19.10.2022 Aufrufe

Wir Steirer - Feldbach

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

NACHGEFRAGT<br />

Seite<br />

9<br />

Das Magazin „<strong>Wir</strong> <strong>Steirer</strong>“ im Gespräch mit einer Elementarpädagogin,<br />

um aus erster Hand die vielseitigen Problemstellungen<br />

in Erfahrung zu bringen.<br />

gels eine Reihe an Betreuungsplätzen<br />

aufrechterhalten werden.<br />

Fokus auf familieninterne<br />

Kinderbetreuung<br />

Ein weiterer Ansatz wäre der stärkere<br />

Fokus auf familieninterne Kinderbetreuung.<br />

Immerhin würden viele Eltern der<br />

Erziehungsarbeit nur allzu gerne selbst<br />

in den eigenen vier Wänden nachgehen,<br />

wenn sie sich die selbstständige Betreuung<br />

leisten könnten. Würde man dem<br />

individuellen Wunsch von Eltern auch<br />

entsprechend nachkommen und die<br />

familieninterne Kinderbetreuung ebenso<br />

unterstützen wie die institutionelle, so<br />

ließen sich vielzählige Betreuungsprobleme<br />

einfach lösen.<br />

Die Versäumnisse der steirischen Landesregierung<br />

wiegen jedenfalls schwer. Es<br />

braucht nun effektive und rasche Lösungen<br />

sowie definitiv mehr Engagement<br />

für diesen gesellschaftlich so wichtigen<br />

Bereich. Nicht nur ÖVP-Bildungslandesrat<br />

Werner Amon ist gefordert, auch Landeshauptmann<br />

Christopher Drexler muss<br />

die Elementarpädagogik ganz oben auf<br />

die politische Agenda setzen. Weitere<br />

Gruppenschließungen und Verschlechterungen<br />

der Betreuungsqualität gilt es<br />

tunlichst zu verhindern, ansonsten droht<br />

ein elementarpädagogischer Kollaps.<br />

<strong>Wir</strong> <strong>Steirer</strong>: Der akute Personalmangel<br />

im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen<br />

dominiert seit Monaten<br />

die Landespolitik. Wo sehen Sie als<br />

Elementarpädagogin den größten<br />

Handlungsbedarf?<br />

Sabrina B.: Pädagoginnen haben<br />

bereits vor Jahren – mit Unterstützung<br />

von Vertretern verschiedener<br />

Initiativen – auf Möglichkeiten zur<br />

Aufwertung der Elementarpädagogik<br />

hingewiesen. Leider haben sich weder<br />

die Rahmenbedingungen noch die<br />

Gehälter verbessert. Nun ist eingetroffen,<br />

wovor wir gewarnt haben: Es fehlt<br />

an Personal und Einrichtungen müssen<br />

die Öffnungszeiten von Gruppen kürzen<br />

oder einzelne Gruppen komplett<br />

schließen. In den meisten Kindergärten<br />

und -krippen arbeiten Pädagoginnen<br />

und Betreuerinnen am Limit, weil<br />

es keine Vertretungen für Krankenstände<br />

oder Urlaube gibt. Auch Eltern<br />

sind mittlerweile vom Personalmangel<br />

betroffen, weil sie den Betreuungsplatz<br />

für ihr Kind verlieren. Die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie erleidet aktuell<br />

einen herben Rückschlag. Die Politik<br />

hat hier völlig versagt.<br />

<strong>Wir</strong> <strong>Steirer</strong>: Welche Sofortmaßnahmen<br />

wären aus Ihrer Sicht umgehend<br />

notwendig, um die Situation zu<br />

verbessern?<br />

Sabrina B.: Als Pädagogin ist es meine<br />

Aufgabe, Kinder in ihrer Entwicklung<br />

bestmöglich zu unterstützen und zu<br />

begleiten. Neben der unmittelbaren<br />

Arbeit mit Kindern ist es notwendig,<br />

dass wir beobachten, dokumentieren,<br />

reflektieren und Elterngespräche führen.<br />

Wie aber soll das funktionieren,<br />

wenn eine Pädagogin gemeinsam mit<br />

einer Betreuerin im Kindergarten für<br />

bis zu 27 Kinder verantwortlich ist? Der<br />

Personal-Kind-Schlüssel muss daher<br />

dringend angepasst werden, um qualitativ<br />

hochwertige Arbeit sicherstellen<br />

zu können. Kinderbildungs- und<br />

-betreuungseinrichtungen stellen die<br />

Basis der Entwicklung eines Kindes<br />

sicher, das sollte auch entsprechend<br />

entlohnt werden. Umso ärgerlicher ist<br />

es, dass nur Neueinsteigerinnen mit<br />

einem Bonus von 15.000 Euro belohnt<br />

werden und bestehendes Personal<br />

leer ausgeht. Gerade erfahrene und<br />

bereits länger im Dienst stehende<br />

Pädagoginnen waren es, die mit Zusatzdiensten<br />

und freiwilligen Verpflichtungen<br />

einen früheren Kollaps des<br />

Systems verhindert haben. Sie erhalten<br />

aber keine Prämie. Das sorgt freilich<br />

für Ärger und Frust.<br />

<strong>Wir</strong> <strong>Steirer</strong>: Wo sehen Sie die langfristig<br />

größten Hürden für die steirische<br />

Betreuungslandschaft?<br />

Sabrina B.: Ich denke, dass es langfristig<br />

nicht genügend Betreuungsplätze<br />

geben wird. Wiewohl stetig<br />

neue Einrichtungen eröffnet werden,<br />

mangelt es am Personal. Die Entwicklung<br />

in den letzten Jahren hat gezeigt,<br />

dass die Politik nicht dazu bereit ist, in<br />

die Qualität der Elementarpädagogik<br />

zu investieren. Das sind schlechte<br />

Vorzeichen für die positive Bewerbung<br />

eines attraktiven Berufs. Hier braucht<br />

es dringend ein Umdenken. Schließlich<br />

werden in den ersten Lebensjahren<br />

eines Kindes die Weichen für die<br />

weitere Entwicklung gestellt. Eltern<br />

vertrauen uns ihre Kinder an, aber wir<br />

Pädagoginnen haben mehr und mehr<br />

das Gefühl, nur noch „Aufbewahrungsstätte“<br />

anstatt Bildungs- und Betreuungseinrichtung<br />

zu sein.<br />

<strong>Wir</strong> <strong>Steirer</strong>: Vielen Dank für<br />

das Gespräch!<br />

Hinweis: Name von der Redaktion geändert

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!