Schwalmstadt–Unsere Heimat: Weihnachten 2022
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SCHWALMSTADT UNSERE HEIMAT
Es ist bald Weihnachten!
Wie feiern wir 2022?
Es ist gar nicht so einfach, sich
auf Weihnachten einzustimmen.
Zweimal Corona haben uns demütig
gelehrt, dass Heiligabend im
engsten Kreis und unter Hygienevorschriften
mit Mundschutz auch
funktioniert. Es ist jedenfalls das
dritte Weihnachten, das nicht so
ist, wie es sonst immer gewesen
ist. Wenn wir unbedingt etwas
großartig finden wollen, neigen
wir dazu, gelegentlich schon nach
drei Wiederholungen von einer Tradition
zu sprechen. Gefühlt war das
dann schon immer so. Wissen wir
dann 2023 noch, wie das „damals“
gewesen ist?
Die Sache mit den Quellen
Wie ist das mit der echten Tradition?
Zum 2022. Mal jährt sich
dieses Jahr die Geburt Jesu? Na ja,
die Bibel schreibt, Jesus kam zur
Welt, als König Herodes regierte.
Das war der einheimische König
in der damals römischen Provinz.
Wir erinnern uns an den Kindergottesdienst
oder den Religionsunterricht?
Klar! Lukas schreibt
in der Heiligen Schrift allerdings
auch: „Es begab sich aber zu der
Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser
Augustus ausging (das war der
in Rom), dass alle Welt geschätzt
würde. Und diese Schätzung war
die allererste und geschah zu der
Zeit, da Quirinius Statthalter in
Syrien war“ (Lukas 2, 1-10).
Mist! Das passt nicht so ganz: Herodes
ist nach Quellenlage bereits
vier Jahre vor der heute gefeierten
Geburt Jesu gestorben. Quirinius
hingegen hat sein Amt erst sechs
Jahre nach dem Jahr 1 (0 hat es
nie gegeben) angetreten. Wenn
wenigstens eine dieser beiden Angaben
stimmen soll, muss Jesus
entweder 4 Jahre früher oder 6
Jahre später zur Welt gekommen
sein! Weder 4 vor noch 6 nach
Christus gab es allerdings einen
Kometen, der als Weihnachtsstern
die Geburt verkündet und die Heiligen
Drei Könige geleitet haben
könnte. Eine solche Erscheinung
lässt sich nur im Jahr 7 vor Christus
belegen. Und jetzt?
Die große Ernüchterung?
Egal! Auf den 24./25. Dezember
1 treffen beide Angaben nicht zu.
Es muss uns aber auch gar nicht
wundern, dass der Geburtstag nicht
überliefert wurde. In der Zeit vor
2.000 Jahren wurden nämlich
grundsätzlich keine Geburtstage
gefeiert, was schon damit zusammenhing,
dass bis 46 vor Christus
niemand einen Kalender hatte.
Auch danach hing keiner im Wohnzimmer.
Die Menschen orientierten
sich am Sonnenstand und suchten
Markierungen in der Natur, um
diesen zu beobachten. Nach 365
Tagen war die Sonne wieder an der
gleichen Stelle. Oder sie zählten die
Voll- und Neumonde. 12 Mondwechsel
brauchen allerdings nur
354 Tage. Was macht man mit den
11 Tagen Differenz? Die sprichwörtliche
Zeit „Zwischen den Jahren“ ist
also weit älter als Jesus Christus.
Gefeiert wurden stattdessen die
Sonnenwenden, die Tag-Nacht-
Gleichen, jeweils Tage dazwischen
und eben die Vollmonde. Das war
reichlich!
Immerhin hat Julius Cäsar, 46 vor
Christus den nach ihm benannten
julianischen Kalender eingeführt,
mit 365 Tagen und 6 Stunden. Erst
im Jahr 354 nach Christus kam
dann endlich jemand auf die Idee,
den 25. Dezember als Geburtstag
Jesu zu feiern. Das war sowieso ein
römischer Feiertag und außerdem
wurde die Wintersonnenwende gefeiert.
Es ging mit dem Christentum
also einfach so weiter wie zuvor?
So banal war es wohl tatsächlich.
Das ist ernüchternd?
Die wahre Glaubwürdigkeit
des Weihnachtsfestes
Und jetzt?? Corona, Energiekrise
und ein historisch unhaltbares
Datum! Für nüchterne und weltlich
orientierte Realisten wäre jetzt
klar: Lassen wir’s einfach sein? Nun
sind wir nahezu magisch davon
besessen, diesen Tag zu feiern, uns
lieb zu haben und zu beschenken.
Wie einst zur Volkszählung in Rom
kommt die Familie aus allen Himmelsrichtungen
zusammen und
streitet sich am Ende dann doch
unterm Weihnachtsbaum oder bei
der Weihnachtsgans. An keinem Tag
wird statistisch so viel gestritten
wie zu Weihnachten.
Wenn schon alles nicht stimmt und
wir mit dem Konsens leben, dass
wir eben symbolisch den Tag von
Christi Geburt feiern, dann können
wir doch auch mal ganz symbolisch
und völlig befreit von geschichtlicher
Glaubwürdigkeit, Lockdowns,
knappen Kassen, runtergedrehten
Heizungen und gedimmten Lampen
die wahre Authentizität des Festes
feiern. In dem Stall hatten auch
nicht viele Platz und die Flüchtlingsfamilie
war auch nicht sonderlich
beliebt. Das sind Flüchtlingsfamilien
auch heute nicht. Nächte in der
Wüste sind immer kalt und was anderes
als Kerzen gab’s auch damals
nicht, gleichgültig, an welchem Tag
es nun gewesen ist.
Jeden Tag ein bisschen Weihnachten
Und wenn wir dann darüber nachdenken,
was im Leben wirklich
zählt, merken wir vielleicht, dass
nicht alles zählt, was man zählen
kann. Und nicht alles, was zählt,
kann man auch zählen. Wenn dann
Begriffe wie Achtung, Respekt,
Freundlichkeit, Bescheidenheit und
Zufriedenheit wieder zählen, wird
es das schönste Weihnachtsfest aller
Zeiten. Zufriedenheit ist übrigens
von „Zum Frieden kommen“ abgeleitet.
Die deutsche Sprache ist
zumindest recht deutlich. Wenn wir
zufrieden sind, was ausschließlich
von unseren selbst formulierten
Erwartungen abhängt, dann ist
sogar jeden Tag ein bisschen Weihnachten!
In diesem Sinne
Fröhliche (und zufriedene)
Weihnachten!
Ihre FREIE WÄHLER Schwalmstadt