KINOMAGAZIN november | <strong>2022</strong>
GELESEN buchtipps katapult (Hrsg.) 100 Karten über die Ukraine Natürlich könnte man ein Buch rezensieren, das die Zerstörung und das Leid in der Ukraine nach dem Beginn des Angriffskrieges im Februar <strong>2022</strong> aufzeigt. Aber das geht auch anders, zuweilen etwas „unterhaltsamer“, und so manches Mal auch eindringlicher mit diesem Buch. Hand aufs Herz: Wer wusste schon vor einem Jahr etwas über dieses Land zwischen Polen und Russland? Die Stärke dieses bunten Buches liegt darin, Informationen aus trockenen Statistiken und Studien in kreativ gestaltete und schön anzusehende Karten zu verwandeln. Da finden sich neben traurigen Fakten über den Krieg auch viele positiven Daten über die Ukraine. Etwa dass in der Ukraine eineinhalbmal mehr Bibliothekare gibt als in Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen! Oder dass die Anbaufläche für Sonnenblumen fast so groß ist wie ganz Bayern! Diese und 98 weitere, der breiten Öffentlichkeit in Deutschland vermutlich unbekannte Fakten liefert „100 Karten über die Ukraine“. Schön, dass das Buch auch in Englisch, Ukrainisch und Russisch erscheint – und in Russland sogar kostenlos heruntergeladen werden kann! Nevfel Cumart Katapult Verlag, <strong>2022</strong>. 192 S. annie ernaux Erinnerung eines Mädchens Mit etwas Sarkasmus und Genugtuung könnte man sagen: Nun gehört sie endlich auch zum Club der 80-Jährigen! Annie Ernaux (geb. 1940), die Literatur-Nobelpreisträgerin <strong>2022</strong>. So wie Alice Munro oder Louise Glück in den vergangenen Jahren! Verdient hat sie den Preis allemal, so wie die beiden Kolleginnen, ruhig auch schon etwas früher. Das Werk der Französin, bislang rund 20 Romane, zeichnet sich in vielfacher Hinsicht aus. Nennen wir hier nur eine: Es ist seit ihrem Romandebüt 1974 bis zum heutigen Tag durch und durch autobiographisch geprägt! Für einen Einblick in Ernaux´ Schaffen sei „Erinnerung eines Mädchens“ empfohlen. Darin verarbeitet die Autorin nach 55 (!) Jahren ihre erste sexuelle Begegnung im Jahre 1958. Ein Ereignis, das sich wie eine Wunde in ihr Körper eingebrannt, das ihre Vorstellungen über Moral und Sexualität geprägt hat. Ein schonungsloses und teils verstörendes Buch und eine Abrechnung mit dem „Gesetz der wilden Männlichkeit“. Nevfel Cumart Suhrkamp Verlag, 2019. 193 S. kim de L‘horizon Blutbuch Kim de l‘Horizon hat einen beeindruckenden Roman veröffentlicht. Der Plot handelt von einer namenlosen nicht-binären Person, die sich weder als Mann noch als Frau fühlt. Die Person fühlt sich damit und der eigenen Sexualität wohl. Doch als die Großmutter an Demenz erkrankt, beginnt die Person sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzten. Welche Traumata gibt es? Worüber sprechen Mutter und Großmutter nicht? Was wird hier totgeschwiegen und wie war das eigene körperliche Empfinden als Kind? Das Buch geht unter die Haut und ist sehr poetisch geschrieben. Zur Recht hat die selbst non-binäre Auror*in Kim de l‘Horizon im letzten Monat den Deutschen Buchpreis auf der Frankfurter Buchmesse gewonnen. Und nachdem Kim de l‘Horizon in seinem Buch viele Grenzen ausgehebelt hat, tat Kim de l‘Horizon das auch auf der Preisverleihung Frankfurt und rasierte sich dort vor laufenden Kameras die Haare, um sich mit den Iranerinnen und allen weiteren Personen, die aufgrund ihres Körpers unterdrückt werden, zu solidarisieren. Chapeau! Sabine Mahler Du Mont Verlag, <strong>2022</strong>. laura ludwig Gold ist eine Glaubensfrage Laura Ludwig ist eine der erfolgreichsten Sportlerinnen Deutschlands. Sie schaffte, was eigentlich als unmöglich galt: Sie holte gemeinsam mit ihrer damaligen Partnerin Kira Walkenhorst die olympische Goldmedaille im Beachvolleyball 2016 in Brasilien gegen ein brasilianisches Team. In ihrer Autobiografie berichtet sie genau davon, wie es ihr – neben der körperlichen Fitness – gelungen ist, die Grenzen in ihrem Kopf zu verschieben, um Leistungen wie diese umsetzen zu können. Seit ihrem historischen Sieg hat Laura Ludwig zwei Kinder zur Welt gebracht, und zwischendurch trat sie in Tokio bei den Olympischen Spielen an. All das geht, möchte sie mit ihrem Buch sagen. Auch jetzt nach der Geburt ihres zweiten Sohnes bereitet sie sich auf die Paris 2024 vor. Ludwig gibt ehrliche Einblicke in ihr Leben, die Selbstzweifel und Opfer, die der Leistungssport und auch das Muttersein mit sich bringen. Es soll aber auch zeigen, dass es Zeit für ein Umdenken in der Gesellschaft ist: Profisport und Kinder dürfen sich nicht mehr automatisch ausschließen. Sabine Mahler Edel Verlag, <strong>2022</strong>. 272 S. TREFF PUNKT © Marcel Domeier Paul Maar liest aus „Ein Hund mit Flügeln“ So., 06. Nov. | 11 Uhr © Patrick Temme Neven Subotić liest aus „<strong>Alles</strong> geben“ Fr., 18. Nov. | 20 Uhr Osiander Bamberg Grüner Markt 16 © Patrick Runte Tommy Jaud liest aus „Komm zu nix“ Do., 10. Nov. | 20 Uhr © Peter Rigaud Takis Würger liest aus „Unschuld“ Fr., 25. Nov. | 20 Uhr Die Eintrittskarten für alle Veranstaltungen gibt es im Vorverkauf bei Osiander Bamberg oder unter osiander.reservix.de/events sowie an der Abendkasse. Anzeige_Veranstaltungen_<strong>November</strong>_<strong>2022</strong>.indd 1 18.10.<strong>2022</strong> 08:23:59 37