WortWECHSEL_1_2020
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Lebenshilfe Celle
Politisches Thema
#UNsichtbar –
Menschen mit Beeinträchgung wieder nicht mitgedacht
In der Corona-Pandemie erlebten alle, wie es ist,
wenn das gesellschaliche Leben eingeschränkt
ist. Mal eben ins Kino? Nicht möglich. Kaffee
und Kuchen im Café um die Ecke genießen? Kein
geeigneter Sitzbereich vorhanden. Für Menschen
mit Beeinträchgung ist das o Alltag; in vielen
Bereichen werden sie durch Barrieren behindert
und in ihrer Freiheit eingeschränkt.
Dass Inklusion noch lange nicht erreicht ist und
Barrierefreiheit selten mitgedacht wird, zeigt
sich gerade umso mehr. Wichge Informaonen
über die Pandemie sind o nicht barrierefrei.
Im öffentlichen Diskurs werden Menschen mit
Beeinträchgung zudem o nicht als vollwerge
(und produkve!) Mitglieder der Gesellscha
gesehen, sondern als schutzbedürig oder sogar
„krank“. Das steht im direkten Gegensatz zu
der selbstbesmmten Teilhabe und Inklusion,
wie sie in der UN-Behindertenrechtskonvenon
(UN-BRK) gefordert wird.
Große finanzielle Unsicherheit
Werkstäen für Menschen mit Beeinträchgung
in Niedersachsen konnten seit dem 18. März
aufgrund von Betretungs- und Beschäi gungsverboten
ihre Produkon gar nicht oder nur kaum
aufrechterhalten. Erst ab dem 25. Mai, trat eine
schriweise Lockerung des Betretungsverbots
in Kra und die ersten Beschäigten konnten
ab dem 2. Juni unter strengen Auflagen und
Kontrollen zurück in die Celler Werkstäen
kommen. Um während dieser langen Ausfallzeit
die Entgelte für die dort beschäigten Menschen
weiter zahlen zu können, müssen Werkstäen
auf gesetzmäßige Rücklagen zurückgreifen. Es
ist zurzeit auch noch völlig unklar, wann wirklich
alle Beschäigten wieder an ihren Arbeitsplatz
zurückkehren dürfen. Ein Lohnausgleich nach
§ 56 Infekonsschutzgesetz wurde von den zuständigen
Behörden für Werksta-Beschäigte
abgelehnt. Ein Ausfall der Entgelte würde für
die betroffenen Menschen jedoch schon bald zu
großen finanziellen Problemen führen.
Anm. d. Red.: Das Bundeskabinett hat am 17. Juni
angekündigt, 70 Mio. Euro als Kompensation
etwaig anfallender Entgelte zur Verfügung zu
stellen. Die dafür notwendigen Verordnungsänderungen
durch den Bundesrat waren bei
Redaktionsschluss noch nicht erfolgt.
Diskriminierung durch Maskenpflicht
Durch die bis zum 22. Juni vorgeschriebene
Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung
während des gesamten Aufenthalts in Werkstäen
wurden Menschen mit Beeinträchgung
diskriminiert. Diese Pflicht galt nicht für alle
Betriebe bzw. Arbeitnehmenden. Einzig für
Werkstäen war sie verpflichtend. Eine Rückfrage
beim zuständigen Ministerium ergab, dass diese
Regelung auf der Annahme basiert, dass es
Menschen mit (geisger) Beeinträchgung nicht
möglich sei, sich an Abstandsregeln zu halten.
Eltern und Angehörige werden allein gelassen
Die Schließung von Kindertages-, Tagesbildungsund
Werkstäen hat die Betreuungssituaon
von Menschen mit Beeinträchgung schlagarg
verändert. Von jetzt auf gleich waren sie
auf einmal ganztägig zu Hause oder in den
Wohnangeboten und dort häufig auf ganztägige
Begleitung angewiesen. Für die Angehörigen
bedeutete das, dass die bisherige Unterstützung
und Assistenz komple wegbrach.
Online-Protest
Da viele wichge Akons- und Protesage dieses
Jahr nicht wie geplant stainden konnten*,
fanden sich teils gute Online- Alternaven.
So wurde zum Beispiel am 5. Mai der Europäische
Protesag zur Gleichstellung von Menschen mit
Beeinträchgung im Rahmen der Online-Akon
#UNsichtbar durchgeführt und machte darauf
aufmerksam, dass viele der in der UN-BRK festgeschriebenen
Regelungen und Rechte noch
immer nicht ausreichend umgesetzt wurden.
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*Zum Beispiel: Welt-Down-Syndrom-Tag (21. März),
Welt-Autismus-Tag (2. April)