebündelt, hochwertig<br />
und spannend. Zum Beispiel mit<br />
Geschichten rund ums Haus oder<br />
einem Blick hinter die Kulissen.<br />
Mit welchem Kanal erreichen Sie junge<br />
Menschen am besten?<br />
Das funktioniert sehr gut mit unserem<br />
„U30 – Oper für 10 Euro“-Account<br />
auf Facebook und Instagram. Hier<br />
machen wir einer breiten jungen Zielgruppe<br />
das Thema Oper zugänglich.<br />
Jeden Monat gibt es auch 10-Euro-Tickets<br />
für den Folgemonat. Die Community<br />
ist sehr aktiv und wächst stetig.<br />
Kommen Ihre Follower:innen<br />
tatsächlich in die Oper?<br />
Ja, und das freut uns sehr! Mit Veranstaltungen<br />
wie dem „After Glow“,<br />
einem kostenlosen Umtrunk für die<br />
User:innen unter 30, die uns auf Facebook<br />
und Instagram folgen, verlängern<br />
wir die Online-Kommunikation<br />
in die Offline-Welt. So kommen wir<br />
mit den jungen Besucher:innen nach<br />
einer Vorstellung vor Ort ins Gespräch.<br />
Welche Aktion hat bisher die größte<br />
Aufmerksamkeit gebracht?<br />
Das Videoformat „Lift the Pitch“, das<br />
erklärt, wie Oper funktioniert, war<br />
sehr erfolgreich. Das haben wir im<br />
Juli parallel zu „Oper für alle“ realisiert.<br />
Sehr viel Aufmerksamkeit gebracht<br />
hat auch unser Video zum CSD München<br />
mit Dragqueens und -kings. Das<br />
wurde auf unseren Kanälen und auf<br />
der CSD-Parade gespielt.<br />
8<br />
Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A<br />
9
Q & A<br />
MARKETTE Q & A<br />
LIEGT DIE ZUKUNFT<br />
DES FILMS IN PENZING?<br />
Mit den Penzing Studios entsteht in Bayern ein Filmstudio, das als Pionier im Bereich<br />
Virtual Production vorangehen und dabei über 1.000 neue Arbeitsplätze schaffen will. Filmproduzent und<br />
Managing Partner Joe Neurauter verrät, wie das gelingen soll.<br />
war für mich klar, dass das eine Zäsur<br />
ist in der Art und Weise, wie Film und<br />
Fernsehen in Zukunft hergestellt<br />
Immer häufiger beziehen Medien Position und machen ihre Haltung zu bestimmten Themen deutlich.<br />
Woran liegt das? Und was passiert mit der journalistischen Neutralität? Medienethikerin Claudia Paganini und Markus Knall,<br />
Chefredakteur von Ippen Digital, im Gespräch.<br />
Ändert sich die Bedeutung von<br />
Objektivität im Journalismus durch<br />
die Digitalisierung?<br />
WIE WANDELT<br />
SICH HALTUNG<br />
IM JOURNALISMUS?<br />
Knall: Meiner Meinung nach wird<br />
Transparenz die neue Objektivität<br />
im Journalismus. Den Leser:innen<br />
ist bewusster, dass hinter jedem Text<br />
ein Individuum mit seiner persönlichen<br />
Wahrnehmung steht. Und<br />
Journalist:innen präsentieren sich<br />
und ihre Meinung immer offensiver<br />
in sozialen Netzwerken. In der Gesellschaft<br />
wird zunehmend Haltung<br />
eingefordert und die Leser:innen<br />
erleben, wie Influencer:innen die<br />
Vermarktung ihrer Subjektivität<br />
zum erfolgreichen Modell machen.<br />
Das färbt ab, und daher werden wir<br />
die Autor:innen in Zukunft noch viel<br />
deutlicher in ihren Texten spüren.<br />
Dann gilt aber auch: Sei transparent<br />
und mache klar, aus welcher Perspektive<br />
du berichtest.<br />
Wie ist es zu bewerten, wenn Journalist:innen<br />
ihre Haltung zeigen, indem<br />
sie an Demonstrationen teilnehmen<br />
oder sich an Kampagnen beteiligen?<br />
Knall: Trotz aller Transparenz: Journalist:innen<br />
sollten nie Aktivist:innen<br />
sein. Wenn sie sich öffentlich<br />
überengagieren, glauben ihnen die<br />
Leser:innen irgendwann den Versuch<br />
objektiver Berichterstattung nicht<br />
mehr. In Deutschland erwarten die<br />
Leser:innen von Journalist:innen<br />
immer noch ein hohes Maß an Neutralität.<br />
In totalitären Regimen kann<br />
die eindeutige Positionierung für<br />
Journalist:innen gefährlich werden.<br />
Kann man von Journalist:innen erwarten,<br />
dass sie ihre Freiheit riskieren, um<br />
Haltung zu zeigen?<br />
Paganini: Nein. Wir haben da<br />
immer noch diese starke Tradition<br />
einer Individualethik: Jede:r muss<br />
selbst wissen, was richtig ist.<br />
Aber eine Ethik, die nur den Einzelnen<br />
verantwortlich macht, greift<br />
zu kurz. Die Frage ist: Wie können<br />
Systeme geschaffen oder erhalten<br />
werden, in denen der einzelne<br />
Journalist, die einzelne Journalistin<br />
unabhängig und frei berichten<br />
kann? Guter Journalismus muss<br />
uns etwas wert sein.<br />
Knall: Mir macht Sorge, wenn<br />
Kolleg:innen sich nicht mehr trauen,<br />
ihre Meinung zu publizieren.<br />
Wir brauchen nicht Zurückhaltung,<br />
sondern müssen Kolleg:innen<br />
besser schützen. Das Problem<br />
in der digitalen Welt ist, dass wir<br />
Aggressor:innen oft nicht früh<br />
genug entgegentreten. Sie bekommen<br />
zu lange Raum, sodass sich<br />
Radikalität aufbauen kann.<br />
FOTOS: SEBASTIAN ARLT, JOE NEURAUTER, HYPERBOWL<br />
Warum braucht die Filmbranche ein<br />
neues Großprojekt wie die Penzing<br />
Studios?<br />
Größere Produktionen stellen in<br />
Bayern Anfragen, aber die Kapazitäten<br />
reichen nicht immer aus. Dem<br />
steht ein Content-Boom gegenüber,<br />
Stichwort Streaming-Wars: Es wird<br />
mehr audiovisueller Content als je<br />
zuvor produziert, Tendenz steigend.<br />
Die Streamer investieren dabei immer<br />
mehr in lokalen Content. Netflix<br />
hat im Dezember angekündigt, dass<br />
es in den nächsten drei Jahren 500<br />
Millionen Euro für deutsche Contentproduktionen<br />
ausgeben wird.<br />
Die Penzing Studios legen einen<br />
Schwerpunkt auf die digitale und virtuelle<br />
Produktion. Sieht so die Zukunft<br />
der Filmproduktion aus?<br />
Als ich gesehen habe, was Disney mit<br />
der neuen Virtual-Production-Technik<br />
bei „The Mandalorian“ gemacht hat,<br />
werden. Ich glaube fest daran, dass<br />
sich der Produktionsprozess in den<br />
nächsten drei bis fünf Jahren rasch in<br />
diese Richtung bewegen wird.<br />
Wie wird diese Technologie die Branche<br />
verändern?<br />
Es gibt kostenmäßig keinen Grund<br />
mehr, an Dutzenden verschiedenen<br />
Schauplätzen zu drehen. Nicht nur die<br />
LED-Technologie ist revolutionär. Auch<br />
die Tatsache, dass die digitalen Assets<br />
und Environments, die im Computer<br />
entstehen, nachnutzbar sind.<br />
Außerdem wird sich das Anforderungsprofil<br />
im Film verändern. Es<br />
wird weniger klassische Crew-Positionen<br />
geben. Die Nachfrage nach<br />
3-D-/2-D-Artists, die die Environments<br />
herstellen, wird dagegen steigen.<br />
Auch nach Software-Entwicklern, die<br />
Game-Engines wie „Unreal“ bedienen<br />
können. Wir wollen hier die führende<br />
Position in Deutschland einnehmen.<br />
Mit welchen modernen Technologien<br />
dürfen wir in Penzing noch rechnen?<br />
Es wird zu der Verschmelzung von<br />
audiovisuellen und Game-Techniken<br />
kommen. Weil die Basis der digitalen<br />
Environments, die bei Virtual Productions<br />
auf die LED-Panels gestreamt<br />
werden, Gaming-Assets sind. Die Gaming-Firmen<br />
beschäftigen genau das<br />
Personal, das für die neuen Prozesse<br />
in Film und Fernsehen benötigt wird.<br />
Wie wird die Innovation im Bereich<br />
Virtual Productions in der Branche aufgenommen?<br />
Wenn es Veränderungen und Disruptionen<br />
gibt, ist das bei vielen mit<br />
Angst verbunden, das wird vor der<br />
Filmbranche nicht haltmachen. Die<br />
Art der Arbeitsplätze wird sich verändern,<br />
aber die Arbeitsplätze werden<br />
nicht verschwinden. In unserer<br />
Branche sind technologische Entwicklungen<br />
zentral. Als der Tonfilm<br />
mal da war, ist man auch nicht mehr<br />
weitergekommen, wenn man weiterhin<br />
Stummfilm gemacht hat.<br />
Das erste Virtual-Production-Studio<br />
Europas,<br />
die Hyperbowl,<br />
ist <strong>2022</strong> in die Penzing<br />
Studios umgezogen.<br />
10<br />
Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A<br />
11
HERO STORY<br />
Dr. Annette Doms,<br />
in einer Projektion<br />
des NFT-Kunstwerks<br />
„10sec2flw“ von<br />
Holger Lippmann<br />
(oben und unten);<br />
rechts die Installation<br />
der „Vortex“-Reihe<br />
von Betty Mü.<br />
WHOLE<br />
NEW<br />
FOTO RECHTS: XCIRCLE ® /BETTY MUE<br />
WORLD<br />
WEB3 UND METAVERSE ERÖFFNEN<br />
MEDIEN VIELFÄLTIGE MÖGLICHKEITEN.<br />
AUCH DIE KUNST ERFINDET<br />
SICH NEU UND EROBERT MIT DIGITALEN<br />
WERKEN DIE NFT-SZENE.<br />
DR. ANNETTE DOMS SIEHT DARIN EINE<br />
REVOLUTION, DIE DIE ART UND<br />
WEISE, WIE WIR DAS INTERNET NUTZEN,<br />
AUF DEN KOPF STELLEN WIRD.<br />
TEXT<br />
MARTIN<br />
HAASE<br />
FOTOS<br />
FRITZ BECK<br />
12 13
HERO STORY<br />
HERO STORY<br />
Annette Doms ist Kunsthistorikerin<br />
und Expertin<br />
für technologiebasierte<br />
Kunst. Sie ist Mitgründerin<br />
von xcircle, einer virtuellen<br />
Kunstausstellung. Doms kennt die Vorteile<br />
der Blockchain und klärt als Beraterin<br />
über den Einsatz von NFTs sowie die<br />
damit verbundenen Risiken auf.<br />
Frau Doms, die Medienbranche zerbricht<br />
sich gerade den Kopf über<br />
Sinn und Unsinn von NFTs. Wie stehen<br />
wir als Gesellschaft der neuen<br />
Technologie aktuell gegenüber?<br />
Ich schätze, 80 Prozent wissen nicht, was<br />
ein NFT ist. Einige Unternehmen überlegen<br />
allerdings schon, wie sie NFTs anwenden<br />
können. Ich bin mir sicher, dass<br />
das Web3 schnell kommt und das Web2<br />
auf lange Sicht ablöst. Früher oder später<br />
werden wir uns alle mit einer Wallet verbinden.<br />
Was braucht es, damit wir an diesen<br />
Punkt kommen?<br />
Im Moment ist noch sehr viel Bildungsarbeit<br />
notwendig, um die breite Masse zu<br />
erreichen. Es gibt auch viele Skeptiker, für<br />
die ist es Hype und Spekulation. Aber ich<br />
bin überzeugt, wenn man die Mechanismen<br />
versteht, erkennt man ein Riesenpotenzial.<br />
Wir haben es mit einer Revolution<br />
zu tun, dem nächsten technologischen<br />
Zyklus: Das Web3 bringt neue Möglichkeiten<br />
und verändert die Art und Weise,<br />
wie wir das Internet nutzen werden.<br />
NFTs sind noch jung, trotzdem<br />
werden sie heiß debattiert.<br />
Gab es in den letzten Jahren einen<br />
vergleichbaren Trend?<br />
Digitale Kunst gibt es bereits seit den<br />
1960er-Jahren. Mit den ersten Computern<br />
haben sich Künstler:innen für Algorithmen<br />
interessiert. Sie sind an die Universitäten<br />
gewandert und haben dort<br />
die ersten computergenerierten Zeichnungen<br />
ausgedruckt. Die Entwicklung<br />
der digitalen Kunst ging kontinuierlich<br />
weiter. Denn Künstler:innen beschäftigen<br />
sich mit dem Zeitgeist und nutzen die<br />
Werkzeuge ihrer Zeit. Und heute sind das<br />
die Blockchain beziehungsweise NFTs.<br />
Die damit verbundenen, teilweise hohen<br />
Verkaufserlöse haben für viel Medienrummel<br />
gesorgt.<br />
Sie haben einen Doktortitel in Kunstgeschichte,<br />
jetzt gestalten Sie mit Ihrem<br />
Projekt xcircle das Zeitgeschehen aktiv<br />
mit. Was hat es mit xcircle auf sich?<br />
xcircle macht digitale Kunst räumlich<br />
erfahrbar. Das setzen wir einerseits<br />
physisch um, mittels einer klassischen<br />
Ausstellung in einer Galerie, bei der wir<br />
die Kunst unter anderem auf Monitoren<br />
darstellen. Da wir uns jetzt in Richtung<br />
Metaverse bewegen, spielen aber auch<br />
virtuelle Welten eine immer größere Rolle.<br />
Deshalb haben wir mit xcircle das Ziel,<br />
die traditionelle Kunstwelt an das Thema<br />
NFT heranzuführen. Das machen wir mit<br />
einer virtuellen Architektur. Interessierte<br />
können die Ausstellung online erkunden<br />
und NFTs kaufen.<br />
Mit xcircle wollen wir außerdem eine<br />
Community aufbauen, einen Kreis von<br />
Gleichgesinnten. Unser Projekt gibt es<br />
erst seit Mai <strong>2022</strong>, aber wir haben damit<br />
eine Nische entdeckt. Das Interesse ist<br />
groß, die Resonanz positiv.<br />
„Hier in München<br />
gibt es<br />
viele Kräfte,<br />
die Ideen auch<br />
in die Tat umsetzen.“<br />
DR. ANNETTE DOMS<br />
Wer gehört zu Ihrer Community?<br />
Erst einmal die Künstler:innen, die wir<br />
ausstellen und mit denen wir sehr eng<br />
zusammenarbeiten. Dann sind es klassische<br />
NFT-Sammler:innen, die uns über<br />
Social Media entdeckt haben. Aber auch<br />
traditionelle Kunstsammler:innen, denen<br />
wir Hilfestellung anbieten: Wofür ist eine<br />
Wallet da, wie richte ich sie ein? Wie<br />
sicher ist das, wie laufen die Transfers ab?<br />
Die technischen Voraussetzungen sind<br />
aktuell die größte Hemmschwelle. Da<br />
leisten wir viel Bildungsarbeit.<br />
Auch Medien erproben gerade<br />
die Technologie. Wie können Medienhäuser<br />
NFTs für sich nutzen?<br />
Im Medienbereich lässt sich im Grunde<br />
alles als NFT verkaufen. Zum Beispiel die<br />
Cover eines <strong>Magazin</strong>s. Das spricht eine<br />
neue, technologieaffine Zielgruppe an,<br />
gleichzeitig gibt es Objekte zum Sammeln.<br />
Zudem bekommen die Medienhäuser bei<br />
jedem Weiterverkauf eines Collectibles<br />
zum Beispiel zehn Prozent des Verkaufserlöses.<br />
Das lässt sich im Smart Contract<br />
festlegen. Durch die Blockchain lassen sich<br />
auch Quellennachweise, besonders für<br />
Pressebilder, sehr gut darstellen.<br />
Wohin entwickelt sich die Medienbranche<br />
durch Blockchain oder Web3?<br />
Die Medienbranche wird sich dank der<br />
neuen Möglichkeiten des Wissenstransfers<br />
ein größeres Netzwerk aufbauen.<br />
Auch Leser:innen können aktiv daran<br />
teilnehmen. Es lassen sich zum Beispiel<br />
Viele digitale Kunstwerke, die es bei xcircle zu<br />
sehen und zu erstehen gibt, sind animiert. Hier<br />
steht Annette Doms vor einer Projektion animierter<br />
Tetraeder, das Werk heißt „QbitGarden“,<br />
geschaffen von Martin Rosenthal.<br />
xcircle<br />
In der virtuellen Ausstellung<br />
xcircle können Interessierte digitale<br />
Kunstwerke online betrachten und<br />
als NFTs erstehen. Gründer:innen sind<br />
neben Annette Doms die Kunstsammlerin<br />
Christina Brugger sowie Designer Arndt<br />
Johannes. Zum Münchner NFT-Mai <strong>2022</strong><br />
wurden die NFTs als Projektionen<br />
in einer klassischen Ausstellung<br />
präsentiert.<br />
Archive erstellen, an denen eine Community<br />
mitschreiben kann. Das Wissen ist<br />
dann sehr transparent. Durch die Blockchain<br />
lässt sich das viel effizienter gestalten<br />
als beispielsweise bei Wikipedia. Es<br />
entstehen neue Bezahlmodelle: Medien<br />
können ihren Content durch eine Wallet<br />
zur Verfügung stellen, also bestimmte<br />
Artikel erst durch eine Wallet-Verbindung<br />
freigeben. Das kann eine sichere Alternative<br />
zur aktuellen Paywall sein.<br />
Sie kommentierten zum Münchner<br />
NFT-Mai <strong>2022</strong>: „München kann<br />
federführend im NFT-Bereich wirken.“<br />
Warum glauben Sie das?<br />
Grundsätzlich existiert in ganz Deutschland<br />
eine unglaublich große Community,<br />
man kennt und trifft sich auf Events wie<br />
dem NFT-Mai. Hier in München gibt es<br />
viele Kräfte, die Ideen auch in die Tat umsetzen.<br />
Das Künstlerkollektiv Pepe Arts hat<br />
für seine Shows Eintrittskarten als NFTs<br />
verkauft. Es gibt Digital-Fashion-Projekte<br />
für Mode im Metaverse. Oder die MetaBrew-<br />
Society, die Bier als NFTs verkauft und eine<br />
Brauerei in Bayreuth hat. Das Bier verschifft<br />
sie bis nach Südkorea und Dubai.<br />
Im Anschluss an den NFT-Mai in München<br />
waren Sie auf der NFT-Konferenz<br />
in New York. Welche Eindrücke haben<br />
Sie von dort mitgenommen?<br />
Auch in New York gibt es einen unglaublichen<br />
Enthusiasmus. Und das trotz der<br />
großen Crashs zuletzt. Der Technologieund<br />
Kryptomarkt beziehungsweise alle<br />
14 15
HERO STORY<br />
HERO STORY<br />
„Das<br />
Metaverse<br />
wird das<br />
sein, was wir<br />
daraus<br />
machen.“<br />
DR. ANNETTE DOMS<br />
Besitzer:innen zum Beispiel einbinden,<br />
wenn man bestimmte Designs auf der<br />
Homepage überarbeitet.<br />
Gibt es im Metaverse auch Risiken für<br />
Medienschaffende und Künstler:innen?<br />
Da gibt es viele Risiken und auch unge-<br />
volatilen Märkte sind gecrasht. Trotzdem<br />
bleibt die Stimmung positiv. Die Insider<br />
sind entspannt, wissen, dass es auch<br />
wieder aufwärtsgeht, und schmieden<br />
neue Projekte. Die Community trifft sich,<br />
arbeitet zusammen. Es gibt einen starken<br />
Glauben an die Blockchain, aber auch an<br />
die Zukunft des Web3 und des Metaverse.<br />
Immer mehr Brands steigen ins Metaverse<br />
ein und wollen Produkte platzieren.<br />
Skeptiker kritisieren den hohen Stromverbrauch<br />
und meinen, die Blockchain<br />
sei überflüssig. Was ist der entscheidende<br />
Vorteil der Technologie?<br />
Es ist die Blockchain selbst. Sie ist ein<br />
dezentrales Datensystem. Handeln ist<br />
via Blockchain effektiver möglich. Jeder<br />
Transfer wird dokumentiert. Das ist<br />
interessant für Lieferketten, die Dokumentation<br />
oder auch die Beurkundung<br />
von physischen Objekten und von<br />
Identitäten. Blockchain-basierte Projekte<br />
lassen sich mit weiteren Anwendungen<br />
verknüpfen.<br />
Man kann die Blockchain fürs Ticketing<br />
verwenden oder ein Belohnungssystem<br />
entwickeln. Mit einem NFT der vorhin genannten<br />
Münchner MetaBrew bekommt<br />
man zum Beispiel nicht nur Bier, sondern<br />
xcircle gibt es nicht<br />
nur virtuell (links),<br />
digitale Kunst lässt<br />
sich auch im physischen<br />
Raum zeigen.<br />
Oben Eindrücke der<br />
Installation im Pacha<br />
Nachtclub zum NFT-<br />
Mai <strong>2022</strong> in München.<br />
FOTOS: XCIRCLE ® /BETTY MUE (2), XCIRCLE ®<br />
auch das Recht, bei neuen Produkten<br />
mitzuentscheiden und an Events teilzunehmen.<br />
Die Brauerei auf der anderen<br />
Seite baut sich damit eine markentreue<br />
Kundschaft auf.<br />
Im Netz müssen wir durch Werbefinanzierung<br />
vieles nicht extra bezahlen.<br />
Kunst- und Medienschaffende verdienen<br />
kaum daran. Können Web3 und<br />
Blockchain hier etwas ändern?<br />
Die sogenannten Royalties beispielsweise<br />
sind ein Game-Changer für die ganze<br />
Industrie. Der große Vorteil der Blockchain<br />
ist der Smart Contract bei der Monetarisierung.<br />
Darin lässt sich alles Mögliche festschreiben,<br />
zum Beispiel Lizenzen, Patente<br />
oder die Royalties: also eine Tantieme von<br />
zehn Prozent oder mehr, die bei jedem<br />
weiteren Verkauf im Zweitmarkt direkt in<br />
die Wallet der Künstler:innen fließt. Noch<br />
mehr profitieren Kunstschaffende vom<br />
dezentralen Charakter: Durch das Peer-to-<br />
Peer-Netzwerk neuer Distributionskanäle<br />
wie artblocks, SuperRare oder NiftyGateway<br />
haben sie die Möglichkeit, direkt mit<br />
Käufer:innen in Kontakt zu treten und sich<br />
selbst zu vermarkten. Damit sind sie weniger<br />
angewiesen auf Kanäle wie Spotify<br />
und andere große Plattformen.<br />
Braucht es für Online-Artikel eine<br />
Auflage wie für Printmagazine?<br />
Da geht es nicht um die Auflage der<br />
Artikel. Ich würde mir als Medienhaus eher<br />
einen coolen NFT-Drop einfallen lassen.<br />
Dann verkauft man zum Beispiel unveröffentlichte<br />
Layouts der letzten Jahre und<br />
verbindet sie mit einem Nutzen, der die<br />
Community anspricht. Man kann die NFT-<br />
klärte Fragen. Was passiert zum Beispiel,<br />
wenn ein Avatar gekidnappt und Lösegeld<br />
verlangt wird? Braucht es eine Meta-Polizei<br />
oder einen Meta-Friedhof, wenn die Eigentümer<br />
von Avataren sterben? Sicherheitsrisiko<br />
Nummer eins ist aber eine Phishing-<br />
E-Mail, mit der eine Wallet beraubt werden<br />
kann. Ein falscher Link kann zum Hacking<br />
und zum Verlust aller digitalen Assets<br />
führen. Auch das Thema Copyright wird<br />
aktuell neu gedacht.<br />
Geraten wir nicht in Gefahr, uns in der<br />
virtuellen Realität zu verlieren?<br />
Trotz der virtuellen Realität wird immer<br />
die Verknüpfung zur analogen Welt bleiben.<br />
Unser Leben wird phygital. Dass man<br />
sich aber tatsächlich auch darin verlieren<br />
kann, zeigt sich beispielsweise, wenn man<br />
länger VR-Tischtennis spielt. Dann versucht<br />
man nach einer Weile, sich auf der<br />
Tischplatte abzustützen, und fällt hin. Das<br />
Erlebnis kann auch abhängig machen.<br />
Fear Of Missing Out ist ebenfalls ein Thema:<br />
Dann kaufen Leute Produkte, die sie<br />
gar nicht brauchen. Aber wer nach einem<br />
langen Arbeitstag die VR-Brille aufsetzt<br />
und am Strand von Hawaii chillt, kann das<br />
auch genießen. Das Metaverse wird das<br />
sein, was wir daraus machen.<br />
16 17
HERO STORY<br />
MARKETTE<br />
FRAGEN<br />
ÜBER FRAGEN<br />
TEXT<br />
NINA BRANDTNER<br />
FOTOS<br />
TANJA KERNWEISS<br />
EINFÜHLSAME MODERATION UND INTENSIVE<br />
GESPRÄCHE SIND DAS ERFOLGSREZEPT DES<br />
REPORTAGE-FORMATS „DIE FRAGE“, DAS DER BAYERISCHE<br />
RUNDFUNK FÜR FUNK PRODUZIERT. PRODUKTLEITERIN<br />
TERESA FRIES UND DIE HOSTS FRANK SEIBERT<br />
UND LISA-SOPHIE SCHEURELL ÜBER DIE POTENZIALE<br />
EINER GUT GEPFLEGTEN COMMUNITY UND DIE KUNST<br />
DES 360-GRAD-ANSATZES.<br />
Lisa-Sophie, Teresa und Frank, das<br />
Kernteam von „Die Frage“ hat sich in<br />
den letzten beiden Jahren mehr als<br />
verdoppelt und besteht mittlerweile<br />
aus 15 Kolleg:innen. Warum habt ihr<br />
euch derart vergrößert?<br />
Frank: Es sind immer mehr Aufgaben dazugekommen,<br />
die wir irgendwann nicht<br />
mehr gepackt haben. Mehr Social-Media-Aufwand<br />
und mehr Plattformen, die<br />
wir bedienen wollten. Gerade mit TikTok<br />
brauchten wir Leute, die sich in die Logik<br />
der Plattform reinfuchsen. Irgendwann<br />
kann eine Person alleine auch den ganzen<br />
Kommentaraufwand nicht mehr regeln.<br />
Teresa: Da war auch noch so viel Potenzial, das wir ausschöpfen<br />
wollten. Unsere Filme sind immer länger geworden, weil wir die<br />
Geschichten ausführlich erzählen wollten und weil wir so dafür<br />
brennen.<br />
Ist das Teil von dem, was euch als Format so<br />
erfolgreich macht? Dass ihr euch weiterentwickelt und<br />
für eure Geschichten brennt?<br />
Frank: Es ist wichtig, dass sich die Leute, die bei uns arbeiten,<br />
extrem mit dem Inhalt identifizieren. Ich kenne wenige<br />
Redaktionen, in denen die Leute so engagiert mitarbeiten, weil<br />
sie es am Ende so cool finden, was sie machen.<br />
Teresa: Wir tendieren außerdem dazu, eher mal etwas zu machen,<br />
wenn wir eine Idee gut finden, als zu sagen: „Nein, wir machen<br />
jetzt Standard weiter.“ So kommen neue Sachen zustande.<br />
ILLUSTRATION: ISTOCK<br />
„Die Frage“-Hosts Frank Seibert<br />
und Lisa-Sophie Scheurell sowie<br />
Produktleiterin Teresa Fries<br />
(v. l. n. r.).<br />
18
HERO STORY<br />
HERO STORY<br />
Wie bleibt ihr euch dabei treu?<br />
Lisa-Sophie: Wir versuchen, im Kern die<br />
„Die Frage“-DNA beizubehalten, aber wir<br />
probieren unterschiedliche Herangehensweisen.<br />
Auch, damit wir nicht die Motivation<br />
verlieren.<br />
Teresa: Uns hilft total, dass wir Trendthemen<br />
nicht hinterherlaufen. Unsere Themen<br />
sind universal und für sehr lange Zeit<br />
relevant, sie begleiten junge Leute über<br />
ihre Jugend hinweg. Es geht um Liebe<br />
und Beziehung, Tod, Schuld, Körpergefühl<br />
oder psychische Gesundheit.<br />
Wie entstehen die Themenideen<br />
bei „Die Frage“?<br />
Lisa-Sophie: Das ist sehr unterschiedlich.<br />
Wir haben immer eine lange Liste<br />
an Ideen. Dann ist es ein Team-Effort: Vor<br />
allem die Autor:innen, aber auch alle Community-Manager:innen<br />
und die Videoproducer<br />
arbeiten mit. Bei Brainstorming-Sessions<br />
nehmen wir uns eine Frage vor und<br />
überlegen: Was sind die unterschiedlichen<br />
Aspekte des Themas? Wir bekommen<br />
auch super viel Input aus der Community.<br />
Frank: Das Wichtigste ist, dass wir ein<br />
Gefühl für das Thema haben und dass es<br />
uns sofort packt. Oder jemand sagt: „Ich<br />
kapiere das gar nicht, das Phänomen.<br />
Aber ich finde es wichtig oder schön, mich<br />
damit zu beschäftigen.“<br />
Ist diese Verbundenheit mit Themen<br />
etwas, das zu eurem Erfolg beiträgt und<br />
das für Medien immer wichtiger wird?<br />
Teresa: Ich weiß nicht, ob es für alle<br />
Medien wichtig ist, dass Reporter:innen<br />
und Hosts so involviert sind. Für uns ist es<br />
essenziell. Es würde niemals funktionieren,<br />
dass Frank und Lisa-Sophie erst beim Dreh<br />
erfahren, mit wem sie sprechen. Das merken<br />
die Protagonist:innen und die Community.<br />
Für uns ist es ein Erfolgskonzept,<br />
weil wir viele Inhalte aus der Community<br />
generieren. Ganz viele Protagonist:innen<br />
könnten wir niemals recherchieren, weil sie<br />
noch nie irgendwo aufgetaucht sind. Sie<br />
kommen zu uns und sagen: „Ich möchte<br />
Lisa-Sophie und Frank meine Geschichte<br />
HINTER DEN KULISSEN VON „DIE FRAGE“<br />
„Die Frage“ gibt es seit über zehn Jahren. Zuerst im Radio beim PULS-Vorgänger on3, wurde<br />
das Format später als Podcast aufgezeichnet und online gestellt. Daraus entstand ein Fernsehformat<br />
für den Bayerischen Rundfunk (BR). Seit 2016 ist „Die Frage“ Teil von funk, wird weiterhin<br />
vom BR produziert und erscheint einmal wöchentlich als circa 20-minütiges Reportageformat<br />
auf YouTube. „Die Frage“ ist auf TikTok, Instagram und Facebook zu finden, seit 2021 gibt es<br />
sie außerdem wieder als Podcast. Das Team besteht aus zwei Hosts, einer Produktleitung, zwei<br />
Autorinnen für die YouTube-Ausspielungen, drei Videoproducern, einer Autorin für den<br />
Podcast, zwei Autor:innen für TikTok und drei Community-Manager:innen, viele davon in unterschiedlichen<br />
Teilzeitmodellen. Auf funk-Seite unterstützt ein Partnermanager und auf PULS-<br />
Seite ein Stratege, im Wechsel sind freie Autor:innen und Volontär:innen mit dabei.<br />
ILLUSTRATION: ISTOCK<br />
erzählen.“ Es passiert oft, dass danach andere Redaktionen anrufen<br />
und nach Kontakten fragen. Aber meistens ist die Antwort der<br />
Protagonist:innen: „Nein, ich wollte das hier erzählen.“<br />
Frank: Das ist ein Potenzial, das viele Redaktionen nicht so nutzen,<br />
wie sie könnten – mit Leuten zusammenzuarbeiten, die regelmäßig<br />
zuschauen. Ich merke das immer in Redaktionen, die sich überlegen,<br />
wie sie an die Protagonist:innen kommen, und dann klassische<br />
Recherche in Foren machen. Wir machen einen Aufruf und sprechen<br />
die Leute an, die uns verbunden sind, und es kommen sofort<br />
Rückmeldungen. Dieser Vertrauensbeweis ist ein großes Gut.<br />
Lisa-Sophie: Unsere Protagonist:innen haben weniger Probleme,<br />
sich zu öffnen, weil sie uns und unsere Videos kennen. Wir müssen<br />
am Anfang nicht erzählen: „Wir wollen respektvoll mit euren<br />
Geschichten umgehen.“ Das ist gegeben. Das macht die Arbeit<br />
mit den Leuten sehr viel einfacher.<br />
Habt ihr Tipps für andere Redaktionen, wie man seine<br />
Community richtig pflegt?<br />
Frank: Viel antworten und sich Zeit nehmen.<br />
Lisa-Sophie: Wir haben extra Themensitzungen, in denen wir nur<br />
E-Mails und Nachrichten besprechen, die reingekommen sind.<br />
Der Community mit Respekt zu begegnen und sie als sehr wertvolle<br />
Quelle anzusehen, das machen nicht alle Redaktionen.<br />
Teresa: Man sollte Community-Manager:innen als wertvolle Mitarbeiter:innen<br />
ansehen. Als wir im Journalismus angefangen haben,<br />
war das ein Job, der eher lieblos behandelt wurde. Das funktioniert<br />
auf keinen Fall. Man muss Ressourcen reinstecken. Ich finde es<br />
sehr seltsam, wenn Redaktionen das Community-Management<br />
auslagern. Community-Manager:innen sind unser Ohr in die<br />
Zielgruppe. Sie wissen im Zweifel schon vorher, wie ein Film ankommen<br />
wird und welche Themen gut laufen könnten. Es ist sehr<br />
wichtig, dass sie Teil der Themensitzungen und des Teams sind<br />
und nicht nur diese Abteilung, die Kommentare abarbeitet.<br />
Wer ist denn eure Community?<br />
Lisa-Sophie: Die „Die Frage“-Zielgruppe ist neugierig, sie hat<br />
Interesse an unterschiedlichen Themen. Die Leute kommen<br />
wegen eines Themas, das ihnen naheliegt, das in ihrer Lebenswelt<br />
eine große Rolle spielt, aber sie bleiben für Themen<br />
außerhalb ihrer Bubble.<br />
Teresa: Viele Leute kommen bei uns zum ersten Mal mit bestimmten<br />
Themen in Berührung. Sie mögen es, von Menschen<br />
und ihren Geschichten überrascht zu werden. Das macht „Die<br />
Frage“ so besonders.<br />
Fällt es euch in Zeiten, in denen via Social Media jede:r zum<br />
Storyteller werden kann, schwerer, euch bei der Zielgruppe<br />
Gehör zu verschaffen?<br />
Frank: Gar nicht. Diese Entwicklung finden wir total gut! Uns<br />
schreiben oft Menschen, die ihre Geschichte selbst öffentlich<br />
erzählt haben, aber nicht mit der Reichweite. Sie haben das Be-<br />
„Es ist ein<br />
Potenzial, das viele<br />
Redaktionen<br />
nicht so nutzen, wie<br />
sie könnten –<br />
mit Leuten zusammenzuarbeiten,<br />
die regelmäßig<br />
zuschauen.“<br />
FRANK SEIBERT, HOST<br />
dürfnis, sie auch anderen Zielgruppen<br />
zu erzählen, die zum Beispiel bisher nicht<br />
sensibel waren für ein Thema. Auf<br />
Social Media ergänzt man sich vielmehr<br />
in den verschiedenen Bubbles, in denen<br />
man sich bewegt, anstatt sich etwas<br />
wegzunehmen.<br />
Teresa: Die Leute sehen den Unterschied,<br />
ob eine Redaktion und ein journalistisches<br />
Format dahinterstehen oder ein privater<br />
YouTube- oder TikTok-Kanal. Wir sind<br />
entspannt, weil wir wissen, dass wir etwas<br />
hinzuzufügen haben. Wir müssen nicht<br />
eins zu eins konkurrieren, wir haben unsere<br />
Recherchen, die Hosts, eine Metaebene<br />
in den Filmen.<br />
Spätestens seit TikTok gilt: je knapper,<br />
desto besser. Der jungen Zielgruppe<br />
wird gerne unterstellt, keine Aufmerksamkeitsspanne<br />
mehr zu haben. Wieso<br />
sind eure langen Reportageformate<br />
noch immer so erfolgreich?<br />
Frank: Die Leute wünschen sich sogar<br />
noch längere Videos. Auf YouTube erwarten<br />
sie das und lassen sich darauf ein.<br />
Auf TikTok erwarten sie kürzere Videos. Die<br />
Kunst liegt darin, den Inhalt für jede Plattform<br />
passend zu erzählen.<br />
Teresa: „Sie haben keine Aufmerksamkeitsspanne<br />
mehr“, ist Quatsch. Sie sind<br />
halt schneller gelangweilt, aber das ist<br />
nicht unbedingt etwas Schlechtes. Sie<br />
schauen sich auch etwas Langes an, wenn<br />
es gut gemacht und spannend erzählt<br />
20 21
MARKETTE<br />
HERO STORY<br />
„Eine junge<br />
Zielgruppe ist<br />
schneller<br />
gelangweilt,<br />
aber das ist<br />
nicht unbedingt<br />
Infokasten Die Frage<br />
etwas<br />
Schlechtes.“<br />
Die Frage gibt es seit über zehn Jahren. Zuerst im Radio beim Puls-Vorgänger on3, wurde das Format später als<br />
Podcast aufgezeichnet und online gestellt. Daraus entstand ein Fernsehformat für den Bayerischen Rundfunk.<br />
Seit 2016 ist Die Frage Teil von Funk und erscheint einmal wöchentlich als ca. 30-minütiges Reportageformat<br />
auf YouTube. Seit 2021 gibt es Die Frage außerdem wieder als Podcast. Das Team besteht aus zwei Hosts, einer<br />
TERESA FRIES,<br />
Produktleitung, zwei Autorinnen für die YouTube-Ausspielungen, drei Videoproducern, einer Autorin für den<br />
PRODUKTLEITERIN<br />
Podcast, zwei Autor:innen für TikTok und drei Community Manager. Auf Funk-Seite unterstützt ein Partnermanager<br />
und auf Puls-Seite ein Stratege, im Wechsel sind freie Redakteur:innen und Volontär:innen mit dabei.<br />
ILLUSTRATION: ISTOCK<br />
ist. Dann fühlt sich ein dreißigminütiger<br />
YouTube-Film für sie an wie zwei Minuten.<br />
Wenn wir es nicht schaffen, spannend zu<br />
erzählen, sind sie nach zwei Minuten weg.<br />
Frank: Weil die Konkurrenz so groß ist.<br />
Das nächste Video ist nur einen Klick entfernt.<br />
Früher hat man sich nicht so gezielt<br />
überlegt, wohin man seine Aufmerksamkeit<br />
gibt. Das darf aber nicht dazu führen,<br />
dass man alles überdramatisiert oder<br />
clickbaity verkauft.<br />
Was war eure Strategie bei TikTok?<br />
Frank: Trial and Error.<br />
Lisa-Sophie: Wir wussten nicht: Was<br />
läuft gut? Worauf muss man achten? Wir<br />
haben einen Autor ins Team geholt, der<br />
schon TikTok-Erfahrung und einen gut<br />
laufenden privaten Account hatte. Inzwischen<br />
teilen wir einerseits Ausschnitte aus<br />
unseren Filmen, die besonders emotional<br />
und stark sind. Andererseits haben wir<br />
völlig neue Protagonist:innen, die in unseren<br />
YouTube-Videos nicht auftauchen. Es<br />
geht darum, Stereotype aufzudecken und<br />
provokantere Fragen zu stellen, als wir es<br />
in unseren YouTube-Videos tun.<br />
Teresa: Wir lernen immer noch, bei TikTok<br />
kann man ja mit nichts rechnen.<br />
Lisa-Sophie: Ein Video hat 2.000 Views,<br />
das nächste 200.000 Views. Und du weißt<br />
nicht, wieso.<br />
Teresa: Meistens ist es nicht das, was wir<br />
denken. Das ist frustrierender als das, was<br />
wir gewohnt waren. Aber auf der anderen<br />
Seite sind es auch ganz andere Erfolgserlebnisse.<br />
Ungefähr gleichzeitig mit TikTok habt<br />
ihr euren Podcast wiederbelebt, der<br />
zwischen 2018 und 2021 pausiert hat.<br />
Wie stecht ihr aus der Masse hervor?<br />
Frank: Wir haben in den Folgen total unterschiedliche<br />
Herangehensweisen. Mal bietet<br />
sich eine Reportage an, manchmal machen<br />
wir nur Studiointerviews. Wir haben kein<br />
starres Konzept. Da unterscheiden wir uns<br />
von anderen Podcasts, die ein sehr klassisches<br />
Format haben: zwei Leute im Studio,<br />
die sich unterhalten. Ich glaube, dass wir es<br />
schaffen, die „Die Frage“-DNA in den Podcast<br />
zu übertragen. Da ist die Konkurrenz dann nicht mehr ganz so<br />
groß. Das kriegen wir auch als Feedback aus der Community.<br />
Teresa: Wir stellen die Protagonist:innen in den Vordergrund. Es<br />
geht darum, dass Frank diese Geschichten erfährt. Es ist nicht so<br />
leicht, an einem Podcast-Cover zu erkennen, was drinsteckt. Wir<br />
überlegen noch, wie wir den User:innen klarmachen können, dass<br />
die Inhalte nicht die gleichen wie in unseren YouTube-Folgen sind.<br />
Ist der Podcast gekommen, um zu bleiben?<br />
Frank: Ja. Die Themen gehen uns jedenfalls nicht aus. Wir machen<br />
jetzt die neue Staffel und schauen dann weiter. Bei funk<br />
werden für einen bestimmten Zeitraum quantitative und qualitative<br />
Ziele festgelegt. Danach wird entschieden, wie es mit einem<br />
Produkt weitergeht. Das ist eine schöne Entwicklung. In der<br />
ARD war es früher häufiger so, dass Produkte ins Leben gerufen<br />
wurden und dann genauso blieben, egal, wie gut sie funktioniert<br />
haben. funk achtet sehr genau darauf, wie gut alles klappt.<br />
Teresa: Das ist bei allen Kanälen so und gilt für alle Formate. Es<br />
heißt nie pauschal „Ziele nicht erreicht, Format abgesetzt“. Aber<br />
es ist gut, dass darauf geachtet wird. So werden Formate weiterentwickelt<br />
und zukunftsfähig gemacht. Anstatt sie auslaufen zu<br />
lassen und zu sagen: „Es funktioniert eigentlich seit drei Jahren<br />
nicht mehr.“<br />
Wie lebt es sich generell als junges Format im öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunk?<br />
Frank: Als ich angefangen habe, beim BR zu arbeiten, hatte ich<br />
das Gefühl, dass es einen deutlichen Unterschied im Ansehen<br />
von jungen und von etablierten Formaten gibt. Ich würde nicht<br />
sagen, dass sie belächelt wurden, aber es gab eine Hierarchie.<br />
Das hat sich inzwischen fast komplett aufgelöst und teilweise<br />
ins Gegenteil gekehrt. Andere Redaktionen, hier im Haus und<br />
im kompletten öffentlich-rechtlichen System, merken: Es gibt<br />
junge Formate, die es sehr gut schaffen, bestimmte Zielgruppen<br />
anzusprechen, eine Community aufzubauen, eine Reichweite<br />
zu erzielen. Und das wollen sie ja auch. Heute gibt es da einen<br />
Wissenstransfer. Leute, die von jungen Formaten kommen, sind<br />
gewollt im Haus, weil sie Fähigkeiten mitbringen, die in anderen<br />
Redaktionen gebraucht werden.<br />
Teresa: Wir wissen, dass wir machen können, was wir machen,<br />
weil wir öffentlich-rechtlich sind. Dass wir hochwertigen Content<br />
auf allen Plattformen machen können, weil wir nicht abhängig<br />
von kommerziellen Interessen sind. Wir können Themen setzen,<br />
die uns wichtig sind, und Sachen ausprobieren, bei denen wir uns<br />
nicht sicher sind: Funktioniert das? Das ist eine ganz große Freiheit.<br />
Wenn es um die Arbeitskultur geht, gibt es in jedem großen<br />
Unternehmen die Ecken, die ein bisschen verstaubt sind, aber<br />
wir sind mit funk und PULS an zwei Orten verwurzelt, die total<br />
vorangehen. Nicht immer mit dem größten Budget, aber mit der<br />
größten Idee, wie ein modernes öffentlich-rechtliches Medienunternehmen<br />
funktionieren kann.<br />
23
HERO STORY<br />
Mit ARRI-Geräten<br />
entstehen Hollywood-Blockbuster.<br />
Hier ist die Digitalkamera<br />
ALEXA 35 im<br />
Außeneinsatz.<br />
GANZ<br />
GROSSES<br />
KINO<br />
OHNE ARRI LÄUFT IN HOLLYWOOD<br />
GAR NICHTS. DIE MÜNCHNER<br />
FERTIGEN DIE BESTEN FILMKAMERAS<br />
DER WELT, VIELE BEKANNTE<br />
BLOCKBUSTER SIND MIT DER<br />
KAMERA- UND LICHTTECHNIK DES<br />
BAYERISCHEN TECH-RIESEN<br />
ENTSTANDEN. WAS ARRI VON DER<br />
INTERNATIONALEN KONKURRENZ<br />
ABHEBT? PIONIERGEIST, EIN<br />
HOHER SELBSTANSPRUCH UND DER<br />
MUT, NEUE GESCHÄFTSBEREICHE<br />
ZU ERSCHLIESSEN.<br />
TEXT<br />
KATHRIN HOLLMER<br />
FOTOS<br />
ARRI<br />
24<br />
25
HERO STORY<br />
HERO STORY<br />
Die Firmenzentrale in der<br />
Münchner Parkstadt Schwabing<br />
trägt den Namen ARRIAL.<br />
Wenn im Dolby<br />
Theatre in Los<br />
Angeles die Oscars<br />
verliehen werden,<br />
zählt man in<br />
Schwabing genau mit. Im März, bei der<br />
94. Verleihung der Academy Awards, wurden<br />
von den neun Produktionen, die als<br />
„Bester Film“ nominiert waren, sieben mit<br />
Kameras des Münchner Familienunternehmens<br />
ARRI gedreht. Für den Preisträger<br />
„Coda“ verwendete die Kamerafrau<br />
Paula Huidobro Objektive von ARRI. Allein<br />
in den vergangenen zwölf Jahren wurden<br />
elf Preisträger in der Kategorie „Beste<br />
Kamera“ mit ARRI-Kameras gefilmt.<br />
Bayerische Technik<br />
in Hollywood<br />
Die meisten Münchner:innen kennen „das<br />
ARRI“, das Kino in der Türkenstraße und<br />
den Gründungssitz von ARRI. Inzwischen<br />
heißt das Kino „ASTOR Film Lounge<br />
im ARRI“, das Unternehmen zog Ende<br />
2019 in eine neue Firmenzentrale. Von<br />
außen sieht der Neubau in der Parkstadt<br />
Schwabing aus wie ein Kameragehäuse.<br />
Drinnen befinden sich alle Zentralfunktionen<br />
von ARRI sowie alle Abteilungen des<br />
Geschäftsbereichs Camera Systems – von<br />
der Entwicklung über die Produktion bis<br />
hin zu Vermarktung und Service. Mehr als<br />
600 Menschen arbeiten hier unter einem<br />
Dach, von Ingenieur:innen über Software-<br />
Entwickler:innen bis hin zu Spezialist:innen<br />
in Vertrieb und Marketing. Weltweit<br />
beschäftigt ARRI 1.300 Mitarbeitende in<br />
16 Ländern.<br />
Im Foyer rekonstruiert das ARRI-Museum<br />
die Firmenhistorie – und zeigt ein Stück<br />
Filmgeschichte. Die ältesten dort ausgestellten<br />
Kameras haben an der Rückseite<br />
eine Kurbel, daher kommt der Ausdruck<br />
„einen Film drehen“. Die Konferenzräume<br />
sind nach einigen der bekanntesten<br />
ARRI-Filme benannt: darunter „Skyfall“,<br />
„Das Boot“ und „Der schwarze Jack“.<br />
Letzterer ist ein Isar-Western, den die Firmengründer<br />
August Arnold und Robert<br />
Richter 1918 gedreht haben, ein Jahr nach<br />
der Gründung ihrer Firma ARRI – kurz für<br />
Arnold und Richter.<br />
„Wir fertigen Werkzeuge für die Kreativen“,<br />
sagt Henning Rädlein, Head of<br />
Marketing & Digital Workflow Solutions,<br />
Camera Systems, „und zwar die bestmöglichen.“<br />
Rädlein arbeitet seit 20 Jahren<br />
bei ARRI und weiß: Es ist der Innovationsgeist,<br />
der das Unternehmen seit seiner<br />
Gründung antreibt. Alle paar Jahre entwickelt<br />
ARRI eine neue Kamera. Zubehör<br />
und Software haben kürzere Zyklen.<br />
Der erste Verkaufsschlager von ARRI<br />
wurde 1937 die ARRIFLEX 35. Diese erste<br />
in Serie gebaute Spiegelreflex-Filmkamera<br />
ermöglichte es, durch den Sucher exakt<br />
das Bild zu sehen, das man gerade aufnahm.<br />
Sie war leichter, erlaubte dynamische<br />
Kameraschwenks und produzierte<br />
weniger statische Bilder. „Die ARRIFLEX<br />
35 war der Grundstock für die Erfolgsgeschichte<br />
von ARRI“, sagt Rädlein.<br />
Innovation trägt den Erfolg<br />
Seitdem hat ARRI-Technik Kino, Fernsehen<br />
und Werbung maßgeblich verändert.<br />
Zu Stummfilmzeiten beispielsweise<br />
machten die gängigen Kameras viel<br />
Lärm. Als die Störgeräusche beim Filmdreh<br />
zum Problem wurden, erfand ARRI<br />
im Jahr 1965 eine kompakte, geräuschisolierende<br />
Kamera für 16 mm, im Jahr<br />
1972 für 35 mm. Ende der 2000er-Jahre<br />
wagte das Unternehmen den bisher größten<br />
Schritt in seiner Firmengeschichte,<br />
indem es digitale Kameras entwickelte.<br />
Der große Durchbruch beim digitalen<br />
Filmen gelang ARRI mit der ALEXA, die<br />
im September 2009 auf der International<br />
Broadcasting Convention (IBC) in Amsterdam<br />
vorgestellt und ab Juni 2010 geliefert<br />
wurde. Vorher baute der Hersteller ausschließlich<br />
analoge Kameras, ohne Elektronik<br />
und Programmierung. Die ALEXA ist<br />
ein voller Erfolg: „Sie ist die meistverkaufte<br />
digitale High-End-Filmkamera“, sagt<br />
Henning Rädlein. Digitalkameras sind<br />
heute der Standard beim Filmdreh.<br />
Innovation bedeutet nicht nur technologischen<br />
Fortschritt, sondern auch Vielfalt<br />
DIESE FILME UND<br />
SERIEN WURDEN MIT<br />
ARRI-KAMERAS<br />
GEDREHT (AUSWAHL):<br />
Das Boot (1981)<br />
GoodFellas (1990)<br />
Das fünfte Element (1997)<br />
Herr der Ringe (ab 2001)<br />
James Bond 007 (ab 2008)<br />
Ein Quantum Trost,<br />
Skyfall, Spectre,<br />
Keine Zeit zu sterben<br />
Game of Thrones (ab 2011)<br />
The Wolf of Wall Street (2013)<br />
Rogue One: A Star Wars Story (2016)<br />
Succession (seit 2018)<br />
Dune (2021)<br />
Coda (2021)<br />
u. v. m.<br />
– und ein breites Angebot. ARRI ist berühmt<br />
für seine Kameras, hat sich aber nie<br />
nur auf einen Bereich verlassen. So baut<br />
ARRI auch Objektive und Zubehörteile für<br />
eigene und andere Kameras. Einst fertigte<br />
das Unternehmen auch Filmkopiermaschinen,<br />
Schneidetische und Entwicklungsmaschinen<br />
für analoge Filme. Den<br />
Filmscanner ARRISCAN, mit dem Archive<br />
heute noch analoges Material digitalisieren,<br />
stellt ARRI nach wie vor her. ARRI-Kamerasysteme<br />
kamen außerdem schon<br />
in der Medizin, zum Beispiel als Röntgenfilmkameras,<br />
und bei vielen Industrieanwendungen<br />
zum Einsatz.<br />
Ein weiterer wesentlicher Geschäftsbereich<br />
ist die Beleuchtungstechnik. Seit<br />
1924 stellt ARRI Scheinwerfer her, seit<br />
1953 am Standort von ARRI Lighting in<br />
Stephanskirchen bei Rosenheim. ARRI<br />
fertigt dort nicht nur Kunstlichtscheinwerfer<br />
und Tageslichtlampen, sondern<br />
auch LED-Leuchten für Filmaufnahmen,<br />
Broadcast-Studios, Veranstaltungen,<br />
Theater und Fotostudios. In Stephanskirchen<br />
produziert ARRI unter anderem den<br />
hochmodernen, energiesparenden LED-<br />
Scheinwerfer Orbiter. ARRI-Licht scheint<br />
zum Beispiel im Studio der „Tagesschau“<br />
und in den neuen WELT/N24-TV-Studios.<br />
„Wir fertigen Werkzeuge<br />
für die Kreativen,<br />
und zwar die<br />
bestmöglichen.“<br />
HENNING RÄDLEIN, HEAD OF MARKETING & DIGITAL<br />
WORKFLOW SOLUTIONS, CAMERA SYSTEMS<br />
ARRI stellt nicht nur Kameras,<br />
sondern auch Beleuchtungstechnik<br />
her, wie den LED-<br />
Scheinwerfer ARRI Orbiter.<br />
26 27
HERO STORY<br />
HERO STORY<br />
Im dritten Geschäftsbereich, ARRI Rental<br />
mit Sitz in Ismaning, verleiht ARRI eigene<br />
und fremde Kamera- und Lichtsysteme<br />
sowie Bühnenequipment an Filmproduktionen.<br />
Zu seinen Rental-Kunden gehören<br />
zahlreiche Produktionsfirmen, die im<br />
Auftrag der Streaming-Dienste Netflix,<br />
Amazon Prime Video oder Apple TV+<br />
produzieren.<br />
Mit ARRI Solutions bietet das Unternehmen<br />
unter anderem die Planung und Umsetzung<br />
von Virtual-Production-Studios<br />
an. In diesen Studios lassen sich digitale<br />
Hintergründe in 3-D entwerfen und auf<br />
LED-Wänden darstellen, vor denen sich<br />
Schauspieler:innen und Kamera bewegen.<br />
In Großbritannien betreibt ARRI mit der<br />
ARRI Stage London ein eigenes Studio, in<br />
dem die Band Coldplay <strong>2022</strong> ein Musikvideo<br />
gedreht hat. Die Netflix-Serie „1899“<br />
wurde in der von ARRI geplanten DARK<br />
BAY Virtual Production Stage in Babelsberg<br />
mit Kameras, Objektiven und Scheinwerfern<br />
von ARRI gedreht. Und nicht nur<br />
Kameras entwickeln sich weiter, auch der<br />
Lighting-Bereich verändert sich massiv:<br />
„Kameras und Licht kommunizieren heute<br />
miteinander, sodass die Kamera weiß, wie<br />
das Licht eingestellt war“, sagt Rädlein.<br />
Spitzenqualität made<br />
in Munich<br />
Ab rund 60.000 Euro kostet die Kamera<br />
ALEXA 35 von ARRI, das ist auch für den<br />
Profisektor gehobene Preisklasse. Um<br />
sicherzustellen, dass die Produkte ebenso<br />
robust wie zuverlässig sind, „fertigen<br />
und montieren wir Baugruppen, die mit<br />
der Bildqualität zu tun haben, selbst“,<br />
erklärt Christian Hartl, Director Global<br />
Production, der die gesamte Produktion<br />
im Unternehmen leitet. Stichprobenartig<br />
werden die Einzelteile, etwa Sensorträger,<br />
in der Produktion kontrolliert. „Die<br />
Abmessungen müssen bis auf 0,05 Millimeter<br />
stimmen. Zum Vergleich: Ein Haar<br />
hat etwa 0,07 Millimeter Durchmesser“,<br />
sagt Hartl.<br />
Im Reinraum werden die Sensoren mit<br />
den Platinen verbunden, „gebondet“<br />
heißt es im Fachjargon. Wie genau, ist<br />
Firmengeheimnis. Die Mitarbeitenden<br />
tragen weiße Anzüge, Hauben und Mundschutz.<br />
Jedes Staubkorn, jede Schuppe,<br />
die auf einem Sensor landeten, sähe man<br />
für immer auf dem Bild, der Sensor wäre<br />
unbrauchbar. „Darum herrschen hier quasi<br />
Raumfahrtbedingungen“, so Hartl.<br />
Nachdem die Kameras mit Software bespielt<br />
sind, müssen sie sich im Stresstest<br />
bewähren: Sie werden auf einer Platte –<br />
dem „Shaker“ – befestigt, die stark vibriert,<br />
um sicherzustellen, dass alle Kabel sauber<br />
gesteckt und keine Schrauben lose sind.<br />
Danach kommen sie in den Klimaschrank,<br />
dort herrschen Temperaturen von minus<br />
20 bis plus 45 Grad Celsius. „Unsere Kameras<br />
sind jederzeit einsetzbar, egal, ob<br />
in der Wüste oder auf dem Mount Everest<br />
– ohne dass sie vorher präpariert werden<br />
müssen“, sagt Hartl. „Das ist ein Wettbewerbsvorteil,<br />
andere machen schon bei<br />
null Grad Celsius schlapp.“ Für den Fall,<br />
dass doch mal etwas nicht funktioniert,<br />
unterhält ARRI ein weltweites Servicenetz<br />
mit Reparaturstationen und Backup-Kameras.<br />
Wettbewerbsfaktor<br />
Nachhaltigkeit<br />
Ein Innovationstreiber: offene Ohren. Vor<br />
der Pandemie haben ARRI-Mitarbeitende<br />
Hochpräzise<br />
Arbeit unter<br />
Raumfahrtbedingungen:<br />
Hier entsteht<br />
die ALEXA 35.<br />
„Unsere Kameras sind jederzeit<br />
einsetzbar, egal, ob in der<br />
Wüste oder auf dem Mount<br />
Everest – ohne dass sie vorher<br />
präpariert werden müssen, das<br />
ist ein Wettbewerbsvorteil.“<br />
CHRISTIAN HARTL,<br />
DIRECTOR GLOBAL PRODUCTION<br />
Die ARRI Stage<br />
in London<br />
ist ein von ARRI<br />
ausgestattetes<br />
Virtual-Production-Studio.<br />
regelmäßig ihre Kunden auf der ganzen<br />
Welt getroffen, um genau hinzuhören,<br />
was ihnen an den Produkten gefällt und<br />
was nicht. „Wir fragen uns immer, wie<br />
können wir das Filmemachen verbessern?<br />
Kreativer, schneller, wirtschaftlicher<br />
machen?“, so Rädlein. Inzwischen<br />
sind Reisen wieder möglich, seit Beginn<br />
der Covid-19-Pandemie organisiert das<br />
Unternehmen den Austausch aber auch<br />
anders: Im Studio in der Firmenzentrale<br />
in der Parkstadt Schwabing dreht ARRI<br />
Tutorial-Videos und veranstaltet virtuelle<br />
Gesprächsrunden.<br />
Auch Nachhaltigkeit ist ARRI wichtig:<br />
Ältere Kameras pflegt das Unternehmen<br />
deshalb weiter und verkauft, nach<br />
Wartung und sorgfältigen Tests, über<br />
das „ARRI Approved Certified Pre‐Owned<br />
Program“ gebrauchte Kameras,<br />
Objektive und Scheinwerfer zu einem<br />
günstigeren Preis.<br />
Nachhaltig ist auch der Umgang mit<br />
Kunden und Mitarbeitenden. Für seine<br />
Kunden gründete das Unternehmen die<br />
ARRI Academy und bietet produktspezifische<br />
Weiterbildungen auf der ganzen<br />
Welt an. Man pflegt eine lange Tradition<br />
an Talentförderung und unterstützt regelmäßig<br />
Produktionen über das weltweite<br />
„International Support Program“ und<br />
regionale Initiativen.<br />
Das Unternehmen bildet selbst aus, in<br />
den Bereichen Industriemechanik<br />
und Elektronik sowie zu Industriekaufleuten<br />
und Fachinformatiker:innen<br />
für Systemintegration. Außerdem gibt<br />
es Kooperationen mit der Hochschule<br />
München für duale Studiengänge.<br />
Mit Programmen wie „Fit for future“<br />
fördert ARRI Nachwuchskräfte in Form<br />
von Weiterbildungen. In der Zukunft<br />
werden ARRI zufolge Spezialist:innen<br />
benötigt, die sowohl technische Kenntnisse<br />
als auch Erfahrung am Filmset<br />
mitbringen. Auch Software-Spezialist:innen<br />
werden eine immer größere Rolle<br />
spielen, denn die Filmproduktion wird immer<br />
digitaler. In München ist man bereit.<br />
„Alles fürs beste Bild“, wie man<br />
bei ARRI sagt.<br />
28<br />
29
HERO STORY<br />
TEXT<br />
MARTIN HAASE<br />
BILDER<br />
JÖRG ZUBER STUDIO GMBH<br />
FOTOS<br />
SEBASTIAN ARLT<br />
OONOOURI<br />
BOTSCHAFTERIN<br />
IM METAVERSE<br />
30
HERO STORY<br />
KULLERAUGEN,<br />
STUPSNASE UND<br />
AUFSEHENERREGENDE<br />
KLEIDUNG: DAS IST<br />
NOONOOURI, DIGITALES<br />
MODEL UND DEUTSCHLANDS<br />
ERFOLGREICHSTE<br />
VIRTUELLE INFLUENCERIN.<br />
DER MÜNCHNER<br />
DESIGNER JÖRG ZUBER<br />
SCHUF DIE FIGUR VOR<br />
VIER JAHREN. DAS<br />
NÄCHSTE ZIEL DER BEIDEN:<br />
DAS METAVERSE.<br />
Jörg Zuber arbeitet dort, wo andere<br />
den Feierabend ausklingen lassen.<br />
Das Designstudio des 42-Jährigen<br />
liegt direkt am Münchner<br />
Gärtnerplatz, einem Szene-Hotspot<br />
des Glockenbachviertels. Dort am<br />
Kreisverkehr geht es über einen Hinterhof<br />
in sein Büro, kein auffälliger Schriftzug<br />
seiner joerg zuber studio GmbH leuchtet<br />
im Eingangsbereich. Man blickt direkt in die<br />
Gesichter seiner Mitarbeitenden, nur zwei<br />
der sechs Plätze sind an diesem Morgen<br />
besetzt. Für Zuber spielen Arbeitsort und<br />
-zeit keine Rolle: Seine Beschäftigten sollen<br />
dort arbeiten, wo sie kreativ sein können.<br />
Kreativität ist in dem Designstudio gefragt.<br />
Denn hier entsteht Deutschlands erfolgreichste<br />
virtuelle Influencerin. Acht von 18<br />
Mitarbeitenden arbeiten Vollzeit an Zubers<br />
Schöpfung Noonoouri, die nicht nur auf<br />
Instagram zu sehen ist, sondern auch<br />
auf den Covern internationaler Fashion-<br />
<strong>Magazin</strong>e. Die digitale Figur steht bei der<br />
Modelagentur IMG unter Vertrag, neben<br />
internationalen Topstars wie Heidi Klum,<br />
Gigi Hadid oder Kate Moss. Auf Instagram<br />
präsentiert sie ihren über 407.000<br />
Follower:innen virtuelle Kollektionen von<br />
Luxusmarken wie Dior oder Gucci bei<br />
Events wie der MET Gala. Nicht nur das:<br />
Noonoouri ist auf Bildern neben Stars wie<br />
Lewis Hamilton, Beyoncé oder Bella Hadid<br />
zu sehen, bei den About You Awards 2021<br />
trat sie live als Special Guest auf.<br />
Die Geburtsstunde<br />
von Noonoouri<br />
Die Idee zu Noonoouri entstand in Zubers<br />
Kindheit. Schon als Fünfjähriger wollte er<br />
Mode designen, für seine Zeichnungen<br />
bekam er aber oft nur ein mildes Lächeln.<br />
LINKS: An Noonoouri<br />
arbeitet ein Team<br />
aus acht Mitarbeitenden,<br />
die Erstellung<br />
eines Bildes dauert<br />
drei bis vier Tage.<br />
RECHTS: Jörg<br />
Zuber hat neben<br />
dem Standort<br />
München auch ein<br />
Office in Buenos<br />
Aires und eines<br />
in Madrid.<br />
Er wünschte sich eine ältere, berühmte<br />
Freundin, die der Welt seine Werke zeigt.<br />
Also nahm er sie in Form von Noonoouri<br />
in seine Zeichnungen auf. Als Anfang der<br />
2010er-Jahre Blogger:innen und Influencer:innen<br />
zum Thema wurden, begann er,<br />
über eine digitale Figur nachzudenken.<br />
Im Februar 2018 war es so weit, Zuber<br />
erweckte zur New York Fashion Week<br />
Noonoouri als virtuelle Persönlichkeit zum<br />
Leben. Und sorgte direkt für Aufsehen:<br />
Ihrem Instagram-Account folgten schon<br />
bald Fashion-Stars wie Naomi Campbell<br />
oder Marc Jacobs. Für Noonoouri als Mode-<br />
Influencerin eine wertvolle Fan-Basis. So<br />
konnte Zuber Kooperationspartner:innen<br />
zeigen, welche neuen Möglichkeiten sich<br />
im Marketing durch virtuelle Influencer:innen<br />
auftun.<br />
Noonoouri muss nicht reisen<br />
Zuber sieht eine große Stärke von Noonoouri<br />
darin, dass sie zeitgleich an mehreren<br />
Orten sein kann. Ein menschliches<br />
Model könne unmöglich am gleichen Tag<br />
bei einem Filmfestival in New York und bei<br />
einem Produktlaunch in Singapur auftreten.<br />
Zuber braucht nur eine:n Fotograf:in,<br />
der oder die ihm das passende Bild liefert<br />
– und der Designer bringt Noonoouri ins<br />
Bild. Der Nachteil: Das braucht Zeit. Bis<br />
Noonoouri tatsächlich auf einem Schnappschuss<br />
erscheint, vergehen Tage. Damit sie<br />
dennoch live auf einem Event sein kann,<br />
muss die Figur zuvor fertig sein: Für ein<br />
Bild auf Instagram brauchen Zuber und<br />
sein Team drei bis vier Tage, eine Animation<br />
kann zwei Wochen und länger dauern. Bei<br />
aufwendigeren Produktionen – zum Beispiel<br />
mit offenen, wehenden Haaren und<br />
dynamischen Hintergründen wie fallendem<br />
Laub – können bis zu acht Wochen<br />
vergehen.<br />
Mit Vielfalt punkten<br />
Dafür gibt es für Noonoouri keine Grenzen.<br />
„The sky is the limit!“, sagt Zuber.<br />
„Sie kann auf dem Empire State Building<br />
sitzen, eine Unterwasser-Modenschau<br />
veranstalten oder auf den Kreisen des<br />
Jupiters einen Song performen.“ Das sei<br />
33
HERO STORY<br />
HERO STORY<br />
eigene Beiträge, sondern agiert auch in<br />
Kommentarspalten und beteiligt sich an<br />
Diskussionen zu ihren Themen. So tritt<br />
Noonoouri noch stärker als eigenständiger<br />
Charakter auf, andererseits erreicht sie so<br />
eine breitere Zielgruppe.<br />
Unverständnis für seine Kreation gibt es<br />
immer weniger: „Wenn sie andere Bei-<br />
nicht nur ein Blickfang, sondern auch<br />
spannend für die Generation Z – und Marken,<br />
die eine junge Zielgruppe erreichen<br />
wollen. Zuber erklärt: „Noonoouri spricht<br />
junge Menschen an, die mit Gaming oder<br />
Social Media aufgewachsen sind. Diese<br />
Generation experimentiert in digitalen<br />
Welten, unter anderem mit ihrer Identität:<br />
Mal können sie ein Muskelprotz sein, mal<br />
ein anderes Geschlecht annehmen.“<br />
Wer Vielfalt abbilden wolle, könne das mit<br />
Noonoouri: Sie zeige, wie es gelingt, eine<br />
ganz andere Rolle einzunehmen und so<br />
ein Verständnis für andere Sichtweisen zu<br />
entwickeln. Zudem hat sie keine Nationalität,<br />
„sie ist eine Kosmopolitin“, meint<br />
Zuber. Ihre Wandelbarkeit sei ein Vorteil<br />
gegenüber menschlichen Influencer:innen.<br />
Gleichzeitig habe sie einen gefestigten<br />
Charakter. Ein wichtiger Faktor: Denn<br />
nur durch authentische Partner:innen<br />
können Marken auch Werte vermitteln.<br />
Auf Noonoouris Instagram-Kanal geht es<br />
deshalb auch um Aktivismus: Sie zeigt sich<br />
als Teil der LGBTQ+-Bewegung, setzt sich<br />
für Nachhaltigkeit und Tierwohl ein, kritisiert<br />
Diskriminierung und Rassismus. Dafür<br />
lässt Zuber seine digitale Figur in einem<br />
Meer aus Plastikabfällen schwimmen, inszeniert<br />
sie gemeinsam mit vom Aussterben<br />
bedrohten Tierarten oder kleidet sie in<br />
einen Pullover mit „Black Lives Matter“-Aufschrift.<br />
Um eine langfristige Marketing-Strategie<br />
ging es Zuber bei Noonoouri nie. Der<br />
Designer betont, dass sie nicht einfach ein<br />
Alter Ego seiner selbst ist, sie spreche für<br />
sich selbst. Ihr Charakter mit der Passion<br />
für Fashion und Beauty und dem Problembewusstsein<br />
für gesellschaftliche Themen<br />
sei mit ihm gewachsen. „Deswegen ist<br />
Noonoouri heute authentisch, stark und<br />
tritt selbstbewusst auf“, ist sich Zuber sicher.<br />
Auf Instagram veröffentlicht sie nicht nur<br />
träge kommentiert, zum Beispiel zum<br />
Thema Tierschutz, kommt es manchmal<br />
zu Antworten wie: ‚Du bist doch digital, wie<br />
kannst du Veganerin sein? Du musst doch<br />
gar nichts essen!‘“ Dem begegnet Zuber<br />
mit Gelassenheit, erklärt die Idee hinter<br />
Noonoouri und kann nicht selten Kritiker:innen<br />
umstimmen. Hasskommentare seien<br />
mittlerweile kein Thema mehr.<br />
Moderne Technologien erwecken<br />
Noonoouri zum Leben<br />
Heute entsteht Noonoouri nicht mehr auf<br />
Zeichenpapier, sondern mit moderner<br />
Technik. Ein Motion Capture Suite erfasst<br />
eine natürliche Körperhaltung: Wie in Hollywood-Animationsfilmen<br />
zieht sich ein:e<br />
Mitarbeiter:in den Ganzkörperanzug an, der<br />
über zahlreiche Sensoren die menschliche<br />
Körperhaltung auf ein Computer modell<br />
überträgt. Ein Face-Tracking-System sorgt<br />
für natürliche Gesichtsausdrücke, hier<br />
übertragen Sensoren, die auf das Gesicht<br />
geklebt werden, die Bewegungen an ein<br />
3-D-Modell. Im Nachhinein ist noch ein<br />
Feinschliff nötig, aber: „Die Technologie<br />
entwickelt sich rasant. In ein paar Jahren<br />
werden animierte Figuren in Filmen und<br />
Spielen nicht mehr von echten Menschen<br />
zu unterscheiden sein“, ist sich Zuber sicher.<br />
Für Noonoouri ist eine realistische Animation<br />
keine Option: „Das Digitale soll das<br />
Physische unterstützen, der Mensch steht<br />
an erster Stelle“, betont der Designer.<br />
Zuber nennt als Beispiel dafür die Kampagne<br />
mit Formel-1-Weltmeister Lewis<br />
Hamilton. Für Tommy Hilfiger standen<br />
der Rennfahrer und Noonoouri gemeinsam<br />
im gleichen Look vor der Linse. Die<br />
digitale Influencerin generiere noch mehr<br />
Aufmerksamkeit für die Aussage, die mit<br />
einem Bild vermittelt werden soll – und<br />
in dem Fall für die Marke Tommy Hilfi-<br />
ger und die vegane Modekollektion, die<br />
Hamilton vorstellt. Denn Noonoouri sorge<br />
neben einer echten Person auf einem<br />
Bild für Verwunderung. Ein erwünschter<br />
Effekt: Die Betrachter:innen bleiben<br />
hängen, erkennen die reale Person und<br />
wollen wissen, wie es zu dem Bild mit der<br />
digitalen Influencerin gekommen ist.<br />
Genauso wie ihre menschlichen Kolleg:innen<br />
entwickelt sich Noonoouri weiter. Und<br />
hat Ziele: In Zukunft werde sie mit neuen<br />
Themenspektren experimentieren. Sie<br />
könne zum Beispiel Musik empfehlen oder<br />
Games besprechen, meint Zuber. Die große<br />
Vision ist daher der Schritt ins Metaverse.<br />
Noonoouri gehört<br />
ins Metaverse<br />
LINKS: Zuber<br />
präsentierte seine<br />
Schöpfung zum<br />
ersten Mal im<br />
Februar 2018.<br />
RECHTS:<br />
Noonoouri in<br />
Hongkong. Das<br />
Bild mit einem<br />
Outfit von Marine<br />
Serre erstellte<br />
Zuber für die<br />
dortige Ausgabe<br />
der „Vogue“.<br />
„Die Technologie<br />
entwickelt<br />
sich rasant.<br />
In ein paar<br />
Jahren werden<br />
animierte Figuren<br />
in Filmen<br />
und Spielen<br />
nicht mehr von<br />
echten Menschen<br />
zu unterscheiden<br />
sein.“<br />
Zuber kann sich vorstellen, für Noonoouri<br />
einen eigenen virtuellen Raum zu erstellen,<br />
wo Nutzer:innen sie zu bestimmten<br />
Zeiten antreffen können. Dort könne<br />
sie mit Fans über neue Spiele sprechen,<br />
neue Mode zeigen oder Alben präsentieren.<br />
Daraus würden sich unzählige<br />
Kooperationsmöglichkeiten ergeben. Für<br />
den Designer ist der Schritt ins Metaverse<br />
nur natürlich, immerhin gehört Noonoouri<br />
in den digitalen Raum. Besonders<br />
für Modekollektionen ergebe sich ein<br />
entscheidender Vorteil: „Die Fashion-<br />
Branche ist in Sachen Nachhaltigkeit<br />
sehr umstritten. Selbst wenn zum Beispiel<br />
Baumwolle ökologisch produziert<br />
wird – über die Weiterverarbeitung sagt<br />
das nichts aus. Zudem wird das meiste<br />
auch noch weggeworfen. Im Metaverse<br />
kann Kleidung zunächst gezeigt und digital<br />
verkauft werden, danach wird sie on<br />
demand produziert. Das spart Ressourcen<br />
und reduziert die Umweltbelastung.“<br />
Auch NFTs sind ein Thema, vom Profile<br />
Picture Drop bis zu Noonoouri-Avataren<br />
ist alles möglich. Zuber will mit<br />
seiner Schöpfung die Avantgarde bilden<br />
und zeigen, was möglich ist – nicht nur<br />
Trends hinterherlaufen.<br />
Selbst wenn Noonoouri künftig im Metaverse<br />
einen durchschlagenden Erfolg<br />
erzielt und es viele Nachahmer:innen geben<br />
sollte: „Digitale Figuren oder Avatare<br />
werden Influencer:innen nicht ersetzen.“<br />
Zuber zufolge geht es im Grunde um<br />
eine Diversifizierung der Ansprache: „Es<br />
gibt Menschen, die werden durch Menschen<br />
erreicht. Und es gibt andere Personen,<br />
die werden durch digitale Avatare<br />
erreicht.“ Das sei ein ähnliches Prinzip<br />
wie bei Print- und Online-Produkten, die<br />
jeweils andere Zielgruppen ansprechen.<br />
Für den 42-Jährigen ist die Botschaft<br />
wichtiger als der Bote oder die Botin.<br />
34 35
WEB3-STUDIE<br />
WEB3-STUDIE: DIE ERGEBNISSE DER<br />
EXPERT:INNENBEFRAGUNG<br />
Welche<br />
Veränderungen kommen<br />
mit Web3 auf<br />
die Medienbranche zu?<br />
Was kommt auf die<br />
Medienbranche zu?<br />
ILLUSTRATIONEN<br />
TOBI FRANK UND 1E9 FÜR <strong>XPLR</strong>: MEDIA IN BAVARIA<br />
Die Diskussion um das nächste Internet ist in aller Munde. Mit dem Aufstieg<br />
von Web3 und dem Metaverse kommen auch auf die Medienbranche<br />
gravierende Veränderungen zu. Egal, ob neue Geschäftsmodelle,<br />
die Rolle von Medien ganz allgemein oder die Kommunikation mit den<br />
Nutzer:innen: Die Risiken und Chancen sind groß und die Innovationskraft<br />
in Medienunternehmen gefragter denn je. Wie schätzen Expert:innen die aktuellen Entwicklungen<br />
rund ums Web3 ein? Kann die Medienbranche wirklich davon profitieren?<br />
Antworten liefert die Studie „Web3 – Was kommt auf die Medienbranche zu?“.<br />
„Eigentlich ist das Web3 wie ein Medikament für die<br />
Medienbranche. Sie ist die am wenigsten profitable Branche im<br />
Netz und hat jetzt die Chance, es völlig neu zu<br />
denken – weil die Regeln noch nicht festgeschrieben sind.“<br />
<strong>XPLR</strong>: MEDIA in Bavaria hat in Zusammenarbeit mit 1E9 deutschlandweit 18 Web3-<br />
Expert:innen zu Chancen und Risiken für Medienhäuser, Veränderungen für die<br />
Medienbranche, aktuellen Use-Cases, Verschiebungen von Machtverhältnissen und<br />
Regulierungen im digitalen Raum befragt.<br />
Alle Ergebnisse der Expert:innenbefragung<br />
inklusive Einblicke in den Status quo von Web3 in<br />
der bayerischen Medienbranche findest du hier:<br />
CHRISTIAN PFEIFFER,<br />
NFT-Botschafter, Co-Founder<br />
MUC/labs, München<br />
FOTO: ADOBE STOCK<br />
PROF. DR. PHILIPP SANDNER,<br />
Frankfurt School Blockchain<br />
Center, München<br />
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:<br />
Große, konzerngesteuerte und etablierte Plattformen könnten im Web3 an Bedeutung verlieren. Die<br />
unmittelbare Beziehung zwischen Creator und Consumer gibt alternativen Diensten von<br />
Medienunternehmen und kleineren Projekten auch ohne große finanzielle Mittel mehr Raum. Sie<br />
fördert eine Creator-Economy, bei der Kreative durch Smart Contracts ihre Werke langfristig<br />
monetarisieren können. Dank der offenen Struktur und dynamischen Selbstorganisation des Web3<br />
entstehen rund um Projekte Communities, die von Medienunternehmen mit Token incentiviert<br />
und belohnt werden können. Die Signup-Logik mit E-Mail und Passwort wird dabei durch eine Wallet<br />
ersetzt, die als zentrale Brieftasche für Log-ins, Identifikations- und Signaturprozesse dient.<br />
„Durch Tokenisierung und<br />
insbesondere durch NFTs<br />
wird es die Möglichkeit<br />
geben, geistiges Eigentum<br />
derart zu gestalten, dass es<br />
in der Hand des Creators<br />
verbleibt. Im Fall des Erfolgs<br />
kann er einen größeren Share<br />
des Werts für sich erhalten –<br />
was wiederum dazu führen<br />
dürfte, dass die Plattformmodelle,<br />
die im Web2 groß<br />
geworden sind, indem sie<br />
alles aggregiert, aufgesaugt<br />
und günstig eingekauft<br />
haben, schlanker werden<br />
müssen.“<br />
„Wir sehen schon jetzt im<br />
Web2, dass Medien stark<br />
fragmentiert sind. Jeder kann<br />
anfangen, YouTube-<br />
Videos zu machen, Artikel zu<br />
schreiben oder Newsletter<br />
zu bestimmten Themen zu<br />
verschicken. Das Web3 bietet<br />
jetzt all diesen Leuten neue<br />
Einkommensmethoden – die<br />
vorher z. B. schon an den<br />
hohen Transaktionsgebühren<br />
für Payment-Provider<br />
gescheitert sind. Das wird<br />
es für Medienunternehmen<br />
nicht einfacher machen, gute<br />
Leute einzustellen und guten<br />
Content zu kreieren.“<br />
VICTORIA HAUZENEDER,<br />
Co-Founder fundle3,<br />
Founding Member<br />
PretzelDAO, München<br />
37
WEB3-STUDIE<br />
WEB3-STUDIE<br />
Wo liegen die Chancen von Web3?<br />
GLOSSAR<br />
Welche Low Hanging Fruits<br />
sind für die Branche interessant?<br />
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:<br />
7 BEGRIFFE –<br />
KURZ ERKLÄRT<br />
Neue Finanzierungsmodelle ermöglichen es Medienunternehmen, sich von<br />
BJÖRN JANSEN,<br />
Co-Founder NFTmunich/<br />
24acht, München<br />
„Die Technologie der Non-Fungible<br />
Tokens, die das Web3<br />
mit ermöglichen, ist gekommen,<br />
um zu bleiben. Das ist das, wo<br />
wir Anwendungsfälle für die Zukunft<br />
sehen werden. Ich glaube,<br />
hier wird Magie passieren.“<br />
Werbeeinnahmen und etablierten Plattformen zu emanzipieren.<br />
Konsument:innen können über Communities, NFTs und neue Organisationsformen<br />
aktiv einbezogen und dauerhaft an Unternehmen gebunden<br />
werden. Die transparenten Strukturen erlauben neue Formen der Zusammenarbeit<br />
mit anderen Unternehmen und Kreator:innen. Inhalte können durch<br />
Weiterverkäufe auf Secondary Markets langfristig Einnahmen generieren.<br />
CHRISTIAN SCHIFFER,<br />
Tech-Journalist,<br />
Bayerischer Rundfunk<br />
„Die Chancen liegen darin, sich von zentralisierten Plattformen wie<br />
Facebook unabhängiger zu machen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich<br />
die Frage, wie mit Urheberrechten umgegangen wird, vereinfacht.<br />
Wenn wir beispielsweise über ein Video sprechen, das Fremdmaterial<br />
enthält. Dieses Fremdmaterial ist tokenisiert, es stehen Smart Contracts<br />
dahinter. Dann kann ich es verwenden und es wird im Hintergrund<br />
einfach abgerechnet – ich muss nicht 500 Anfragen stellen.“<br />
Blockchain: fälschungssichere und dezentrale<br />
Datenketten. Auf der Blockchain sind Transaktionen<br />
chronologisch festgehalten sowie Eigentumsrechte<br />
und Handelsbedingungen (Smart Contracts)<br />
festgeschrieben. Die Informationen sind für jede:n abrufbar,<br />
unveränderlich und liegen nicht bei einer zentralen<br />
Instanz wie zum Beispiel auf einem Server.<br />
Smart Contract: Mit Smart Contracts werden<br />
Handelsbedingungen auf einer Blockchain festgelegt.<br />
Es sind Verträge, deren Bedingungen automatisch und<br />
ohne Autorisierung durch eine Person umgesetzt werden.<br />
Zum Beispiel die Auszahlung von 20 Prozent des<br />
Verkaufserlöses an den oder die Urheber:in eines NFTs.<br />
DAO: die Abkürzung für „Dezentralisierte Autonome<br />
Organisation“. Eine DAO funktioniert ohne hierarchisches<br />
Management, ihre Regeln sind im Smart Contract<br />
programmiert. Entscheidungen werden im Konsens-<br />
Prinzip von allen Mitgliedern getroffen.<br />
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:<br />
Medienunternehmen sollten Mitarbeitende schon jetzt mit<br />
den Mechanismen und Konzepten des Web3<br />
vertraut machen und bestehende Use-Cases ausprobieren.<br />
Der nächste Schritt sind kleinere Experimente mit<br />
Web3-Mechaniken und -Technologien, etwa NFTs als<br />
Sammlerobjekte oder Ticketing-Mechanismen.<br />
Mit auf Token basierenden Belohnungssystemen lassen<br />
sich Nutzer:innen ermutigen, personalisierte Werbung zuzulassen,<br />
an Umfragen teilzunehmen, Kommentare<br />
zu verfassen und regelmäßig ein Angebot zu besuchen.<br />
„Es ist wie bei allen<br />
neuen Technologien. Es<br />
muss in den Gewohnheitsmustern<br />
der Menschen<br />
ankommen. Dazu braucht es<br />
viele Education-Formate.<br />
Wo liegen die Risiken von Web3?<br />
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:<br />
Das Web3 ist derzeit relativ unzugänglich und wenig<br />
intuitiv. Nur wer sich mit komplexen Mechanismen<br />
auseinandersetzt und Projekte gut durchdenkt, kann<br />
schädlichen Opportunismus, Angriffe auf<br />
fehlerhafte Smart Contracts und dauerhaft festgehaltene<br />
Verfehlungen vermeiden. Kehrseite der Transparenz<br />
der Web3-Technologien ist die Überwachung der Datenströme,<br />
durch die dezentrale Werbe- und Datenmarktplätze<br />
entstehen könnten. Gefahren durch<br />
Scammer, Kriminelle und Hacker drohen auch im Web3.<br />
BJÖRN JANSEN,<br />
Co-Founder NFTmunich/<br />
24acht, München<br />
PROF. DR. FLORIAN MATTHES,<br />
Informatik, TUM/Co-Founder<br />
Blockchain Bayern<br />
„Dieses komplett freie Konzept<br />
des Web3 ist an vielen Ecken schon<br />
verwundbar. Wenn man sich<br />
nicht umfänglich informiert hat oder<br />
schlampig arbeitet, kann es<br />
sogar sehr gefährlich werden – auch<br />
für das eingesetzte Kapital.“<br />
„Die Strukturen und Funktionen<br />
sind aus Sicht von Nutzern<br />
bisher nicht zu verstehen – und<br />
auch nicht so recht zu nutzen.“<br />
FOTO: ADOBE STOCK<br />
Metaverse: von Neal Stephenson im Roman „Snow<br />
Crash“ Anfang der 1990er geprägter Begriff. Die<br />
Vision einer virtuellen Welt, in der sich Menschen mithilfe<br />
von Virtual-Reality-Brillen als digitale Figuren (Avatare)<br />
bewegen, spielen und arbeiten.<br />
NFT: steht für Non-Fungible Token. Ein einzigartiges,<br />
nicht austauschbares digitales Gut, das auf einer<br />
Blockchain gespeichert ist. Der Token ist der Eigentumsnachweis<br />
für einzelne, digitale Assets wie Kunstwerke<br />
oder Sammelobjekte. Bekannte NFTs sind zum<br />
Beispiel CryptoPunks, Bored Ape Yacht Club und der<br />
erste Tweet von Twitter-Gründer Jack Dorsey.<br />
Kryptowährung: eine digitale Währung, die auf<br />
Basis der Blockchain-Technologie generiert und<br />
gespeichert wird. Die größte und bekannteste Kryptowährung<br />
ist Bitcoin, gefolgt von Ether.<br />
Wallet: eine digitale Geldbörse.<br />
Sie ermöglicht den Kauf von Kryptowährungen<br />
und NFTs und speichert diese.<br />
DR. ANNETTE DOMS<br />
Kunsthistorikerin,<br />
Gründerin xcircle, München<br />
CHRISTIAN SCHIFFER,<br />
Tech-Journalist,<br />
Bayerischer Rundfunk<br />
Ein NFT mit einer schönen<br />
Utility und einer langfristigen<br />
Roadmap ist definitiv für<br />
jedes Medienhaus sinnvoll.<br />
Dadurch kann man die<br />
Leute mit dem Wallet-Thema<br />
vertraut machen und<br />
Aufklärung zur Sicherheit<br />
betreiben. Und man kann<br />
es gleich als Teilnahmezertifikat<br />
für Events kreieren.“<br />
„Die einzelnen Abos im Medienbereich<br />
sind ein riesiges Problem. Ich stehe permanent<br />
vor verschlossenen Türen. Eigentlich wäre die<br />
Logik, einen digitalen Grossisten zu haben, der eine<br />
Plattform bietet und am Ende die Artikel<br />
abrechnet. So was gibt es in der analogen Welt, fehlt<br />
aber im Digitalzeitalter.“<br />
38 39
WEB3-STUDIE<br />
WEB3-STUDIE<br />
Welche Fehler sollte<br />
man vermeiden?<br />
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:<br />
Medienschaffende sollten das Web3 nicht nur als weiteren<br />
Max Haarich,<br />
NFT-Künstler, München<br />
„Man sollte als Medienunternehmen<br />
jetzt<br />
definitiv keine Metaverse-<br />
Dependance eröffnen,<br />
einfach um auch dabei zu<br />
sein. Der Einsatz von<br />
Web3 muss als logische<br />
Notwendigkeit erscheinen<br />
und nicht als<br />
Marketing-Stunt.“<br />
Wann kommt das Web3?<br />
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:<br />
Auch wenn die Branche aktuell einen Dämpfer erlebt: Innerhalb<br />
von drei bis fünf Jahren wird das Web3 mit neuen Anwendungen,<br />
Apps und Konzepten zurückkommen und deutlich nutzerfreundlicher<br />
werden. Aktuell sind es vor allem jüngere Nutzer:innen, die<br />
in das neue Web hineinwachsen und dessen Werte und Strukturen<br />
annehmen. Für Medienunternehmen hingegen gilt: die<br />
neue Technik im Blick behalten, vielleicht erste (nicht öffentliche)<br />
Experimente wagen, sinnvolle Partnerschaften durchdenken, aber<br />
keinesfalls den Einstieg übereilen. Denn Web3-Anwendungen<br />
und -Protokolle müssen mittel- bis langfristig sinnvoll sein.<br />
Kanal zur Monetarisierung von Inhalten sehen,<br />
sondern als Möglichkeit für langfristige Kundenbeziehungen<br />
und Community-Aufbau begreifen. Maximale Transparenz<br />
über Ziele und Vorgehensweisen ist dabei essenziell.<br />
Wer völliges Neuland betritt, muss die Möglichkeit des<br />
Scheiterns einräumen. Medienschaffende sollten auf<br />
Synergien mit erfahrenen Akteuren setzen und auf<br />
Alleingänge verzichten. Medienhäuser dagegen müssen<br />
akzeptieren, dass im Web3 andere Regeln gelten<br />
und sie ein Standing im Zweifel neu erarbeiten müssen.<br />
Viele große Web3-Player und Brands sind in kürzester<br />
Zeit entstanden und profitieren von Fans, Community und<br />
„Friends you make along the way“.<br />
CÉCILE SCHNEIDER<br />
Product Lead AI + Automation<br />
Lab, Bayerischer Rundfunk<br />
„Es sollte der Vorteil<br />
demonstriert werden,<br />
den es für die Nutzer:innen<br />
haben wird – oder haben<br />
soll. Das ist das wichtigste<br />
Argument: Es soll<br />
am Ende vor allem den<br />
Nutzern und Nutzerinnen<br />
etwas bringen.“<br />
CÉCILE SCHNEIDER<br />
Product Lead AI + Automation<br />
Lab, Bayerischer Rundfunk<br />
„Oft brauchen solche<br />
Technologien mehrere<br />
Anläufe. KI hat auch schon<br />
mehrere Hypes durchlebt,<br />
bevor sie sich wirklich<br />
durchgesetzt hat. Ich kann mir<br />
gut vorstellen, dass<br />
es im Web3-Bereich auch<br />
so kommen wird.“<br />
„Die Aufgabe der nächsten<br />
drei Jahre steht unter<br />
dem Motto ,Grab the<br />
opportunity‘ und dann<br />
werden wir 2025 das Web3<br />
in seiner Erstform sehen.<br />
Und danach wird es ein<br />
Iterationsprozess und sich<br />
stetig weiterentwickeln.“<br />
CHRISTIAN PFEIFFER,<br />
NFT-Botschafter, Co-Founder<br />
MUC/labs, München<br />
Auf dem Weg ins neue Internet<br />
Alle<br />
Ergebnisse unter<br />
www.xplr-media.com/<br />
WEB 1<br />
STATISCHE<br />
WEBSITES<br />
WEB 2<br />
USER-GENERATED<br />
CONTENT<br />
WEB 3<br />
DEZENTRALISIERUNG<br />
VIA BLOCKCHAIN<br />
Ausblick:<br />
web3-studie<br />
ca. 1990–2005<br />
ca. 20<strong>03</strong>–heute<br />
seit 2014<br />
Das Web3 wird – das ist die Ansicht zahlreicher Expert:innen – die derzeitigen Konzepte<br />
und Infrastrukturen des World Wide Webs nicht auflösen. Stattdessen werden mit hoher<br />
eBay, Google,<br />
AOL, AltaVista, GeoCities,<br />
MSN, Yahoo<br />
Twitter, Airbnb, Instagram,<br />
WordPress, Facebook, Myspace, WhatsApp,<br />
Wikipedia, YouTube<br />
Polygon, Coinbase, Storj,<br />
Brave, MetaMask, OpenSea,<br />
Uniswap, Foundation<br />
Wahrscheinlichkeit einzelne Aspekte, Technologien und Prozesse des Web3 bestehende<br />
Dienste und Nutzungsmöglichkeiten im bekannten Web erweitern.<br />
FOTOS: ADOBE STOCK, PR (9)<br />
„Aus der Content-Perspektive betrachtet, ist das Metaverse disruptiv<br />
gegenüber allem, was jetzt Medien sind – egal, ob Verlage, Fernsehen,<br />
Radio oder Streaming-Angebote. Denn es schafft neue Erlebnisse<br />
und ein Miteinander. Die alten Medien werden nicht verschwinden, aber sie<br />
werden durch etwas extrem Mächtiges ergänzt.“<br />
HENDRIK HEY,<br />
Founder Welt der Wunder/<br />
MILC, München<br />
40
WEB3-PROJEKTE<br />
WEB3-PROJEKTE<br />
USE-CASES<br />
IM NEUEN WEB<br />
DAS WEB3 HAT DIE MEDIENBRANCHE<br />
ERREICHT. BAYERISCHE PROJEKTE ZEIGEN, WIE SICH<br />
DAS POTENZIAL NUTZEN LÄSST.<br />
Mit<br />
<strong>XPLR</strong>: MEDIA<br />
in Bavaria<br />
zum eigenen NFT<br />
DIE <strong>XPLR</strong>ers<br />
FOTOS: ADOBE STOCK, KATRIN REICHWALD FÜR <strong>XPLR</strong>: MEDIA IN BAVARIA<br />
SCHEUKLAPPEN ABNEHMEN UND ERSTE<br />
ERFAHRUNGEN MIT EINER NEUEN<br />
TECHNOLOGIE MACHEN: DAS IST DIE IDEE, DIE HINTER<br />
DER NFT-KOLLEKTION „<strong>XPLR</strong>ERS“ STECKT.<br />
Auf der re:publica <strong>2022</strong> konnten Innovator:innen und Medienschaffende<br />
den NFT-Hype hautnah miterleben und am Stand von <strong>XPLR</strong>:<br />
MEDIA in Bavaria kostenlos ihr erstes NFT minten.<br />
Die 500 einzigartigen „<strong>XPLR</strong>ers“ sollen einen Vorgeschmack darauf<br />
geben, was mit NFTs – auch in der Medienbranche – möglich<br />
ist. Sie sind nicht nur Sammlerstücke, sondern zugleich Eintrittskarte<br />
zu einer exklusiven Community aus Medienschaffenden, die<br />
die Begeisterung für neue Technologien und das Web3 teilen. Ein<br />
besonderes Goodie: Einige zufällig ausgewählte „<strong>XPLR</strong>ers“ beinhalteten<br />
eine Utility, wie zum Beispiel Konferenztickets, Giveaways<br />
oder kostenlose Abos von bayerischen Medienunternehmen. In<br />
Zukunft nimmt die Community an NFT-Kursen und Meetups mit<br />
Expert:innen teil.<br />
Wegen der guten Resonanz hat es eine Neuauflage des Projekts<br />
auf die MEDIENTAGE MÜNCHEN <strong>2022</strong> geschafft.<br />
Du willst keine<br />
innovativen Projekte<br />
aus der bayerischen<br />
Medienbranche mehr<br />
verpassen? Mit unserem<br />
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du auf dem Laufenden!<br />
42<br />
43
WEB3-PROJEKTE<br />
WEB3-PROJEKTE<br />
SEVEN.ONE ENTERTAINMENT<br />
GROUP UND BUZZBIRD<br />
INFLUENCER-MARKETING WIRD FÜR DIE SEVEN.ONE<br />
ENTERTAINMENT GROUP IMMER WICHTIGER. DIE PROSIEBENSAT.1-<br />
TOCHTER ERWEITERT IHR PORTFOLIO DURCH DIE ÜBERNAHME<br />
VON BUZZBIRD – UND WILL PIONIER IM METAVERSE WERDEN.<br />
Influencer-<br />
Marketing<br />
im<br />
Metaverse<br />
Seit Juni <strong>2022</strong> gehört die Influencer-Marketing-Agentur Buzzbird vollständig zur Seven.<br />
One Entertainment Group. Das Team um Katharina Frömsdorf, die als Geschäftsführerin<br />
der Seven.One AdFactory auch die Leitung von Buzzbird übernommen hat, hat große<br />
Pläne: Seven.One Entertainment könne nun nicht nur „den ganzen bunten Blumenstrauß<br />
an Social-Media- und Influencer-Marketing aus einer Hand anbieten“, sondern wolle sich<br />
dadurch auch als Pionier im Metaverse platzieren, so Frömsdorf. Aktuell lote Seven.One die<br />
Möglichkeiten aus: „Wir halten beispielsweise das Konzept der virtuellen Influencer:innen<br />
geradezu für prädestiniert für das Metaverse, da sie sich in einem virtuellen Universum<br />
quasi organisch einfügen.“ Die erste hauseigene digitale Influencerin Yuna führt seit Ende<br />
Juli auf Instagram ein fiktives Leben in Berlin. „Wir sammeln mit ihr wertvolle Erfahrungen<br />
und Feedback aus der Community, beides fließt kontinuierlich in ihre Weiterentwicklung<br />
und in ihr Storytelling ein“, erklärt Frömsdorf.<br />
Golden Deers:<br />
eine NFT-<br />
Community für<br />
Mitarbeitende<br />
und Kund:innen<br />
ZUM GOLDENEN HIRSCHEN<br />
DIE WERBEAGENTUR ZUM GOLDENEN HIRSCHEN<br />
BRINGT IHRE EIGENEN NFTS HERAUS.<br />
Einmal Hirsch, immer Hirsch: Das ist die Idee, die hinter der NFT-Kollektion der Werbeagentur<br />
Zum goldenen Hirschen steckt. Das Unternehmen mit einem Sitz in München<br />
verteilt die unverkäuflichen NFTs an alle Mitarbeitenden, wer aus der Firma ausscheidet,<br />
behält es trotzdem. So baut Zum goldenen Hirschen ein Alumni-Netzwerk auf und<br />
bietet gleichzeitig Benefits für Mitarbeitende. Denn die NFTs sind digitale Eintrittskarten<br />
für Firmenevents und ermöglichen Zugang zu einem geschlossenen Discord-Server.<br />
Via Chat können aktuelle und ehemalige Kolleg:innen in Kontakt bleiben und sich<br />
persönlich auf den Firmenevents treffen. Später sollen auch Kund:innen der Agentur<br />
eigene NFTs erhalten. Neben der NFT-Kollektion hat die Agenturgruppe noch weitere<br />
ambitionierte Pläne: Der nächste Schritt ist ein komplett virtueller Agenturauftritt im<br />
Metaverse, weiß Jan Bartens, Digital Creative Director.<br />
FOTOS: ADOBE STOCK, SEVEN.ONE ENTERTAINMENT GROUP, ZUM GOLDENEN HIRSCHEN, LOOPING GROUP<br />
Projektionen von<br />
echten Menschen<br />
im Metaverse<br />
Wie funktioniert ein Markenauftritt in der virtuellen Realität?<br />
Die LOOPING GROUP will gemeinsam mit Unternehmen eine<br />
Antwort finden und stellt dafür das Labor: Mit den LOOPING<br />
Metaverse Solutions entwickelt das Münchner Brand Publishing<br />
House mit weiteren Standorten in Berlin, Hamburg und<br />
London passende Metaverse-Konzepte für Unternehmen –<br />
und setzt diese auch gleich um. Dafür hat sich die LOOPING<br />
GROUP erfahrene Partner an die Seite geholt: Gemeinsam mit<br />
dem italienischen Entwicklerstudio 101 Percent werden in den<br />
Räumen der UnternehmerTUM in München virtuelle Umgebungen<br />
programmiert. Die Innovator:innen der LOOPING GROUP<br />
nutzen dort auch ein Greenscreen-Studio – das brauchen sie für<br />
ihr „Humanverse“. Gregor Becker, Principal LOOPING GROUP<br />
und Strategie-Berater für die LOOPING Metaverse Solutions,<br />
erklärt: „Wir haben bei LOOPING das Humanverse entwickelt:<br />
LOOPING GROUP<br />
FÜR VIELE UNTERNEHMEN IST DAS METAVERSE NOCH IMMER ABSTRAKTE ZUKUNFTSVISION.<br />
DAMIT DAS NICHT SO BLEIBT, UNTERSTÜTZT DIE LOOPING GROUP MIT DEN LOOPING METAVERSE<br />
SOLUTIONS BEIM EINSTIEG INS WEB3 UND BIETET PRAXISERPROBTE VIRTUAL-REALITY-LÖSUNGEN.<br />
eine 3-D-Livestreaming-Technologie, die Menschen in virtuelle<br />
Räume projiziert. Und zwar echte Menschen, keine Avatare.“ Zu<br />
den Kunden, die die LOOPING GROUP bereits mit einer Humanverse-Umsetzung<br />
beauftragt haben, gehört beispielsweise ein<br />
Automobilhersteller: Wer einen Neuwagen kaufen will, konfiguriert<br />
in der VR-Anwendung ein Fahrzeug und spricht mit dem virtuellen<br />
Klon einer Beraterin oder eines Beraters. Daneben arbeitet die<br />
LOOPING GROUP an Digital Twins von Gebäuden in der virtuellen<br />
Realität, mit denen Kunden zum Beispiel digitale Führungen von<br />
Produktionsstätten anbieten können, oder konzipiert virtuelle<br />
Training-Sessions. Becker setzt aufs Humanverse – dass Menschen<br />
via VR-Brille in einer allumfassenden virtuellen Realität ein zweites<br />
Leben führen werden, erwartet er dagegen nicht. Stattdessen würden<br />
wir künftig auf viele verschiedene virtuelle Räume zugreifen:<br />
„Wir werden ein Multiverse sehen, kein Metaverse.“<br />
44<br />
45
WEB3-PROJEKTE<br />
BR NEXT<br />
Auf Zeitreise<br />
im Metaverse<br />
WEB3: TESTE DEIN WISSEN<br />
EIN METAVERSE ALS ORT DER BILDUNG: MIT DER<br />
VIRTUAL-REALITY-INSTALLATION MÜNCHEN 72 ERINNERT DIE<br />
INNOVATIONSABTEILUNG DES BAYERISCHEN<br />
RUNDFUNKS, BR NEXT, AN DIE OLYMPISCHEN SPIELE VON 1972.<br />
Als digitale Avatare und mittels VR-Brillen erleben User:innen beim Projekt München 72<br />
die Geschehnisse rund um die Olympischen Spiele vor rund 50 Jahren. In der digitalen<br />
Welt, die über die Online-Plattform VRChat auch ohne VR-Brille erreichbar ist, taucht man<br />
ein in den Olympiapark, das Stadion und die Unterkünfte der Sportler:innen im Olympiadorf.<br />
Ziel der VR-Installation ist es nicht nur, Interessierte in die damalige Zeit zu versetzen,<br />
sondern auch an die tragischen Ereignisse rund um die Geiselnahme der israelischen<br />
Mannschaft zu erinnern. Auf virtuellen Monitoren laufen Originalaufnahmen der Nachrichten<br />
aus dem Jahr 1972. Ausstellungsstücke und Infotafeln zeigen weitere Hintergründe zur<br />
Geiselnahme und zu den Spielen, die trotz des Terrorakts fortgeführt wurden. Für Projektleiter<br />
Matthias Leitner von BR Next erfüllt die virtuelle Umsetzung eine der Grundideen<br />
der Olympischen Spiele: „Die olympischen Stätten sollten ein Raum für die gemeinsame<br />
Begegnung sein. In unserer Wahrnehmung trifft sich dieser Anspruch mit den Möglichkeiten<br />
moderner Social-VR-Plattformen.“<br />
Die Lösung:<br />
der Begriff für Kryptowährungen,<br />
deren<br />
Wert an den US-Dollar<br />
gebunden ist.<br />
Als Fußballmanager<br />
zu<br />
Bundesliga-NFTs<br />
THE FOOTBALL COMPANY<br />
FANTASY FOOTBALL, METAVERSE UND EIN NFT-MARKTPLATZ: DIE BRÜ-<br />
DER ANTE UND JOSIP KRISTO VEREINEN IN IHRER SMARTPHONE-APP<br />
„THE FOOTBALL CLUB“ GLEICH MEHRERE WEB3-TRENDS.<br />
Die Brüder Ante und Josip Kristo aus München haben bereits Erfahrung mit Spieleentwicklung:<br />
Sie stehen hinter dem Fantasy-Football-Spiel „Kickbase“. Mit ihrem aktuellen<br />
Projekt haben sie sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie wollen Fußball-Fandom und die<br />
Möglichkeiten des Web3 miteinander verbinden und das Metaverse des Fußballs kreieren.<br />
Dafür erschufen sie „The Football Club“ – kurz TFC. Die Anwendung verknüpft das<br />
Bundesliga-Manager-Spiel mit NFTs und führt so neue Sammel- und Tauschaspekte<br />
ein. Nutzer:innen erstellen einen individuellen Avatar, der mit Accessoires und offiziellen<br />
Trikots der Bundesliga-Mannschaften als NFTs ausgestattet werden kann. Nutzer:innen<br />
können die NFTs im Spiel gewinnen oder im Online-Shop kaufen. Auch bei den Profis<br />
trifft das Projekt auf Begeisterung: Namhafte Investoren sind die Bundesliga-Trainer<br />
Robert und Niko Kovac sowie Joshua Kimmich vom FC Bayern München. In Zukunft<br />
sind nicht nur neue Kooperationen mit Sportvereinen geplant, sondern auch mit Lifestyle-Labels<br />
und bekannten Marken abseits des virtuellen Fußballplatzes.<br />
FOTOS: ADOBE STOCK, BR NEXT (2), THE FOOTBALL COMPANY<br />
1. Welche italienische Speise wurde in der ersten dokumentierten Bitcoin-Transaktion im Mai 2010 gekauft?<br />
2. Wie heißt das Fantasy-Football-Spiel, das NFTs und Fußballmanagement verbindet? (Abk.)<br />
3. Wie heißen die berühmten Affen-NFTs, die teilweise für siebenstellige Dollarbeträge gehandelt wurden?<br />
4. Wie heißt das erste große Online-Spiel mit NFT-Comic-Kätzchen zum Züchten und Sammeln?<br />
5. Wie heißen die NFTs der Agentur Zum goldenen Hirschen?<br />
6. Welche New Yorker Tageszeitung hat schon Artikel als NFTs verkauft? (Abk.)<br />
7. Was ist das Akronym zu Non-Fungible Token?<br />
8. Wie nennt man ein digitales Profil oder einen virtuellen Charakter noch?<br />
9. Wie heißt die erste Kryptowährung?<br />
10. Welcher bekannte Tech-Mogul verhalf der Kryptowährung Dogecoin erst zum Durchbruch,<br />
bevor er sie später zum Absturz brachte?<br />
11. Wie nennt man es, wenn ein digitales Kunstwerk in ein NFT umgewandelt wird?<br />
12. Worin sind die eigenen digitalen Assets wie NFTs und Kryptos gespeichert?<br />
13. Wie heißt ein digitaler Vertrag, der auf der Blockchain-Technologie basiert?<br />
14. Welches zentralamerikanische Land führt Bitcoin als offizielle Währung?<br />
Antworten: 1. Pizza 2. TFC 3. Bored Apes 4. CryptoKitties 5. Golden Deers 6. NY Times 7. NFT 8. Avatar<br />
9. Bitcoin 10. Elon Musk 11. Minten 12. Wallet 13. Smart Contract 14. El Salvador<br />
46 47
HELLO<br />
FROM ...<br />
GOOD GAME,<br />
CIPSOFT<br />
DIE SPIELE-<br />
SCHMIEDE<br />
CIPSOFT WIRD<br />
<strong>2022</strong> ALS STUDIO<br />
DES JAHRES BEIM<br />
DEUTSCHEN<br />
COMPUTERSPIEL-<br />
PREIS AUS-<br />
GEZEICHNET. WAS<br />
IST DAS ERFOLGS-<br />
GEHEIMNIS DES<br />
REGENSBURGER<br />
ENTWICKLERS?<br />
TEXT<br />
NORA BEYER<br />
FOTOS<br />
SEBASTIAN LOCK<br />
Sie führen seit<br />
Juli 2021 das<br />
Team von CipSoft:<br />
Benjamin Zuckerer<br />
(oben), Ulrich Schlott<br />
(links) und Stephan<br />
Vogler (unten).<br />
Knapp hundert Mitarbeitende,<br />
Jahresumsätze im zweistelligen<br />
Millionenbereich und ein<br />
Online-Spiel, das seit einem<br />
Vierteljahrhundert Dauerbrenner<br />
ist: Der Spieleentwickler CipSoft<br />
ist seit über 20 Jahren in ungebremstem<br />
Höhenflug. Die vier Gründer Stephan<br />
Vogler, Stephan Payer, Ulrich Schlott und<br />
Guido Lübke sind bis heute Gesellschafter<br />
des Unternehmens. Eine Erfolgsgeschichte,<br />
die auf dem Universitätscampus in<br />
Regensburg ihren Anfang nimmt.<br />
Dort kommen die vier Schulfreunde zum<br />
ersten Mal mit dem Internet in Berührung.<br />
„Damals hatte niemand Internet zu<br />
Hause. Das gab es nur an den Universitäten.<br />
1995 gab es zwar schon Spiele über<br />
das Internet, aber das waren ausschließlich<br />
textbasierte, sogenannte Multi User Dungeons.<br />
Wir dachten uns: Eigentlich kann<br />
man das viel besser machen“, erinnert sich<br />
Stephan Vogler, einer der Gründer und Geschäftsführer.<br />
Gesagt, getan. „Wir hatten<br />
die Vision, ein Spiel zu entwickeln, das<br />
nicht nur grafisch was hermacht, sondern<br />
auch auf der ganzen Welt gespielt werden<br />
kann.“ Die Freunde beginnen, an ihrer Idee<br />
zu arbeiten. Titel des Projekts: „Tibia“, ein<br />
Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel<br />
(MMORPG). „,Tibia‘ ist 1997 an den Start gegangen<br />
– an einem Lehrstuhlrechner“, sagt<br />
Vogler. Am Ende des Studiums sind so<br />
viele Spieler:innen online, dass die vier erkennen:<br />
„Da könnten wir mehr daraus machen.“<br />
Stephan Vogler erzählt: „2000/2001<br />
war die New Economy gerade groß, da war<br />
das Umfeld entsprechend ermutigend<br />
und wir haben kurzerhand eine Firma gegründet.“<br />
Ein Steilstart: „Kurz darauf haben<br />
uns die Spieler:innen die Bude eingerannt.<br />
Wir waren nur damit beschäftigt, Leute<br />
einzustellen und mehr Server für ‚Tibia‘<br />
aufzustellen.“ CipSoft, so Vogler, gibt es bis<br />
heute vor allem aufgrund des enormen<br />
Erfolgs von „Tibia“.<br />
Games-Dauerbrenner<br />
made in Bavaria<br />
Inzwischen ist „Tibia“ eines der ältesten<br />
und erfolgreichsten MMORPGs weltweit.<br />
„Wir haben nie den Glauben an das Projekt<br />
verloren und hatten immer Bock darauf,<br />
es weiterzuentwickeln und besser zu machen“,<br />
meint Stephan Vogler.<br />
Großgeschrieben wird dabei der Community-Kontakt:<br />
„Wir haben schnell realisiert,<br />
Raum für Kreativität:<br />
CipSoft bietet den<br />
Mitarbeitenden<br />
Quellen der Inspiration<br />
in den eigenen<br />
Hallen – inklusive<br />
Retro-Charme.<br />
48 49
REGENSBURG<br />
ALS STAND-<br />
ORTVORTEIL:<br />
„HIER KOMMT<br />
MAN AN<br />
UNS NICHT<br />
VORBEI“<br />
wie wichtig es ist, auf unsere Spieler:innen<br />
zu hören. Wir geben uns viel Mühe, zuzuhören<br />
und umzusetzen, was gewünscht<br />
wird.“ Das schlägt sich in den Zahlen<br />
nieder. Zwar waren gerade die Pandemiejahre<br />
2020 und 2021 in finanzieller<br />
Hinsicht Rekordjahre für CipSoft, wie für<br />
viele andere Spielestudios auch. „Aber wir<br />
hatten auch schon vor Corona Spieler-Rekorde,<br />
die damit zusammenhängen, dass<br />
wir Probleme gelöst und Dinge verbessert<br />
haben, die der Community wichtig waren“,<br />
meint Vogler.<br />
CipSoft setzt auf soziales<br />
Engagement<br />
Die Community steht bei CipSoft nicht<br />
nur in-game an erster Stelle. CipSoft ist<br />
unabhängig von äußeren Kapitalgebern<br />
und fährt eine Firmenpolitik, die soziale<br />
Verantwortung nach innen wie nach<br />
außen großschreibt. 2020 unterstützt<br />
CipSoft verschiedene Organisationen und<br />
Einrichtungen, die sich im Kampf gegen<br />
das Coronavirus engagieren. Im Zuge<br />
der Pandemie werden Essensspenden<br />
an Regensburger Institutionen aus dem<br />
Gesundheits- und Pflegesektor organisiert.<br />
Ein lokaler Konditor backt zum<br />
Ulrich Schlott (links)<br />
und Stephan Vogler<br />
(rechts) kennen<br />
sich noch aus der<br />
Schulzeit. Benjamin<br />
Zuckerer (Mitte) stieß<br />
nach zehn Jahren<br />
als Produktmanager<br />
zur Geschäftsführung.<br />
Beispiel im Auftrag von CipSoft Kuchen<br />
für die Mitarbeitenden des Roten Kreuzes.<br />
In dieser Zeit gehen 365.000 Euro an<br />
gemeinnützige Organisationen wie die<br />
WHO oder Ärzte ohne Grenzen.<br />
<strong>2022</strong> spendet CipSoft 50.000 Euro, die<br />
Summe, die es als Gewinner des Deutschen<br />
Computerspielpreises erhält, an<br />
ukrainische Kriegsflüchtlinge. Für Vogler<br />
eine Selbstverständlichkeit: „Wir profitieren<br />
von unserem Umfeld und der<br />
Gesellschaft. Da möchten wir auch was<br />
zurückgeben.“<br />
Spieleentwickler: „Haben<br />
eine Verantwortung, die Welt<br />
besser zu machen“<br />
Auch die Belegschaft profitiert vom sozialen<br />
Verantwortungsbewusstsein und<br />
der modernen Ausrichtung, die CipSoft<br />
der Branche vorlebt: flexible Arbeitszeiten,<br />
ein Verbot, Überstunden zu sammeln,<br />
Vereinbarkeit von Familie und Beruf,<br />
die Möglichkeit zu Remote Work, ein<br />
persönliches Weiterbildungsbudget und<br />
seit 2021 die Möglichkeit, 20 Prozent der<br />
Arbeitszeit dafür zu verwenden, eigene<br />
Spielideen umzusetzen.<br />
CipSoft stellt den Menschen ins Zentrum<br />
– und beteiligt die Mitarbeitenden<br />
direkt am Erfolg des Unternehmens.<br />
Stephan Vogler erzählt: „Ein Viertel der<br />
Gewinne, die in einem Jahr gemacht<br />
werden, werden an die Mitarbeitenden<br />
ausgeschüttet.“ Das mache in jedem<br />
Jahr mindestens zwei Monatsgehälter<br />
aus. In den Rekordjahren 2020 und 2021<br />
entsprach die Erfolgsbeteiligung sogar<br />
einem ganzen zusätzlichen Jahresgehalt.<br />
„Wenn wir erfolgreich sind als Unternehmen,<br />
dann möchten wir auch, dass<br />
unsere Mitarbeitenden an diesem Erfolg<br />
teilhaben. Als Unternehmer hat man eine<br />
Verantwortung, die Welt eher besser<br />
werden zu lassen und nicht schlechter.“<br />
Games in Bayern:<br />
viel Durchstart-Potenzial<br />
Die bayerische Videospiel-Landschaft<br />
wird immer vielfältiger, findet Stephan<br />
Vogler: „In den letzten Jahren hat sich<br />
einiges getan. Gerade im Indie-Bereich<br />
hat sich eine große Szene entwickelt.“<br />
Knapp 100 Mitarbeitende<br />
finden in den<br />
Büros von CipSoft<br />
in Regensburg Platz.<br />
HELLO<br />
FROM ...<br />
CipSoft hat gute Gründe für den Standort<br />
Regensburg: „Klar, im Gegensatz zu<br />
München, Hamburg oder Berlin sind wir<br />
etwas ab vom Schuss. Aber das ist auch<br />
eine Stärke. Wenn sich jemand in Ostbayern<br />
für Spieleentwicklung interessiert<br />
und sein Hobby zum Beruf machen will,<br />
kommt er an uns nicht vorbei. Die hohe<br />
Lebensqualität in der Stadt und das<br />
Hochschulumfeld, aus dem viele unserer<br />
Mitarbeitenden kommen, sind sehr gut.“<br />
Konzeptzeichnungen<br />
und Artworks zei -<br />
gen, wie Spielfiguren<br />
und immersive<br />
Games-Welten bei<br />
CipSoft entstehen.<br />
50 51
MARKETTE<br />
NEWCOMER<br />
DIESE BAYERISCHEN<br />
STARTUPS SIND AUF DER<br />
ÜBERHOLSPUR.<br />
@summ<br />
Schnell, kostengünstig und unkompliziert<br />
zu Leichter Sprache: Das Münchner Startup<br />
Summ macht es möglich. Eine innovative<br />
KI-Lösung übersetzt komplexe Sätze<br />
und Texte in Leichte Sprache. Mit nur<br />
einem Klick können Behörden, Unternehmen<br />
und Organisationen ihre Webseiten<br />
und Inhalte damit barrierefrei gestalten.<br />
So können auch Menschen mit Demenz,<br />
Lesebehinderung oder Lernschwierigkeiten<br />
sowie Personen, die wenig Deutsch<br />
sprechen, alle Informationen verstehen.<br />
TEXT<br />
IN DER<br />
MEDIENBRANCHE<br />
LENA KAESS UND<br />
DINO MEDIC<br />
FOTOS: SUMM, JUSTT, STUDIO WINDSOCKE, LESIDO, KERTOS; ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/DENIS NOVIKOV<br />
@justt<br />
Eine neue Plattform für Qualitätsinhalte:<br />
Ein deutsch-internationales Team aus<br />
Content-Spezialist:innen, Designer:innen<br />
und Coder:innen mit Sitz in München sagt<br />
Manipulation und Fake News den Kampf an.<br />
Mithilfe von KI und auf Relevanz getrimmten<br />
Algorithmen bringt Justt Verlage, selbstständige<br />
Journalist:innen, Blogger:innen und<br />
Nutzer:innen aus aller Welt zusammen und<br />
verbreitet hochwertige Inhalte mit der Power<br />
von Social Media. Das Besondere: Creator<br />
und Publisher profitieren beide und ein intuitives<br />
Design macht die Plattform besonders<br />
nutzerfreundlich.<br />
@lesido<br />
Lesido ist die erste digitale Kinderbuch-Bibliothek, bei der Familienmitglieder<br />
auch aus der Ferne und per Videoanruf vorlesen können.<br />
Über 100 digitale Bilderbücher und Erstlesebücher stehen schon<br />
jetzt zur Verfügung, die Bibliothek wächst stetig. Hinter der App<br />
steckt das gleichnamige Münchner Startup mit den Geschäftsführer:innen<br />
Janina Jauch und Peter Frank.<br />
UNTER<br />
DEM RADAR<br />
@studio windsocke<br />
Der Spieleentwickler Studio Windsocke wurde von vier Absolvent:innen<br />
der Universität Bayreuth gegründet. Mit ihrem Indie-<br />
Game „Passing By“, einem Mix aus 2-D-Platformer-, Puzzle- und<br />
Sur vival-Game, räumten sie bereits mehrere Preise ab. Dieser<br />
besondere Genre-Mix gewann den Ubisoft Newcomer Award 2021<br />
und die Nachwuchs-Auszeichnung als „Bester Prototyp“ beim<br />
Deutschen Computerspielpreis 2021.<br />
@kertos<br />
Das Münchner Startup Kertos will effizienteren<br />
Datenschutz möglich machen. Die Idee:<br />
ein System, das personenbezogene Daten<br />
DSGVO-konform verwaltet. Die Software<br />
enthält automatisierte Lösungen für Website-Betreiber:innen,<br />
um Datenschutzbestimmungen<br />
umzusetzen. Die Anwendung bietet<br />
eine Übersicht, wie die Daten verarbeitet<br />
werden. Ebenso lassen sich Betroffenenrechte<br />
durchsetzen, wie die Löschung personenbezogener<br />
Daten.<br />
52 53
NEUES AUS DER BRANCHE<br />
NEUES AUS DER BRANCHE<br />
DER BAYERISCHE FERNSEHPREIS WIRD IN ZUKUNFT<br />
ALS „BLAUER PANTHER – TV & STREAMING<br />
AWARD“ VERLIEHEN. AUSSPIELWEGE, PRODUKTION UND<br />
DIGITALSTRATEGIE ZEUGEN VOM WILLEN,<br />
EINEN ZUKUNFTSFESTEN PREIS ZU SCHAFFEN.<br />
Die TV- und Filmbranche<br />
erlebt seit dem Eintritt von<br />
Streamern in den Markt<br />
einen umfassenden Wandel.<br />
Diese Entwicklung soll<br />
sich in Zukunft auch im Bayerischen Fernsehpreis<br />
widerspiegeln. Die Auszeichnung<br />
wurde <strong>2022</strong> umfassend überarbeitet und<br />
wird am 19. Oktober als „Blauer Panther –<br />
TV & Streaming Award“ verliehen.<br />
„Wir wollen den Preis moderner, agiler<br />
und zeitgemäßer gestalten“, bestätigt<br />
Nina Etspüler. Sie ist Mitgeschäftsführerin<br />
TEXT NINA BRANDTNER<br />
bei der Produktionsfirma i&u TV, die Teil<br />
der Münchner LEONINE Studios ist und<br />
mit der Produktion des neuen Preises<br />
betraut wurde. „Trotzdem wollen wir das<br />
Traditionsreiche und die Menschen, die<br />
den Preis bisher gut fanden, nicht verschrecken.<br />
An jeder Schlüsselstelle geht<br />
es darum, wie wir Tradition mit Zukunft<br />
verbinden können.“<br />
Den Grundstein dafür haben Träger, Förderer<br />
und Organisatoren gelegt: Erstmals<br />
öffnet sich der Preis außer für TV-Produktionen<br />
auch für deutsche Produk-<br />
tionen von Streaming-Anbietern sowie<br />
für Bewegtbildformate von deutschen<br />
Web-Creatoren für Online-Plattformen. In<br />
den vier Kategorien Information/Journalismus,<br />
Fiktion, Entertainment und Kultur/<br />
Bildung können bundesweit Produktionen<br />
und Personen ausgezeichnet<br />
werden. Dass der Award alle Formate und<br />
Ausspielwege in den Blick nimmt, spielt<br />
der Vision der Verantwortlichen in die<br />
Hände: den Blauen Panther als zentralen<br />
Preis der deutschen TV- und Streaming-<br />
Branche zu etablieren.<br />
FOTOS: PAVEL LOSEVSKY, LEONINE STUDIOS<br />
Mit modernem Setbau zum<br />
neuen Award<br />
Der inhaltlichen Neuausrichtung folgen<br />
Konsequenzen in der Umsetzung. Als<br />
Location für die Preisverleihung habe<br />
man einen Ort gewählt, an dem Tradition<br />
und Zukunft aufeinandertreffen: das<br />
Auditorium der BMW Welt in München.<br />
Innovation hält auch im Setbau Einzug:<br />
„Wir wollen weg von: Vorne ist eine Bühne,<br />
davor sitzt ein Publikum und schaut<br />
zu“, sagt Etspüler. Stattdessen steht die<br />
Bühne, ausgestattet mit einem Cube, der<br />
auf allen Seiten mit LEDs bestückt ist,<br />
im Zentrum der Location. „Das fühlt sich<br />
sehr modern an, so, wie wir heute Medien<br />
rezipieren. Die Bespielung kommt aus<br />
verschiedenen Ecken.“<br />
Um die klassische Inszenierung noch weiter<br />
aufzubrechen, hat i&u TV in Zusammenarbeit<br />
mit dem künstlerischen Leiter<br />
der Award-Show, Stephan Reichenberger,<br />
ein neues Format entwickelt. Nina Etspüler<br />
erklärt: „Wir werden mit Talkrunden<br />
mit den Nominierten, Moderator:innen<br />
und Fans eine Art Genrehybrid aufsetzen.<br />
Wir wollen die Jüngeren mit den Älteren<br />
verbinden und so die große Medienfamilie<br />
erzählen.“<br />
Publikumsvotings für<br />
„Beliebtester Film“ und<br />
„Beliebteste Serie“<br />
Moderiert werden die Talkrunden, wie<br />
auch der Rest der Preisverleihung, von<br />
Katrin Müller-Hohenstein und Tobias Krell,<br />
bei vielen bekannt als Checker Tobi. Sein<br />
Engagement soll, neben anderen Faktoren,<br />
auf eine neue, erweiterte Zielgruppe<br />
einzahlen. Denn während man die ältere<br />
Generation gut über die Ausstrahlung<br />
im Bayerischen Fernsehen (BR) erreiche,<br />
habe man bei jungen Menschen keinen<br />
Fuß in der Tür. „Es ist unser großer Antrieb,<br />
auch wieder jüngere Zuschauer:in-<br />
„An jeder<br />
Schlüsselstelle geht<br />
es darum,<br />
wie wir Tradition<br />
mit Zukunft<br />
verbinden können.“<br />
NINA ETSPÜLER<br />
nen für diesen Preis zu begeistern“, bekräftigt<br />
Etspüler. „Die Jury hat großartige<br />
Arbeit geleistet, indem sie eine tolle Bandbreite<br />
an Nominierten gefunden hat.“<br />
Ein weiterer Hebel dafür ist das Publikumsvoting.<br />
Zum ersten Mal können<br />
Zuschauer:innen im Vorhinein online ihre<br />
Stimme für den „Beliebtesten Film“ und<br />
die „Beliebteste Serie“ abgeben. „Wir<br />
wollen diesen Preis nicht nur für eine<br />
lineare Ausstrahlung produzieren. Wir<br />
wollen Zuschauer:innen finden, die in<br />
der digitalen Welt unterwegs sind, und<br />
sie für die Ausstrahlung am 19. Oktober<br />
gewinnen“, so Etspüler.<br />
Umfassende Online-<br />
Strategie soll junge Zielgruppen<br />
erreichen<br />
Das Publikumsvoting ist eingebettet in<br />
eine Digitalstrategie, die erstmals einen<br />
eigenen Online-Auftritt und die Präsenz<br />
auf Social-Media-Plattformen beinhaltet.<br />
Schon in den Monaten vor der Preisverleihung<br />
sind dort Clips der Nominierten und<br />
Blicke hinter die Kulissen abrufbar und<br />
führen auf die Veranstaltung hin.<br />
Wenn der „Blaue Panther – TV & Streaming<br />
Award“ im Oktober vergeben wird,<br />
tritt an die Seite der 90-minütigen Show<br />
im BR ein Stream. Auf der Website des<br />
Blauen Panther und den Plattformen der<br />
Träger werden die Preisverleihung, aber<br />
auch Vorberichte vom roten Teppich zu<br />
sehen sein. „Wir profitieren dabei von<br />
den vielen Trägern des Preises, die die<br />
Möglichkeit haben, ihn über ihre Ausspielwege<br />
zu zeigen“, erklärt Etspüler.<br />
Vor Ort in der BMW Welt trifft die Verleihung<br />
auf ein anderes Großevent der bayerischen<br />
Medienbranche: die Nacht der<br />
Medien der MEDIENTAGE MÜNCHEN.<br />
Zufall ist das keiner, wie Nina Etspüler<br />
sagt: „Uns war relativ schnell klar, dass es<br />
eine wahnsinnig gute Synergie wäre, den<br />
Preis mit den MEDIENTAGEN zusammenzulegen.“<br />
So könne man zusätzlich<br />
Gäste aus der TV-, Streaming- und<br />
Medienbranche mit dem klassischen<br />
Award-Publikum vernetzen. „Das wird<br />
ein großartiger Abend, um die Medien in<br />
Bayern zu feiern.“<br />
BLAUER PANTHER<br />
Organisator und Veranstalter:<br />
Medien.Bayern GmbH<br />
Träger: Bayerische Landeszentrale<br />
für neue Medien (BLM),<br />
Bayerischer Rundfunk (BR),<br />
Google Germany GmbH,<br />
Prime Video, RTL Deutschland, Seven.<br />
One Entertainment Group GmbH,<br />
Sky Deutschland und ZDF/3sat<br />
Gefördert von: Bayerische<br />
Staatskanzlei und Bayerisches<br />
Staatsministerium für Digitales<br />
Preisverleihung: 19. Oktober <strong>2022</strong> in<br />
der BMW Welt München<br />
Kategorien: Information/Journalismus,<br />
Fiktion, Entertainment<br />
und Kultur/Bildung<br />
Publikumspreise: Beliebtester Film,<br />
Beliebteste Serie<br />
54 55
MARKETTE<br />
BRAUCHT ES EINE<br />
POLIZEI<br />
IM METAVERSE?<br />
TEXT<br />
MARTIN HAASE<br />
CYBERCRIME<br />
NIMMT ZU: LAUT<br />
BUNDESKRIMINALAMT<br />
GAB ES IM JAHR 2021<br />
ZWÖLF PROZENT MEHR<br />
ATTACKEN IM WEB ALS<br />
IM JAHR ZUVOR, NICHT MAL<br />
JEDER DRITTE FALL WIRD<br />
AUFGEKLÄRT. CYBERCRIME-<br />
EXPERTE CEM KARAKAYA<br />
UND JOURNALISTIN TINA GROLL<br />
SPRECHEN ÜBER NEUE RISIKEN<br />
IM METAVERSE ̶ UND OB EINE<br />
DIGITALE POLIZEI FÜR MEHR<br />
SICHERHEIT SORGEN KANN.<br />
FOTO: KAY BLASCHKE<br />
Frau Groll, Herr Karakaya, welche<br />
Gefahren lauern im Metaverse?<br />
Cem Karakaya: Die Menschen<br />
denken, im digitalen Raum seien sie<br />
anonym. Im Metaverse könnte das<br />
eine neue Dimension annehmen:<br />
Vielleicht machen sie dort Dinge, die<br />
sie in der realen Welt nicht tun<br />
würden. Im virtuellen Raum gibt es<br />
das Tatortprinzip nicht. Das heißt zum<br />
Beispiel: Ein Opfer lebt in Deutschland,<br />
der Server steht in China und<br />
der oder die Täter:in sitzt in Russland.<br />
Das führt zu einer entscheidenden<br />
Frage, die noch geklärt werden muss:<br />
Gilt der Tatbestand dort genauso wie<br />
in Deutschland und führt er zu der<br />
gleichen Strafe? Für digitale Welten<br />
braucht es klare Regeln, die für jedes<br />
Land und jeden Menschen gelten.<br />
Tina Groll: Es gibt immer wieder<br />
neue Phänomene. Meint man, eine<br />
Betrugsmasche gut im Griff zu<br />
haben, gibt es schon die nächste<br />
Variante. Wie erfinderisch Betrüger:innen<br />
im Netz sind, hat zum<br />
Beispiel der Fall mit Franziska Giffey<br />
und dem falschen Vitali Klitschko<br />
gezeigt. Deepfakes sind nur ein<br />
Beispiel für technische Möglichkeiten,<br />
auf die man vorbereitet sein sollte.<br />
„Deepfakes<br />
sind nur ein<br />
Beispiel für<br />
technische<br />
Möglichkeiten,<br />
auf die man<br />
vorbereitet sein<br />
sollte.“<br />
TINA GROLL,<br />
JOURNALISTIN<br />
„Für digitale<br />
Welten<br />
braucht es<br />
klare Regeln,<br />
die für jedes<br />
Land und jeden<br />
Menschen<br />
gelten.“<br />
DISKUSSION<br />
Wie kann das Netz sicherer werden?<br />
Karakaya: Wenn wir zum Beispiel<br />
kritische Infrastruktur wie die<br />
Energieversorgung digitalisieren<br />
wollen, müssen wir immer an die<br />
Menschen denken, die sie nutzen:<br />
Sind die Nutzer:innen dafür bereit,<br />
kennen sie die Risiken im Umgang<br />
mit den digitalen Systemen und<br />
haben sie ausreichend Schutzmaßnahmen<br />
getroffen? Wer diese drei<br />
CEM KARAKAYA,<br />
CYBERCRIME-EXPERTE<br />
Fragen mit Ja beantwortet, ist gut<br />
geschützt. Das ist aber meist nicht der<br />
Fall. Der Computer rechnet mit allem,<br />
aber nicht mit den Benutzer:innen.<br />
Wie unterscheiden sich die Risiken von Nicht die Technologie ist gefährlich,<br />
denen in sozialen Medien heute?<br />
sondern der Mensch, der sie nutzt.<br />
Karakaya: Im Metaverse lassen sich<br />
Ich brauche heute nur Namen,<br />
theoretisch Bewegungsprofile<br />
Geburtsdatum und Anschrift. Diese<br />
erstellen. Wo gehe ich lang, welche<br />
Daten gebe ich in ein Programm und<br />
Dinge schaue ich mir wie lange an?<br />
erhalte einen Ordner voller Daten:<br />
Das sind noch mehr Daten, die sich<br />
mit Bildern, Videos und Meinungsbeiträgen.<br />
Das ist besonders heikel<br />
wiederum für Algorithmen nutzen<br />
lassen: Big Data weiß mehr über<br />
für Kinder und Jugendliche.<br />
die Leute, als sie selbst über sich<br />
wissen. Grundsätzlich gilt: Wenn Sie<br />
ein Produkt nicht bezahlen, bezahlen<br />
Sie mit Ihren persönlichen Daten.<br />
Die technische Entwicklung ist so<br />
schnell, dass die Verabschiedung<br />
von Gesetzen hinterherhinkt. Bis das<br />
passiert, haben Betrüger:innen ihre<br />
Methoden mehrfach verändert.<br />
Aber auch moralische Grundsätze<br />
entwickeln sich mit Verzögerung.<br />
Die Expert:innen<br />
Wir sprechen erst dann darüber,<br />
Cem Karakaya arbeitet bei<br />
welche Bilder in sozialen Medien<br />
der Polizei München im Bereich<br />
Prävention und Cybercrime.<br />
geteilt werden dürfen, wenn<br />
anstößige Inhalte verbreitet<br />
Nebenberuflich leitet er das Beratungsunternehmen<br />
Blackstone432,<br />
werden.<br />
Bei allen Risiken sollte man<br />
aber nicht vergessen, dass<br />
das Schüler:innen, Unternehmen und<br />
neue Medien den Menschen<br />
auch helfen<br />
bilisiert: von Sexualdelikten über Hacking<br />
Privatpersonen für Risiken im Netz sensi-<br />
können. Soziale Medien<br />
bis hin zu Haftungsrisiken im Influencer-Marketing.<br />
ZEIT-Journalistin Tina Groll ist Teil des<br />
ermöglichen einen<br />
Austausch, wo er<br />
Referent:innen-Netzwerks von Blackstone432.<br />
unterdrückt wird,<br />
Sie wurde Opfer von Identitätsmissbrauch und<br />
wie in Ländern mit<br />
erklärt, wie Nutzer:innen im Netz mit persönlichen<br />
starker Zensur.<br />
Daten umgehen sollten.<br />
57
MARKETTE<br />
DISKUSSION<br />
Sie sind die Entscheidungsträger:innen<br />
von morgen. Daten lassen sich<br />
manipulieren, zudem kann ich die<br />
Personen erpressen.<br />
Tina Groll, Sie mussten am eigenen<br />
Leib erfahren, dass Cybercrime ein<br />
ernst zu nehmendes Problem ist. Ihnen<br />
wurde die Identität gestohlen.<br />
Groll: Mir wurde nicht nur die Identität<br />
gestohlen, ich wurde auch Opfer<br />
von Identitätsmissbrauch.<br />
Das sind zwei unterschiedliche<br />
Sachen. Den Diebstahl merkt man<br />
oft nicht, bis massiver Missbrauch<br />
damit betrieben wird.<br />
In meinem Fall hatten die Betrüger:innen<br />
nur meinen Namen und<br />
mein Geburtsdatum – das reichte<br />
schon aus, um meine Identität in<br />
Hunderten von Fällen für Warenkreditbetrug<br />
zu nutzen. Es lagen Haftbefehle<br />
gegen mich vor, ich stand im<br />
Schuldnerregister, ich wurde<br />
polizeilich und behördlich gesucht.<br />
Das habe ich erst ein Jahr später<br />
bemerkt, als die ersten Mahnschreiben<br />
kamen. Das war echt die Hölle.<br />
Wie können sich Privatpersonen vor<br />
solchen Übergriffen schützen?<br />
Groll: Das eigene Nutzungsverhalten<br />
so datensparsam wie möglich<br />
gestalten. Übertriebene Angst und<br />
Vorsicht sind im Zeitalter der Digitalisierung<br />
zwar fehl am Platz: Nutzer:innen<br />
sollten sich aber immer die<br />
Frage stellen, warum ein Unternehmen<br />
bestimmte Daten braucht.<br />
Außerdem sollte jeder eine Firewall<br />
installieren, sich mit Zwei-Faktor-Authentifizierung<br />
einloggen und im<br />
Idealfall einen Passwort-Manager<br />
nutzen. Oder zumindest sehr lange,<br />
kryptische Passwörter festlegen.<br />
Karakaya: Datensparsamkeit ist<br />
wichtig. Ansonsten immer die<br />
Software aktuell halten und daran<br />
denken: Nicht nur Computer und<br />
Smartphone müssen aktualisiert<br />
„Die Leute<br />
dürfen nicht<br />
zu der<br />
Auffassung<br />
kommen,<br />
dass sie in<br />
digitalen<br />
Welten eher<br />
straffrei<br />
wegkommen<br />
als in der Welt,<br />
in der wir<br />
uns körperlich<br />
bewegen.“<br />
CEM KARAKAYA,<br />
CYBERCRIME-EXPERTE<br />
werden, sondern auch der Smart TV,<br />
die Webcams und das Babyphone.<br />
Braucht es eine Polizei im Metaverse?<br />
Karakaya: Ja und nein. Nein, weil<br />
Straftaten wie Beleidigung, Bedrohung<br />
oder Erpressung bei der Polizei<br />
angezeigt werden können. Das gilt<br />
jetzt schon, dafür braucht es nicht<br />
unbedingt eine Polizei im Metaverse.<br />
Für die Prävention kann das aber helfen.<br />
Im Metaverse würden sich<br />
Personen zum Beispiel mit Belästigungen<br />
eher zurückhalten, wenn sie<br />
jemanden in Uniform sähen. Sie<br />
steigen auch in der Fußgängerzone<br />
nicht aufs Fahrrad, wenn Sie dort<br />
einen Polizisten oder eine Polizistin<br />
sehen. Die Leute dürfen nicht zu der<br />
Auffassung kommen, dass sie in<br />
digitalen Welten eher straffrei<br />
wegkommen als in der Welt, in der<br />
wir uns körperlich bewegen.<br />
Das muss aber gut umgesetzt<br />
werden. Dafür braucht es mehr<br />
Befugnisse für die Polizei. Heute<br />
haben wir Cybercrime-Dezernate.<br />
Dort arbeiten Beamt:innen, die IT<br />
studiert haben. Die wissen zum<br />
Beispiel, wie sie digital Spuren sichern.<br />
Sie haben auch alle technischen<br />
Mittel, um Täter:innen zu finden. Sie<br />
könnten zum Beispiel Smartphones<br />
orten – dürfen es aber nicht immer.<br />
Groll: Grundsätzlich ist das Metaverse<br />
eine faszinierende Vision. Es<br />
muss aber Regeln geben, da wird<br />
staatliche Regulierung notwendig.<br />
Und wenn eine solche Welt von<br />
Konzernen geschaffen wird und den<br />
nationalstaatlichen Raum verlässt,<br />
muss das neu verhandelt werden.<br />
Ich persönlich will nicht ständig<br />
Warnungen aussprechen, sondern<br />
bin sehr zuversichtlich, dass die<br />
Menschheit es schaffen wird,<br />
Innovationen so zu entwickeln, dass<br />
wir gut damit leben können.<br />
IMPRESSUM<br />
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-rkäse<br />
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wie z. B. bei Burda, Google,<br />
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<strong>XPLR</strong>: Media <strong>Magazin</strong>e N o 3