XPLR Magazin 03/2022
Liegt die Zukunft von Medien im Web3? Meetings, die im Metaverse stattfinden, Wallets, die eine Paywall ersetzen, und Artikel, die als NFT versteigert werden: Das Web3 hat das Potenzial, Abläufe, Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle in der Medienbranche zu revolutionieren. Während manche noch über Sinn und Unsinn des neuen Internets diskutieren, haben andere Blockchain & Co. längst als Zukunftstechnologie akzeptiert. Vordenker:innen, Startups und etablierte Medienhäuser aus Bayern erproben schon jetzt Anwendungsfälle für die Branche. Tauche ein ins Web3 und entdecke im Heft mutige Innovator:innen, Einschätzungen von Expert:innen und inspirierende Cases.
Liegt die Zukunft von Medien im Web3?
Meetings, die im Metaverse stattfinden, Wallets, die eine Paywall ersetzen, und Artikel, die als NFT versteigert werden: Das Web3 hat das Potenzial, Abläufe, Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle in der Medienbranche zu revolutionieren.
Während manche noch über Sinn und Unsinn des neuen Internets diskutieren, haben andere Blockchain & Co. längst als Zukunftstechnologie akzeptiert. Vordenker:innen, Startups und etablierte Medienhäuser aus Bayern erproben schon jetzt Anwendungsfälle für die Branche.
Tauche ein ins Web3 und entdecke im Heft mutige Innovator:innen, Einschätzungen von Expert:innen und inspirierende Cases.
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N o 3
Media Magazine
MEDIEN
IM WEB3
CHANCEN, RISIKEN, CASES:
WIE DIE MEDIENBRANCHE DAS NEUE
INTERNET FÜR SICH NUTZEN KANN
EDITORIAL
WAS IST EINE WALLET UND WOFÜR BRAUCHE ICH SIE?
Servus
wir sind:
WAS BEDEUTET DER BEGRIFF WEB3?
WAS SIND CHANCEN UND RISIKEN FÜR MEDIENUNTERNEHMEN?
Wir zeigen dir Menschen, die die Medienwelt von morgen
gestalten, informieren über relevante Trends und entdecken für
dich innovative Medienunternehmen aus Bayern.
Liegt die Zukunft von Medien im Web3?
Meetings, die im Metaverse stattfinden, Wallets, die eine
Paywall ersetzen, und Artikel, die als NFT versteigert werden:
Das Web3 hat das Potenzial, Abläufe, Arbeitsweisen und
Geschäftsmodelle in der Medienbranche zu revolutionieren.
Während manche noch über Sinn und Unsinn des neuen
Internets diskutieren, haben andere Blockchain & Co. längst als
Zukunftstechnologie akzeptiert. Vordenker:innen,
Startups und etablierte Medienhäuser aus Bayern erproben
schon jetzt Anwendungsfälle für die Branche.
Tauche ein ins Web3 und entdecke im Heft mutige
Innovator:innen, Einschätzungen von Expert:innen und
inspirierende Cases.
COVERILLUSTRATION: TOBI FRANK, FOTOS: PRIVAT; DIESE SEITE: FOTO: ADOBE STOCK
WIE GEHT MARKETING IM METAVERSE?
JOIN
THE
INNOVATORS
WELCHE PLAYER WERDEN IM WEB3 WICHTIG?
GIBT ES NEUE MEDIEN IM WEB3?
WIE KÖNNEN MEDIEN NFTS NUTZEN?
2
INHALT
„Eigentlich ist das Web3 wie ein
Medikament für die Medienbranche.
Sie ist die am wenigsten
profitable Branche im Netz und
hat jetzt die Chance, es völlig neu
zu denken – weil die Regeln
noch nicht festgeschrieben sind.“
48
WELL
PLAYED
CipSoft ruht sich nicht auf
dem Erfolg seines Online-
Rollenspiels „Tibia“ aus.
30
DIGITALES
WUNDERKIND
Noonoouri kann
als virtuelle Influencerin
Marken
auf der ganzen
Welt gleichzeitig
vertreten.
CHRISTIAN PFEIFFER,
EXPERTE AUS DER WEB3-STUDIE
02 EDITORIAL
06 Q & A
Wie gewinnen Medien den Kampf
gegen Fakes? Verändert Haltung den
Journalismus? Und was zeichnet preisgekrönte
Podcasts aus? Medienschaffende
geben Antworten.
12 HERO STORIES
12 A WHOLE NEW WORLD
Dr. Annette Doms kennt die Möglich
keiten von NFTs und zeigt auf, wie
Medienschaffende die Technologie für
sich nutzen können.
18 FRAGEN ÜBER FRAGEN
Das Reportage-Format „Die Frage“
schreibt mit 360-Grad-Ansatz und
intensivem Community-Management
Erfolgsgeschichte.
24 GANZ GROSSES KINO
Ohne die Kameras von ARRI läuft in
Hollywood nichts. Ein Blick hinter die
Kulissen des Münchner Familienunternehmens.
30 VIRTUELLE BOTSCHAFTERIN
Noonoouri ist Deutschlands erfolgreichste
virtuelle Influencerin. Ihr
Schöpfer Jörg Zuber sieht sie bald auch
im Metaverse.
36 NEW PERSPECTIVES
18
NAH AN DER ZIELGRUPPE
Frank Seibert und Lisa-Sophie Scheurell
setzen bei „Die Frage“ auf tiefgründige
Gespräche und Nahbarkeit.
36 WEB3-STUDIE
Welche Möglichkeiten eröffnet das
Web3 Medienschaffenden?
Expert:innen geben Antworten.
42 USE-CASES IM WEB3
Schon jetzt arbeiten bayerische Unternehmen
an Projekten im Web3. Sechs
Cases zeigen Perspektiven für die Medienbranche.
48 HELLO FROM REGENSBURG Die
Spieleschmiede CipSoft ist Studio des
Jahres 2022 und geht mit Innovationsgeist
und Verantwortungsbewusstsein
in der Branche voran.
52 UNTER DEM RADAR
Diese neuen Player sollten Medienschaffende
im Blick behalten: fünf
bayerische Startups mit vielversprechenden
Projekten.
54 BLAUER PANTHER
Der Bayerische Fernsehpreis will dem
Wandel der TV- und Filmbranche gerecht
werden – mit neuem Namen und
einer umfassenden Digitalstrategie.
56 POLIZEI IM METAVERSE?
Mit dem Web3 entstehen auch neue
Gefahren. Wer oder was kann für mehr
Sicherheit im digitalen Raum sorgen?
58 IMPRESSUM
FOTOS: TANJA KERNWEISS, SEBASTIAN LOCK, JÖRG ZUBER STUDIO GMBH, FRITZ BECK, ARRI;
ILLUSTRATION: 1E9 FÜR XPLR: MEDIA IN BAVARIA
12
DIE
KUNST DES WEB3
Für ihre virtuelle Ausstellung
xcircle experimentiert
Dr. Annette Doms mit der
NFT-Technologie.
24
Web3-Studie:
die Ergebnisse
ab Seite 36
DIE BLOCKBUSTER-MACHER:INNEN
Wie sich ein bayerisches Familienunternehmen
an die internationale
Spitze setzen konnte.
4 5
Q&A
Q & A
WELCHE THEMEN
TREIBEN DIE
MEDIENBRANCHE
UM? UND WO
LIEGEN DIE
POTENZIALE VON
MORGEN? HIER GIBT
ES ANTWORTEN.
WIE
GEWINNEN
WIR DEN
KAMPF
GEGEN
FAKES?
Die von Adobe ins Leben gerufene Content
Authenticity Initiative will die Entstehungsgeschichte
von Bildmaterial transparent
und fälschungssicher machen. Stefanie
Valdés-Scott, Head of Government Relations
Central Europe bei Adobe, über einen
neuen Standard gegen Fakes und Desinformation.
FOTO: XPLR: MEDIA IN BAVARIA
Adobe hat 2019 zusammen mit Twitter
und der New York Times die Content
Authenticity Initiative (CAI) gegründet.
Inzwischen gehören ihr über 750
Mitglieder an, darunter auch die dpa
oder der „Stern“. Wofür setzt sich die
Initiative ein?
Wir wollen Menschen die Möglichkeit
geben, die Herkunft und
Bearbeitung von Bildern und Videos
einfach nachprüfen zu können –
transparent und fälschungssicher.
Unser Ziel ist ein offener Standard,
mit dem Medien, Journalist:innen,
Künstler:innen und andere Kreative
ihre audiovisuellen Arbeiten
authentifizieren können. Wir wollen
die Provenienz solcher Inhalte zweifelsfrei
nachweisbar machen: Wer
hat wann und wo das Foto oder das
Video aufgenommen? Wie wurde es
verändert?
Sie setzen also auf Authentifizierung
von Inhalten statt auf die Erkennung
gefälschter Inhalte?
Wenn Nutzer:innen sich informiert
ein Bild machen können, ist das
unserer Meinung nach der effektivste
Weg, Fakes und Desinformation zu
bekämpfen. Wenn wir Transparenz
schaffen, können sie sich eine Mei-
Q & A
nung dazu bilden, was authentisch
ist und was nicht – und bemerken
auch, wenn ihnen diese Möglichkeit
nicht gegeben wird. Erkennungstools
sind wichtig, aber sie führen zu
einem Wettlauf: Wenn ein KI-System
Fakes erkennt, füttert es damit das
lernende System, das Fakes erstellt
und dann noch besser wird. Das ist
ein Kampf gegen Windmühlen, der
allein nicht die Antwort ist.
Was ist erforderlich, damit Medien und
Medienschaffende fälschungssichere
Herkunfts- und Bearbeitungsnachweise
nutzen können?
Der technische Standard muss in
ihren Systemen integriert werden.
Bei Medien etwa im Content-
Management-System. Wir wollen
erreichen, dass der Provenienz-Nachweis
an jeder Stelle der Wertschöpfungskette
möglich ist. Schon beim
Aufnehmen eines Fotos soll die
Möglichkeit gegeben sein, per Opt-in
die Metadaten anzuhängen, und das
fälschungssicher. Denn momentan
sind Metadaten an audiovisuellem
Material leicht manipulierbar.
Wie weit sind Sie bei der Umsetzung
Ihrer Pläne?
Es gibt eine erste Version des
Standards. Wir als Adobe haben
ihn mit dem Tool Content Credentials
als Beta-Version in Photoshop
integriert. Bei der Hardware – also
Kameras oder Smartphones und den
in ihnen genutzten Chips – wird es
noch dauern, das flächendeckend
umzusetzen. Aber wir haben bereits
Prototypen und Case-Studies – und
führende Chiphersteller wie Qualcomm
gehören der CAI ebenfalls an.
6
Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A
7
MARKETTE
Q & A
WIE GEWINNT MAN ALS
SPORTJOURNALIST DEN
DEUTSCHEN PODCAST PREIS?
Q & A
Für Max-Jacob Ost dauert ein Fußballspiel immer länger als 90 Minuten: Mit dem
Sender Rasenfunk produziert er drei Fußball-Podcasts. Für die Biografie
„11 Leben – die Welt von Uli Hoeneß“ erhielt er zweimal den Deutschen Podcast Preis.
WARUM MACHT
P7S1 SEINE NEWS
WIEDER SELBST?
Die Story von „11 Leben“ könnten Sie
genauso gut in einem Buch erzählen.
Warum haben Sie sich für das Format
Podcast entschieden?
Ein guter Freund produziert Podcasts
und wollte mit mir arbeiten. Das
Thema stand für mich fest: die Welt
von Uli Hoeneß verstehen. Damit begann
„11 Leben“. Podcasts eignen sich
perfekt für Biografien. Man erreicht
Hörer:innen anders als Leser:innen,
man kann experimentieren. So konnte
ich die chronologische Erzählweise
mit aktuellen Geschichten aufbrechen
und meine eigene Reise einflechten.
Was ist das Besondere am Format
von „11 Leben“?
Wir haben viele Dinge neu arrangiert
und auf keine Regeln Rücksicht
genommen: sei es der Veröffentlichungsrhythmus,
die Länge der
Folgen oder die Anzahl der Gesprächspartner:innen.
Im Lauf der
Produktion haben wir gegen immer
mehr Konventionen verstoßen. Das
ist das Besondere an „11 Leben“: Wir
haben gezeigt, dass sogar dreistündige
Folgen von den Hörer:innen
angenommen werden.
Warum passen Sportjournalismus und
Podcasts so gut zusammen?
Ich weiß nicht, ob beides von Natur
aus zusammenpasst. Der Rasenfunk
ist zum Beispiel durch seine Länge
von teils fünf Stunden eher sperrig,
geht aber dafür in die Tiefe. Diesen
detaillierten Blick kann die klassische
Fußballberichterstattung nicht
bieten. Bei Podcasts gibt es keine
Grenzen. Wir entscheiden, wie wir
eine Sendung gestalten.
Corona, Krieg und Klimakrise – in Krisenzeiten ist für die ProSiebenSat.1 Media SE eine unabhängige Berichterstattung
besonders wichtig. Deshalb übernehmen die Unterföhringer ab 2023 die Produktion aller Nachrichten wieder selbst. Sven
Pietsch, Chefredakteur der Seven.One Entertainment Group, spricht über gesellschaftspolitische Verantwortung, crossmediale
Ausspielung und das neue Mega-Studio: Dort sitzen bald TV-, Social-Media- und Online-Redaktion an einem Tisch.
Warum holt ProSiebenSat.1 die komplette
Nachrichtenproduktion wieder
nach Unterföhring?
Wir sind davon überzeugt, dass es eine
journalistische und strategische Notwendigkeit
ist, mehr Präsenz im Nachrichtlichen
zu zeigen und mehr aus
eigener Hand zu produzieren. Wir bündeln
unsere Informationskompetenz
und unser journalistisches Know-how
noch stärker unter einem Dach. Das
bietet uns völlig neue Möglichkeiten in
der Berichterstattung: Wir können bei
Bedarf schneller und flexibler agieren,
zum Beispiel bei kurzfristigen Sondersendungen.
Ein weiterer Vorteil ist die
schnelle, crossmediale Ausspielung der
Nachrichten über alle Plattformen.
Was heißt das für die Arbeit der
Redaktion?
Eine Unterscheidung in TV und
Digital wird es nicht mehr geben. Alle
Kolleg:innen arbeiten Hand in Hand
– egal, ob für die TV-Formate oder die
digitale Ausspielung. In intensiven Vorbereitungen
wurden Konzepte entwickelt
und unterschiedlichste Szenarien
und Optionen durchgespielt.
Profitieren auch Nutzer:innen von
News made in Unterföhring?
Ja, denn damit setzen wir unsere
Strategie konsequent fort, eigenen
relevanten und lokalen Content
auszubauen. Es ist eine gesellschaftspolitische
Verantwortung, die wir in
Zukunft noch stärker wahrnehmen
wollen. Eine unabhängige aktuelle
Berichterstattung ist in Zeiten von
Fake News und algorithmischen Informationsflüssen
wichtiger denn je.
Im Herbst 2023 geht das neue Studio
in Betrieb. Was erwartet die Zuschauer:innen?
Die Nachrichtenformate von SAT.1,
ProSieben und Kabel Eins werden
dann in einem komplett neuen Setting
on air gehen. Selbstverständlich
wird das Studio auf dem neuesten
Stand der Technik sein, voll automatisiert
und mit modernstem Kameraund
Studio-Equipment ausgestattet.
Sie haben kein internationales Korrespondent:innen-Netz.
Wie bekommen
Sie Informationen und Bewegtbildmaterial
aus erster Hand?
Wir sind dabei, ein weltweites Netzwerk
mit erfahrenen und etablierten
Journalist:innen aufzubauen. Mit diesem
freien Korrespondent:innen-Netz
werden wir die wichtigsten Länder
und Orte auf der Welt journalistisch
abdecken können. Bei entsprechender
Nachrichtenlage werden außerdem
unsere eigenen Reporter:innen
vor Ort berichten. Bewegtbildmaterial
werden wir – wie generell in der
Nachrichtenbranche üblich – auch
von den großen Agenturen beziehen.
FOTOS: SEVEN.ONE ENTERTAINMENT GROUP, HEIDI MAYER, PRIVAT
WIE
FUNKTIONIERT
OPER AUF
SOCIAL MEDIA?
Die Bayerische Staatsoper will jüngere
Menschen für Kultur begeistern – auch
über soziale Netzwerke. Seit einem Jahr
gibt es sie nun auch auf TikTok. Magdalena
König, Managerin Online-Kommunikation,
erklärt, wie Oper Social-Mediatauglich
wird.
Opern dauern meist lange, Social-Media-Inhalte
sollten kurz und aktivierend
sein. Wie geht das zusammen?
Das ist tatsächlich eine Herausforderung,
denn wir haben kein Produkt
im herkömmlichen Sinne, sondern
arbeiten mit Emotionen und
einem Live-Erlebnis. Da braucht es
einen Mittelweg: Inhalte vermitteln,
aber kurz, gebündelt, hochwertig
und spannend. Zum Beispiel mit
Geschichten rund ums Haus oder
einem Blick hinter die Kulissen.
Mit welchem Kanal erreichen Sie junge
Menschen am besten?
Das funktioniert sehr gut mit unserem
„U30 – Oper für 10 Euro“-Account
auf Facebook und Instagram. Hier
machen wir einer breiten jungen Zielgruppe
das Thema Oper zugänglich.
Jeden Monat gibt es auch 10-Euro-Tickets
für den Folgemonat. Die Community
ist sehr aktiv und wächst stetig.
Kommen Ihre Follower:innen
tatsächlich in die Oper?
Ja, und das freut uns sehr! Mit Veranstaltungen
wie dem „After Glow“,
einem kostenlosen Umtrunk für die
User:innen unter 30, die uns auf Facebook
und Instagram folgen, verlängern
wir die Online-Kommunikation
in die Offline-Welt. So kommen wir
mit den jungen Besucher:innen nach
einer Vorstellung vor Ort ins Gespräch.
Welche Aktion hat bisher die größte
Aufmerksamkeit gebracht?
Das Videoformat „Lift the Pitch“, das
erklärt, wie Oper funktioniert, war
sehr erfolgreich. Das haben wir im
Juli parallel zu „Oper für alle“ realisiert.
Sehr viel Aufmerksamkeit gebracht
hat auch unser Video zum CSD München
mit Dragqueens und -kings. Das
wurde auf unseren Kanälen und auf
der CSD-Parade gespielt.
8
Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A
9
Q & A
MARKETTE Q & A
LIEGT DIE ZUKUNFT
DES FILMS IN PENZING?
Mit den Penzing Studios entsteht in Bayern ein Filmstudio, das als Pionier im Bereich
Virtual Production vorangehen und dabei über 1.000 neue Arbeitsplätze schaffen will. Filmproduzent und
Managing Partner Joe Neurauter verrät, wie das gelingen soll.
war für mich klar, dass das eine Zäsur
ist in der Art und Weise, wie Film und
Fernsehen in Zukunft hergestellt
Immer häufiger beziehen Medien Position und machen ihre Haltung zu bestimmten Themen deutlich.
Woran liegt das? Und was passiert mit der journalistischen Neutralität? Medienethikerin Claudia Paganini und Markus Knall,
Chefredakteur von Ippen Digital, im Gespräch.
Ändert sich die Bedeutung von
Objektivität im Journalismus durch
die Digitalisierung?
WIE WANDELT
SICH HALTUNG
IM JOURNALISMUS?
Knall: Meiner Meinung nach wird
Transparenz die neue Objektivität
im Journalismus. Den Leser:innen
ist bewusster, dass hinter jedem Text
ein Individuum mit seiner persönlichen
Wahrnehmung steht. Und
Journalist:innen präsentieren sich
und ihre Meinung immer offensiver
in sozialen Netzwerken. In der Gesellschaft
wird zunehmend Haltung
eingefordert und die Leser:innen
erleben, wie Influencer:innen die
Vermarktung ihrer Subjektivität
zum erfolgreichen Modell machen.
Das färbt ab, und daher werden wir
die Autor:innen in Zukunft noch viel
deutlicher in ihren Texten spüren.
Dann gilt aber auch: Sei transparent
und mache klar, aus welcher Perspektive
du berichtest.
Wie ist es zu bewerten, wenn Journalist:innen
ihre Haltung zeigen, indem
sie an Demonstrationen teilnehmen
oder sich an Kampagnen beteiligen?
Knall: Trotz aller Transparenz: Journalist:innen
sollten nie Aktivist:innen
sein. Wenn sie sich öffentlich
überengagieren, glauben ihnen die
Leser:innen irgendwann den Versuch
objektiver Berichterstattung nicht
mehr. In Deutschland erwarten die
Leser:innen von Journalist:innen
immer noch ein hohes Maß an Neutralität.
In totalitären Regimen kann
die eindeutige Positionierung für
Journalist:innen gefährlich werden.
Kann man von Journalist:innen erwarten,
dass sie ihre Freiheit riskieren, um
Haltung zu zeigen?
Paganini: Nein. Wir haben da
immer noch diese starke Tradition
einer Individualethik: Jede:r muss
selbst wissen, was richtig ist.
Aber eine Ethik, die nur den Einzelnen
verantwortlich macht, greift
zu kurz. Die Frage ist: Wie können
Systeme geschaffen oder erhalten
werden, in denen der einzelne
Journalist, die einzelne Journalistin
unabhängig und frei berichten
kann? Guter Journalismus muss
uns etwas wert sein.
Knall: Mir macht Sorge, wenn
Kolleg:innen sich nicht mehr trauen,
ihre Meinung zu publizieren.
Wir brauchen nicht Zurückhaltung,
sondern müssen Kolleg:innen
besser schützen. Das Problem
in der digitalen Welt ist, dass wir
Aggressor:innen oft nicht früh
genug entgegentreten. Sie bekommen
zu lange Raum, sodass sich
Radikalität aufbauen kann.
FOTOS: SEBASTIAN ARLT, JOE NEURAUTER, HYPERBOWL
Warum braucht die Filmbranche ein
neues Großprojekt wie die Penzing
Studios?
Größere Produktionen stellen in
Bayern Anfragen, aber die Kapazitäten
reichen nicht immer aus. Dem
steht ein Content-Boom gegenüber,
Stichwort Streaming-Wars: Es wird
mehr audiovisueller Content als je
zuvor produziert, Tendenz steigend.
Die Streamer investieren dabei immer
mehr in lokalen Content. Netflix
hat im Dezember angekündigt, dass
es in den nächsten drei Jahren 500
Millionen Euro für deutsche Contentproduktionen
ausgeben wird.
Die Penzing Studios legen einen
Schwerpunkt auf die digitale und virtuelle
Produktion. Sieht so die Zukunft
der Filmproduktion aus?
Als ich gesehen habe, was Disney mit
der neuen Virtual-Production-Technik
bei „The Mandalorian“ gemacht hat,
werden. Ich glaube fest daran, dass
sich der Produktionsprozess in den
nächsten drei bis fünf Jahren rasch in
diese Richtung bewegen wird.
Wie wird diese Technologie die Branche
verändern?
Es gibt kostenmäßig keinen Grund
mehr, an Dutzenden verschiedenen
Schauplätzen zu drehen. Nicht nur die
LED-Technologie ist revolutionär. Auch
die Tatsache, dass die digitalen Assets
und Environments, die im Computer
entstehen, nachnutzbar sind.
Außerdem wird sich das Anforderungsprofil
im Film verändern. Es
wird weniger klassische Crew-Positionen
geben. Die Nachfrage nach
3-D-/2-D-Artists, die die Environments
herstellen, wird dagegen steigen.
Auch nach Software-Entwicklern, die
Game-Engines wie „Unreal“ bedienen
können. Wir wollen hier die führende
Position in Deutschland einnehmen.
Mit welchen modernen Technologien
dürfen wir in Penzing noch rechnen?
Es wird zu der Verschmelzung von
audiovisuellen und Game-Techniken
kommen. Weil die Basis der digitalen
Environments, die bei Virtual Productions
auf die LED-Panels gestreamt
werden, Gaming-Assets sind. Die Gaming-Firmen
beschäftigen genau das
Personal, das für die neuen Prozesse
in Film und Fernsehen benötigt wird.
Wie wird die Innovation im Bereich
Virtual Productions in der Branche aufgenommen?
Wenn es Veränderungen und Disruptionen
gibt, ist das bei vielen mit
Angst verbunden, das wird vor der
Filmbranche nicht haltmachen. Die
Art der Arbeitsplätze wird sich verändern,
aber die Arbeitsplätze werden
nicht verschwinden. In unserer
Branche sind technologische Entwicklungen
zentral. Als der Tonfilm
mal da war, ist man auch nicht mehr
weitergekommen, wenn man weiterhin
Stummfilm gemacht hat.
Das erste Virtual-Production-Studio
Europas,
die Hyperbowl,
ist 2022 in die Penzing
Studios umgezogen.
10
Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A
11
HERO STORY
Dr. Annette Doms,
in einer Projektion
des NFT-Kunstwerks
„10sec2flw“ von
Holger Lippmann
(oben und unten);
rechts die Installation
der „Vortex“-Reihe
von Betty Mü.
WHOLE
NEW
FOTO RECHTS: XCIRCLE ® /BETTY MUE
WORLD
WEB3 UND METAVERSE ERÖFFNEN
MEDIEN VIELFÄLTIGE MÖGLICHKEITEN.
AUCH DIE KUNST ERFINDET
SICH NEU UND EROBERT MIT DIGITALEN
WERKEN DIE NFT-SZENE.
DR. ANNETTE DOMS SIEHT DARIN EINE
REVOLUTION, DIE DIE ART UND
WEISE, WIE WIR DAS INTERNET NUTZEN,
AUF DEN KOPF STELLEN WIRD.
TEXT
MARTIN
HAASE
FOTOS
FRITZ BECK
12 13
HERO STORY
HERO STORY
Annette Doms ist Kunsthistorikerin
und Expertin
für technologiebasierte
Kunst. Sie ist Mitgründerin
von xcircle, einer virtuellen
Kunstausstellung. Doms kennt die Vorteile
der Blockchain und klärt als Beraterin
über den Einsatz von NFTs sowie die
damit verbundenen Risiken auf.
Frau Doms, die Medienbranche zerbricht
sich gerade den Kopf über
Sinn und Unsinn von NFTs. Wie stehen
wir als Gesellschaft der neuen
Technologie aktuell gegenüber?
Ich schätze, 80 Prozent wissen nicht, was
ein NFT ist. Einige Unternehmen überlegen
allerdings schon, wie sie NFTs anwenden
können. Ich bin mir sicher, dass
das Web3 schnell kommt und das Web2
auf lange Sicht ablöst. Früher oder später
werden wir uns alle mit einer Wallet verbinden.
Was braucht es, damit wir an diesen
Punkt kommen?
Im Moment ist noch sehr viel Bildungsarbeit
notwendig, um die breite Masse zu
erreichen. Es gibt auch viele Skeptiker, für
die ist es Hype und Spekulation. Aber ich
bin überzeugt, wenn man die Mechanismen
versteht, erkennt man ein Riesenpotenzial.
Wir haben es mit einer Revolution
zu tun, dem nächsten technologischen
Zyklus: Das Web3 bringt neue Möglichkeiten
und verändert die Art und Weise,
wie wir das Internet nutzen werden.
NFTs sind noch jung, trotzdem
werden sie heiß debattiert.
Gab es in den letzten Jahren einen
vergleichbaren Trend?
Digitale Kunst gibt es bereits seit den
1960er-Jahren. Mit den ersten Computern
haben sich Künstler:innen für Algorithmen
interessiert. Sie sind an die Universitäten
gewandert und haben dort
die ersten computergenerierten Zeichnungen
ausgedruckt. Die Entwicklung
der digitalen Kunst ging kontinuierlich
weiter. Denn Künstler:innen beschäftigen
sich mit dem Zeitgeist und nutzen die
Werkzeuge ihrer Zeit. Und heute sind das
die Blockchain beziehungsweise NFTs.
Die damit verbundenen, teilweise hohen
Verkaufserlöse haben für viel Medienrummel
gesorgt.
Sie haben einen Doktortitel in Kunstgeschichte,
jetzt gestalten Sie mit Ihrem
Projekt xcircle das Zeitgeschehen aktiv
mit. Was hat es mit xcircle auf sich?
xcircle macht digitale Kunst räumlich
erfahrbar. Das setzen wir einerseits
physisch um, mittels einer klassischen
Ausstellung in einer Galerie, bei der wir
die Kunst unter anderem auf Monitoren
darstellen. Da wir uns jetzt in Richtung
Metaverse bewegen, spielen aber auch
virtuelle Welten eine immer größere Rolle.
Deshalb haben wir mit xcircle das Ziel,
die traditionelle Kunstwelt an das Thema
NFT heranzuführen. Das machen wir mit
einer virtuellen Architektur. Interessierte
können die Ausstellung online erkunden
und NFTs kaufen.
Mit xcircle wollen wir außerdem eine
Community aufbauen, einen Kreis von
Gleichgesinnten. Unser Projekt gibt es
erst seit Mai 2022, aber wir haben damit
eine Nische entdeckt. Das Interesse ist
groß, die Resonanz positiv.
„Hier in München
gibt es
viele Kräfte,
die Ideen auch
in die Tat umsetzen.“
DR. ANNETTE DOMS
Wer gehört zu Ihrer Community?
Erst einmal die Künstler:innen, die wir
ausstellen und mit denen wir sehr eng
zusammenarbeiten. Dann sind es klassische
NFT-Sammler:innen, die uns über
Social Media entdeckt haben. Aber auch
traditionelle Kunstsammler:innen, denen
wir Hilfestellung anbieten: Wofür ist eine
Wallet da, wie richte ich sie ein? Wie
sicher ist das, wie laufen die Transfers ab?
Die technischen Voraussetzungen sind
aktuell die größte Hemmschwelle. Da
leisten wir viel Bildungsarbeit.
Auch Medien erproben gerade
die Technologie. Wie können Medienhäuser
NFTs für sich nutzen?
Im Medienbereich lässt sich im Grunde
alles als NFT verkaufen. Zum Beispiel die
Cover eines Magazins. Das spricht eine
neue, technologieaffine Zielgruppe an,
gleichzeitig gibt es Objekte zum Sammeln.
Zudem bekommen die Medienhäuser bei
jedem Weiterverkauf eines Collectibles
zum Beispiel zehn Prozent des Verkaufserlöses.
Das lässt sich im Smart Contract
festlegen. Durch die Blockchain lassen sich
auch Quellennachweise, besonders für
Pressebilder, sehr gut darstellen.
Wohin entwickelt sich die Medienbranche
durch Blockchain oder Web3?
Die Medienbranche wird sich dank der
neuen Möglichkeiten des Wissenstransfers
ein größeres Netzwerk aufbauen.
Auch Leser:innen können aktiv daran
teilnehmen. Es lassen sich zum Beispiel
Viele digitale Kunstwerke, die es bei xcircle zu
sehen und zu erstehen gibt, sind animiert. Hier
steht Annette Doms vor einer Projektion animierter
Tetraeder, das Werk heißt „QbitGarden“,
geschaffen von Martin Rosenthal.
xcircle
In der virtuellen Ausstellung
xcircle können Interessierte digitale
Kunstwerke online betrachten und
als NFTs erstehen. Gründer:innen sind
neben Annette Doms die Kunstsammlerin
Christina Brugger sowie Designer Arndt
Johannes. Zum Münchner NFT-Mai 2022
wurden die NFTs als Projektionen
in einer klassischen Ausstellung
präsentiert.
Archive erstellen, an denen eine Community
mitschreiben kann. Das Wissen ist
dann sehr transparent. Durch die Blockchain
lässt sich das viel effizienter gestalten
als beispielsweise bei Wikipedia. Es
entstehen neue Bezahlmodelle: Medien
können ihren Content durch eine Wallet
zur Verfügung stellen, also bestimmte
Artikel erst durch eine Wallet-Verbindung
freigeben. Das kann eine sichere Alternative
zur aktuellen Paywall sein.
Sie kommentierten zum Münchner
NFT-Mai 2022: „München kann
federführend im NFT-Bereich wirken.“
Warum glauben Sie das?
Grundsätzlich existiert in ganz Deutschland
eine unglaublich große Community,
man kennt und trifft sich auf Events wie
dem NFT-Mai. Hier in München gibt es
viele Kräfte, die Ideen auch in die Tat umsetzen.
Das Künstlerkollektiv Pepe Arts hat
für seine Shows Eintrittskarten als NFTs
verkauft. Es gibt Digital-Fashion-Projekte
für Mode im Metaverse. Oder die MetaBrew-
Society, die Bier als NFTs verkauft und eine
Brauerei in Bayreuth hat. Das Bier verschifft
sie bis nach Südkorea und Dubai.
Im Anschluss an den NFT-Mai in München
waren Sie auf der NFT-Konferenz
in New York. Welche Eindrücke haben
Sie von dort mitgenommen?
Auch in New York gibt es einen unglaublichen
Enthusiasmus. Und das trotz der
großen Crashs zuletzt. Der Technologieund
Kryptomarkt beziehungsweise alle
14 15
HERO STORY
HERO STORY
„Das
Metaverse
wird das
sein, was wir
daraus
machen.“
DR. ANNETTE DOMS
Besitzer:innen zum Beispiel einbinden,
wenn man bestimmte Designs auf der
Homepage überarbeitet.
Gibt es im Metaverse auch Risiken für
Medienschaffende und Künstler:innen?
Da gibt es viele Risiken und auch unge-
volatilen Märkte sind gecrasht. Trotzdem
bleibt die Stimmung positiv. Die Insider
sind entspannt, wissen, dass es auch
wieder aufwärtsgeht, und schmieden
neue Projekte. Die Community trifft sich,
arbeitet zusammen. Es gibt einen starken
Glauben an die Blockchain, aber auch an
die Zukunft des Web3 und des Metaverse.
Immer mehr Brands steigen ins Metaverse
ein und wollen Produkte platzieren.
Skeptiker kritisieren den hohen Stromverbrauch
und meinen, die Blockchain
sei überflüssig. Was ist der entscheidende
Vorteil der Technologie?
Es ist die Blockchain selbst. Sie ist ein
dezentrales Datensystem. Handeln ist
via Blockchain effektiver möglich. Jeder
Transfer wird dokumentiert. Das ist
interessant für Lieferketten, die Dokumentation
oder auch die Beurkundung
von physischen Objekten und von
Identitäten. Blockchain-basierte Projekte
lassen sich mit weiteren Anwendungen
verknüpfen.
Man kann die Blockchain fürs Ticketing
verwenden oder ein Belohnungssystem
entwickeln. Mit einem NFT der vorhin genannten
Münchner MetaBrew bekommt
man zum Beispiel nicht nur Bier, sondern
xcircle gibt es nicht
nur virtuell (links),
digitale Kunst lässt
sich auch im physischen
Raum zeigen.
Oben Eindrücke der
Installation im Pacha
Nachtclub zum NFT-
Mai 2022 in München.
FOTOS: XCIRCLE ® /BETTY MUE (2), XCIRCLE ®
auch das Recht, bei neuen Produkten
mitzuentscheiden und an Events teilzunehmen.
Die Brauerei auf der anderen
Seite baut sich damit eine markentreue
Kundschaft auf.
Im Netz müssen wir durch Werbefinanzierung
vieles nicht extra bezahlen.
Kunst- und Medienschaffende verdienen
kaum daran. Können Web3 und
Blockchain hier etwas ändern?
Die sogenannten Royalties beispielsweise
sind ein Game-Changer für die ganze
Industrie. Der große Vorteil der Blockchain
ist der Smart Contract bei der Monetarisierung.
Darin lässt sich alles Mögliche festschreiben,
zum Beispiel Lizenzen, Patente
oder die Royalties: also eine Tantieme von
zehn Prozent oder mehr, die bei jedem
weiteren Verkauf im Zweitmarkt direkt in
die Wallet der Künstler:innen fließt. Noch
mehr profitieren Kunstschaffende vom
dezentralen Charakter: Durch das Peer-to-
Peer-Netzwerk neuer Distributionskanäle
wie artblocks, SuperRare oder NiftyGateway
haben sie die Möglichkeit, direkt mit
Käufer:innen in Kontakt zu treten und sich
selbst zu vermarkten. Damit sind sie weniger
angewiesen auf Kanäle wie Spotify
und andere große Plattformen.
Braucht es für Online-Artikel eine
Auflage wie für Printmagazine?
Da geht es nicht um die Auflage der
Artikel. Ich würde mir als Medienhaus eher
einen coolen NFT-Drop einfallen lassen.
Dann verkauft man zum Beispiel unveröffentlichte
Layouts der letzten Jahre und
verbindet sie mit einem Nutzen, der die
Community anspricht. Man kann die NFT-
klärte Fragen. Was passiert zum Beispiel,
wenn ein Avatar gekidnappt und Lösegeld
verlangt wird? Braucht es eine Meta-Polizei
oder einen Meta-Friedhof, wenn die Eigentümer
von Avataren sterben? Sicherheitsrisiko
Nummer eins ist aber eine Phishing-
E-Mail, mit der eine Wallet beraubt werden
kann. Ein falscher Link kann zum Hacking
und zum Verlust aller digitalen Assets
führen. Auch das Thema Copyright wird
aktuell neu gedacht.
Geraten wir nicht in Gefahr, uns in der
virtuellen Realität zu verlieren?
Trotz der virtuellen Realität wird immer
die Verknüpfung zur analogen Welt bleiben.
Unser Leben wird phygital. Dass man
sich aber tatsächlich auch darin verlieren
kann, zeigt sich beispielsweise, wenn man
länger VR-Tischtennis spielt. Dann versucht
man nach einer Weile, sich auf der
Tischplatte abzustützen, und fällt hin. Das
Erlebnis kann auch abhängig machen.
Fear Of Missing Out ist ebenfalls ein Thema:
Dann kaufen Leute Produkte, die sie
gar nicht brauchen. Aber wer nach einem
langen Arbeitstag die VR-Brille aufsetzt
und am Strand von Hawaii chillt, kann das
auch genießen. Das Metaverse wird das
sein, was wir daraus machen.
16 17
HERO STORY
MARKETTE
FRAGEN
ÜBER FRAGEN
TEXT
NINA BRANDTNER
FOTOS
TANJA KERNWEISS
EINFÜHLSAME MODERATION UND INTENSIVE
GESPRÄCHE SIND DAS ERFOLGSREZEPT DES
REPORTAGE-FORMATS „DIE FRAGE“, DAS DER BAYERISCHE
RUNDFUNK FÜR FUNK PRODUZIERT. PRODUKTLEITERIN
TERESA FRIES UND DIE HOSTS FRANK SEIBERT
UND LISA-SOPHIE SCHEURELL ÜBER DIE POTENZIALE
EINER GUT GEPFLEGTEN COMMUNITY UND DIE KUNST
DES 360-GRAD-ANSATZES.
Lisa-Sophie, Teresa und Frank, das
Kernteam von „Die Frage“ hat sich in
den letzten beiden Jahren mehr als
verdoppelt und besteht mittlerweile
aus 15 Kolleg:innen. Warum habt ihr
euch derart vergrößert?
Frank: Es sind immer mehr Aufgaben dazugekommen,
die wir irgendwann nicht
mehr gepackt haben. Mehr Social-Media-Aufwand
und mehr Plattformen, die
wir bedienen wollten. Gerade mit TikTok
brauchten wir Leute, die sich in die Logik
der Plattform reinfuchsen. Irgendwann
kann eine Person alleine auch den ganzen
Kommentaraufwand nicht mehr regeln.
Teresa: Da war auch noch so viel Potenzial, das wir ausschöpfen
wollten. Unsere Filme sind immer länger geworden, weil wir die
Geschichten ausführlich erzählen wollten und weil wir so dafür
brennen.
Ist das Teil von dem, was euch als Format so
erfolgreich macht? Dass ihr euch weiterentwickelt und
für eure Geschichten brennt?
Frank: Es ist wichtig, dass sich die Leute, die bei uns arbeiten,
extrem mit dem Inhalt identifizieren. Ich kenne wenige
Redaktionen, in denen die Leute so engagiert mitarbeiten, weil
sie es am Ende so cool finden, was sie machen.
Teresa: Wir tendieren außerdem dazu, eher mal etwas zu machen,
wenn wir eine Idee gut finden, als zu sagen: „Nein, wir machen
jetzt Standard weiter.“ So kommen neue Sachen zustande.
ILLUSTRATION: ISTOCK
„Die Frage“-Hosts Frank Seibert
und Lisa-Sophie Scheurell sowie
Produktleiterin Teresa Fries
(v. l. n. r.).
18
HERO STORY
HERO STORY
Wie bleibt ihr euch dabei treu?
Lisa-Sophie: Wir versuchen, im Kern die
„Die Frage“-DNA beizubehalten, aber wir
probieren unterschiedliche Herangehensweisen.
Auch, damit wir nicht die Motivation
verlieren.
Teresa: Uns hilft total, dass wir Trendthemen
nicht hinterherlaufen. Unsere Themen
sind universal und für sehr lange Zeit
relevant, sie begleiten junge Leute über
ihre Jugend hinweg. Es geht um Liebe
und Beziehung, Tod, Schuld, Körpergefühl
oder psychische Gesundheit.
Wie entstehen die Themenideen
bei „Die Frage“?
Lisa-Sophie: Das ist sehr unterschiedlich.
Wir haben immer eine lange Liste
an Ideen. Dann ist es ein Team-Effort: Vor
allem die Autor:innen, aber auch alle Community-Manager:innen
und die Videoproducer
arbeiten mit. Bei Brainstorming-Sessions
nehmen wir uns eine Frage vor und
überlegen: Was sind die unterschiedlichen
Aspekte des Themas? Wir bekommen
auch super viel Input aus der Community.
Frank: Das Wichtigste ist, dass wir ein
Gefühl für das Thema haben und dass es
uns sofort packt. Oder jemand sagt: „Ich
kapiere das gar nicht, das Phänomen.
Aber ich finde es wichtig oder schön, mich
damit zu beschäftigen.“
Ist diese Verbundenheit mit Themen
etwas, das zu eurem Erfolg beiträgt und
das für Medien immer wichtiger wird?
Teresa: Ich weiß nicht, ob es für alle
Medien wichtig ist, dass Reporter:innen
und Hosts so involviert sind. Für uns ist es
essenziell. Es würde niemals funktionieren,
dass Frank und Lisa-Sophie erst beim Dreh
erfahren, mit wem sie sprechen. Das merken
die Protagonist:innen und die Community.
Für uns ist es ein Erfolgskonzept,
weil wir viele Inhalte aus der Community
generieren. Ganz viele Protagonist:innen
könnten wir niemals recherchieren, weil sie
noch nie irgendwo aufgetaucht sind. Sie
kommen zu uns und sagen: „Ich möchte
Lisa-Sophie und Frank meine Geschichte
HINTER DEN KULISSEN VON „DIE FRAGE“
„Die Frage“ gibt es seit über zehn Jahren. Zuerst im Radio beim PULS-Vorgänger on3, wurde
das Format später als Podcast aufgezeichnet und online gestellt. Daraus entstand ein Fernsehformat
für den Bayerischen Rundfunk (BR). Seit 2016 ist „Die Frage“ Teil von funk, wird weiterhin
vom BR produziert und erscheint einmal wöchentlich als circa 20-minütiges Reportageformat
auf YouTube. „Die Frage“ ist auf TikTok, Instagram und Facebook zu finden, seit 2021 gibt es
sie außerdem wieder als Podcast. Das Team besteht aus zwei Hosts, einer Produktleitung, zwei
Autorinnen für die YouTube-Ausspielungen, drei Videoproducern, einer Autorin für den
Podcast, zwei Autor:innen für TikTok und drei Community-Manager:innen, viele davon in unterschiedlichen
Teilzeitmodellen. Auf funk-Seite unterstützt ein Partnermanager und auf PULS-
Seite ein Stratege, im Wechsel sind freie Autor:innen und Volontär:innen mit dabei.
ILLUSTRATION: ISTOCK
erzählen.“ Es passiert oft, dass danach andere Redaktionen anrufen
und nach Kontakten fragen. Aber meistens ist die Antwort der
Protagonist:innen: „Nein, ich wollte das hier erzählen.“
Frank: Das ist ein Potenzial, das viele Redaktionen nicht so nutzen,
wie sie könnten – mit Leuten zusammenzuarbeiten, die regelmäßig
zuschauen. Ich merke das immer in Redaktionen, die sich überlegen,
wie sie an die Protagonist:innen kommen, und dann klassische
Recherche in Foren machen. Wir machen einen Aufruf und sprechen
die Leute an, die uns verbunden sind, und es kommen sofort
Rückmeldungen. Dieser Vertrauensbeweis ist ein großes Gut.
Lisa-Sophie: Unsere Protagonist:innen haben weniger Probleme,
sich zu öffnen, weil sie uns und unsere Videos kennen. Wir müssen
am Anfang nicht erzählen: „Wir wollen respektvoll mit euren
Geschichten umgehen.“ Das ist gegeben. Das macht die Arbeit
mit den Leuten sehr viel einfacher.
Habt ihr Tipps für andere Redaktionen, wie man seine
Community richtig pflegt?
Frank: Viel antworten und sich Zeit nehmen.
Lisa-Sophie: Wir haben extra Themensitzungen, in denen wir nur
E-Mails und Nachrichten besprechen, die reingekommen sind.
Der Community mit Respekt zu begegnen und sie als sehr wertvolle
Quelle anzusehen, das machen nicht alle Redaktionen.
Teresa: Man sollte Community-Manager:innen als wertvolle Mitarbeiter:innen
ansehen. Als wir im Journalismus angefangen haben,
war das ein Job, der eher lieblos behandelt wurde. Das funktioniert
auf keinen Fall. Man muss Ressourcen reinstecken. Ich finde es
sehr seltsam, wenn Redaktionen das Community-Management
auslagern. Community-Manager:innen sind unser Ohr in die
Zielgruppe. Sie wissen im Zweifel schon vorher, wie ein Film ankommen
wird und welche Themen gut laufen könnten. Es ist sehr
wichtig, dass sie Teil der Themensitzungen und des Teams sind
und nicht nur diese Abteilung, die Kommentare abarbeitet.
Wer ist denn eure Community?
Lisa-Sophie: Die „Die Frage“-Zielgruppe ist neugierig, sie hat
Interesse an unterschiedlichen Themen. Die Leute kommen
wegen eines Themas, das ihnen naheliegt, das in ihrer Lebenswelt
eine große Rolle spielt, aber sie bleiben für Themen
außerhalb ihrer Bubble.
Teresa: Viele Leute kommen bei uns zum ersten Mal mit bestimmten
Themen in Berührung. Sie mögen es, von Menschen
und ihren Geschichten überrascht zu werden. Das macht „Die
Frage“ so besonders.
Fällt es euch in Zeiten, in denen via Social Media jede:r zum
Storyteller werden kann, schwerer, euch bei der Zielgruppe
Gehör zu verschaffen?
Frank: Gar nicht. Diese Entwicklung finden wir total gut! Uns
schreiben oft Menschen, die ihre Geschichte selbst öffentlich
erzählt haben, aber nicht mit der Reichweite. Sie haben das Be-
„Es ist ein
Potenzial, das viele
Redaktionen
nicht so nutzen, wie
sie könnten –
mit Leuten zusammenzuarbeiten,
die regelmäßig
zuschauen.“
FRANK SEIBERT, HOST
dürfnis, sie auch anderen Zielgruppen
zu erzählen, die zum Beispiel bisher nicht
sensibel waren für ein Thema. Auf
Social Media ergänzt man sich vielmehr
in den verschiedenen Bubbles, in denen
man sich bewegt, anstatt sich etwas
wegzunehmen.
Teresa: Die Leute sehen den Unterschied,
ob eine Redaktion und ein journalistisches
Format dahinterstehen oder ein privater
YouTube- oder TikTok-Kanal. Wir sind
entspannt, weil wir wissen, dass wir etwas
hinzuzufügen haben. Wir müssen nicht
eins zu eins konkurrieren, wir haben unsere
Recherchen, die Hosts, eine Metaebene
in den Filmen.
Spätestens seit TikTok gilt: je knapper,
desto besser. Der jungen Zielgruppe
wird gerne unterstellt, keine Aufmerksamkeitsspanne
mehr zu haben. Wieso
sind eure langen Reportageformate
noch immer so erfolgreich?
Frank: Die Leute wünschen sich sogar
noch längere Videos. Auf YouTube erwarten
sie das und lassen sich darauf ein.
Auf TikTok erwarten sie kürzere Videos. Die
Kunst liegt darin, den Inhalt für jede Plattform
passend zu erzählen.
Teresa: „Sie haben keine Aufmerksamkeitsspanne
mehr“, ist Quatsch. Sie sind
halt schneller gelangweilt, aber das ist
nicht unbedingt etwas Schlechtes. Sie
schauen sich auch etwas Langes an, wenn
es gut gemacht und spannend erzählt
20 21
MARKETTE
HERO STORY
„Eine junge
Zielgruppe ist
schneller
gelangweilt,
aber das ist
nicht unbedingt
Infokasten Die Frage
etwas
Schlechtes.“
Die Frage gibt es seit über zehn Jahren. Zuerst im Radio beim Puls-Vorgänger on3, wurde das Format später als
Podcast aufgezeichnet und online gestellt. Daraus entstand ein Fernsehformat für den Bayerischen Rundfunk.
Seit 2016 ist Die Frage Teil von Funk und erscheint einmal wöchentlich als ca. 30-minütiges Reportageformat
auf YouTube. Seit 2021 gibt es Die Frage außerdem wieder als Podcast. Das Team besteht aus zwei Hosts, einer
TERESA FRIES,
Produktleitung, zwei Autorinnen für die YouTube-Ausspielungen, drei Videoproducern, einer Autorin für den
PRODUKTLEITERIN
Podcast, zwei Autor:innen für TikTok und drei Community Manager. Auf Funk-Seite unterstützt ein Partnermanager
und auf Puls-Seite ein Stratege, im Wechsel sind freie Redakteur:innen und Volontär:innen mit dabei.
ILLUSTRATION: ISTOCK
ist. Dann fühlt sich ein dreißigminütiger
YouTube-Film für sie an wie zwei Minuten.
Wenn wir es nicht schaffen, spannend zu
erzählen, sind sie nach zwei Minuten weg.
Frank: Weil die Konkurrenz so groß ist.
Das nächste Video ist nur einen Klick entfernt.
Früher hat man sich nicht so gezielt
überlegt, wohin man seine Aufmerksamkeit
gibt. Das darf aber nicht dazu führen,
dass man alles überdramatisiert oder
clickbaity verkauft.
Was war eure Strategie bei TikTok?
Frank: Trial and Error.
Lisa-Sophie: Wir wussten nicht: Was
läuft gut? Worauf muss man achten? Wir
haben einen Autor ins Team geholt, der
schon TikTok-Erfahrung und einen gut
laufenden privaten Account hatte. Inzwischen
teilen wir einerseits Ausschnitte aus
unseren Filmen, die besonders emotional
und stark sind. Andererseits haben wir
völlig neue Protagonist:innen, die in unseren
YouTube-Videos nicht auftauchen. Es
geht darum, Stereotype aufzudecken und
provokantere Fragen zu stellen, als wir es
in unseren YouTube-Videos tun.
Teresa: Wir lernen immer noch, bei TikTok
kann man ja mit nichts rechnen.
Lisa-Sophie: Ein Video hat 2.000 Views,
das nächste 200.000 Views. Und du weißt
nicht, wieso.
Teresa: Meistens ist es nicht das, was wir
denken. Das ist frustrierender als das, was
wir gewohnt waren. Aber auf der anderen
Seite sind es auch ganz andere Erfolgserlebnisse.
Ungefähr gleichzeitig mit TikTok habt
ihr euren Podcast wiederbelebt, der
zwischen 2018 und 2021 pausiert hat.
Wie stecht ihr aus der Masse hervor?
Frank: Wir haben in den Folgen total unterschiedliche
Herangehensweisen. Mal bietet
sich eine Reportage an, manchmal machen
wir nur Studiointerviews. Wir haben kein
starres Konzept. Da unterscheiden wir uns
von anderen Podcasts, die ein sehr klassisches
Format haben: zwei Leute im Studio,
die sich unterhalten. Ich glaube, dass wir es
schaffen, die „Die Frage“-DNA in den Podcast
zu übertragen. Da ist die Konkurrenz dann nicht mehr ganz so
groß. Das kriegen wir auch als Feedback aus der Community.
Teresa: Wir stellen die Protagonist:innen in den Vordergrund. Es
geht darum, dass Frank diese Geschichten erfährt. Es ist nicht so
leicht, an einem Podcast-Cover zu erkennen, was drinsteckt. Wir
überlegen noch, wie wir den User:innen klarmachen können, dass
die Inhalte nicht die gleichen wie in unseren YouTube-Folgen sind.
Ist der Podcast gekommen, um zu bleiben?
Frank: Ja. Die Themen gehen uns jedenfalls nicht aus. Wir machen
jetzt die neue Staffel und schauen dann weiter. Bei funk
werden für einen bestimmten Zeitraum quantitative und qualitative
Ziele festgelegt. Danach wird entschieden, wie es mit einem
Produkt weitergeht. Das ist eine schöne Entwicklung. In der
ARD war es früher häufiger so, dass Produkte ins Leben gerufen
wurden und dann genauso blieben, egal, wie gut sie funktioniert
haben. funk achtet sehr genau darauf, wie gut alles klappt.
Teresa: Das ist bei allen Kanälen so und gilt für alle Formate. Es
heißt nie pauschal „Ziele nicht erreicht, Format abgesetzt“. Aber
es ist gut, dass darauf geachtet wird. So werden Formate weiterentwickelt
und zukunftsfähig gemacht. Anstatt sie auslaufen zu
lassen und zu sagen: „Es funktioniert eigentlich seit drei Jahren
nicht mehr.“
Wie lebt es sich generell als junges Format im öffentlichrechtlichen
Rundfunk?
Frank: Als ich angefangen habe, beim BR zu arbeiten, hatte ich
das Gefühl, dass es einen deutlichen Unterschied im Ansehen
von jungen und von etablierten Formaten gibt. Ich würde nicht
sagen, dass sie belächelt wurden, aber es gab eine Hierarchie.
Das hat sich inzwischen fast komplett aufgelöst und teilweise
ins Gegenteil gekehrt. Andere Redaktionen, hier im Haus und
im kompletten öffentlich-rechtlichen System, merken: Es gibt
junge Formate, die es sehr gut schaffen, bestimmte Zielgruppen
anzusprechen, eine Community aufzubauen, eine Reichweite
zu erzielen. Und das wollen sie ja auch. Heute gibt es da einen
Wissenstransfer. Leute, die von jungen Formaten kommen, sind
gewollt im Haus, weil sie Fähigkeiten mitbringen, die in anderen
Redaktionen gebraucht werden.
Teresa: Wir wissen, dass wir machen können, was wir machen,
weil wir öffentlich-rechtlich sind. Dass wir hochwertigen Content
auf allen Plattformen machen können, weil wir nicht abhängig
von kommerziellen Interessen sind. Wir können Themen setzen,
die uns wichtig sind, und Sachen ausprobieren, bei denen wir uns
nicht sicher sind: Funktioniert das? Das ist eine ganz große Freiheit.
Wenn es um die Arbeitskultur geht, gibt es in jedem großen
Unternehmen die Ecken, die ein bisschen verstaubt sind, aber
wir sind mit funk und PULS an zwei Orten verwurzelt, die total
vorangehen. Nicht immer mit dem größten Budget, aber mit der
größten Idee, wie ein modernes öffentlich-rechtliches Medienunternehmen
funktionieren kann.
23
HERO STORY
Mit ARRI-Geräten
entstehen Hollywood-Blockbuster.
Hier ist die Digitalkamera
ALEXA 35 im
Außeneinsatz.
GANZ
GROSSES
KINO
OHNE ARRI LÄUFT IN HOLLYWOOD
GAR NICHTS. DIE MÜNCHNER
FERTIGEN DIE BESTEN FILMKAMERAS
DER WELT, VIELE BEKANNTE
BLOCKBUSTER SIND MIT DER
KAMERA- UND LICHTTECHNIK DES
BAYERISCHEN TECH-RIESEN
ENTSTANDEN. WAS ARRI VON DER
INTERNATIONALEN KONKURRENZ
ABHEBT? PIONIERGEIST, EIN
HOHER SELBSTANSPRUCH UND DER
MUT, NEUE GESCHÄFTSBEREICHE
ZU ERSCHLIESSEN.
TEXT
KATHRIN HOLLMER
FOTOS
ARRI
24
25
HERO STORY
HERO STORY
Die Firmenzentrale in der
Münchner Parkstadt Schwabing
trägt den Namen ARRIAL.
Wenn im Dolby
Theatre in Los
Angeles die Oscars
verliehen werden,
zählt man in
Schwabing genau mit. Im März, bei der
94. Verleihung der Academy Awards, wurden
von den neun Produktionen, die als
„Bester Film“ nominiert waren, sieben mit
Kameras des Münchner Familienunternehmens
ARRI gedreht. Für den Preisträger
„Coda“ verwendete die Kamerafrau
Paula Huidobro Objektive von ARRI. Allein
in den vergangenen zwölf Jahren wurden
elf Preisträger in der Kategorie „Beste
Kamera“ mit ARRI-Kameras gefilmt.
Bayerische Technik
in Hollywood
Die meisten Münchner:innen kennen „das
ARRI“, das Kino in der Türkenstraße und
den Gründungssitz von ARRI. Inzwischen
heißt das Kino „ASTOR Film Lounge
im ARRI“, das Unternehmen zog Ende
2019 in eine neue Firmenzentrale. Von
außen sieht der Neubau in der Parkstadt
Schwabing aus wie ein Kameragehäuse.
Drinnen befinden sich alle Zentralfunktionen
von ARRI sowie alle Abteilungen des
Geschäftsbereichs Camera Systems – von
der Entwicklung über die Produktion bis
hin zu Vermarktung und Service. Mehr als
600 Menschen arbeiten hier unter einem
Dach, von Ingenieur:innen über Software-
Entwickler:innen bis hin zu Spezialist:innen
in Vertrieb und Marketing. Weltweit
beschäftigt ARRI 1.300 Mitarbeitende in
16 Ländern.
Im Foyer rekonstruiert das ARRI-Museum
die Firmenhistorie – und zeigt ein Stück
Filmgeschichte. Die ältesten dort ausgestellten
Kameras haben an der Rückseite
eine Kurbel, daher kommt der Ausdruck
„einen Film drehen“. Die Konferenzräume
sind nach einigen der bekanntesten
ARRI-Filme benannt: darunter „Skyfall“,
„Das Boot“ und „Der schwarze Jack“.
Letzterer ist ein Isar-Western, den die Firmengründer
August Arnold und Robert
Richter 1918 gedreht haben, ein Jahr nach
der Gründung ihrer Firma ARRI – kurz für
Arnold und Richter.
„Wir fertigen Werkzeuge für die Kreativen“,
sagt Henning Rädlein, Head of
Marketing & Digital Workflow Solutions,
Camera Systems, „und zwar die bestmöglichen.“
Rädlein arbeitet seit 20 Jahren
bei ARRI und weiß: Es ist der Innovationsgeist,
der das Unternehmen seit seiner
Gründung antreibt. Alle paar Jahre entwickelt
ARRI eine neue Kamera. Zubehör
und Software haben kürzere Zyklen.
Der erste Verkaufsschlager von ARRI
wurde 1937 die ARRIFLEX 35. Diese erste
in Serie gebaute Spiegelreflex-Filmkamera
ermöglichte es, durch den Sucher exakt
das Bild zu sehen, das man gerade aufnahm.
Sie war leichter, erlaubte dynamische
Kameraschwenks und produzierte
weniger statische Bilder. „Die ARRIFLEX
35 war der Grundstock für die Erfolgsgeschichte
von ARRI“, sagt Rädlein.
Innovation trägt den Erfolg
Seitdem hat ARRI-Technik Kino, Fernsehen
und Werbung maßgeblich verändert.
Zu Stummfilmzeiten beispielsweise
machten die gängigen Kameras viel
Lärm. Als die Störgeräusche beim Filmdreh
zum Problem wurden, erfand ARRI
im Jahr 1965 eine kompakte, geräuschisolierende
Kamera für 16 mm, im Jahr
1972 für 35 mm. Ende der 2000er-Jahre
wagte das Unternehmen den bisher größten
Schritt in seiner Firmengeschichte,
indem es digitale Kameras entwickelte.
Der große Durchbruch beim digitalen
Filmen gelang ARRI mit der ALEXA, die
im September 2009 auf der International
Broadcasting Convention (IBC) in Amsterdam
vorgestellt und ab Juni 2010 geliefert
wurde. Vorher baute der Hersteller ausschließlich
analoge Kameras, ohne Elektronik
und Programmierung. Die ALEXA ist
ein voller Erfolg: „Sie ist die meistverkaufte
digitale High-End-Filmkamera“, sagt
Henning Rädlein. Digitalkameras sind
heute der Standard beim Filmdreh.
Innovation bedeutet nicht nur technologischen
Fortschritt, sondern auch Vielfalt
DIESE FILME UND
SERIEN WURDEN MIT
ARRI-KAMERAS
GEDREHT (AUSWAHL):
Das Boot (1981)
GoodFellas (1990)
Das fünfte Element (1997)
Herr der Ringe (ab 2001)
James Bond 007 (ab 2008)
Ein Quantum Trost,
Skyfall, Spectre,
Keine Zeit zu sterben
Game of Thrones (ab 2011)
The Wolf of Wall Street (2013)
Rogue One: A Star Wars Story (2016)
Succession (seit 2018)
Dune (2021)
Coda (2021)
u. v. m.
– und ein breites Angebot. ARRI ist berühmt
für seine Kameras, hat sich aber nie
nur auf einen Bereich verlassen. So baut
ARRI auch Objektive und Zubehörteile für
eigene und andere Kameras. Einst fertigte
das Unternehmen auch Filmkopiermaschinen,
Schneidetische und Entwicklungsmaschinen
für analoge Filme. Den
Filmscanner ARRISCAN, mit dem Archive
heute noch analoges Material digitalisieren,
stellt ARRI nach wie vor her. ARRI-Kamerasysteme
kamen außerdem schon
in der Medizin, zum Beispiel als Röntgenfilmkameras,
und bei vielen Industrieanwendungen
zum Einsatz.
Ein weiterer wesentlicher Geschäftsbereich
ist die Beleuchtungstechnik. Seit
1924 stellt ARRI Scheinwerfer her, seit
1953 am Standort von ARRI Lighting in
Stephanskirchen bei Rosenheim. ARRI
fertigt dort nicht nur Kunstlichtscheinwerfer
und Tageslichtlampen, sondern
auch LED-Leuchten für Filmaufnahmen,
Broadcast-Studios, Veranstaltungen,
Theater und Fotostudios. In Stephanskirchen
produziert ARRI unter anderem den
hochmodernen, energiesparenden LED-
Scheinwerfer Orbiter. ARRI-Licht scheint
zum Beispiel im Studio der „Tagesschau“
und in den neuen WELT/N24-TV-Studios.
„Wir fertigen Werkzeuge
für die Kreativen,
und zwar die
bestmöglichen.“
HENNING RÄDLEIN, HEAD OF MARKETING & DIGITAL
WORKFLOW SOLUTIONS, CAMERA SYSTEMS
ARRI stellt nicht nur Kameras,
sondern auch Beleuchtungstechnik
her, wie den LED-
Scheinwerfer ARRI Orbiter.
26 27
HERO STORY
HERO STORY
Im dritten Geschäftsbereich, ARRI Rental
mit Sitz in Ismaning, verleiht ARRI eigene
und fremde Kamera- und Lichtsysteme
sowie Bühnenequipment an Filmproduktionen.
Zu seinen Rental-Kunden gehören
zahlreiche Produktionsfirmen, die im
Auftrag der Streaming-Dienste Netflix,
Amazon Prime Video oder Apple TV+
produzieren.
Mit ARRI Solutions bietet das Unternehmen
unter anderem die Planung und Umsetzung
von Virtual-Production-Studios
an. In diesen Studios lassen sich digitale
Hintergründe in 3-D entwerfen und auf
LED-Wänden darstellen, vor denen sich
Schauspieler:innen und Kamera bewegen.
In Großbritannien betreibt ARRI mit der
ARRI Stage London ein eigenes Studio, in
dem die Band Coldplay 2022 ein Musikvideo
gedreht hat. Die Netflix-Serie „1899“
wurde in der von ARRI geplanten DARK
BAY Virtual Production Stage in Babelsberg
mit Kameras, Objektiven und Scheinwerfern
von ARRI gedreht. Und nicht nur
Kameras entwickeln sich weiter, auch der
Lighting-Bereich verändert sich massiv:
„Kameras und Licht kommunizieren heute
miteinander, sodass die Kamera weiß, wie
das Licht eingestellt war“, sagt Rädlein.
Spitzenqualität made
in Munich
Ab rund 60.000 Euro kostet die Kamera
ALEXA 35 von ARRI, das ist auch für den
Profisektor gehobene Preisklasse. Um
sicherzustellen, dass die Produkte ebenso
robust wie zuverlässig sind, „fertigen
und montieren wir Baugruppen, die mit
der Bildqualität zu tun haben, selbst“,
erklärt Christian Hartl, Director Global
Production, der die gesamte Produktion
im Unternehmen leitet. Stichprobenartig
werden die Einzelteile, etwa Sensorträger,
in der Produktion kontrolliert. „Die
Abmessungen müssen bis auf 0,05 Millimeter
stimmen. Zum Vergleich: Ein Haar
hat etwa 0,07 Millimeter Durchmesser“,
sagt Hartl.
Im Reinraum werden die Sensoren mit
den Platinen verbunden, „gebondet“
heißt es im Fachjargon. Wie genau, ist
Firmengeheimnis. Die Mitarbeitenden
tragen weiße Anzüge, Hauben und Mundschutz.
Jedes Staubkorn, jede Schuppe,
die auf einem Sensor landeten, sähe man
für immer auf dem Bild, der Sensor wäre
unbrauchbar. „Darum herrschen hier quasi
Raumfahrtbedingungen“, so Hartl.
Nachdem die Kameras mit Software bespielt
sind, müssen sie sich im Stresstest
bewähren: Sie werden auf einer Platte –
dem „Shaker“ – befestigt, die stark vibriert,
um sicherzustellen, dass alle Kabel sauber
gesteckt und keine Schrauben lose sind.
Danach kommen sie in den Klimaschrank,
dort herrschen Temperaturen von minus
20 bis plus 45 Grad Celsius. „Unsere Kameras
sind jederzeit einsetzbar, egal, ob
in der Wüste oder auf dem Mount Everest
– ohne dass sie vorher präpariert werden
müssen“, sagt Hartl. „Das ist ein Wettbewerbsvorteil,
andere machen schon bei
null Grad Celsius schlapp.“ Für den Fall,
dass doch mal etwas nicht funktioniert,
unterhält ARRI ein weltweites Servicenetz
mit Reparaturstationen und Backup-Kameras.
Wettbewerbsfaktor
Nachhaltigkeit
Ein Innovationstreiber: offene Ohren. Vor
der Pandemie haben ARRI-Mitarbeitende
Hochpräzise
Arbeit unter
Raumfahrtbedingungen:
Hier entsteht
die ALEXA 35.
„Unsere Kameras sind jederzeit
einsetzbar, egal, ob in der
Wüste oder auf dem Mount
Everest – ohne dass sie vorher
präpariert werden müssen, das
ist ein Wettbewerbsvorteil.“
CHRISTIAN HARTL,
DIRECTOR GLOBAL PRODUCTION
Die ARRI Stage
in London
ist ein von ARRI
ausgestattetes
Virtual-Production-Studio.
regelmäßig ihre Kunden auf der ganzen
Welt getroffen, um genau hinzuhören,
was ihnen an den Produkten gefällt und
was nicht. „Wir fragen uns immer, wie
können wir das Filmemachen verbessern?
Kreativer, schneller, wirtschaftlicher
machen?“, so Rädlein. Inzwischen
sind Reisen wieder möglich, seit Beginn
der Covid-19-Pandemie organisiert das
Unternehmen den Austausch aber auch
anders: Im Studio in der Firmenzentrale
in der Parkstadt Schwabing dreht ARRI
Tutorial-Videos und veranstaltet virtuelle
Gesprächsrunden.
Auch Nachhaltigkeit ist ARRI wichtig:
Ältere Kameras pflegt das Unternehmen
deshalb weiter und verkauft, nach
Wartung und sorgfältigen Tests, über
das „ARRI Approved Certified Pre‐Owned
Program“ gebrauchte Kameras,
Objektive und Scheinwerfer zu einem
günstigeren Preis.
Nachhaltig ist auch der Umgang mit
Kunden und Mitarbeitenden. Für seine
Kunden gründete das Unternehmen die
ARRI Academy und bietet produktspezifische
Weiterbildungen auf der ganzen
Welt an. Man pflegt eine lange Tradition
an Talentförderung und unterstützt regelmäßig
Produktionen über das weltweite
„International Support Program“ und
regionale Initiativen.
Das Unternehmen bildet selbst aus, in
den Bereichen Industriemechanik
und Elektronik sowie zu Industriekaufleuten
und Fachinformatiker:innen
für Systemintegration. Außerdem gibt
es Kooperationen mit der Hochschule
München für duale Studiengänge.
Mit Programmen wie „Fit for future“
fördert ARRI Nachwuchskräfte in Form
von Weiterbildungen. In der Zukunft
werden ARRI zufolge Spezialist:innen
benötigt, die sowohl technische Kenntnisse
als auch Erfahrung am Filmset
mitbringen. Auch Software-Spezialist:innen
werden eine immer größere Rolle
spielen, denn die Filmproduktion wird immer
digitaler. In München ist man bereit.
„Alles fürs beste Bild“, wie man
bei ARRI sagt.
28
29
HERO STORY
TEXT
MARTIN HAASE
BILDER
JÖRG ZUBER STUDIO GMBH
FOTOS
SEBASTIAN ARLT
OONOOURI
BOTSCHAFTERIN
IM METAVERSE
30
HERO STORY
KULLERAUGEN,
STUPSNASE UND
AUFSEHENERREGENDE
KLEIDUNG: DAS IST
NOONOOURI, DIGITALES
MODEL UND DEUTSCHLANDS
ERFOLGREICHSTE
VIRTUELLE INFLUENCERIN.
DER MÜNCHNER
DESIGNER JÖRG ZUBER
SCHUF DIE FIGUR VOR
VIER JAHREN. DAS
NÄCHSTE ZIEL DER BEIDEN:
DAS METAVERSE.
Jörg Zuber arbeitet dort, wo andere
den Feierabend ausklingen lassen.
Das Designstudio des 42-Jährigen
liegt direkt am Münchner
Gärtnerplatz, einem Szene-Hotspot
des Glockenbachviertels. Dort am
Kreisverkehr geht es über einen Hinterhof
in sein Büro, kein auffälliger Schriftzug
seiner joerg zuber studio GmbH leuchtet
im Eingangsbereich. Man blickt direkt in die
Gesichter seiner Mitarbeitenden, nur zwei
der sechs Plätze sind an diesem Morgen
besetzt. Für Zuber spielen Arbeitsort und
-zeit keine Rolle: Seine Beschäftigten sollen
dort arbeiten, wo sie kreativ sein können.
Kreativität ist in dem Designstudio gefragt.
Denn hier entsteht Deutschlands erfolgreichste
virtuelle Influencerin. Acht von 18
Mitarbeitenden arbeiten Vollzeit an Zubers
Schöpfung Noonoouri, die nicht nur auf
Instagram zu sehen ist, sondern auch
auf den Covern internationaler Fashion-
Magazine. Die digitale Figur steht bei der
Modelagentur IMG unter Vertrag, neben
internationalen Topstars wie Heidi Klum,
Gigi Hadid oder Kate Moss. Auf Instagram
präsentiert sie ihren über 407.000
Follower:innen virtuelle Kollektionen von
Luxusmarken wie Dior oder Gucci bei
Events wie der MET Gala. Nicht nur das:
Noonoouri ist auf Bildern neben Stars wie
Lewis Hamilton, Beyoncé oder Bella Hadid
zu sehen, bei den About You Awards 2021
trat sie live als Special Guest auf.
Die Geburtsstunde
von Noonoouri
Die Idee zu Noonoouri entstand in Zubers
Kindheit. Schon als Fünfjähriger wollte er
Mode designen, für seine Zeichnungen
bekam er aber oft nur ein mildes Lächeln.
LINKS: An Noonoouri
arbeitet ein Team
aus acht Mitarbeitenden,
die Erstellung
eines Bildes dauert
drei bis vier Tage.
RECHTS: Jörg
Zuber hat neben
dem Standort
München auch ein
Office in Buenos
Aires und eines
in Madrid.
Er wünschte sich eine ältere, berühmte
Freundin, die der Welt seine Werke zeigt.
Also nahm er sie in Form von Noonoouri
in seine Zeichnungen auf. Als Anfang der
2010er-Jahre Blogger:innen und Influencer:innen
zum Thema wurden, begann er,
über eine digitale Figur nachzudenken.
Im Februar 2018 war es so weit, Zuber
erweckte zur New York Fashion Week
Noonoouri als virtuelle Persönlichkeit zum
Leben. Und sorgte direkt für Aufsehen:
Ihrem Instagram-Account folgten schon
bald Fashion-Stars wie Naomi Campbell
oder Marc Jacobs. Für Noonoouri als Mode-
Influencerin eine wertvolle Fan-Basis. So
konnte Zuber Kooperationspartner:innen
zeigen, welche neuen Möglichkeiten sich
im Marketing durch virtuelle Influencer:innen
auftun.
Noonoouri muss nicht reisen
Zuber sieht eine große Stärke von Noonoouri
darin, dass sie zeitgleich an mehreren
Orten sein kann. Ein menschliches
Model könne unmöglich am gleichen Tag
bei einem Filmfestival in New York und bei
einem Produktlaunch in Singapur auftreten.
Zuber braucht nur eine:n Fotograf:in,
der oder die ihm das passende Bild liefert
– und der Designer bringt Noonoouri ins
Bild. Der Nachteil: Das braucht Zeit. Bis
Noonoouri tatsächlich auf einem Schnappschuss
erscheint, vergehen Tage. Damit sie
dennoch live auf einem Event sein kann,
muss die Figur zuvor fertig sein: Für ein
Bild auf Instagram brauchen Zuber und
sein Team drei bis vier Tage, eine Animation
kann zwei Wochen und länger dauern. Bei
aufwendigeren Produktionen – zum Beispiel
mit offenen, wehenden Haaren und
dynamischen Hintergründen wie fallendem
Laub – können bis zu acht Wochen
vergehen.
Mit Vielfalt punkten
Dafür gibt es für Noonoouri keine Grenzen.
„The sky is the limit!“, sagt Zuber.
„Sie kann auf dem Empire State Building
sitzen, eine Unterwasser-Modenschau
veranstalten oder auf den Kreisen des
Jupiters einen Song performen.“ Das sei
33
HERO STORY
HERO STORY
eigene Beiträge, sondern agiert auch in
Kommentarspalten und beteiligt sich an
Diskussionen zu ihren Themen. So tritt
Noonoouri noch stärker als eigenständiger
Charakter auf, andererseits erreicht sie so
eine breitere Zielgruppe.
Unverständnis für seine Kreation gibt es
immer weniger: „Wenn sie andere Bei-
nicht nur ein Blickfang, sondern auch
spannend für die Generation Z – und Marken,
die eine junge Zielgruppe erreichen
wollen. Zuber erklärt: „Noonoouri spricht
junge Menschen an, die mit Gaming oder
Social Media aufgewachsen sind. Diese
Generation experimentiert in digitalen
Welten, unter anderem mit ihrer Identität:
Mal können sie ein Muskelprotz sein, mal
ein anderes Geschlecht annehmen.“
Wer Vielfalt abbilden wolle, könne das mit
Noonoouri: Sie zeige, wie es gelingt, eine
ganz andere Rolle einzunehmen und so
ein Verständnis für andere Sichtweisen zu
entwickeln. Zudem hat sie keine Nationalität,
„sie ist eine Kosmopolitin“, meint
Zuber. Ihre Wandelbarkeit sei ein Vorteil
gegenüber menschlichen Influencer:innen.
Gleichzeitig habe sie einen gefestigten
Charakter. Ein wichtiger Faktor: Denn
nur durch authentische Partner:innen
können Marken auch Werte vermitteln.
Auf Noonoouris Instagram-Kanal geht es
deshalb auch um Aktivismus: Sie zeigt sich
als Teil der LGBTQ+-Bewegung, setzt sich
für Nachhaltigkeit und Tierwohl ein, kritisiert
Diskriminierung und Rassismus. Dafür
lässt Zuber seine digitale Figur in einem
Meer aus Plastikabfällen schwimmen, inszeniert
sie gemeinsam mit vom Aussterben
bedrohten Tierarten oder kleidet sie in
einen Pullover mit „Black Lives Matter“-Aufschrift.
Um eine langfristige Marketing-Strategie
ging es Zuber bei Noonoouri nie. Der
Designer betont, dass sie nicht einfach ein
Alter Ego seiner selbst ist, sie spreche für
sich selbst. Ihr Charakter mit der Passion
für Fashion und Beauty und dem Problembewusstsein
für gesellschaftliche Themen
sei mit ihm gewachsen. „Deswegen ist
Noonoouri heute authentisch, stark und
tritt selbstbewusst auf“, ist sich Zuber sicher.
Auf Instagram veröffentlicht sie nicht nur
träge kommentiert, zum Beispiel zum
Thema Tierschutz, kommt es manchmal
zu Antworten wie: ‚Du bist doch digital, wie
kannst du Veganerin sein? Du musst doch
gar nichts essen!‘“ Dem begegnet Zuber
mit Gelassenheit, erklärt die Idee hinter
Noonoouri und kann nicht selten Kritiker:innen
umstimmen. Hasskommentare seien
mittlerweile kein Thema mehr.
Moderne Technologien erwecken
Noonoouri zum Leben
Heute entsteht Noonoouri nicht mehr auf
Zeichenpapier, sondern mit moderner
Technik. Ein Motion Capture Suite erfasst
eine natürliche Körperhaltung: Wie in Hollywood-Animationsfilmen
zieht sich ein:e
Mitarbeiter:in den Ganzkörperanzug an, der
über zahlreiche Sensoren die menschliche
Körperhaltung auf ein Computer modell
überträgt. Ein Face-Tracking-System sorgt
für natürliche Gesichtsausdrücke, hier
übertragen Sensoren, die auf das Gesicht
geklebt werden, die Bewegungen an ein
3-D-Modell. Im Nachhinein ist noch ein
Feinschliff nötig, aber: „Die Technologie
entwickelt sich rasant. In ein paar Jahren
werden animierte Figuren in Filmen und
Spielen nicht mehr von echten Menschen
zu unterscheiden sein“, ist sich Zuber sicher.
Für Noonoouri ist eine realistische Animation
keine Option: „Das Digitale soll das
Physische unterstützen, der Mensch steht
an erster Stelle“, betont der Designer.
Zuber nennt als Beispiel dafür die Kampagne
mit Formel-1-Weltmeister Lewis
Hamilton. Für Tommy Hilfiger standen
der Rennfahrer und Noonoouri gemeinsam
im gleichen Look vor der Linse. Die
digitale Influencerin generiere noch mehr
Aufmerksamkeit für die Aussage, die mit
einem Bild vermittelt werden soll – und
in dem Fall für die Marke Tommy Hilfi-
ger und die vegane Modekollektion, die
Hamilton vorstellt. Denn Noonoouri sorge
neben einer echten Person auf einem
Bild für Verwunderung. Ein erwünschter
Effekt: Die Betrachter:innen bleiben
hängen, erkennen die reale Person und
wollen wissen, wie es zu dem Bild mit der
digitalen Influencerin gekommen ist.
Genauso wie ihre menschlichen Kolleg:innen
entwickelt sich Noonoouri weiter. Und
hat Ziele: In Zukunft werde sie mit neuen
Themenspektren experimentieren. Sie
könne zum Beispiel Musik empfehlen oder
Games besprechen, meint Zuber. Die große
Vision ist daher der Schritt ins Metaverse.
Noonoouri gehört
ins Metaverse
LINKS: Zuber
präsentierte seine
Schöpfung zum
ersten Mal im
Februar 2018.
RECHTS:
Noonoouri in
Hongkong. Das
Bild mit einem
Outfit von Marine
Serre erstellte
Zuber für die
dortige Ausgabe
der „Vogue“.
„Die Technologie
entwickelt
sich rasant.
In ein paar
Jahren werden
animierte Figuren
in Filmen
und Spielen
nicht mehr von
echten Menschen
zu unterscheiden
sein.“
Zuber kann sich vorstellen, für Noonoouri
einen eigenen virtuellen Raum zu erstellen,
wo Nutzer:innen sie zu bestimmten
Zeiten antreffen können. Dort könne
sie mit Fans über neue Spiele sprechen,
neue Mode zeigen oder Alben präsentieren.
Daraus würden sich unzählige
Kooperationsmöglichkeiten ergeben. Für
den Designer ist der Schritt ins Metaverse
nur natürlich, immerhin gehört Noonoouri
in den digitalen Raum. Besonders
für Modekollektionen ergebe sich ein
entscheidender Vorteil: „Die Fashion-
Branche ist in Sachen Nachhaltigkeit
sehr umstritten. Selbst wenn zum Beispiel
Baumwolle ökologisch produziert
wird – über die Weiterverarbeitung sagt
das nichts aus. Zudem wird das meiste
auch noch weggeworfen. Im Metaverse
kann Kleidung zunächst gezeigt und digital
verkauft werden, danach wird sie on
demand produziert. Das spart Ressourcen
und reduziert die Umweltbelastung.“
Auch NFTs sind ein Thema, vom Profile
Picture Drop bis zu Noonoouri-Avataren
ist alles möglich. Zuber will mit
seiner Schöpfung die Avantgarde bilden
und zeigen, was möglich ist – nicht nur
Trends hinterherlaufen.
Selbst wenn Noonoouri künftig im Metaverse
einen durchschlagenden Erfolg
erzielt und es viele Nachahmer:innen geben
sollte: „Digitale Figuren oder Avatare
werden Influencer:innen nicht ersetzen.“
Zuber zufolge geht es im Grunde um
eine Diversifizierung der Ansprache: „Es
gibt Menschen, die werden durch Menschen
erreicht. Und es gibt andere Personen,
die werden durch digitale Avatare
erreicht.“ Das sei ein ähnliches Prinzip
wie bei Print- und Online-Produkten, die
jeweils andere Zielgruppen ansprechen.
Für den 42-Jährigen ist die Botschaft
wichtiger als der Bote oder die Botin.
34 35
WEB3-STUDIE
WEB3-STUDIE: DIE ERGEBNISSE DER
EXPERT:INNENBEFRAGUNG
Welche
Veränderungen kommen
mit Web3 auf
die Medienbranche zu?
Was kommt auf die
Medienbranche zu?
ILLUSTRATIONEN
TOBI FRANK UND 1E9 FÜR XPLR: MEDIA IN BAVARIA
Die Diskussion um das nächste Internet ist in aller Munde. Mit dem Aufstieg
von Web3 und dem Metaverse kommen auch auf die Medienbranche
gravierende Veränderungen zu. Egal, ob neue Geschäftsmodelle,
die Rolle von Medien ganz allgemein oder die Kommunikation mit den
Nutzer:innen: Die Risiken und Chancen sind groß und die Innovationskraft
in Medienunternehmen gefragter denn je. Wie schätzen Expert:innen die aktuellen Entwicklungen
rund ums Web3 ein? Kann die Medienbranche wirklich davon profitieren?
Antworten liefert die Studie „Web3 – Was kommt auf die Medienbranche zu?“.
„Eigentlich ist das Web3 wie ein Medikament für die
Medienbranche. Sie ist die am wenigsten profitable Branche im
Netz und hat jetzt die Chance, es völlig neu zu
denken – weil die Regeln noch nicht festgeschrieben sind.“
XPLR: MEDIA in Bavaria hat in Zusammenarbeit mit 1E9 deutschlandweit 18 Web3-
Expert:innen zu Chancen und Risiken für Medienhäuser, Veränderungen für die
Medienbranche, aktuellen Use-Cases, Verschiebungen von Machtverhältnissen und
Regulierungen im digitalen Raum befragt.
Alle Ergebnisse der Expert:innenbefragung
inklusive Einblicke in den Status quo von Web3 in
der bayerischen Medienbranche findest du hier:
CHRISTIAN PFEIFFER,
NFT-Botschafter, Co-Founder
MUC/labs, München
FOTO: ADOBE STOCK
PROF. DR. PHILIPP SANDNER,
Frankfurt School Blockchain
Center, München
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:
Große, konzerngesteuerte und etablierte Plattformen könnten im Web3 an Bedeutung verlieren. Die
unmittelbare Beziehung zwischen Creator und Consumer gibt alternativen Diensten von
Medienunternehmen und kleineren Projekten auch ohne große finanzielle Mittel mehr Raum. Sie
fördert eine Creator-Economy, bei der Kreative durch Smart Contracts ihre Werke langfristig
monetarisieren können. Dank der offenen Struktur und dynamischen Selbstorganisation des Web3
entstehen rund um Projekte Communities, die von Medienunternehmen mit Token incentiviert
und belohnt werden können. Die Signup-Logik mit E-Mail und Passwort wird dabei durch eine Wallet
ersetzt, die als zentrale Brieftasche für Log-ins, Identifikations- und Signaturprozesse dient.
„Durch Tokenisierung und
insbesondere durch NFTs
wird es die Möglichkeit
geben, geistiges Eigentum
derart zu gestalten, dass es
in der Hand des Creators
verbleibt. Im Fall des Erfolgs
kann er einen größeren Share
des Werts für sich erhalten –
was wiederum dazu führen
dürfte, dass die Plattformmodelle,
die im Web2 groß
geworden sind, indem sie
alles aggregiert, aufgesaugt
und günstig eingekauft
haben, schlanker werden
müssen.“
„Wir sehen schon jetzt im
Web2, dass Medien stark
fragmentiert sind. Jeder kann
anfangen, YouTube-
Videos zu machen, Artikel zu
schreiben oder Newsletter
zu bestimmten Themen zu
verschicken. Das Web3 bietet
jetzt all diesen Leuten neue
Einkommensmethoden – die
vorher z. B. schon an den
hohen Transaktionsgebühren
für Payment-Provider
gescheitert sind. Das wird
es für Medienunternehmen
nicht einfacher machen, gute
Leute einzustellen und guten
Content zu kreieren.“
VICTORIA HAUZENEDER,
Co-Founder fundle3,
Founding Member
PretzelDAO, München
37
WEB3-STUDIE
WEB3-STUDIE
Wo liegen die Chancen von Web3?
GLOSSAR
Welche Low Hanging Fruits
sind für die Branche interessant?
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:
7 BEGRIFFE –
KURZ ERKLÄRT
Neue Finanzierungsmodelle ermöglichen es Medienunternehmen, sich von
BJÖRN JANSEN,
Co-Founder NFTmunich/
24acht, München
„Die Technologie der Non-Fungible
Tokens, die das Web3
mit ermöglichen, ist gekommen,
um zu bleiben. Das ist das, wo
wir Anwendungsfälle für die Zukunft
sehen werden. Ich glaube,
hier wird Magie passieren.“
Werbeeinnahmen und etablierten Plattformen zu emanzipieren.
Konsument:innen können über Communities, NFTs und neue Organisationsformen
aktiv einbezogen und dauerhaft an Unternehmen gebunden
werden. Die transparenten Strukturen erlauben neue Formen der Zusammenarbeit
mit anderen Unternehmen und Kreator:innen. Inhalte können durch
Weiterverkäufe auf Secondary Markets langfristig Einnahmen generieren.
CHRISTIAN SCHIFFER,
Tech-Journalist,
Bayerischer Rundfunk
„Die Chancen liegen darin, sich von zentralisierten Plattformen wie
Facebook unabhängiger zu machen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich
die Frage, wie mit Urheberrechten umgegangen wird, vereinfacht.
Wenn wir beispielsweise über ein Video sprechen, das Fremdmaterial
enthält. Dieses Fremdmaterial ist tokenisiert, es stehen Smart Contracts
dahinter. Dann kann ich es verwenden und es wird im Hintergrund
einfach abgerechnet – ich muss nicht 500 Anfragen stellen.“
Blockchain: fälschungssichere und dezentrale
Datenketten. Auf der Blockchain sind Transaktionen
chronologisch festgehalten sowie Eigentumsrechte
und Handelsbedingungen (Smart Contracts)
festgeschrieben. Die Informationen sind für jede:n abrufbar,
unveränderlich und liegen nicht bei einer zentralen
Instanz wie zum Beispiel auf einem Server.
Smart Contract: Mit Smart Contracts werden
Handelsbedingungen auf einer Blockchain festgelegt.
Es sind Verträge, deren Bedingungen automatisch und
ohne Autorisierung durch eine Person umgesetzt werden.
Zum Beispiel die Auszahlung von 20 Prozent des
Verkaufserlöses an den oder die Urheber:in eines NFTs.
DAO: die Abkürzung für „Dezentralisierte Autonome
Organisation“. Eine DAO funktioniert ohne hierarchisches
Management, ihre Regeln sind im Smart Contract
programmiert. Entscheidungen werden im Konsens-
Prinzip von allen Mitgliedern getroffen.
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:
Medienunternehmen sollten Mitarbeitende schon jetzt mit
den Mechanismen und Konzepten des Web3
vertraut machen und bestehende Use-Cases ausprobieren.
Der nächste Schritt sind kleinere Experimente mit
Web3-Mechaniken und -Technologien, etwa NFTs als
Sammlerobjekte oder Ticketing-Mechanismen.
Mit auf Token basierenden Belohnungssystemen lassen
sich Nutzer:innen ermutigen, personalisierte Werbung zuzulassen,
an Umfragen teilzunehmen, Kommentare
zu verfassen und regelmäßig ein Angebot zu besuchen.
„Es ist wie bei allen
neuen Technologien. Es
muss in den Gewohnheitsmustern
der Menschen
ankommen. Dazu braucht es
viele Education-Formate.
Wo liegen die Risiken von Web3?
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:
Das Web3 ist derzeit relativ unzugänglich und wenig
intuitiv. Nur wer sich mit komplexen Mechanismen
auseinandersetzt und Projekte gut durchdenkt, kann
schädlichen Opportunismus, Angriffe auf
fehlerhafte Smart Contracts und dauerhaft festgehaltene
Verfehlungen vermeiden. Kehrseite der Transparenz
der Web3-Technologien ist die Überwachung der Datenströme,
durch die dezentrale Werbe- und Datenmarktplätze
entstehen könnten. Gefahren durch
Scammer, Kriminelle und Hacker drohen auch im Web3.
BJÖRN JANSEN,
Co-Founder NFTmunich/
24acht, München
PROF. DR. FLORIAN MATTHES,
Informatik, TUM/Co-Founder
Blockchain Bayern
„Dieses komplett freie Konzept
des Web3 ist an vielen Ecken schon
verwundbar. Wenn man sich
nicht umfänglich informiert hat oder
schlampig arbeitet, kann es
sogar sehr gefährlich werden – auch
für das eingesetzte Kapital.“
„Die Strukturen und Funktionen
sind aus Sicht von Nutzern
bisher nicht zu verstehen – und
auch nicht so recht zu nutzen.“
FOTO: ADOBE STOCK
Metaverse: von Neal Stephenson im Roman „Snow
Crash“ Anfang der 1990er geprägter Begriff. Die
Vision einer virtuellen Welt, in der sich Menschen mithilfe
von Virtual-Reality-Brillen als digitale Figuren (Avatare)
bewegen, spielen und arbeiten.
NFT: steht für Non-Fungible Token. Ein einzigartiges,
nicht austauschbares digitales Gut, das auf einer
Blockchain gespeichert ist. Der Token ist der Eigentumsnachweis
für einzelne, digitale Assets wie Kunstwerke
oder Sammelobjekte. Bekannte NFTs sind zum
Beispiel CryptoPunks, Bored Ape Yacht Club und der
erste Tweet von Twitter-Gründer Jack Dorsey.
Kryptowährung: eine digitale Währung, die auf
Basis der Blockchain-Technologie generiert und
gespeichert wird. Die größte und bekannteste Kryptowährung
ist Bitcoin, gefolgt von Ether.
Wallet: eine digitale Geldbörse.
Sie ermöglicht den Kauf von Kryptowährungen
und NFTs und speichert diese.
DR. ANNETTE DOMS
Kunsthistorikerin,
Gründerin xcircle, München
CHRISTIAN SCHIFFER,
Tech-Journalist,
Bayerischer Rundfunk
Ein NFT mit einer schönen
Utility und einer langfristigen
Roadmap ist definitiv für
jedes Medienhaus sinnvoll.
Dadurch kann man die
Leute mit dem Wallet-Thema
vertraut machen und
Aufklärung zur Sicherheit
betreiben. Und man kann
es gleich als Teilnahmezertifikat
für Events kreieren.“
„Die einzelnen Abos im Medienbereich
sind ein riesiges Problem. Ich stehe permanent
vor verschlossenen Türen. Eigentlich wäre die
Logik, einen digitalen Grossisten zu haben, der eine
Plattform bietet und am Ende die Artikel
abrechnet. So was gibt es in der analogen Welt, fehlt
aber im Digitalzeitalter.“
38 39
WEB3-STUDIE
WEB3-STUDIE
Welche Fehler sollte
man vermeiden?
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:
Medienschaffende sollten das Web3 nicht nur als weiteren
Max Haarich,
NFT-Künstler, München
„Man sollte als Medienunternehmen
jetzt
definitiv keine Metaverse-
Dependance eröffnen,
einfach um auch dabei zu
sein. Der Einsatz von
Web3 muss als logische
Notwendigkeit erscheinen
und nicht als
Marketing-Stunt.“
Wann kommt das Web3?
DARIN SIND SICH DIE EXPERT:INNEN EINIG:
Auch wenn die Branche aktuell einen Dämpfer erlebt: Innerhalb
von drei bis fünf Jahren wird das Web3 mit neuen Anwendungen,
Apps und Konzepten zurückkommen und deutlich nutzerfreundlicher
werden. Aktuell sind es vor allem jüngere Nutzer:innen, die
in das neue Web hineinwachsen und dessen Werte und Strukturen
annehmen. Für Medienunternehmen hingegen gilt: die
neue Technik im Blick behalten, vielleicht erste (nicht öffentliche)
Experimente wagen, sinnvolle Partnerschaften durchdenken, aber
keinesfalls den Einstieg übereilen. Denn Web3-Anwendungen
und -Protokolle müssen mittel- bis langfristig sinnvoll sein.
Kanal zur Monetarisierung von Inhalten sehen,
sondern als Möglichkeit für langfristige Kundenbeziehungen
und Community-Aufbau begreifen. Maximale Transparenz
über Ziele und Vorgehensweisen ist dabei essenziell.
Wer völliges Neuland betritt, muss die Möglichkeit des
Scheiterns einräumen. Medienschaffende sollten auf
Synergien mit erfahrenen Akteuren setzen und auf
Alleingänge verzichten. Medienhäuser dagegen müssen
akzeptieren, dass im Web3 andere Regeln gelten
und sie ein Standing im Zweifel neu erarbeiten müssen.
Viele große Web3-Player und Brands sind in kürzester
Zeit entstanden und profitieren von Fans, Community und
„Friends you make along the way“.
CÉCILE SCHNEIDER
Product Lead AI + Automation
Lab, Bayerischer Rundfunk
„Es sollte der Vorteil
demonstriert werden,
den es für die Nutzer:innen
haben wird – oder haben
soll. Das ist das wichtigste
Argument: Es soll
am Ende vor allem den
Nutzern und Nutzerinnen
etwas bringen.“
CÉCILE SCHNEIDER
Product Lead AI + Automation
Lab, Bayerischer Rundfunk
„Oft brauchen solche
Technologien mehrere
Anläufe. KI hat auch schon
mehrere Hypes durchlebt,
bevor sie sich wirklich
durchgesetzt hat. Ich kann mir
gut vorstellen, dass
es im Web3-Bereich auch
so kommen wird.“
„Die Aufgabe der nächsten
drei Jahre steht unter
dem Motto ,Grab the
opportunity‘ und dann
werden wir 2025 das Web3
in seiner Erstform sehen.
Und danach wird es ein
Iterationsprozess und sich
stetig weiterentwickeln.“
CHRISTIAN PFEIFFER,
NFT-Botschafter, Co-Founder
MUC/labs, München
Auf dem Weg ins neue Internet
Alle
Ergebnisse unter
www.xplr-media.com/
WEB 1
STATISCHE
WEBSITES
WEB 2
USER-GENERATED
CONTENT
WEB 3
DEZENTRALISIERUNG
VIA BLOCKCHAIN
Ausblick:
web3-studie
ca. 1990–2005
ca. 2003–heute
seit 2014
Das Web3 wird – das ist die Ansicht zahlreicher Expert:innen – die derzeitigen Konzepte
und Infrastrukturen des World Wide Webs nicht auflösen. Stattdessen werden mit hoher
eBay, Google,
AOL, AltaVista, GeoCities,
MSN, Yahoo
Twitter, Airbnb, Instagram,
WordPress, Facebook, Myspace, WhatsApp,
Wikipedia, YouTube
Polygon, Coinbase, Storj,
Brave, MetaMask, OpenSea,
Uniswap, Foundation
Wahrscheinlichkeit einzelne Aspekte, Technologien und Prozesse des Web3 bestehende
Dienste und Nutzungsmöglichkeiten im bekannten Web erweitern.
FOTOS: ADOBE STOCK, PR (9)
„Aus der Content-Perspektive betrachtet, ist das Metaverse disruptiv
gegenüber allem, was jetzt Medien sind – egal, ob Verlage, Fernsehen,
Radio oder Streaming-Angebote. Denn es schafft neue Erlebnisse
und ein Miteinander. Die alten Medien werden nicht verschwinden, aber sie
werden durch etwas extrem Mächtiges ergänzt.“
HENDRIK HEY,
Founder Welt der Wunder/
MILC, München
40
WEB3-PROJEKTE
WEB3-PROJEKTE
USE-CASES
IM NEUEN WEB
DAS WEB3 HAT DIE MEDIENBRANCHE
ERREICHT. BAYERISCHE PROJEKTE ZEIGEN, WIE SICH
DAS POTENZIAL NUTZEN LÄSST.
Mit
XPLR: MEDIA
in Bavaria
zum eigenen NFT
DIE XPLRers
FOTOS: ADOBE STOCK, KATRIN REICHWALD FÜR XPLR: MEDIA IN BAVARIA
SCHEUKLAPPEN ABNEHMEN UND ERSTE
ERFAHRUNGEN MIT EINER NEUEN
TECHNOLOGIE MACHEN: DAS IST DIE IDEE, DIE HINTER
DER NFT-KOLLEKTION „XPLRERS“ STECKT.
Auf der re:publica 2022 konnten Innovator:innen und Medienschaffende
den NFT-Hype hautnah miterleben und am Stand von XPLR:
MEDIA in Bavaria kostenlos ihr erstes NFT minten.
Die 500 einzigartigen „XPLRers“ sollen einen Vorgeschmack darauf
geben, was mit NFTs – auch in der Medienbranche – möglich
ist. Sie sind nicht nur Sammlerstücke, sondern zugleich Eintrittskarte
zu einer exklusiven Community aus Medienschaffenden, die
die Begeisterung für neue Technologien und das Web3 teilen. Ein
besonderes Goodie: Einige zufällig ausgewählte „XPLRers“ beinhalteten
eine Utility, wie zum Beispiel Konferenztickets, Giveaways
oder kostenlose Abos von bayerischen Medienunternehmen. In
Zukunft nimmt die Community an NFT-Kursen und Meetups mit
Expert:innen teil.
Wegen der guten Resonanz hat es eine Neuauflage des Projekts
auf die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2022 geschafft.
Du willst keine
innovativen Projekte
aus der bayerischen
Medienbranche mehr
verpassen? Mit unserem
Newsletter bleibst
du auf dem Laufenden!
42
43
WEB3-PROJEKTE
WEB3-PROJEKTE
SEVEN.ONE ENTERTAINMENT
GROUP UND BUZZBIRD
INFLUENCER-MARKETING WIRD FÜR DIE SEVEN.ONE
ENTERTAINMENT GROUP IMMER WICHTIGER. DIE PROSIEBENSAT.1-
TOCHTER ERWEITERT IHR PORTFOLIO DURCH DIE ÜBERNAHME
VON BUZZBIRD – UND WILL PIONIER IM METAVERSE WERDEN.
Influencer-
Marketing
im
Metaverse
Seit Juni 2022 gehört die Influencer-Marketing-Agentur Buzzbird vollständig zur Seven.
One Entertainment Group. Das Team um Katharina Frömsdorf, die als Geschäftsführerin
der Seven.One AdFactory auch die Leitung von Buzzbird übernommen hat, hat große
Pläne: Seven.One Entertainment könne nun nicht nur „den ganzen bunten Blumenstrauß
an Social-Media- und Influencer-Marketing aus einer Hand anbieten“, sondern wolle sich
dadurch auch als Pionier im Metaverse platzieren, so Frömsdorf. Aktuell lote Seven.One die
Möglichkeiten aus: „Wir halten beispielsweise das Konzept der virtuellen Influencer:innen
geradezu für prädestiniert für das Metaverse, da sie sich in einem virtuellen Universum
quasi organisch einfügen.“ Die erste hauseigene digitale Influencerin Yuna führt seit Ende
Juli auf Instagram ein fiktives Leben in Berlin. „Wir sammeln mit ihr wertvolle Erfahrungen
und Feedback aus der Community, beides fließt kontinuierlich in ihre Weiterentwicklung
und in ihr Storytelling ein“, erklärt Frömsdorf.
Golden Deers:
eine NFT-
Community für
Mitarbeitende
und Kund:innen
ZUM GOLDENEN HIRSCHEN
DIE WERBEAGENTUR ZUM GOLDENEN HIRSCHEN
BRINGT IHRE EIGENEN NFTS HERAUS.
Einmal Hirsch, immer Hirsch: Das ist die Idee, die hinter der NFT-Kollektion der Werbeagentur
Zum goldenen Hirschen steckt. Das Unternehmen mit einem Sitz in München
verteilt die unverkäuflichen NFTs an alle Mitarbeitenden, wer aus der Firma ausscheidet,
behält es trotzdem. So baut Zum goldenen Hirschen ein Alumni-Netzwerk auf und
bietet gleichzeitig Benefits für Mitarbeitende. Denn die NFTs sind digitale Eintrittskarten
für Firmenevents und ermöglichen Zugang zu einem geschlossenen Discord-Server.
Via Chat können aktuelle und ehemalige Kolleg:innen in Kontakt bleiben und sich
persönlich auf den Firmenevents treffen. Später sollen auch Kund:innen der Agentur
eigene NFTs erhalten. Neben der NFT-Kollektion hat die Agenturgruppe noch weitere
ambitionierte Pläne: Der nächste Schritt ist ein komplett virtueller Agenturauftritt im
Metaverse, weiß Jan Bartens, Digital Creative Director.
FOTOS: ADOBE STOCK, SEVEN.ONE ENTERTAINMENT GROUP, ZUM GOLDENEN HIRSCHEN, LOOPING GROUP
Projektionen von
echten Menschen
im Metaverse
Wie funktioniert ein Markenauftritt in der virtuellen Realität?
Die LOOPING GROUP will gemeinsam mit Unternehmen eine
Antwort finden und stellt dafür das Labor: Mit den LOOPING
Metaverse Solutions entwickelt das Münchner Brand Publishing
House mit weiteren Standorten in Berlin, Hamburg und
London passende Metaverse-Konzepte für Unternehmen –
und setzt diese auch gleich um. Dafür hat sich die LOOPING
GROUP erfahrene Partner an die Seite geholt: Gemeinsam mit
dem italienischen Entwicklerstudio 101 Percent werden in den
Räumen der UnternehmerTUM in München virtuelle Umgebungen
programmiert. Die Innovator:innen der LOOPING GROUP
nutzen dort auch ein Greenscreen-Studio – das brauchen sie für
ihr „Humanverse“. Gregor Becker, Principal LOOPING GROUP
und Strategie-Berater für die LOOPING Metaverse Solutions,
erklärt: „Wir haben bei LOOPING das Humanverse entwickelt:
LOOPING GROUP
FÜR VIELE UNTERNEHMEN IST DAS METAVERSE NOCH IMMER ABSTRAKTE ZUKUNFTSVISION.
DAMIT DAS NICHT SO BLEIBT, UNTERSTÜTZT DIE LOOPING GROUP MIT DEN LOOPING METAVERSE
SOLUTIONS BEIM EINSTIEG INS WEB3 UND BIETET PRAXISERPROBTE VIRTUAL-REALITY-LÖSUNGEN.
eine 3-D-Livestreaming-Technologie, die Menschen in virtuelle
Räume projiziert. Und zwar echte Menschen, keine Avatare.“ Zu
den Kunden, die die LOOPING GROUP bereits mit einer Humanverse-Umsetzung
beauftragt haben, gehört beispielsweise ein
Automobilhersteller: Wer einen Neuwagen kaufen will, konfiguriert
in der VR-Anwendung ein Fahrzeug und spricht mit dem virtuellen
Klon einer Beraterin oder eines Beraters. Daneben arbeitet die
LOOPING GROUP an Digital Twins von Gebäuden in der virtuellen
Realität, mit denen Kunden zum Beispiel digitale Führungen von
Produktionsstätten anbieten können, oder konzipiert virtuelle
Training-Sessions. Becker setzt aufs Humanverse – dass Menschen
via VR-Brille in einer allumfassenden virtuellen Realität ein zweites
Leben führen werden, erwartet er dagegen nicht. Stattdessen würden
wir künftig auf viele verschiedene virtuelle Räume zugreifen:
„Wir werden ein Multiverse sehen, kein Metaverse.“
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WEB3-PROJEKTE
BR NEXT
Auf Zeitreise
im Metaverse
WEB3: TESTE DEIN WISSEN
EIN METAVERSE ALS ORT DER BILDUNG: MIT DER
VIRTUAL-REALITY-INSTALLATION MÜNCHEN 72 ERINNERT DIE
INNOVATIONSABTEILUNG DES BAYERISCHEN
RUNDFUNKS, BR NEXT, AN DIE OLYMPISCHEN SPIELE VON 1972.
Als digitale Avatare und mittels VR-Brillen erleben User:innen beim Projekt München 72
die Geschehnisse rund um die Olympischen Spiele vor rund 50 Jahren. In der digitalen
Welt, die über die Online-Plattform VRChat auch ohne VR-Brille erreichbar ist, taucht man
ein in den Olympiapark, das Stadion und die Unterkünfte der Sportler:innen im Olympiadorf.
Ziel der VR-Installation ist es nicht nur, Interessierte in die damalige Zeit zu versetzen,
sondern auch an die tragischen Ereignisse rund um die Geiselnahme der israelischen
Mannschaft zu erinnern. Auf virtuellen Monitoren laufen Originalaufnahmen der Nachrichten
aus dem Jahr 1972. Ausstellungsstücke und Infotafeln zeigen weitere Hintergründe zur
Geiselnahme und zu den Spielen, die trotz des Terrorakts fortgeführt wurden. Für Projektleiter
Matthias Leitner von BR Next erfüllt die virtuelle Umsetzung eine der Grundideen
der Olympischen Spiele: „Die olympischen Stätten sollten ein Raum für die gemeinsame
Begegnung sein. In unserer Wahrnehmung trifft sich dieser Anspruch mit den Möglichkeiten
moderner Social-VR-Plattformen.“
Die Lösung:
der Begriff für Kryptowährungen,
deren
Wert an den US-Dollar
gebunden ist.
Als Fußballmanager
zu
Bundesliga-NFTs
THE FOOTBALL COMPANY
FANTASY FOOTBALL, METAVERSE UND EIN NFT-MARKTPLATZ: DIE BRÜ-
DER ANTE UND JOSIP KRISTO VEREINEN IN IHRER SMARTPHONE-APP
„THE FOOTBALL CLUB“ GLEICH MEHRERE WEB3-TRENDS.
Die Brüder Ante und Josip Kristo aus München haben bereits Erfahrung mit Spieleentwicklung:
Sie stehen hinter dem Fantasy-Football-Spiel „Kickbase“. Mit ihrem aktuellen
Projekt haben sie sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie wollen Fußball-Fandom und die
Möglichkeiten des Web3 miteinander verbinden und das Metaverse des Fußballs kreieren.
Dafür erschufen sie „The Football Club“ – kurz TFC. Die Anwendung verknüpft das
Bundesliga-Manager-Spiel mit NFTs und führt so neue Sammel- und Tauschaspekte
ein. Nutzer:innen erstellen einen individuellen Avatar, der mit Accessoires und offiziellen
Trikots der Bundesliga-Mannschaften als NFTs ausgestattet werden kann. Nutzer:innen
können die NFTs im Spiel gewinnen oder im Online-Shop kaufen. Auch bei den Profis
trifft das Projekt auf Begeisterung: Namhafte Investoren sind die Bundesliga-Trainer
Robert und Niko Kovac sowie Joshua Kimmich vom FC Bayern München. In Zukunft
sind nicht nur neue Kooperationen mit Sportvereinen geplant, sondern auch mit Lifestyle-Labels
und bekannten Marken abseits des virtuellen Fußballplatzes.
FOTOS: ADOBE STOCK, BR NEXT (2), THE FOOTBALL COMPANY
1. Welche italienische Speise wurde in der ersten dokumentierten Bitcoin-Transaktion im Mai 2010 gekauft?
2. Wie heißt das Fantasy-Football-Spiel, das NFTs und Fußballmanagement verbindet? (Abk.)
3. Wie heißen die berühmten Affen-NFTs, die teilweise für siebenstellige Dollarbeträge gehandelt wurden?
4. Wie heißt das erste große Online-Spiel mit NFT-Comic-Kätzchen zum Züchten und Sammeln?
5. Wie heißen die NFTs der Agentur Zum goldenen Hirschen?
6. Welche New Yorker Tageszeitung hat schon Artikel als NFTs verkauft? (Abk.)
7. Was ist das Akronym zu Non-Fungible Token?
8. Wie nennt man ein digitales Profil oder einen virtuellen Charakter noch?
9. Wie heißt die erste Kryptowährung?
10. Welcher bekannte Tech-Mogul verhalf der Kryptowährung Dogecoin erst zum Durchbruch,
bevor er sie später zum Absturz brachte?
11. Wie nennt man es, wenn ein digitales Kunstwerk in ein NFT umgewandelt wird?
12. Worin sind die eigenen digitalen Assets wie NFTs und Kryptos gespeichert?
13. Wie heißt ein digitaler Vertrag, der auf der Blockchain-Technologie basiert?
14. Welches zentralamerikanische Land führt Bitcoin als offizielle Währung?
Antworten: 1. Pizza 2. TFC 3. Bored Apes 4. CryptoKitties 5. Golden Deers 6. NY Times 7. NFT 8. Avatar
9. Bitcoin 10. Elon Musk 11. Minten 12. Wallet 13. Smart Contract 14. El Salvador
46 47
HELLO
FROM ...
GOOD GAME,
CIPSOFT
DIE SPIELE-
SCHMIEDE
CIPSOFT WIRD
2022 ALS STUDIO
DES JAHRES BEIM
DEUTSCHEN
COMPUTERSPIEL-
PREIS AUS-
GEZEICHNET. WAS
IST DAS ERFOLGS-
GEHEIMNIS DES
REGENSBURGER
ENTWICKLERS?
TEXT
NORA BEYER
FOTOS
SEBASTIAN LOCK
Sie führen seit
Juli 2021 das
Team von CipSoft:
Benjamin Zuckerer
(oben), Ulrich Schlott
(links) und Stephan
Vogler (unten).
Knapp hundert Mitarbeitende,
Jahresumsätze im zweistelligen
Millionenbereich und ein
Online-Spiel, das seit einem
Vierteljahrhundert Dauerbrenner
ist: Der Spieleentwickler CipSoft
ist seit über 20 Jahren in ungebremstem
Höhenflug. Die vier Gründer Stephan
Vogler, Stephan Payer, Ulrich Schlott und
Guido Lübke sind bis heute Gesellschafter
des Unternehmens. Eine Erfolgsgeschichte,
die auf dem Universitätscampus in
Regensburg ihren Anfang nimmt.
Dort kommen die vier Schulfreunde zum
ersten Mal mit dem Internet in Berührung.
„Damals hatte niemand Internet zu
Hause. Das gab es nur an den Universitäten.
1995 gab es zwar schon Spiele über
das Internet, aber das waren ausschließlich
textbasierte, sogenannte Multi User Dungeons.
Wir dachten uns: Eigentlich kann
man das viel besser machen“, erinnert sich
Stephan Vogler, einer der Gründer und Geschäftsführer.
Gesagt, getan. „Wir hatten
die Vision, ein Spiel zu entwickeln, das
nicht nur grafisch was hermacht, sondern
auch auf der ganzen Welt gespielt werden
kann.“ Die Freunde beginnen, an ihrer Idee
zu arbeiten. Titel des Projekts: „Tibia“, ein
Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel
(MMORPG). „,Tibia‘ ist 1997 an den Start gegangen
– an einem Lehrstuhlrechner“, sagt
Vogler. Am Ende des Studiums sind so
viele Spieler:innen online, dass die vier erkennen:
„Da könnten wir mehr daraus machen.“
Stephan Vogler erzählt: „2000/2001
war die New Economy gerade groß, da war
das Umfeld entsprechend ermutigend
und wir haben kurzerhand eine Firma gegründet.“
Ein Steilstart: „Kurz darauf haben
uns die Spieler:innen die Bude eingerannt.
Wir waren nur damit beschäftigt, Leute
einzustellen und mehr Server für ‚Tibia‘
aufzustellen.“ CipSoft, so Vogler, gibt es bis
heute vor allem aufgrund des enormen
Erfolgs von „Tibia“.
Games-Dauerbrenner
made in Bavaria
Inzwischen ist „Tibia“ eines der ältesten
und erfolgreichsten MMORPGs weltweit.
„Wir haben nie den Glauben an das Projekt
verloren und hatten immer Bock darauf,
es weiterzuentwickeln und besser zu machen“,
meint Stephan Vogler.
Großgeschrieben wird dabei der Community-Kontakt:
„Wir haben schnell realisiert,
Raum für Kreativität:
CipSoft bietet den
Mitarbeitenden
Quellen der Inspiration
in den eigenen
Hallen – inklusive
Retro-Charme.
48 49
REGENSBURG
ALS STAND-
ORTVORTEIL:
„HIER KOMMT
MAN AN
UNS NICHT
VORBEI“
wie wichtig es ist, auf unsere Spieler:innen
zu hören. Wir geben uns viel Mühe, zuzuhören
und umzusetzen, was gewünscht
wird.“ Das schlägt sich in den Zahlen
nieder. Zwar waren gerade die Pandemiejahre
2020 und 2021 in finanzieller
Hinsicht Rekordjahre für CipSoft, wie für
viele andere Spielestudios auch. „Aber wir
hatten auch schon vor Corona Spieler-Rekorde,
die damit zusammenhängen, dass
wir Probleme gelöst und Dinge verbessert
haben, die der Community wichtig waren“,
meint Vogler.
CipSoft setzt auf soziales
Engagement
Die Community steht bei CipSoft nicht
nur in-game an erster Stelle. CipSoft ist
unabhängig von äußeren Kapitalgebern
und fährt eine Firmenpolitik, die soziale
Verantwortung nach innen wie nach
außen großschreibt. 2020 unterstützt
CipSoft verschiedene Organisationen und
Einrichtungen, die sich im Kampf gegen
das Coronavirus engagieren. Im Zuge
der Pandemie werden Essensspenden
an Regensburger Institutionen aus dem
Gesundheits- und Pflegesektor organisiert.
Ein lokaler Konditor backt zum
Ulrich Schlott (links)
und Stephan Vogler
(rechts) kennen
sich noch aus der
Schulzeit. Benjamin
Zuckerer (Mitte) stieß
nach zehn Jahren
als Produktmanager
zur Geschäftsführung.
Beispiel im Auftrag von CipSoft Kuchen
für die Mitarbeitenden des Roten Kreuzes.
In dieser Zeit gehen 365.000 Euro an
gemeinnützige Organisationen wie die
WHO oder Ärzte ohne Grenzen.
2022 spendet CipSoft 50.000 Euro, die
Summe, die es als Gewinner des Deutschen
Computerspielpreises erhält, an
ukrainische Kriegsflüchtlinge. Für Vogler
eine Selbstverständlichkeit: „Wir profitieren
von unserem Umfeld und der
Gesellschaft. Da möchten wir auch was
zurückgeben.“
Spieleentwickler: „Haben
eine Verantwortung, die Welt
besser zu machen“
Auch die Belegschaft profitiert vom sozialen
Verantwortungsbewusstsein und
der modernen Ausrichtung, die CipSoft
der Branche vorlebt: flexible Arbeitszeiten,
ein Verbot, Überstunden zu sammeln,
Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
die Möglichkeit zu Remote Work, ein
persönliches Weiterbildungsbudget und
seit 2021 die Möglichkeit, 20 Prozent der
Arbeitszeit dafür zu verwenden, eigene
Spielideen umzusetzen.
CipSoft stellt den Menschen ins Zentrum
– und beteiligt die Mitarbeitenden
direkt am Erfolg des Unternehmens.
Stephan Vogler erzählt: „Ein Viertel der
Gewinne, die in einem Jahr gemacht
werden, werden an die Mitarbeitenden
ausgeschüttet.“ Das mache in jedem
Jahr mindestens zwei Monatsgehälter
aus. In den Rekordjahren 2020 und 2021
entsprach die Erfolgsbeteiligung sogar
einem ganzen zusätzlichen Jahresgehalt.
„Wenn wir erfolgreich sind als Unternehmen,
dann möchten wir auch, dass
unsere Mitarbeitenden an diesem Erfolg
teilhaben. Als Unternehmer hat man eine
Verantwortung, die Welt eher besser
werden zu lassen und nicht schlechter.“
Games in Bayern:
viel Durchstart-Potenzial
Die bayerische Videospiel-Landschaft
wird immer vielfältiger, findet Stephan
Vogler: „In den letzten Jahren hat sich
einiges getan. Gerade im Indie-Bereich
hat sich eine große Szene entwickelt.“
Knapp 100 Mitarbeitende
finden in den
Büros von CipSoft
in Regensburg Platz.
HELLO
FROM ...
CipSoft hat gute Gründe für den Standort
Regensburg: „Klar, im Gegensatz zu
München, Hamburg oder Berlin sind wir
etwas ab vom Schuss. Aber das ist auch
eine Stärke. Wenn sich jemand in Ostbayern
für Spieleentwicklung interessiert
und sein Hobby zum Beruf machen will,
kommt er an uns nicht vorbei. Die hohe
Lebensqualität in der Stadt und das
Hochschulumfeld, aus dem viele unserer
Mitarbeitenden kommen, sind sehr gut.“
Konzeptzeichnungen
und Artworks zei -
gen, wie Spielfiguren
und immersive
Games-Welten bei
CipSoft entstehen.
50 51
MARKETTE
NEWCOMER
DIESE BAYERISCHEN
STARTUPS SIND AUF DER
ÜBERHOLSPUR.
@summ
Schnell, kostengünstig und unkompliziert
zu Leichter Sprache: Das Münchner Startup
Summ macht es möglich. Eine innovative
KI-Lösung übersetzt komplexe Sätze
und Texte in Leichte Sprache. Mit nur
einem Klick können Behörden, Unternehmen
und Organisationen ihre Webseiten
und Inhalte damit barrierefrei gestalten.
So können auch Menschen mit Demenz,
Lesebehinderung oder Lernschwierigkeiten
sowie Personen, die wenig Deutsch
sprechen, alle Informationen verstehen.
TEXT
IN DER
MEDIENBRANCHE
LENA KAESS UND
DINO MEDIC
FOTOS: SUMM, JUSTT, STUDIO WINDSOCKE, LESIDO, KERTOS; ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/DENIS NOVIKOV
@justt
Eine neue Plattform für Qualitätsinhalte:
Ein deutsch-internationales Team aus
Content-Spezialist:innen, Designer:innen
und Coder:innen mit Sitz in München sagt
Manipulation und Fake News den Kampf an.
Mithilfe von KI und auf Relevanz getrimmten
Algorithmen bringt Justt Verlage, selbstständige
Journalist:innen, Blogger:innen und
Nutzer:innen aus aller Welt zusammen und
verbreitet hochwertige Inhalte mit der Power
von Social Media. Das Besondere: Creator
und Publisher profitieren beide und ein intuitives
Design macht die Plattform besonders
nutzerfreundlich.
@lesido
Lesido ist die erste digitale Kinderbuch-Bibliothek, bei der Familienmitglieder
auch aus der Ferne und per Videoanruf vorlesen können.
Über 100 digitale Bilderbücher und Erstlesebücher stehen schon
jetzt zur Verfügung, die Bibliothek wächst stetig. Hinter der App
steckt das gleichnamige Münchner Startup mit den Geschäftsführer:innen
Janina Jauch und Peter Frank.
UNTER
DEM RADAR
@studio windsocke
Der Spieleentwickler Studio Windsocke wurde von vier Absolvent:innen
der Universität Bayreuth gegründet. Mit ihrem Indie-
Game „Passing By“, einem Mix aus 2-D-Platformer-, Puzzle- und
Sur vival-Game, räumten sie bereits mehrere Preise ab. Dieser
besondere Genre-Mix gewann den Ubisoft Newcomer Award 2021
und die Nachwuchs-Auszeichnung als „Bester Prototyp“ beim
Deutschen Computerspielpreis 2021.
@kertos
Das Münchner Startup Kertos will effizienteren
Datenschutz möglich machen. Die Idee:
ein System, das personenbezogene Daten
DSGVO-konform verwaltet. Die Software
enthält automatisierte Lösungen für Website-Betreiber:innen,
um Datenschutzbestimmungen
umzusetzen. Die Anwendung bietet
eine Übersicht, wie die Daten verarbeitet
werden. Ebenso lassen sich Betroffenenrechte
durchsetzen, wie die Löschung personenbezogener
Daten.
52 53
NEUES AUS DER BRANCHE
NEUES AUS DER BRANCHE
DER BAYERISCHE FERNSEHPREIS WIRD IN ZUKUNFT
ALS „BLAUER PANTHER – TV & STREAMING
AWARD“ VERLIEHEN. AUSSPIELWEGE, PRODUKTION UND
DIGITALSTRATEGIE ZEUGEN VOM WILLEN,
EINEN ZUKUNFTSFESTEN PREIS ZU SCHAFFEN.
Die TV- und Filmbranche
erlebt seit dem Eintritt von
Streamern in den Markt
einen umfassenden Wandel.
Diese Entwicklung soll
sich in Zukunft auch im Bayerischen Fernsehpreis
widerspiegeln. Die Auszeichnung
wurde 2022 umfassend überarbeitet und
wird am 19. Oktober als „Blauer Panther –
TV & Streaming Award“ verliehen.
„Wir wollen den Preis moderner, agiler
und zeitgemäßer gestalten“, bestätigt
Nina Etspüler. Sie ist Mitgeschäftsführerin
TEXT NINA BRANDTNER
bei der Produktionsfirma i&u TV, die Teil
der Münchner LEONINE Studios ist und
mit der Produktion des neuen Preises
betraut wurde. „Trotzdem wollen wir das
Traditionsreiche und die Menschen, die
den Preis bisher gut fanden, nicht verschrecken.
An jeder Schlüsselstelle geht
es darum, wie wir Tradition mit Zukunft
verbinden können.“
Den Grundstein dafür haben Träger, Förderer
und Organisatoren gelegt: Erstmals
öffnet sich der Preis außer für TV-Produktionen
auch für deutsche Produk-
tionen von Streaming-Anbietern sowie
für Bewegtbildformate von deutschen
Web-Creatoren für Online-Plattformen. In
den vier Kategorien Information/Journalismus,
Fiktion, Entertainment und Kultur/
Bildung können bundesweit Produktionen
und Personen ausgezeichnet
werden. Dass der Award alle Formate und
Ausspielwege in den Blick nimmt, spielt
der Vision der Verantwortlichen in die
Hände: den Blauen Panther als zentralen
Preis der deutschen TV- und Streaming-
Branche zu etablieren.
FOTOS: PAVEL LOSEVSKY, LEONINE STUDIOS
Mit modernem Setbau zum
neuen Award
Der inhaltlichen Neuausrichtung folgen
Konsequenzen in der Umsetzung. Als
Location für die Preisverleihung habe
man einen Ort gewählt, an dem Tradition
und Zukunft aufeinandertreffen: das
Auditorium der BMW Welt in München.
Innovation hält auch im Setbau Einzug:
„Wir wollen weg von: Vorne ist eine Bühne,
davor sitzt ein Publikum und schaut
zu“, sagt Etspüler. Stattdessen steht die
Bühne, ausgestattet mit einem Cube, der
auf allen Seiten mit LEDs bestückt ist,
im Zentrum der Location. „Das fühlt sich
sehr modern an, so, wie wir heute Medien
rezipieren. Die Bespielung kommt aus
verschiedenen Ecken.“
Um die klassische Inszenierung noch weiter
aufzubrechen, hat i&u TV in Zusammenarbeit
mit dem künstlerischen Leiter
der Award-Show, Stephan Reichenberger,
ein neues Format entwickelt. Nina Etspüler
erklärt: „Wir werden mit Talkrunden
mit den Nominierten, Moderator:innen
und Fans eine Art Genrehybrid aufsetzen.
Wir wollen die Jüngeren mit den Älteren
verbinden und so die große Medienfamilie
erzählen.“
Publikumsvotings für
„Beliebtester Film“ und
„Beliebteste Serie“
Moderiert werden die Talkrunden, wie
auch der Rest der Preisverleihung, von
Katrin Müller-Hohenstein und Tobias Krell,
bei vielen bekannt als Checker Tobi. Sein
Engagement soll, neben anderen Faktoren,
auf eine neue, erweiterte Zielgruppe
einzahlen. Denn während man die ältere
Generation gut über die Ausstrahlung
im Bayerischen Fernsehen (BR) erreiche,
habe man bei jungen Menschen keinen
Fuß in der Tür. „Es ist unser großer Antrieb,
auch wieder jüngere Zuschauer:in-
„An jeder
Schlüsselstelle geht
es darum,
wie wir Tradition
mit Zukunft
verbinden können.“
NINA ETSPÜLER
nen für diesen Preis zu begeistern“, bekräftigt
Etspüler. „Die Jury hat großartige
Arbeit geleistet, indem sie eine tolle Bandbreite
an Nominierten gefunden hat.“
Ein weiterer Hebel dafür ist das Publikumsvoting.
Zum ersten Mal können
Zuschauer:innen im Vorhinein online ihre
Stimme für den „Beliebtesten Film“ und
die „Beliebteste Serie“ abgeben. „Wir
wollen diesen Preis nicht nur für eine
lineare Ausstrahlung produzieren. Wir
wollen Zuschauer:innen finden, die in
der digitalen Welt unterwegs sind, und
sie für die Ausstrahlung am 19. Oktober
gewinnen“, so Etspüler.
Umfassende Online-
Strategie soll junge Zielgruppen
erreichen
Das Publikumsvoting ist eingebettet in
eine Digitalstrategie, die erstmals einen
eigenen Online-Auftritt und die Präsenz
auf Social-Media-Plattformen beinhaltet.
Schon in den Monaten vor der Preisverleihung
sind dort Clips der Nominierten und
Blicke hinter die Kulissen abrufbar und
führen auf die Veranstaltung hin.
Wenn der „Blaue Panther – TV & Streaming
Award“ im Oktober vergeben wird,
tritt an die Seite der 90-minütigen Show
im BR ein Stream. Auf der Website des
Blauen Panther und den Plattformen der
Träger werden die Preisverleihung, aber
auch Vorberichte vom roten Teppich zu
sehen sein. „Wir profitieren dabei von
den vielen Trägern des Preises, die die
Möglichkeit haben, ihn über ihre Ausspielwege
zu zeigen“, erklärt Etspüler.
Vor Ort in der BMW Welt trifft die Verleihung
auf ein anderes Großevent der bayerischen
Medienbranche: die Nacht der
Medien der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
Zufall ist das keiner, wie Nina Etspüler
sagt: „Uns war relativ schnell klar, dass es
eine wahnsinnig gute Synergie wäre, den
Preis mit den MEDIENTAGEN zusammenzulegen.“
So könne man zusätzlich
Gäste aus der TV-, Streaming- und
Medienbranche mit dem klassischen
Award-Publikum vernetzen. „Das wird
ein großartiger Abend, um die Medien in
Bayern zu feiern.“
BLAUER PANTHER
Organisator und Veranstalter:
Medien.Bayern GmbH
Träger: Bayerische Landeszentrale
für neue Medien (BLM),
Bayerischer Rundfunk (BR),
Google Germany GmbH,
Prime Video, RTL Deutschland, Seven.
One Entertainment Group GmbH,
Sky Deutschland und ZDF/3sat
Gefördert von: Bayerische
Staatskanzlei und Bayerisches
Staatsministerium für Digitales
Preisverleihung: 19. Oktober 2022 in
der BMW Welt München
Kategorien: Information/Journalismus,
Fiktion, Entertainment
und Kultur/Bildung
Publikumspreise: Beliebtester Film,
Beliebteste Serie
54 55
MARKETTE
BRAUCHT ES EINE
POLIZEI
IM METAVERSE?
TEXT
MARTIN HAASE
CYBERCRIME
NIMMT ZU: LAUT
BUNDESKRIMINALAMT
GAB ES IM JAHR 2021
ZWÖLF PROZENT MEHR
ATTACKEN IM WEB ALS
IM JAHR ZUVOR, NICHT MAL
JEDER DRITTE FALL WIRD
AUFGEKLÄRT. CYBERCRIME-
EXPERTE CEM KARAKAYA
UND JOURNALISTIN TINA GROLL
SPRECHEN ÜBER NEUE RISIKEN
IM METAVERSE ̶ UND OB EINE
DIGITALE POLIZEI FÜR MEHR
SICHERHEIT SORGEN KANN.
FOTO: KAY BLASCHKE
Frau Groll, Herr Karakaya, welche
Gefahren lauern im Metaverse?
Cem Karakaya: Die Menschen
denken, im digitalen Raum seien sie
anonym. Im Metaverse könnte das
eine neue Dimension annehmen:
Vielleicht machen sie dort Dinge, die
sie in der realen Welt nicht tun
würden. Im virtuellen Raum gibt es
das Tatortprinzip nicht. Das heißt zum
Beispiel: Ein Opfer lebt in Deutschland,
der Server steht in China und
der oder die Täter:in sitzt in Russland.
Das führt zu einer entscheidenden
Frage, die noch geklärt werden muss:
Gilt der Tatbestand dort genauso wie
in Deutschland und führt er zu der
gleichen Strafe? Für digitale Welten
braucht es klare Regeln, die für jedes
Land und jeden Menschen gelten.
Tina Groll: Es gibt immer wieder
neue Phänomene. Meint man, eine
Betrugsmasche gut im Griff zu
haben, gibt es schon die nächste
Variante. Wie erfinderisch Betrüger:innen
im Netz sind, hat zum
Beispiel der Fall mit Franziska Giffey
und dem falschen Vitali Klitschko
gezeigt. Deepfakes sind nur ein
Beispiel für technische Möglichkeiten,
auf die man vorbereitet sein sollte.
„Deepfakes
sind nur ein
Beispiel für
technische
Möglichkeiten,
auf die man
vorbereitet sein
sollte.“
TINA GROLL,
JOURNALISTIN
„Für digitale
Welten
braucht es
klare Regeln,
die für jedes
Land und jeden
Menschen
gelten.“
DISKUSSION
Wie kann das Netz sicherer werden?
Karakaya: Wenn wir zum Beispiel
kritische Infrastruktur wie die
Energieversorgung digitalisieren
wollen, müssen wir immer an die
Menschen denken, die sie nutzen:
Sind die Nutzer:innen dafür bereit,
kennen sie die Risiken im Umgang
mit den digitalen Systemen und
haben sie ausreichend Schutzmaßnahmen
getroffen? Wer diese drei
CEM KARAKAYA,
CYBERCRIME-EXPERTE
Fragen mit Ja beantwortet, ist gut
geschützt. Das ist aber meist nicht der
Fall. Der Computer rechnet mit allem,
aber nicht mit den Benutzer:innen.
Wie unterscheiden sich die Risiken von Nicht die Technologie ist gefährlich,
denen in sozialen Medien heute?
sondern der Mensch, der sie nutzt.
Karakaya: Im Metaverse lassen sich
Ich brauche heute nur Namen,
theoretisch Bewegungsprofile
Geburtsdatum und Anschrift. Diese
erstellen. Wo gehe ich lang, welche
Daten gebe ich in ein Programm und
Dinge schaue ich mir wie lange an?
erhalte einen Ordner voller Daten:
Das sind noch mehr Daten, die sich
mit Bildern, Videos und Meinungsbeiträgen.
Das ist besonders heikel
wiederum für Algorithmen nutzen
lassen: Big Data weiß mehr über
für Kinder und Jugendliche.
die Leute, als sie selbst über sich
wissen. Grundsätzlich gilt: Wenn Sie
ein Produkt nicht bezahlen, bezahlen
Sie mit Ihren persönlichen Daten.
Die technische Entwicklung ist so
schnell, dass die Verabschiedung
von Gesetzen hinterherhinkt. Bis das
passiert, haben Betrüger:innen ihre
Methoden mehrfach verändert.
Aber auch moralische Grundsätze
entwickeln sich mit Verzögerung.
Die Expert:innen
Wir sprechen erst dann darüber,
Cem Karakaya arbeitet bei
welche Bilder in sozialen Medien
der Polizei München im Bereich
Prävention und Cybercrime.
geteilt werden dürfen, wenn
anstößige Inhalte verbreitet
Nebenberuflich leitet er das Beratungsunternehmen
Blackstone432,
werden.
Bei allen Risiken sollte man
aber nicht vergessen, dass
das Schüler:innen, Unternehmen und
neue Medien den Menschen
auch helfen
bilisiert: von Sexualdelikten über Hacking
Privatpersonen für Risiken im Netz sensi-
können. Soziale Medien
bis hin zu Haftungsrisiken im Influencer-Marketing.
ZEIT-Journalistin Tina Groll ist Teil des
ermöglichen einen
Austausch, wo er
Referent:innen-Netzwerks von Blackstone432.
unterdrückt wird,
Sie wurde Opfer von Identitätsmissbrauch und
wie in Ländern mit
erklärt, wie Nutzer:innen im Netz mit persönlichen
starker Zensur.
Daten umgehen sollten.
57
MARKETTE
DISKUSSION
Sie sind die Entscheidungsträger:innen
von morgen. Daten lassen sich
manipulieren, zudem kann ich die
Personen erpressen.
Tina Groll, Sie mussten am eigenen
Leib erfahren, dass Cybercrime ein
ernst zu nehmendes Problem ist. Ihnen
wurde die Identität gestohlen.
Groll: Mir wurde nicht nur die Identität
gestohlen, ich wurde auch Opfer
von Identitätsmissbrauch.
Das sind zwei unterschiedliche
Sachen. Den Diebstahl merkt man
oft nicht, bis massiver Missbrauch
damit betrieben wird.
In meinem Fall hatten die Betrüger:innen
nur meinen Namen und
mein Geburtsdatum – das reichte
schon aus, um meine Identität in
Hunderten von Fällen für Warenkreditbetrug
zu nutzen. Es lagen Haftbefehle
gegen mich vor, ich stand im
Schuldnerregister, ich wurde
polizeilich und behördlich gesucht.
Das habe ich erst ein Jahr später
bemerkt, als die ersten Mahnschreiben
kamen. Das war echt die Hölle.
Wie können sich Privatpersonen vor
solchen Übergriffen schützen?
Groll: Das eigene Nutzungsverhalten
so datensparsam wie möglich
gestalten. Übertriebene Angst und
Vorsicht sind im Zeitalter der Digitalisierung
zwar fehl am Platz: Nutzer:innen
sollten sich aber immer die
Frage stellen, warum ein Unternehmen
bestimmte Daten braucht.
Außerdem sollte jeder eine Firewall
installieren, sich mit Zwei-Faktor-Authentifizierung
einloggen und im
Idealfall einen Passwort-Manager
nutzen. Oder zumindest sehr lange,
kryptische Passwörter festlegen.
Karakaya: Datensparsamkeit ist
wichtig. Ansonsten immer die
Software aktuell halten und daran
denken: Nicht nur Computer und
Smartphone müssen aktualisiert
„Die Leute
dürfen nicht
zu der
Auffassung
kommen,
dass sie in
digitalen
Welten eher
straffrei
wegkommen
als in der Welt,
in der wir
uns körperlich
bewegen.“
CEM KARAKAYA,
CYBERCRIME-EXPERTE
werden, sondern auch der Smart TV,
die Webcams und das Babyphone.
Braucht es eine Polizei im Metaverse?
Karakaya: Ja und nein. Nein, weil
Straftaten wie Beleidigung, Bedrohung
oder Erpressung bei der Polizei
angezeigt werden können. Das gilt
jetzt schon, dafür braucht es nicht
unbedingt eine Polizei im Metaverse.
Für die Prävention kann das aber helfen.
Im Metaverse würden sich
Personen zum Beispiel mit Belästigungen
eher zurückhalten, wenn sie
jemanden in Uniform sähen. Sie
steigen auch in der Fußgängerzone
nicht aufs Fahrrad, wenn Sie dort
einen Polizisten oder eine Polizistin
sehen. Die Leute dürfen nicht zu der
Auffassung kommen, dass sie in
digitalen Welten eher straffrei
wegkommen als in der Welt, in der
wir uns körperlich bewegen.
Das muss aber gut umgesetzt
werden. Dafür braucht es mehr
Befugnisse für die Polizei. Heute
haben wir Cybercrime-Dezernate.
Dort arbeiten Beamt:innen, die IT
studiert haben. Die wissen zum
Beispiel, wie sie digital Spuren sichern.
Sie haben auch alle technischen
Mittel, um Täter:innen zu finden. Sie
könnten zum Beispiel Smartphones
orten – dürfen es aber nicht immer.
Groll: Grundsätzlich ist das Metaverse
eine faszinierende Vision. Es
muss aber Regeln geben, da wird
staatliche Regulierung notwendig.
Und wenn eine solche Welt von
Konzernen geschaffen wird und den
nationalstaatlichen Raum verlässt,
muss das neu verhandelt werden.
Ich persönlich will nicht ständig
Warnungen aussprechen, sondern
bin sehr zuversichtlich, dass die
Menschheit es schaffen wird,
Innovationen so zu entwickeln, dass
wir gut damit leben können.
IMPRESSUM
Herausgeber
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Redaktion: Nina Brandtner,
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Am Medienstandort Bayern.
Lebe
-rkäse
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