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218_StadtBILD_September_2021

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Das Motiv (Untermarkt) auf unserer Titelseite finden Sie in unserem neuen Fotokalender 2022.


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Vorwort<br />

dass Denkmäler Identität stiften und ein Stück Lebensqualität<br />

sind, ist längst erwiesen. In Görlitz sind<br />

wir in der glücklichen Lage, inmitten von Denkmälern<br />

leben und arbeiten zu dürfen. Mit diesen verantwortungsvoll<br />

umzugehen, sollte unser persönliches<br />

Anliegen sein. Dass wir das tun, liegt jedoch auch im<br />

Interesse der Allgemeinheit.<br />

Ungezählte Generationen haben sie zu dem gemacht,<br />

was sie sind, und wir haben nicht aufgehört<br />

an ihnen zu arbeiten. Aber diese Arbeit ist nur dann<br />

nachhaltig, wenn sie auf dem Respekt für das Vorhandene<br />

gründet und sich als Teil des Ganzen einfügt.<br />

Darum ist es für die Zukunft unserer Stadt so wichtig,<br />

dass wir jedes unserer Denkmäler, materiell und<br />

ideell, als Teil von uns begreifen. Denkmalschutz und<br />

Denkmalpflege gehen uns alle an!<br />

Immer am zweiten Sonntag im <strong>September</strong> öffnen<br />

historische Bauten und Stätten, die sonst nur teilweise<br />

oder gar nicht zugänglich sind, ihre Türen. Dann<br />

gibt es beim Tag des offenen Denkmals (12. <strong>September</strong>)<br />

Geschichte zum Anfassen. Das diesjährige<br />

Motto lautet: „Sein & Schein – in Geschichte, Architektur<br />

und Denkmalpflege“ und mit ganz viel „SEIN“<br />

sind auch einige Kirchen mit Führungen dabei und<br />

laden Interessierte aus Stadt und Region dazu ein,<br />

Kirchenräume neu zu entdecken. Man riecht das alte<br />

Holz im Dachstuhl, fühlt die kühlere Temperatur oben<br />

auf dem Turm oder tief unten in Kellergewölben und<br />

Bunkern, kann die Holzmaserung im Beton ertasten<br />

oder spüren, wie der Klang einer Orgel den ganzen<br />

Kirchenraum zum Vibrieren bringt. Denkmalbesuche<br />

sind ein rundum sinnliches Erlebnis.<br />

Am 12. <strong>September</strong> von 9.00 bis 18.00 Uhr veranstaltet<br />

der Naturschutz-Tierpark Görlitz-Zgorzelec sein<br />

affenstarkes Tierparkfest.<br />

Auch in diesem Jahr haben die Tierparkmitarbeiter<br />

ein vielseitiges Programm auf die Beine gestellt. Erfahren<br />

Sie aus erster Hand, wie der Arbeitsalltag eines<br />

Zootierpflegers aussieht. Spiel und Spaß für den guten<br />

Zweck verspricht u.a. das Artenschutz-Glücksrad.<br />

Als weiteres Highlight lädt eine Händler- und Aktionsmeile<br />

im Tibetdorf zum Schlendern ein.<br />

Während Sie nun diese Zeilen lesen, haben Sie bereits<br />

die Wahl gehabt und sich zum Lesen entschieden.<br />

– Es vergeht kein Tag, an dem Sie nicht wählen<br />

müssen und sich entscheiden...Angefangen mit ihren<br />

kleinen tagtäglichen Entscheidungen, die Sie treffen,<br />

z. B. wann Sie in den vor Ihnen liegenden Tag starten;<br />

aber auch die nicht alltäglichen Entscheidungen, zwischen<br />

denen Sie im Laufe ihres Lebens immer wieder<br />

die Wahl haben und die weitreichende Auswirkungen<br />

haben, können Sie nicht von sich wegschieben.<br />

Sie haben die Wahl.<br />

Gott sei Dank leben wir hier in Deutschland, in dem<br />

Freiheit eines demokratischen Rechtsstaates, in der<br />

wir unsere Meinung frei äußern dürfen. Das erfordert<br />

aber auch unsere Mündigkeit und unseren verantwortungsvollen<br />

Umgang mit unseren Rechten und<br />

daraus resultierenden Pflichten.<br />

Wenn man sich an Wahlen beteiligt, bestimmt man<br />

mit, was passiert. In einer Demokratie ist es wichtig,<br />

dass die Bürgerinnen und Bürger Verantwortung dafür<br />

mit übernehmen, welche Politik gemacht wird,<br />

welche politischen Entscheidungen getroffen werden.<br />

Sie machen sich bei Wahlen darüber Gedanken,<br />

welche Parteiprogramme ihnen zusagen, in welche<br />

Richtung die Politik in Zukunft gehen soll. Wer wählen<br />

geht am 26. <strong>September</strong> <strong>2021</strong>, kann also Einfluss<br />

darauf nehmen, welche Parteien im Parlament vertreten<br />

sind. Daher bitten wir Sie, liebe Leserinnen und<br />

Leser, gehen Sie am 26. <strong>September</strong> wählen! Sie haben<br />

die Möglichkeit eine Entscheidung mit offenen<br />

Augen in der Nachfolge zu treffen.<br />

Ihr Team vom <strong>StadtBILD</strong>-Magazin<br />

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Einleitung<br />

3


950 Jahre Zukunft Görlitz Zgorzelec<br />

Jahre Zukunft<br />

Die Bürgerinnen und Bürger von Görlitz<br />

und Zgorzelec standen in ihrer Geschichte<br />

wiederholt vor großen Herausforderungen,<br />

aber auch vor großen Chancen.<br />

Sie mussten katastrophale Ereignisse und<br />

Schicksalsschläge überwinden. Mit Blick<br />

auf eine oft ungewisse Zukunft hatten<br />

Einwohner und Stadtväter weitreichende<br />

Entscheidungen zu fällen. Immer<br />

wieder waren Ängste vor notwendigen<br />

Veränderungen zu überwinden, mussten<br />

neue Möglichkeiten erkannt und schöpferische<br />

Kreativität entfaltet werden. Im<br />

geschichtlichen Rückblick greifen diese<br />

Momente und Ereignisse fast nahtlos ineinander<br />

und scheinen zudem meist ein<br />

glückliches Ende genommen zu haben.<br />

Die Vorausschau ist dagegen schwierig<br />

und bleibt in der Regel nebulös.<br />

Auch heute liegen vor den deutschen<br />

und polnischen Bürger der Europastadt<br />

Görlitz/Zgorzelec Aufgaben, deren Reichweite<br />

in die Zukunft nicht zu überschauen<br />

ist. Unter anderem stehen Klimawandel<br />

und tiefgreifende Veränderungen der<br />

wirtschaftlichen Verhältnisse bevor. Auch<br />

die Altersstruktur der Bevölkerung oder<br />

die Entwicklung innovativer Verkehrskonzepte<br />

werden zu Herausforderungen<br />

der kommenden Zeit. Wo wird die Europastadt<br />

im Jahr 2051 stehen? Wie wollen<br />

wir in der Zukunft zusammenleben?<br />

Die zweisprachige Sonderausstellung<br />

„950 Jahre Zukunft Görlitz Zgorzelec“ im<br />

Kaisertrutz, die noch bis zum 2. Januar<br />

2022 zu besichtigen ist, blickt in die wechselhafte<br />

Geschichte der Doppelstadt. Mit<br />

Hilfe der Besucher sollen aber auch Zukunftsfragen<br />

diskutiert werden.<br />

Görlitz betrat vor 950 Jahren die Bühne<br />

der Geschichte: Am 11. Dezember 1071<br />

verschenkte der römisch-deutsche König<br />

Heinrich IV. (1050–1106) aus der Familie<br />

der Salier viel Land an den Meißner Bischof<br />

Benno. Insgesamt erhielt das Bistum<br />

acht so genannte Königshufen, eine<br />

Liegenschaft mit wohl etwa 380 Hektar<br />

Fläche, deren genaue Lage in der Görlitzer<br />

Flur unbekannt ist. Das Land hatte zuvor<br />

einem „gewissen Ozer“ als Lehen gehört,<br />

der aber beim jungen König in Ungnade<br />

gefallen und nur um Haaresbreite seiner<br />

Hinrichtung entgangen war. Ob Ozer ein<br />

4<br />

Geschichte


1071 NEUGÖRLITZER<br />

950 Jahre Zukunft<br />

Schenkungsurkunde König Heinrichs IV.<br />

Goslar, 11. Dezember 1071, Handschrift auf Pergament, Siegel (Reproduktion, Original Sächsisches<br />

Hauptstaatsarchiv Dresden)<br />

Slawe vom Stamm der Milzener oder ein<br />

Deutscher gewesen ist, lässt sich anhand<br />

der Schriftquellen nicht nachweisen.<br />

Wie ein zufälliges Schlaglicht erwähnt<br />

die abgefasste Urkunde erstmals den Ort<br />

Goreliz, zu dem die verschenkten Ländereien<br />

gehörten. Das genannte Dorf wird<br />

zwischen der Kirche St. Peter und Paul<br />

und der heutigen Peterstraße zu suchen<br />

sein. Die Siedlung lag – wie in dieser Zeit<br />

in der Oberlausitz üblich – im unmittelbaren<br />

Vorfeld der auf dem Burgberg im<br />

Bereich von Peterskirche und Vogtshof<br />

gelegenen Görlitzer Burg. Dort hatte<br />

wohl auch Ozer seinen Sitz. Er war unter<br />

anderem zweifellos mit der Aufgabe betraut,<br />

die für den Handel bedeutende und<br />

noch heute an der Einmündung des Baches<br />

Lunitz bestehende Neißefurt nahe<br />

der heutigen Hirschwinkel-Sporthalle<br />

Geschichte<br />

5


950 Jahre Zukunft Görlitz Zgorzelec<br />

Jahre Zukunft<br />

Detail eines pflügenden Bauern mit Beetpflug aus „Abcontrafaitung der Stadt Görlitz“<br />

Georg Scharffenberg nach Joseph Metzker, 1566, Holzschnitt (Görlitzer Sammlungen)<br />

militärisch abzusichern. Aufgrund der<br />

über die Jahrhunderte intensiven Bebauung<br />

des Burgareals haben sich allerdings<br />

wohl nur im Untergrund der Peterskirche<br />

noch Spuren der Befestigung erhalten,<br />

darunter wohl auch Reste einer vermutlich<br />

hölzernen Burgkirche. Verschiedene<br />

archäologische Ausgrabungen im Umfeld<br />

erbrachten jedenfalls keinerlei Hinweise<br />

auf die 1126 und 1131 unter dem Namen<br />

Yzhorelik urkundlich genannte Burg. Allein<br />

slawische Tonscherben sowie das<br />

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6<br />

Geschichte


1071 NEUGÖRLITZER<br />

950 Jahre Zukunft<br />

Schar und Sech eines Beetpflugs<br />

Gefunden auf der Landeskrone, um 1400, Eisen (Görlitzer Sammlungen)<br />

Grab einer Frau, die bei Ausgrabungsarbeiten<br />

in den Jahren zwischen 1981 und<br />

1987 innerhalb der Kirche zum Vorschein<br />

kamen, verweisen auf die Verteidigungsanlage.<br />

Die Scherben stammen aus der<br />

Zeit zwischen 900 und 1000. Bereits in<br />

dieser frühen Zeit dürfte sich auf dem<br />

Görlitzer Burgberg eine Befestigung der<br />

slawischen Milzener befunden haben. Die<br />

Anlage diente mit über 70 weiteren Burgen<br />

in der Oberlausitz der Verteidigung<br />

gegen die Eroberungen durch das säch-<br />

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Geschichte<br />

7


950 Jahre Zukunft Görlitz Zgorzelec<br />

Jahre Zukunft<br />

sisch-ostfränkische Reich. Auch in den<br />

Auseinandersetzungen zwischen 1002<br />

und 1031 zwischen den polnischen Piasten-Herzögen<br />

und den ostfränkischen<br />

Königen und römisch-deutschen Kaisern<br />

wird die Befestigung zur Sicherung der<br />

Neißefurt eine Rolle gespielt haben.<br />

Die Schenkungsurkunde von 1071 markiert<br />

den Beginn des so genannten<br />

mittelalterlichen Landesausbaus in der<br />

Oberlausitz und in Görlitz durch deutsche<br />

Siedler. Denn Bischof Benno von Meißen<br />

warb für sein neues Land Siedler vermutlich<br />

aus Thüringen und Franken an. Kaufleute<br />

und Bauern ließen sich daraufhin<br />

in der am Bach Lunitz neu gegründeten<br />

Siedlung im heutigen Nikolaiviertel nieder.<br />

Sie brachten unter anderem neue<br />

Techniken der Landwirtschaft mit, die zu<br />

erheblichen Ertragssteigerungen führten.<br />

Dazu zählte beispielsweise der Beetpflug<br />

mit eisernem Sech und Pflugschar,<br />

mit dessen Hilfe der Ackerboden tiefgreifend<br />

umgebrochen werden konnte: Das<br />

vorlaufende Sech zerschnitt den Boden<br />

vertikal, die nachlaufende Pflugschar löste<br />

die Scholle horizontal und das Streichbrett<br />

wendete sie um. Die effektiveren<br />

Beetpflüge ersetzten die älteren, von den<br />

Slawen verwendeten Hakenpflüge. Diese<br />

rissen lediglich eine Furche in den Boden.<br />

Die Verwendung von Beetpflügen zählte<br />

zu den wichtigen Neuerungen des mittelalterlichen<br />

Landesausbaus. Pflugschar<br />

und Sech eines Beetpflugs des 14. Jahrhunderts<br />

wurden 1968 auf der Landeskrone<br />

gefunden<br />

Hoffnungsvolle Menschen aus verschiedenen<br />

Gegenden des Reiches begegneten<br />

hier bald nach 1071 slawischen Milzenern,<br />

die bereits über 300 Jahre früher<br />

das Land in Besitz genommen hatten. Zugezogene<br />

und Alteingesessene mussten<br />

Sprach- und Kulturgrenzen überwinden.<br />

Dies wird sicherlich nicht durchweg ohne<br />

Konflikte vonstatten gegangen sein.<br />

Doch so begann die Erfolgsgeschichte<br />

von Görlitz mit dem Zuzug vieler fremder<br />

Menschen. Durch die neuen Siedler<br />

entwickelte sich das Dorf Goreliz in den<br />

folgenden 200 Jahren vom bescheidenen<br />

Burgort zur florierenden Handelsstadt.<br />

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8<br />

Geschichte


1071 NEUGÖRLITZER<br />

950 Jahre Zukunft<br />

Magdeburger Stadtrecht 1303<br />

Urkunde zur Verleihung des Magdeburger Stadtrechts an die Stadt Görlitz durch Markgraf Hermann von<br />

Brandenburg (1275–1308) am 28. November 1303, Handschrift, Pergament, Siegel, Abschrift 1483,<br />

Bunzlau (Ratsarchiv Görlitz)<br />

Maßgeblich dafür war die zunächst durch<br />

die Lunitz-Niederung über den Steinweg<br />

und den heutigen Nikolaigraben zur Neiße<br />

verlaufende europäische Handelsstraße<br />

Via Regia und die Nähe zur Neiße-Furt.<br />

Erst gegen 1234 wurde an der Stelle der<br />

heutigen Altstadtbrücke eine Brücke<br />

über die Neiße errichtet. Sie fand erstmals<br />

im Testament des Heinrich vom Dorfe<br />

1298 Erwähnung. Im Zusammenhang mit<br />

dem Brückenbau wurde die Via Regia von<br />

der Lunitz-Niederung auf die Achse Obermarkt,<br />

Brüderstraße, Untermarkt und<br />

Neißstraße verlegt. Zeitgleich erfolgte<br />

vermutlich auch die planmäßige Erweiterung<br />

der Stadtfläche um den Obermarkt<br />

herum sowie im Bereich und südlich des<br />

Untermarktes. Durch die Verlegung der<br />

Fernhandelsstraße und den Stadtausbau<br />

verlor das Nikolaiviertel seine durch die<br />

alte Straßenführung begründete Bedeutung<br />

als Kaufmannsniederlassung. Die<br />

Kaufleute errichteten nun neue Häuser<br />

auf den abgesteckten Parzellen entlang<br />

Geschichte<br />

9


950 Jahre Zukunft Görlitz Zgorzelec<br />

Jahre Zukunft<br />

Judeneid<br />

Um 1300, Handschrift, Pergament (Ratsarchiv Görlitz)<br />

der neuen Wegeführung und um die<br />

beiden Marktplätze herum. Das heutige<br />

Nikolaiviertel wurde so zur Handwerkersiedlung.<br />

Die Brücke, die jederzeit,<br />

auch bei Hochwasser oder Eisgang, eine<br />

Querung der Neiße ermöglichte, war der<br />

Schlüssel zum steilen wirtschaftlichen<br />

Aufschwung der jungen Stadt Görlitz. Das<br />

Zusammenwirken alteingesessener Milzener<br />

und zugezogener Deutscher war<br />

also letztlich ein Erfolgsmodell. Die Verwendung<br />

des Magdeburger Stadtrechts<br />

seit etwa 1260 markiert den vorläufigen<br />

Höhepunkt dieses Erfolgs. Im Jahr 1303<br />

lassen sich die Görlitzer das Magdeburger<br />

Stadtrecht bestätigen. Jeder einzelne<br />

Bürger verpflichtet sich ihm mit einem<br />

Eid. Dieses Recht durchdringt alle Bereiche<br />

des Lebens, Wohnens und Arbeitens.<br />

Es schützt die Bürger und deren Besitz,<br />

fordert aber auch Pflichten ein wie etwa<br />

die Verteidigungsbereitschaft. Ebenso<br />

hatten die jüdischen Einwohner der Stadt<br />

ihre Loyalität zu beeiden. Im Buch vom<br />

Land- und Lehnrecht ist der älteste Görlitzer<br />

Judeneid überliefert. Ähnlich wie der<br />

Bürgereid verpflichtete er die jüdischen<br />

Bürger auf das Wohl der Stadt. An diesem<br />

hatten sie durch Waren- und Geldhandel<br />

großen Anteil und genossen den Schutz<br />

des Königs. Durch solche und andere<br />

Maßnahmen schufen die Stadtgründer<br />

die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche<br />

und politische Blüte bis weit in das<br />

10 Geschichte


950 Jahre Zukunft Görlitz Zgorzelec<br />

Jahre Zukunft<br />

Görlitzer Tuchplomben<br />

Gefunden auf den Lofoten, Norwegen, um 1530, Blei (Privatbesitz)<br />

16. Jahrhundert. Dies dokumentieren unter<br />

anderem auch Görlitzer Tuchplomben<br />

der Zeit um 1500 aus Blei, die auf den Lofoten<br />

in Norwegen gefunden wurden. Sie<br />

verweisen auf den Handel mit getrocknetem<br />

sogenanntem Stockfisch. Die an den<br />

Tuchballen angebrachten Siegel garantierten<br />

den Abnehmern sowohl die erstklassige<br />

Qualität als auch den Ursprung<br />

der Ware. Weitere Funde von Görlitzer<br />

Tuchplomben am Polarkreis, in einem<br />

Zarenpalast bei Moskau, in Böhmen und<br />

Mähren sowie in Ungarn belegen die<br />

Reichweite des Görlitzer Tuchhandels<br />

dieser Zeit.<br />

Migration hat es in Görlitz seither immer<br />

wieder gegeben: Nach ihrer Vertreibung<br />

im Jahr 1348 siedelten sich seit 1847 erneut<br />

Menschen jüdischen Glaubens in<br />

der Neiße-Stadt an; ab 1620 kamen böhmische<br />

Glaubensflüchtlinge nach Görlitz;<br />

seit etwa 1866 strömten im Zuge der<br />

industriellen Revolution viele Schlesier<br />

vom Land in die Stadt und suchten Arbeit<br />

in den neuen Fabriken; nach 1945 ließen<br />

sich zahllose schlesische Flüchtlinge und<br />

Vertriebene aus der Ostoberlausitz in<br />

Görlitz und der Umgebung nieder; heute<br />

leben über 4000 polnische Bürger in<br />

Görlitz, arbeiten hier und schicken ihre<br />

Kinder in deutsche Schulen. Bis heute erhält<br />

die Entwicklung der Stadt durch die<br />

zugezogenen Menschen immer wieder<br />

entscheidende Impulse. Stets hat Görlitz<br />

vom Zuzug dieser neuen Bewohner profitiert!<br />

Jasper v. Richthofen<br />

12 Geschichte


Textile Poesie – StoffGeschichten von Gisela Hafer<br />

Selbstporträt der Künstlerin<br />

Ein Besuch der Ausstellung „StoffGeschichten“<br />

bedeutet eintauchen in die Gedanken-<br />

und Erlebniswelt von Gisela Hafer.<br />

In ihrer künstlerischen Tätigkeit widmet sie<br />

sich dem Material Stoff. Auch Fotos finden<br />

Verwendung und werden in einer von ihr<br />

entwickelten Transfertechnik auf Stoff<br />

übertragen und seriell und spielerisch<br />

zu Collagen zusammengefügt, verfremdet,<br />

gespiegelt, bemalt und anschließend<br />

montiert und benäht. Erst aus der Nähe<br />

erschließt sich bei den meist großformatigen<br />

Arbeiten das Thema. Die Bilder der<br />

Vergänglichkeit werden zu Zeitsplittern,<br />

hinterfragen, schaffen Metamorphosen.<br />

Die Geschichte der Deutschen Mark<br />

Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick<br />

scheint. Geheimnisvoll sind verschlüsselte<br />

Botschaften, Buchstaben, die auftauchen,<br />

ein Spiel mit Text und Textur. Ihre Inspirationen<br />

findet sie in der Natur, der Kunst, der<br />

Literatur, der Politik, im eigenen Erleben.<br />

So kann man beispielsweise den Texturen<br />

geschredderter DM-Scheine ebenso wie<br />

den Spuren der Industrie folgen. (Pressetext)<br />

Gisela Hafer wuchs in der alten Textilstadt<br />

Zittau auf. Das Interesse an Stoffen, ihrer<br />

Verarbeitung und zuletzt künstlerischen<br />

Gestaltung erwarb sie von ihrem Vater,<br />

einem Textilarbeiter. Nach dem Abitur<br />

14 Sonderausstellung


Ausstellung im Schloß Königshain noch bis 03. Oktober <strong>2021</strong><br />

StoffGeschichten<br />

absolvierte Gisela Hafer ein Maschinenbaustudium<br />

und arbeitete einige Jahre im<br />

Bereich der Gestaltung des Arbeitsumfeldes.<br />

Bereits in dieser Zeit entstanden erste<br />

Werke aus Stoff, die sich künstlerisch mit<br />

dem Arbeitsumfeld auseinandersetzten.<br />

Auf Grund des Erfolges ihrer ersten Ausstellungen<br />

wagte sie 1983 den Schritt in<br />

die Selbstständigkeit und arbeitet seither<br />

erfolgreich als Künstlerin und Dozentin.<br />

Der internationale Durchbruch gelang<br />

ihr als Quilt-Künstlerin, als ihre Werke in<br />

vielen Einzelausstellungen und etlichen<br />

Ausstellungsbeteiligungen einem großen<br />

Publikum im In- und Ausland gezeigt<br />

wurden. Ihre stimmungsvollen Quilts und<br />

textilen Collagen beschäftigen die jetzt in<br />

der pulsierenden Metropole Frankfurt lebende<br />

Künstlerin mit der Frage: Was aber<br />

passiert, wenn das Textil zum Spiegel der<br />

sozialen, politischen und wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse wird?? So ist es fast selbstverständlich,<br />

dass sie sich in der Bankenmetropole<br />

auch mit dem Geld, an dem „fast<br />

alles hängt, zu dem alles drängt“, beschäftigt.<br />

Ein interessantes Beispiel zur Gestaltung<br />

mit der Deutschen Mark ist auch in<br />

Königshain zu betrachten.<br />

Gisela Hafer gestaltet aber auch die Geschichte<br />

und Gegenwart ihrer alten Heimat<br />

Zittau in vielen detailreichen Einzelwerken.<br />

2020 übergab die Künstlerin an<br />

den Zittauer Oberbürgermeister Thomas<br />

Zenker das „Zittauer Wunschtuch“ mit<br />

200 eingenähten Wünschen von Bürgern<br />

und Besuchern der Stadt Zittau.<br />

Am 30. August plant Gisela Hafer, als Mit-<br />

Kuratorin, die Ausstellung „Kitsch und<br />

Kunst“ zu eröffnen. Wir freuen uns, dass<br />

die sehenswerte Ausstellung mit Werken<br />

von Gisela Hafer noch bis zum 03. Oktober<br />

<strong>2021</strong> im Barockschloß Königshain zu<br />

sehen ist.<br />

Bertram Oertel<br />

Alte Zittauer Fotografie auf Stoff<br />

Sonderausstellung<br />

15


Gastwirtschaften vorgestern, gestern und heute<br />

Über unsere Stadt ist in der Vergangenheit<br />

schon viel erforscht und geschrieben<br />

worden, so dass man meint, es gäbe<br />

nichts Neues mehr zu erkunden. Dennoch<br />

kommt immer wieder bisher Unbekanntes<br />

ans Tageslicht, das erstaunen lässt. So in<br />

diesen Wochen eine Publikation, die über<br />

die Gastronomie vor langer Zeit und heute<br />

Auskunft gibt und beim Görlitzer Leser<br />

vielleicht einen AHA-Effekt erzeugt.<br />

Bekanntlich hat unsere denkmalgeschützte<br />

Stadt eine lange und bewegte Vergangenheit.<br />

Wie in allen anderen Städten<br />

auch, war nahezu jedes Gewerbe hier<br />

ansässig. Kaufleute, Händler von nah und<br />

fern führte es über die „via regia“ nach<br />

Görlitz. Nicht wenige von ihnen ließen<br />

sich hier nieder und sorgten für das Aufblühen<br />

unserer Stadt. Doch oftmals blieb<br />

nicht viel an Wissen über die einzelnen<br />

Firmen erhalten. Als die ersten Ansichtskarten<br />

vor 1900 verschickt wurden, ahnte<br />

noch niemand, dass genau solche Karten<br />

über 100 Jahre später zu sehr wichtigen<br />

Zeitdokumenten werden sollten. Dabei<br />

geht es nicht um Massenmotive wie Landeskrone,<br />

Rathaustreppe oder Ruhmeshalle,<br />

sondern um Privatfotokarten und<br />

Geschäftsansichten einzelner Firmen. Drei<br />

Görlitzer Hobby-Historiker, Detlef Stahr,<br />

Andreas und Martin Herda, hatten vor<br />

vielen Jahren begonnen, historische Görlitzer<br />

Ansichtskarten zu sammeln und zu<br />

ergründen, was sich hinter der einen oder<br />

anderen Ansicht verbirgt.<br />

Inzwischen umfasst die Görlitzer Ansichtskarten-Sammlung<br />

nun weit über 9000<br />

Stück. Dazu kommen noch weitere historische<br />

Dokumente wie Briefbögen, Vignetten<br />

oder alte Broschüren. Mit jedem<br />

Neuzugang wächst das Wissen über die<br />

einzelnen Firmen.<br />

Natürlich stehen sie mit Gleichgesinnten<br />

in engem Kontakt. Oft werden sie sogar<br />

von anderen Hobbyhistorikern bzw. Familienforschern<br />

angesprochen, die auf<br />

Suche über Informationen ihrer Familie<br />

sind. Nicht selten wurden sie angeregt:<br />

„Ihr wisst doch so viel, macht doch mal ein<br />

Buch“.<br />

Welche Situation die Jahre 2020/21 brachten,<br />

ist uns allen bekannt. Sie ließ bei ihnen<br />

den Entschluss reifen, sich mit einem<br />

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16<br />

Buchvorstellung


Buchvortsellung<br />

Gastwirtschaft<br />

bestimmten Thema zu befassen. Die<br />

angespannte Lage in diesem Gewerbe<br />

lenkte sie auf das Thema „Schank- und<br />

Gastwirtschaften in Görlitz“. Sie kennen<br />

einige Gaststätten- und Kneipeninhaber<br />

persönlich.<br />

So fingen die Drei an, quer Beet durch die<br />

gesamte Stadt über einzelne Restaurationen<br />

das jahrelange zusammengetragene<br />

Wissen zu erfassen und passende Ansichten<br />

und Werbungen darin einfließen zu<br />

lassen.<br />

Nachdem sie mehrere Wochen zahlreiche<br />

Gaststätten begutachtet hatten oder zumindest<br />

den Grundstock für einen ausreichenden<br />

Text zusammentrugen, stellten<br />

sie fest, dass sie sich ohne ein vernünftiges<br />

Konzept in dem Projekt verrennen<br />

würden. Also setzten sie sich nicht wenige<br />

Male bei „einem“ Bierchen zusammen<br />

und überlegten, was denn nun wirklich<br />

Sinn macht. Sie entschieden sich für einen<br />

Stadtrundgang, entlang bzw. innerhalb<br />

der früheren Stadtmauer. So wurde das<br />

Stadtgebiet zunächst auf den historischen<br />

Kern eingegrenzt.<br />

Heraus kamen 70 Gaststätten und Kneipen,<br />

die auf 150 Seiten des Buches<br />

vorgestellt werden - vom Obermarkt,<br />

Brüderstraße, Untermarkt, Neißstraße, Nicolaivorstadt<br />

und angrenzenden Gassen.<br />

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Buchvorstellung<br />

17


Gastwirtschaften vorgestern, gestern und heute<br />

Nun muss ich als Mitautor dieser Zeilen<br />

bekennen, dass ich in meinen jüngsten<br />

Jahren, also nach 1945, keine der hier genannten<br />

damals noch bestehenden Gasthäuser<br />

kennengelernt habe; auch später<br />

nicht als Jugendlicher; Erst nach der Wende<br />

bei gelegentlichen Besuchen in der<br />

Heimat.<br />

Ratsstübl, Rathaus Untermarkt<br />

Eine ungeheure, aufwändige Fleißarbeit<br />

und der Leser fragt sich, wie konnten vor<br />

über 100 Jahren und mehr die Gastwirtschaften<br />

in der engeren Altstadt überhaupt<br />

existieren? Nun wohnten damals<br />

in den Häusern viel mehr Menschen als<br />

heutzutage und die Familien waren meist<br />

größer. Der Leser dieser Abhandlung erfährt<br />

nicht nur Umfangreiches und Hintergründiges<br />

aus der Gaststätten- und<br />

Kneipenhistorie; die Autoren lassen auch<br />

viele historische Details aus der Stadtgeschichte<br />

einfließen, die der Leser nicht unbedingt<br />

weiß.<br />

Klosterbrunnen, Klosterplatz 15<br />

Durch die Motive, nicht nur auf den Ansichtskarten,<br />

sondern auch auf Privatfotos<br />

in der Sammlung, kann man teilweise<br />

deutlich die baulichen Veränderungen in<br />

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18<br />

Buchvorstellung


Buchvortsellung<br />

Gastwirtschaft<br />

der Stadt nachverfolgen. Einige Wirtschaften<br />

existieren noch, andere sind durch<br />

Umbauten der Häuser geschlossen und<br />

andere durch Abriss komplett aus dem<br />

Stadtbild verschwunden.<br />

Mit diesem Buch wollen die Autoren auch<br />

einen Beitrag für das 950jährige Stadtjubiläum<br />

beisteuern und Wissen für die<br />

Nachwelt erhalten. Sie haben die Absicht,<br />

ein weiteres Gaststättenbuch zu erarbeiten.<br />

Ein Teil der Historie der Wirtschaften<br />

außerhalb des Altstadtkerns, in den<br />

Gründerzeitgebieten, haben sie schon im<br />

Pechtners Gasthaus, Obermarkt 18<br />

Groben skizziert. Allerdings, dies sei angemerkt,<br />

ist das Buch eigentlich nur für „echte”<br />

gegenwärtige und ehemalige Görlitzer<br />

sowie historisch Interessierten zu empfehlen.<br />

Lesenswert aber allemal.<br />

Martin Herda (Görlitz)<br />

Wolfhard Besser (Berlin)<br />

Walthers Bierstuben, Elisabethstr. 16<br />

Erhältlich bei: GR-LI-BRÄU,<br />

Landeskron- Ecke Löbauer Straße und<br />

Stöberlädchen, Luisenstr. 21<br />

Preis: 18 €<br />

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Buchvorstellung<br />

19


Wie eine Wirtin aus Cunewalde zur Mumacherin des Jahres wird<br />

Kleene Schänke<br />

Carola Arnold in ihrer Eventküche.<br />

© Marcel Schröder<br />

Seit über einem Jahr hält die Corona-Pandemie<br />

die Welt in Atem – mit gravierenden<br />

Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben:<br />

Viele Betriebe aus Gastgewerbe, Reisewirtschaft,<br />

Freizeit- und Veranstaltungswirtschaft<br />

sowie Einzelhandel mussten ihre<br />

Tätigkeit stark reduzieren oder gar ganz<br />

herunterfahren. Etliche von ihnen suchen<br />

eigene Wege, ihr Geschäft unter Einhaltung<br />

der Corona-Regeln weiterzuführen<br />

und für den Kunden und Gast sichtbar zu<br />

bleiben.<br />

Die Industrie- und Handelskammer (IHK)<br />

Dresden hat am 13. Juli <strong>2021</strong> in ihren Räumen<br />

die Preisträger des Wettbewerbs “Umdenker,<br />

Anpacker, Mutmacher gesucht!”<br />

ausgezeichnet.<br />

Über den ersten Platz und damit 7.000 Euro<br />

Preisgeld konnte sich Carola Arnold, Pächterin<br />

der Kleenen Schänke in Cunewalde<br />

freuen und entgegennehmen. Unter knapp<br />

40 Bewerbungen für innovative Ideen während<br />

der Corona-Pandemie konnte Sie die<br />

Jury aus Einzelhandel, Reisewirtschaft und<br />

Gastronomie überzeugen.<br />

Sie stellt sich selbst als einen „Ideenschnellkochtopf“<br />

vor. Weil es in ihrem Umgebindehaus<br />

während der Pandemie „zu<br />

kuschlig“ für Lesungen, Verkostungen und<br />

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20<br />

Geschichte


Carola Arnold siegt im Wettbewerb<br />

Kleene „Umdenker, Anpacker, Schänke<br />

Mutmacher gesucht!“<br />

Floristik-Workshops wurde, ließ sich Carola<br />

immer wieder was Neues einfallen.<br />

Experimentierfreudige Küchenmeisterin ist selbst<br />

Produzentin und hat in einem langen und aufwendigen<br />

Prozess eigene Rezepte für Brotmischungen<br />

mit seltenen Getreidesorten, wie zum<br />

Beispiel Schwarzemmer, Dinkel und Champagnerroggen<br />

entwickelt.<br />

Den Anfang machte eine Whiskykochbox,<br />

ein Whiskydinner mit digitaler Verkostung<br />

und Kochvideo für zu Hause. Es folgten die<br />

Entwicklung und der Online-Vertrieb von<br />

drei Brotbackmischungen in Bioqualität,<br />

das Schreiben und der Eigenverlag des ersten<br />

eigenen Kochbuchs „Carola kocht“ mit<br />

Zutaten und unterhaltsamen Geschichten<br />

aus der Oberlausitz incl. 14 Produzentenporträts<br />

– über 4.400 Exemplare sind schon<br />

verkauft. Im Advent 2020 wurde die Kleene<br />

Schänke zum Weihnachtskaufhaus, im<br />

Frühjahr <strong>2021</strong> kamen Online-Verkostungen<br />

mit regionalen Genusspaketen dazu.<br />

Ein TV-Dreh zum Kochbuch mit dem MDR-<br />

Sachsenspiegel + zwei Radio Interviews<br />

führte zur zweiten Auflage „Carola kocht“.<br />

Die Verkaufszahlen gingen innerhalb von<br />

3 Monaten durch die Decke. Parallel zum<br />

Verkauf sind kleine YouTube-Filme entstanden,<br />

gedreht unter dem Motto „Carola<br />

kocht und plaudert mit Oberlausitzer<br />

Produzenten“. Es folgte ein Oberlausitzer<br />

Online-Abend mit dem Verein SlowFood<br />

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Geschichte<br />

21


Wie eine Wirtin aus Cunewalde zur Mumacherin des Jahres wird<br />

Kleene Schänke<br />

Ein Treffpunkt für Menschen. Ein Ort, an dem man sich und viele Genüsse kennenlernt. Von Mediterran<br />

Kochen, Betreutes Trinken, Brot Backen und Käsewerkstatt bis hin zu Leseabenden mit Menü und<br />

Reisevorträgen mit Landküche.<br />

Lausitz, wo Sie ihr Kochbuch und vier<br />

Oberlausitzer Produzenten vorstellte. Mit<br />

der Cunewalder ProBier-Werkstatt folgt die<br />

zweite, sehr aufwendige Online-Veranstal-<br />

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22<br />

Geschichte


Carola Arnold siegt im Wettbewerb<br />

Kleene „Umdenker, Anpacker, Schänke<br />

Mutmacher gesucht!“<br />

Mein kleines Laden Cafè mit vorwiegend regionalen Produkten, interessant für Ansässige und<br />

Besucher. © Marcel Schröder<br />

tung, genau am Tag des Bieres. Mit einer<br />

Hofkiste, vollgepackt mit ökologischem<br />

Gemüse und Obst, die vom Enderhof Tetta<br />

wöchentlich angeboten wird, lädt Carola<br />

Arnold zum geselligen Miteinander beim<br />

Schnippeln, Brutzeln und Verkosten ein.<br />

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Geschichte<br />

23


Wie eine Wirtin aus Cunewalde zur Mumacherin des Jahres wird<br />

Kleene Schänke<br />

Die Kleene Schänke ist ein Umgebindehaus wie aus dem Bilderbuch. Rustikale Fassade, drinnen lockt<br />

Stubengemütlichkeit, davor ein Bauerngärtchen, in dem der Sommer blüht – ein Musterhaus für die<br />

Oberlausitzer Gastlichkeit. © Marcel Schröder<br />

Im Mai eroberte die Oberlausitz Dresden.<br />

Der neue Laden direkt neben Pfunds Molkerei,<br />

dem schönsten Milchladen der Welt<br />

verkauft jetzt auch Oberlausitzer Produkte.<br />

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24<br />

Geschichte


Carola Arnold siegt im Wettbewerb<br />

Kleene „Umdenker, Anpacker, Schänke<br />

Mutmacher gesucht!“<br />

Dazu kommt die Löbauer Bergquellbrauerei<br />

mit ihrem Goldenen Reiter ins Spiel.<br />

Aktuell entsteht gerade ein Kulinarischer<br />

Kalender gemeinsam mit den Stadtwerken<br />

Löbau, mit dem Ziel, Region und Küche<br />

hervorzuheben, einzubinden und<br />

bekannt zu machen. Gleichzeitig ist eine<br />

Fischkochbroschüre zu 20 Jahre Lausitzer<br />

Fischwochen mit der MGO und Slow Food<br />

entstanden. Als Highlight zur Eröffnung<br />

der Fischwochen können Sie eine kleine<br />

kulinarische Reise mit dem Oldtimer Bus<br />

online über www.kleeneschaenke.de/veranstaltungen<br />

buchen!<br />

Und ab <strong>September</strong> geht`s los, jeden ersten<br />

Mittwoch ein Lese- & Genussnachmittag<br />

gemeinsam mit dem Team des Bieleboh<br />

Naturressort mit immer einem Oberlausitzer<br />

Autor.<br />

Alle Projekte sind zukunftsfähig und werden<br />

weitergeführt. Die Schwerpunkte Regionalität<br />

und Netzwerkarbeit wurden und<br />

werden weiter gestärkt, digitale Standbeine<br />

aufgebaut. Weitere Projekte stehen<br />

schon in den Startlöchern und wir dürfen<br />

gespannt sein!<br />

IHK-Präsident Andreas Sperl zeigte sich zur<br />

Verleihung am 13. Juli beeindruckt von ihrem<br />

Optimismus.<br />

Erst im Juni 2016 hat Carola Arnold die<br />

Kleene Schänke in Cunewalde eröffnet. Als<br />

gebürtige Oberlausitzerin lebte Sie seit Ihrem<br />

Ausbildungsbeginn 1978 in Dresden<br />

und war bis zuletzt als Betriebs- Küchenleiterin<br />

im Cateringgeschäft tätig.<br />

Sie sieht sich als Zugpferd und möchte<br />

andere ermutigen. „Ich glaube daran, eine<br />

Krise ist immer auch eine Chance, jeder hat<br />

seine Chance im ganz Kleinen wie im ganz<br />

Großen und alles ist sehr wichtig im Puzzlespiel<br />

des ganz normalen Wahnsinns, LEBEN<br />

genannt“. Eure Carola (Arnold) Mai <strong>2021</strong><br />

Gerne können Sie Carola Arnold kontaktieren!<br />

Sie ist immer auf der Suche nach neuen<br />

aktiven Mitmachern und Ansprechpartner.<br />

Kathrin Drochmann<br />

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Geschichte<br />

25


18. Neiße Filmfestival in Dreiländerregion an der Neißefilmfestival<br />

Vom 16. bis 19. <strong>September</strong> geht das Neiße<br />

Filmfestival in seine 18. Auflage. Aufgrund<br />

der andauernden Corona-Pandemie musste<br />

der Festivaltermin auch in diesem Jahr<br />

vom Mai in den <strong>September</strong> verschoben<br />

werden. Das Publikum in der Dreiländerregion<br />

an der Neiße erwarten an vier Festivaltagen<br />

über 60 Spiel-, Dokumentar- und<br />

Kurzfilme in drei Wettbewerben und begleitenden<br />

Filmreihen und ein vielseitiges<br />

Rahmenprogramm.<br />

Eröffnet wird das 18. Neiße Filmfestival<br />

am 16. <strong>September</strong> mit dem thematisch<br />

zur diesjährigen Fokus-Reihe passenden<br />

Film „Je suis Karl“ (DE/CZ, 2020) von Christian<br />

Schwochow, der zeitgleich in drei<br />

deutschen Kinos zu sehen ist. Im Hauptwettbewerb<br />

des Festivals um den besten<br />

Spielfilm treten je drei Produktionen aus<br />

Deutschland, Polen und Tschechien an,<br />

die u.a. Geschichten von jugendlichen Lebenswelten<br />

und über das Heranwachsen<br />

erzählen. Der Gewinnerbeitrag wird am<br />

Ende mit dem mit 10.000 Euro dotierten<br />

„Drei-LänderFilmpreis“ der sächsischen<br />

Kulturministerin ausgezeichnet. Auch im<br />

Wettbewerb um den besten Dokumentarfilm<br />

gehen insgesamt neun Produktionen,<br />

die sich kritisch mit dem Verhältnis zwischen<br />

Generationen oder zwischen Menschen<br />

und Natur auseinandersetzen, ins<br />

Rennen. Der Preis ist hier mit 5.000 Euro<br />

dotiert und wird von der Standortkampagne<br />

„So geht sächsisch.“ gestiftet. Der<br />

26<br />

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18. Neiße Filmfestival in Dreiländerregion an der Neißefilmfestival<br />

Kurzfilm-Wettbewerb beim Neiße Filmfestival,<br />

für den der Studierendenrat der<br />

Hochschule Zittau/Görlitz ein Preisgeld<br />

von 1.000 Euro stiftet, umfasst <strong>2021</strong> wieder<br />

eine große künstlerische Bandbreite<br />

mit Spiel- und Dokumentarfilmen sowie<br />

Animationen, die sich auf vielfältige Weise<br />

mit Menschen in Ausnahmesituationen<br />

befassen.<br />

pa heute ausmacht und wie eine Zukunft<br />

Europas aussehen könnte. Das Filmfest<br />

an der Neiße steht in seiner Trinationalität<br />

von Beginn an für ein offenes, sozial<br />

gerechtes und tolerantes Europa. Wohlstandsgefälle,<br />

Demokratiedefizite und nationalistisches<br />

Denken stellen diese Vision<br />

jedoch in Frage und gefährden lange als<br />

selbstverständlich geltende Freiheiten.<br />

Dieser Auseinandersetzung möchte sich<br />

Unter dem Titel „Mother Europe“ richtet<br />

das 18. Neiße Filmfestival seinen Blick<br />

auf das, was Europäer verbindet – auf die<br />

Wurzeln der europäischen Idee, was Euro-<br />

28<br />

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16. – 19. <strong>September</strong> <strong>2021</strong><br />

18. Neißefilmfestival<br />

das Festival mit seiner diesjährigen Fokus-<br />

Reihe nähern und aus der Mitte Europas<br />

heraus zum gesellschaftlichen Diskurs<br />

beitragen. Zum Programm gehört dabei<br />

u.a. eine Lesung mit Navid Kermani am<br />

17. <strong>September</strong> im Gerhart-Hauptmann-<br />

Theater in Zittau.<br />

Daneben stehen in der Reihe „Regionalia“<br />

aktuelle Beiträge von regionalen Filmschaffenden<br />

auf dem Programm, die sich<br />

dem Leben an der Grenze und dem sorbischen<br />

Film widmen. Außerdem sind an<br />

den vier Festivaltagen Filmklassiker wie<br />

„My Fair Lady“ (1964) oder „Spartacus“<br />

(1960) im 23mm- bzw. 70mm-Format, der<br />

deutsch-tschechisch-slowakische Kinderfilm<br />

„Sommer-Rebellen“ (2020) sowie Programmkino-Highlights<br />

aus Deutschland,<br />

Polen und Tschechien zu sehen. Und eine<br />

Retrospektive zeigt zwei Filme der Ehrenpreisträgerin<br />

des diesjährigen Neiße Filmfestivals,<br />

der tschechischen Dokumentarfilm-Regisseurin<br />

und Drehbuchautorin<br />

Helena Třeštíková.<br />

Die feierliche Preisverleihung findet am<br />

18. <strong>September</strong> im Filmtheater Ebersbach<br />

statt. Mit den Neiße-Fischen prämiert<br />

werden hier neben den besten Spiel-,<br />

Dokumentar- und Kurzfilmen auch die<br />

beste darstellerische Leistung, das beste<br />

Drehbuch und das beste Szenenbild. Außerdem<br />

vergibt der Filmverband Sachsen<br />

einen Spezialpreis an einen Film aus dem<br />

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29


18. Neiße Filmfestival in Dreiländerregion an der Neißefilmfestival<br />

gesamten Festivalprogramm, welcher<br />

sich dem Verständnis der Nachbarschaft<br />

von Deutschland, Polen und Tschechien<br />

widmet.<br />

Das komplette Programm und aktuelle<br />

News zum Neiße Filmfestival gibt es online<br />

unter www.neissefilmfestival.net.<br />

Gelebtes Europa in der Dreiländerregion<br />

an der Neiße<br />

Seit 2004 präsentiert das Neiße Filmfestival<br />

jährlich im Mai in der Dreiländerregion<br />

zwischen Deutschland, Polen und Tschechien<br />

aktuelle Spiel-, Dokumentar- und<br />

Kurzfilme. Was mit der Idee begann, Filme<br />

in drei Ländern zu zeigen, hat sich zu einer<br />

kulturellen Brücke für Filmfans und Programmkinos<br />

aus den drei Nachbarländern<br />

entwickelt und ist inzwischen wichtiger<br />

Treffpunkt für nationale und internationale<br />

Filmschaffende und Vertreter*innen der<br />

Filmwirtschaft. Das länderübergreifende<br />

Programm bietet neben drei Wettbewerben<br />

und verschiedenen Filmreihen, die<br />

den Blick auf Bezüge und Beziehungen<br />

zwischen den Völkern Osteuropas und auf<br />

die jeweilige filmische Auseinandersetzung<br />

mit Vergangenheit und Gegenwart<br />

eröffnen, auch Veranstaltungen wie Konzerte,<br />

Lesungen, Ausstellungen und Partys.<br />

Fotografen: Hannes Rönsch, Claudia Glatz,<br />

Pawel Dusza, Karin Lason, Ruth Lorenz.<br />

30<br />

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Freistaat Sachsen förderte Räuberhauptmann Karasek<br />

Katasek<br />

Illustration aus dem Karasek-Roman<br />

Johannes Karasek, genannt Prager<br />

Hansel oder Räuberhauptmann<br />

Karasek, war um das Jahr<br />

1800 herum der Schrecken der<br />

Oberlausitz.<br />

Geboren im Jahr 1764 in Smichov<br />

bei Prag, erlernte er zunächst das<br />

Tischlerhandwerk, später wurde<br />

er noch Fleischhauer. Als junger<br />

Geselle ging er auf die damals übliche<br />

Wanderschaft. Danach wurde<br />

er zum österreichischen Militär<br />

eingezogen, jedoch desertierte<br />

er immer wieder von dort. Ein Kamerad<br />

brachte ihn dann schließlich<br />

in die damalige böhmische<br />

Enklave Niederleutersdorf in der<br />

Oberlausitz. Hier geriet er bald in<br />

die Fänge des Räuberhauptmanns<br />

Palme. Karasek arbeitete dann als<br />

Hausierer, wobei er redegewandt<br />

die bei zahlreichen Einbrüchen<br />

erbeuteten Sachen verkaufte. Er<br />

war also ein Hehler, brauchte aber<br />

im sächsisch-böhmischen Grenzgebiet<br />

die Polizei nicht ernsthaft<br />

befürchten. Bei einem Einbruch<br />

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32<br />

Geschichte


Seltenes historisches Buch aus der<br />

Räuberhauptmann Christian-Weise-Bibliothek Zittau restauriert Katasek<br />

Johannes Karasek als Gefangener<br />

1797 kam Palme ums Leben. Karasek<br />

wurde danach zu seinem<br />

Nachfolger gewählt. Sein Prinzip<br />

war es, nie im eigenen Revier zu<br />

räubern. Einige Jahre ging das gut<br />

und man raubte vor allem Faktoren<br />

oder Mühlenbesitzer, also die<br />

Wohlhabenderen der damaligen<br />

Zeit, aus. Manchmal wurde von<br />

der Beute tatsächlich einem armen<br />

Weber oder Häusler etwas<br />

abgegeben. Daraus entwickelte<br />

sich die Legende vom „edlen Räuber“,<br />

der den Reichen nahm und<br />

den Armen gab. Später wurde<br />

dann aber doch auch im eigenen<br />

Revier geräubert und nach einem<br />

Einbruch in Oberleutersdorf<br />

Anfang August 1800 wurde die<br />

Bande schließlich gestellt und<br />

überführt. Karasek wurde in Bautzen<br />

vor das Gericht gestellt und<br />

zum Tode verurteilt. Der sächsische<br />

Kurfürst begnadigte ihn aber<br />

zu lebenslanger Festungshaft in<br />

Dresden. Dort starb Karasek am<br />

14. <strong>September</strong> 1809.<br />

Geschichte<br />

33


Freistaat Sachsen förderte Räuberromane über Karasek<br />

Räuberhauptmann Katasek<br />

Karasek-Heft vor der Restaurierung<br />

Obwohl Johannes Karasek kein „edler Räuber“,<br />

sondern ein schlimmer Räuberhauptmann<br />

war, lebt die Legende weiter, bis in<br />

unsere heutige Zeit.<br />

Schon bald nach seinem Tod fanden Karaseks<br />

Leben und seine Taten Eingang in die<br />

Unterhaltungsliteratur der damalige Zeit. Es<br />

waren vor allem reißerisch gemachte und<br />

in Fortsetzungen erschienene Romane, in<br />

denen Karasek und andere „Helden“ der<br />

Vergangenheit zu handelnden Personen<br />

wurden. Diese Werke wurden in einzelnen<br />

Heften über einen längeren Zeitraum vertrieben.<br />

Das hatte den Vorteil, dass sich<br />

diese auch mancher ärmere Interessent leisten<br />

konnte. Ein komplettes Buch auf einen<br />

Schlag zu bezahlen, wäre für viele Kunden<br />

nicht möglich gewesen. Diese heute von der<br />

Literaturwissenschaft als Trivialliteratur bezeichneten<br />

Werke wurden damals von den<br />

einfachen Menschen regelrecht verschlungen.<br />

Trotz seinerzeit hoher Auflagenzahlen<br />

der Romane sind diese heute kaum noch<br />

vorhanden. Sie wurden regelrecht zerlesen<br />

und dann entsorgt. Bibliotheken haben diese<br />

Literatur kaum gesammelt, am ehesten<br />

findet man sie heute noch in Privatsammlungen.<br />

Einer dieser Räuberromane ist „Johannes<br />

Karaseck. Kriminal-Novelle, auf Grund von<br />

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34<br />

Geschichte


Seltenes historisches Buch aus der<br />

Räuberhauptmann Christian-Weise-Bibliothek Zittau restauriert Katasek<br />

Karasek-Heft nach der Restaurierung<br />

aktenmäßiger und mündlicher Überlieferung<br />

bearbeitet von A. von Dornburg“.<br />

Über den Autoren Alfred von Dornburg ist<br />

nichts weiter bekannt, außer dass er noch<br />

einen anderen Unterhaltungsroman unter<br />

dem Titel „Martha, die Tochter des Verurteilten<br />

oder Opfer russischer Justiz. Sensationsroman“<br />

veröffentlicht hat. Dornburgs „Karasek“<br />

erschien in 35 Lieferungsheften, welche<br />

jeweils eine Abbildungstafel enthielten, mit<br />

einem Gesamtumfang von 558 Seiten.<br />

Gedruckt und verlegt wurde der „Karasek“<br />

von Dornburg im Jahr 1891 in der damals<br />

bekannten und erfolgreichen Firma von<br />

Hermann Oeser in Neusalza (heute Neusalza-Spremberg)<br />

in der Oberlausitz.<br />

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Geschichte<br />

35


Freistaat Sachsen förderte Räuberromane über Karasek<br />

Räuberhauptmann Katasek<br />

Karaseks Bande<br />

Vor drei Jahren gelang es dem Wissenschaftlichen<br />

und Heimatgeschichtlichen<br />

Altbestand der Christian-Weise-Bibliothek<br />

Zittau ein Exemplar des „Karasek“ von<br />

Alfred von Dornburg auf dem Antiquariatsmarkt<br />

zu erwerben. Bis zu diesem<br />

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36<br />

Geschichte


Seltenes historisches Buch aus der<br />

Räuberhauptmann Christian-Weise-Bibliothek Zittau restauriert Katasek<br />

Zeitpunkt war dieses Werk in keiner öffentlichen<br />

deutschen Bibliothek vorhanden!<br />

Das von uns erworbene Exemplar war in<br />

einem schlechten, zerlesenen Zustand. Es<br />

war aber klar, dass dieses Werk unbedingt<br />

erhalten werden muss. Für die Christian-<br />

Weise-Bibliothek Zittau und die gesamte<br />

Oberlausitz ist es von doppelter Bedeutung:<br />

es handelt von einer historische Person<br />

der Region und es wurde hier vor Ort<br />

gedruckt.<br />

Dank einer großzügigen Förderung durch<br />

den Freistaat Sachsen, vermittelt durch<br />

die Landesstelle für Bestandserhaltung an<br />

der Sächsischen Landesbibliothek - Staatsund<br />

Universitätsbibliothek Dresden, konnte<br />

dieses historische Buch kürzlich restauriert<br />

werden. Man kann also ruhig sagen,<br />

der Freistaat Sachsen förderte den Räuberhauptmann<br />

Karasek, wenn auch erst mehr<br />

als 200 Jahre nach dessen Tod.<br />

Bei der Restaurierung des Buches in der<br />

Buchrestaurierung Leipzig GmbH wurden<br />

die zerlesenen und vom Papierzerfall bedrohten<br />

Blätter zunächst gesäubert und<br />

dann angefasert, d. h. mit flüssigem Papierbrei<br />

wurden Fehlstellen ergänzt und<br />

das Papier stabilisiert. Danach sind die<br />

Blätter mit einem hauchdünnen Japanpapier<br />

zusätzlich verstärkt worden. Die somit<br />

gesicherten Blätter wurden am Schluss<br />

wieder zu den ursprünglichen 35 Heften<br />

zusammengeheftet und in eine speziell<br />

angefertigte Kartonmappe eingelegt.<br />

Somit ist der seltene und wertvolle Karasek-Roman<br />

für die Zukunft erhalten und<br />

nutzbar gemacht worden. Die originalen<br />

Hefte stehen künftiger Forschung und für<br />

Ausstellungen zur Verfügung. Für das interessierte<br />

Lesepublikum wurde der Roman<br />

bei der Restaurierung gleichzeitig digitalisiert,<br />

der Text wird demnächst auf „Sachsen.digital“<br />

verfügbar sein.<br />

Allen Beteiligten an der Restaurierung dieses<br />

wertvollen und seltenen Bibliotheksschatzes<br />

gilt unser herzlicher Dank!<br />

Uwe Kahl<br />

Christian-Weise-Bibliothek Zittau<br />

Wissenschaftlicher und Heimatgeschichtlicher<br />

Altbestand<br />

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Geschichte<br />

37


1989 - Eine Reise mit Hindernissen – von der alten in die neue Welt<br />

Erinnerungen<br />

VieIe Jahre sind vergangen, vieles, sehr vieles<br />

hat sich verändert, doch wenn man sich<br />

heute an die Probleme von damals erinnert,<br />

kommt es einen fast unwirklich vor! Die fast<br />

unmöglichen Reisebestimmungen nach<br />

Amerika erfolgreich zu erfüllen, heute unglaublich,<br />

damaIs aber alltäglich.<br />

Aber nun zum Anfang unserer fast unglaublichen<br />

Geschichte. Nach dem Tod unserer<br />

Mutter gab es viel schriftlichen Nachlass zu<br />

sichten, dabei fand mein Bruder Christian<br />

eine Adresse aus Amerika, genau aus Nord-<br />

Amerika. Nun konnte ich mich noch gut an<br />

ein Paket aus Amerika erinnern, welches den<br />

guten Maxwell Kaffee enthielt. 40 Jahre kein<br />

Zeichen, und nun überlegten wir, warum<br />

war so lange Sendepause? Der Tod konnte<br />

eine Ursache sein, aber viele andere Faktoren<br />

wären auch möglich. Also überprüfen, ob<br />

unsere Verwandtschaft nach so vielen Jahren<br />

noch in Dakota ansässig ist. Mein Bruder<br />

schrieb, und wir warteten geduldig. Nach einem<br />

Vierteljahr kam Post aus Old-Amerika. Es<br />

waren die Kinder unserer Verwandten, und<br />

alle waren über die Post überrascht. Jetzt<br />

kam das Tollste für uns: Wir wurden zum 70.<br />

Geburtstag und zur Silberhochzeit eingeladen!<br />

Die Freude war groß, doch wer durfte<br />

damals als DDR-Bürger nach Amerika reisen ?<br />

Unser Wille war geweckt, wir wollten es versuchen.<br />

Also auf zur Polizei, die Problematik<br />

der Reise - Unterlagen checken. Sie wollen<br />

wohin? Nach Nordamerika und Minnesota!<br />

Ja, mit diesem Brief geht das natürlich nicht!<br />

Ihre Verwandtschaft muß erst mal nachweisen,<br />

ob sie mit ihnen verwandt ist! Sollte das<br />

sein, müsste ihre Tante ihre amtliche Hochzeitsurkunde<br />

schicken zur Überprüfung. Die<br />

wiederum würde von Frau Lemper (staatlich<br />

anerkannte Übersetzerin der DDR) überprüft<br />

werden. Nun, wir wollten mittlerweile alles<br />

versuchen nach Amerika zu reisen. Nachdem<br />

wir unseren Verwandten die Hürden erklärt<br />

hatten, kamen nach geraumer Zeit die geforderten<br />

Unterlagen. Wir mit stolz geschwellter<br />

Brust wieder zur Reise-Unterlagenstelle. Ja,<br />

das sieht aus, als wären die Urkunden echt!<br />

Aber nun muss die Übersetzerin Frau Lemper<br />

erst mal die Richtigkeit bestätigen. Wie können<br />

Sie eigentlich beweisen, mit ihrer angeblichen<br />

Verwandtschaft in Amerika verwandt<br />

zu sein? Das war der Punkt, wo eigentlich<br />

hätte alles zu Ende sein können, doch wer<br />

einen ADLER gebaut hat, gibt nicht so leicht<br />

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38<br />

Erinnerungen


Oder wie wir 1989 von Görlitz nach North Dakota gereist sind!<br />

Erinnerungen<br />

auf. (Adler war die nach Plänen und unter<br />

Anleitung von Herrn Eulitz gebaute Pioniereisenbahn<br />

in Görlitz)<br />

Wie kämpfen wir weiter? Da sagte mein Bruder,<br />

wir haben noch den Stammbaum unserer<br />

Familie, dort erkennt man, wer wohin<br />

ging, wer gefallen war in Stalingrad, und wer<br />

nach Amerika ausgereist war, geheiratet hat<br />

und dadurch auch seinen Namen verändert<br />

hat. Mit diesen neuen Hoffnungen und unserem<br />

alten Stammbaum zogen wir wieder<br />

zur Reisekontrolle der Polizei. Man muss jetzt<br />

einflechten, die Zeit verging wie im Fluge,<br />

und im August sollten wir in Amerika sein.<br />

Es war schon Anfang Juli und niemand sagte<br />

uns etwas Konkretes. Kommen Sie in 14 Tagen<br />

wieder vorbei!<br />

Wenn man so eine Reise plant, gehört doch<br />

allerhand dazu. Geschenke für alle, Kleidung<br />

und damals das größte Problem – die Finanzen.<br />

Sollten wir die Genehmigung zur Reise<br />

bekommen, brauchten wir unbedingt Finanzmittel!<br />

Dollar für Amerika, D-Mark zum<br />

Tauschen, aber als Reisefinanzen gab es von<br />

der DDR nur 5 Dollar. Sollten wir nun die Reisegenehmigung<br />

bekommen, musste Geld<br />

her. Also wurden viele gefragt, kannst du mir<br />

etwas Geld tauschen? Es war schwierig, doch<br />

letztlich kamen ein paar D-Mark zusammen.<br />

Nun gab es nur einen Weg, offiziell das Geld<br />

zu deponieren: ein Konto auf der Staatsbank<br />

eröffnen. Von da konnte man täglich 40 D-<br />

Mark für Reisen ins nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet<br />

abheben und ausführen. So<br />

haben wir es gemacht!<br />

In der Zwischenzeit mussten wir aber noch<br />

ein anderes Problem lösen. Wenn die Reise<br />

genehmigt würde, wie würden wir reisen<br />

können? Fürs Fliegen langte unser Geld<br />

nicht, denn schon damals wollten alle Fluggesellschaften<br />

harte Währung sehen. Frau<br />

Schmidt, der gute Engel vom Reisebüro an<br />

der Frauenkirche, hörte sich unser Dilemma<br />

an und versprach, wenn möglich zu helfen.<br />

Nach geraumer Zeit rief sie mich an und sagte<br />

mir, vielleicht gibt es eine Variante. Jetzt<br />

,liebe Leser` begann ein tolles Unternehmen!<br />

Aus Rumänien kam ein Flugzeug nach Berlin,<br />

von dort flog es nach Wien, 2 Passagiere stiegen<br />

aus, und wir konnten zusteigen. Von dort<br />

ging es nach Irland, landen, tanken und ab<br />

nach New York! Die ldee war toll, und es war<br />

die einzige Möglichkeit überhaupt zu fliegen,<br />

denn die Rumänen akzeptierten noch Ost-<br />

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Erinnerungen<br />

39


1989 - Eine Reise mit Hindernissen – von der alten in die neue Welt<br />

Erinnerungen<br />

geld. Dazu muss aber gesagt werden, die Reisepässe<br />

mussten in Berlin von der österreichischen<br />

Botschaft und der amerikanischen<br />

Botschaft begutachtet und für die Einreise<br />

gestempelt werden. Auch das schafften wir,<br />

und wieder gings zur Polizei, Reiseunterlagen<br />

nachfragen. Nun war es schon Juli, noch 14<br />

Tage bis zur eventuellen Abreise. Uns wurde<br />

gesagt, Sie kriegen Bescheid, in einer Woche.<br />

Damals waren wir ja viel jünger, und man verkraftet<br />

manches leichter. Die Woche ging zur<br />

Neige, wir glaubten nicht mehr so recht, dass<br />

es noch klappen könnte, da wurde die Reise<br />

genehmigt.<br />

Frau Schmidt regelte die Fahrkartenbestellung,<br />

die Flugtickets und unser Unternehmen,<br />

Amerika wir kommen, konnte starten.<br />

Sicherlich, können Sie sich denken, ganz so<br />

einfach war es natürlich nicht! Erst mal ganz<br />

früh mit dem Zug nach Dresden, von hier mit<br />

dem lnterzonenzug nach Prag, von dort einfach<br />

nach Wien, und schon waren wir dem<br />

Abflug ein ganzes Stück näher. Leider war<br />

es aber damals äußerst schwierig zu reisen,<br />

denn wir waren kaum hinter Bad Schandau,<br />

kamen unsere Grenzpolizisten, stellten sich<br />

mit 3 Mann vor die Abteiltür: „Die Ausweise,<br />

Koffer bereithalten, Reiseziele!“ Nun ja, wir<br />

waren schon beide bei der Armee gewesen,<br />

uns konnte der raue herrische Ton kaum erschüttern,<br />

doch angebracht war er nicht. Als<br />

wir auch noch als Reiseziel Nord-Amerika<br />

angaben, waren die 3 grünen Herren doch<br />

etwas sehr verdutzt. Erst hatte man den Eindruck<br />

sie glaubten, wir wollen sie veräppeln,<br />

doch nach langer, genauester Überprüfung<br />

unserer Pässe fragte ein Grenzer: „Was haben<br />

Sie für Finanzmittel?“ Wir sagten wahrheitsgemäß<br />

: „Ost-Mark, West-Mark, Dollar“ (ja nur<br />

5, aber das haben wir nicht extra erwähnt).<br />

Haben Sie Devisen versteckt? Nein, wir haben<br />

für alle Finanzmittel Ausfuhrgenehmigungen.<br />

Da gaben sie Ruhe und alle im Abteil<br />

waren froh, dass sie weg waren.<br />

Ja, das war die Zeit, wo viele versuchten, über<br />

Ungarn sich nach den Westen abzusetzen,<br />

in einer sehr unruhigen aufgewühlten Zeit.<br />

Als wir von der CSSR über die Grenze nach<br />

Osterreich fuhren, war es im Zug viel ruhiger<br />

und man kam mit den Leuten ins Gespräch.<br />

Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hin, nein bis<br />

nach Nord-Amerika, und schon gab es eine<br />

Einladung einer jugoslawischen Lehrerin,<br />

die in Dresden war, in den Speisewagen. Sie<br />

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40<br />

Erinnerungen


Oder wie wir 1989 von Görlitz nach North Dakota gereist sind!<br />

Erinnerungen<br />

Boeing der North-West Airlines in Bismarck, 1989<br />

lud uns zu einem guten Bier ein, es war alles<br />

so einfach! Wir werden auch niemals das österreichische<br />

Ehepaar vergessen, sie fragten<br />

uns, wie geht es halt abends in Wien weiter?<br />

Blauäugig sagten wir, nun wir tauschen etwas<br />

Geld um und fahren vom Franz-Joseph-<br />

Bahnhof zum Westbahnhof und dann mit<br />

dem Bus zum Flughafen Wien-Schwechat.<br />

Doch unsere lieben Reisebegleiter meinten,<br />

das gehe überhaupt nicht. Um diese Zeit<br />

sind alle Wechselstuben geschlossen, kein<br />

Schilling wird mehr getauscht. Wir möchten<br />

euch helfen, euer Weg ist noch weit, nehmt<br />

bitte von uns das Straßenbahngeld. Es war<br />

uns doch sehr peinlich, aber angesichts unserer<br />

Lage bedankten wir uns und fuhren<br />

quer durch Wien zum Westbahnhof. Hier<br />

gab es für uns eine neue Überraschung.<br />

Abends werden in Wien die Bahnhöfe geräumt<br />

und die Stahlgitter heruntergelassen.<br />

Also die Nacht überbrücken ging nicht und<br />

Übernachten im Hotel für 150 D-Mark ging<br />

auch nicht, also Taxi zum Flughafen! Geplant<br />

war eigentlich mit dem Bus zum Flughafen,<br />

doch leider war natürlich der letzte Bus auch<br />

schon weg. Der Taxi-Fahrer war unser Mann,<br />

er brachte uns nach Wien-Schwechat, sprach<br />

noch mit der Nachtsicherheitstruppe, und so<br />

konnten wir in Wärme mit 2 ltalienerinnen<br />

auf den Bänken die Nacht verbringen, sie waren<br />

ebenfalls, wie wir gestrandet. Die Nacht<br />

verging, der Tag brach an, wir rasierten uns,<br />

machten uns frisch, man weiß ja nie wie es<br />

wann weitergeht, und harrten mit Blick auf<br />

den rumänischen Schalter der Dinge die da<br />

kommen sollten. Ab 9 sollte es vorangehen,<br />

aber es wurde 10.00 – 11.00 Uhr, 12.00 Uhr<br />

und um halb 1 Uhr kam Betrieb ins rumänische<br />

Team, alle rannten, wir mit, Koffer abgeben,<br />

Ticketkontrolle und schnell raus, und da<br />

kam sie schon, die alte IL 64. Auch vom Aussehen<br />

schon nicht mehr die Jüngste, aber<br />

halt unser Flugzeug. 2 Mann stiegen aus, wir<br />

rein in den Vogel und schon ging es ab nach<br />

Shannon in Irland. Als wir zur Landung tiefer<br />

gingen, sah man noch keinen Flugplatz,<br />

nur winzig kleine Inseln. Na hoffentlich trifft<br />

der Pilot die Landebahn, waren so meine<br />

Gedanken. Doch alles war o.k. wir verließen<br />

das Flugzeug und gingen in Europas größten<br />

Free Shop. Das Flugzeug wurde zwischenzeitlich<br />

aufgetankt, nach einer Stunde ging<br />

es weiter.<br />

Wer noch nie über den Atlantik geflogen<br />

ist, schaut schon mal aus dem Fenster und<br />

staunt über das viele Wasser weit unterhalb.<br />

Nach geraumer Zeit sieht man Grönland unter<br />

sich, das war für mich ein Grund auf die<br />

Triebwerke zu lauschen, laufen sie noch ruhig<br />

und rund? Ja, es war alles gut, wir konnten<br />

Richtung West nach Boston weiterfliegen.<br />

Gegen Nachmittag waren wir in Küstennähe<br />

des amerikanischen Kontinents, ein großer<br />

Schritt bei unserem Unternehmen Amerika.<br />

Gegen Spätnachmittag, nachdem wir parallel<br />

der amerikanischen Küste in südlicher<br />

Erinnerungen<br />

41


1989 - Eine Reise mit Hindernissen – von der alten in die neue Welt<br />

Erinnerungen<br />

Richtung geflogen waren, erreichten wir<br />

New York. Ein riesiges Flugvorfeld empfing<br />

uns, und hier warteten wir fast 2 Stunden. Ja,<br />

Sicherheit wird hier groß geschrieben.<br />

Ich vergaß in meiner Flugeuphorie zu erzählen,<br />

die anderen Fluggäste waren fast alles<br />

ältere, mit tiefen Falten gezeichnete Männer.<br />

Fast alle mit großen Schnurrbärten und einem<br />

starken Knoblauch-Geruch. Das Essen<br />

war auch wenig für unsere Mägen bestimmt,<br />

so dass wir eigentlich fast nichts gegessen<br />

hatten. Doch jetzt kam Bewegung auf dem<br />

Vorfeld auf. Ein Bus näherte sich, und auf gleicher<br />

Höhe mit dem Flugzeug stieg der Bus zu<br />

uns auf. Er hatte 2 Höcker auf dem Dach, wie<br />

wir später merkten, die verkleideten Hydraulikstempel.<br />

Nun hob sich der ganze Bus nach<br />

oben, und wir konnten durch die Fronttür in<br />

den Bus gehen. Ein tolles Verfahren, um alle<br />

aus Europa kommenden Flugzeuge mit verschiedenen<br />

Einstiegshöhen abfertigen zu<br />

können. Am Einreiseterminal wurden wir von<br />

wunderschönen eleganten dunkelhäutigen<br />

Mitarbeiterinnen in Empfang genommen,<br />

und auf die Frage woher und wohin, gab es<br />

ein riesiges Gelächter. Die Germanboys wollen<br />

nach North Dakota. Wir lachten mit und<br />

die Einreise ging Ruckzuck von statten, entgegen<br />

den Voraussagen über ewiges Filzen<br />

oder dergleichen. Mittlerweile war es nach<br />

19.00 Uhr. Eigentlich hätten wir noch etwas<br />

Geld fassen sollen, doch auch hier gibt es einen<br />

Schalterschluss.<br />

Wir also raus aus dem Bereich in Richtung<br />

gelbe Taxen. Hier klappte es einfach großartig.<br />

Ein richtiger Bud-Spencer-Typ öffnete<br />

uns seinen Wagen und ab gings Richtung<br />

lnlandflughafen. (La Guardia, der gleiche<br />

Flughafen übrigens, bei dem die spätere Sensationslandung<br />

einer A 320 von Aerbus auf<br />

dem Hudson River gelang). Unser Taxifahrer<br />

war als Soldat in Dresden, kannte also auch<br />

unsere Heimat. Mit einer farbigen Postkarte<br />

unserer Görlitzer Oldi-Bahn konnten wir ihm<br />

eine große Freude für seinen kleinen Enkel<br />

machen. Da in Amerika die Flugzeuge in so<br />

kurzen Abständen wie bei uns die Busse fahren,<br />

sind wir mit der nächsten 337 Maschine<br />

von Boeing nach Minneapolis geflogen. Dort<br />

war es allerdings schon 23.00 Uhr. Mit einem<br />

Limousinenservice des Hotels Holiday Inn<br />

gings nun ab ins Hotel. Doch etwas müde,<br />

aber frohen Mutes, haben wir diesen Tag als<br />

einmalig in unserem Leben verbucht, viel<br />

gesehen, viel erlebt. Der Morgen war wieder<br />

voller Überraschungen. Frühstück am Pool<br />

mit 10 japanischen Models und danach zusammen<br />

im Limousinenservice mit ihnen zu<br />

einem Heli Aerport, von wo sie abflogen. Wir<br />

sind weiter zum Flughafen gefahren, und mit<br />

einer Maschine der North-West Airlines mit<br />

Start in Richtung Bismarck geflogen. Nie hätte<br />

ich es für möglich gehalten, über Stunden<br />

entlang einer Straße mit einer Linienmaschine<br />

zu fliegen, doch bei den Weiten in Amerika<br />

ist es möglich. Man muss unbedingt noch etwas<br />

über die Verpflegung sagen. Nach unserem<br />

Gastspiel mit der lL 64 der rumänischen<br />

TARO muß man die North-West AIRLINES als<br />

absolute Spitze bezeichnen. Alles nur vom<br />

Besten, wir können heute noch schwärmen.<br />

Wir waren angekommen!! Es war eine ruhige<br />

gute Landung in Bismarck-Minnesota. Viele<br />

Stunden und viele tausend Kilometer von<br />

der Heimat entfernt, sollten wir nun unsere<br />

Verwandten treffen. Aber es war wie oft im<br />

Film gesehen, eine tolle Überraschung. Eine<br />

hübsche Frau mit süßer Tochter und ein großes<br />

Schild „Wir grüßen Hans + Christian in<br />

Bismarck!“<br />

Ein toller Empfang, nach der herzlichen Begrüßung<br />

ging es zu einem Bus, der außen<br />

42<br />

Erinnerungen


1989 - Eine Reise mit Hindernissen – von der alten in die neue Welt<br />

Erinnerungen<br />

ein Segelboot im Sonnenuntergang als tollen<br />

Druck drauf hatte. Nach einer kleinen<br />

Rundfahrt durch Bismarck ging es heim<br />

zu unseren Verwandten. Die Holzhäuser in<br />

Amerika kennt man ja vom Film, und genau<br />

in einem solchen sollte unser Zuhause für<br />

die nächsten Wochen sein. Man kann sich<br />

schnell daran gewöhnen, breite Straßen, viel<br />

Grün vorm Haus und jeder 2. einen Anhänger<br />

mit Boot oder ein Campingfahrzeug, na<br />

ja, Amerika! Hier ist halt alles ein bisschen<br />

größer und etwas mehr von allem. Zu Hause<br />

angekommen begrüßten wir Ehemann<br />

und Schwester, und dann wurde erzählt. Bei<br />

uns geht das ja reibungslos, nur in Amerika<br />

muss man Englisch können, und da haperte<br />

es bei uns mächtig. Mein Bruder hatte in der<br />

Abendschule Englisch gelernt, nun musste er<br />

es anwenden. Aber mit Händen und Füßen<br />

und etwas englisch ging es doch halbwegs.<br />

Die beiden Mädchen gingen in Bismarck zur<br />

Schule, und wir besuchten sie dort. Ein paar<br />

Tage später wurden wir in ein Technikum<br />

eingeladen. Hier konnten die Farmerkinder<br />

nach der Ernte verschiedene Fachrichtungen<br />

studieren, so wie es im elterlichen Betrieb gebraucht<br />

wurde. Mit Zertifikaten konnte man<br />

Nachbau Wohnhaus des Offiziers George Armstrong<br />

Custer des Unionsheeres in North-Dakota<br />

sich Fachwissen in vielen Richtungen aneignen.<br />

Sehr speziell, aber gut. ln den nächsten<br />

Tagen lernten wir Bismarck, die Hauptstadt<br />

von Minnesota, näher kennen. Wir wurden<br />

zu Freunden eingeladen, dort gab es echte<br />

deutschem Rinderrouladen mit Rotkraut,<br />

genau nach deutschen Kochbuch zubereitet,<br />

wir waren gerührt über den großen kulinarischen<br />

Aufwand jenseits des großen Teiches.<br />

Später lernten wir den Arbeitsplatz unserer<br />

Verwandten kennen: das Heritage Center<br />

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44<br />

Erinnerungen


Oder wie wir 1989 von Görlitz nach North Dakota gereist sind!<br />

Erinnerungen<br />

(Geschichtscenter), ein monumentaler Bau<br />

mit Super Klimaanlagen in allen Räumen. Viele<br />

Fragen wurden beantwortet: Wo kommt<br />

ihr her? DDR? Stimmt es, dass dort eine Mauer<br />

steht? Und viele andere Fragen mussten<br />

wir beantworten. Alle waren freundlich, doch<br />

von der DDR oder Ostdeutschland wusste<br />

fast keiner etwas Genaues.<br />

Wir hatten Glück; denn zu dieser Zeit wurde<br />

gerade das schönste lndianermädchen gewählt,<br />

und wir waren eingeladen. Die Gewinnerin<br />

war sehr hübsch, und sie hatte 3 Jahre<br />

in Freiburg studiert, was uns später bei den<br />

Glückwünschen und der Unterhaltung zu<br />

Gute kam. Es war ein aufregender Tag voller<br />

neuer Eindrücke und Erlebnisse. Später waren<br />

wir Gäste beim großen Pau Wau (eine<br />

Singveranstaltung der besten lndianergruppen).<br />

Ein großes Essen schloss sich an. Hier<br />

gab es superzartes Büffelfleisch, ein unglaublicher<br />

Gaumenschmaus!<br />

Beim Familientreffen in Bismarck<br />

Indianerinnen beim Festumzug<br />

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Erinnerungen<br />

45


1989 - Eine Reise mit Hindernissen – von der alten in die neue Welt<br />

Erinnerungen<br />

Unsere Freizeitgestaltung konnten wir durch<br />

die Zeitung bestimmen. Am Wochenende<br />

gibt es ein großes Rodeo vor der Stadt. Ja<br />

das, war genau das Richtige! Man muss es<br />

erlebt haben. Die ankommenden Autos wurden<br />

von den Cowboys auf Pferden zu den<br />

Parkplätzen eingewiesen. Nach Ende der Veranstaltung<br />

lotsten die Cowboys mit Leuchtstäben<br />

die Autos in Richtung Abreise. Für<br />

uns einmalig. Das Rodeo ein Spektakel der<br />

Sonderklasse, man muss es gesehen haben,<br />

um mitreden zu können. Doch wir hatten das<br />

Glück, noch mehr vom Land der unbegrenzten<br />

Möglichkeiten sehen zu dürfen.<br />

Der nächste Höhepunkt war ein Schlauchbootrennen<br />

auf dem Missisippi. Drei Meilen<br />

flussabwärts nur mit Muskelkraft, der<br />

Schnellste bekommt 3000 DoIlar. Die Ausschreibung<br />

war offen, jeder konnte mitmachen.<br />

Der Letzte war übrigens ein Australier,<br />

der mit einem Floß die Stecke bewältigte.<br />

Er hatte eine Palme auf dem Floß und einen<br />

Affen und ein kleines Lagerfeuer. Man kann<br />

nicht alle aufzählen, doch eine bayrische<br />

Blaskapelle mit einem Bratwurstgrill auf einem<br />

großen Floß war auch dabei. Ein großer<br />

Planwagen mit 4 aufgeblasenen Schläuchen<br />

rundherum als Räder und rechts und links an<br />

der Deichsel 2 aufgeblasene große Delphine.<br />

Sie haben nicht gewonnen, haben sich oft<br />

gedreht, aber alle haben gejubelt über den<br />

tollen Einfall. Die Gewinner waren zwei Rad-<br />

Beim Rodeo<br />

Schlauchbootrennen auf dem Mississippi<br />

Alter Raddampfer auf dem Mississippi<br />

46<br />

Erinnerungen


Oder wie wir 1989 von Görlitz nach North Dakota gereist sind!<br />

Erinnerungen<br />

Hans-Rüdiger Eulitz auf dem Gelände Can-Am<br />

Off-Road Motorrad<br />

Freizeitpark Valleyfair in Shakopee, Minnesota<br />

sportler, die ihr Tandem so umgebaut hatten,<br />

dass sie eine Schraube als Heckantrieb<br />

nutzen konnten. Rechts und links waren sie<br />

durch 2 aufgeblasene Schläuche abgesichert.<br />

Es war eine tolle Schau. Von TV-Sendem gesponsert!<br />

Hunderte Boote begleiteten dieses<br />

Riesenspektakel auf dem Fluss. Als die Boote<br />

den Fluss hinunter trieben, kam mir so in<br />

den Sinn, wie weit ich doch derzeit von der<br />

Heimat weg bin. Ein seltsames Gefühl der<br />

Ferne kam in mir auf. Die Beine baumeln im<br />

Mississipi und man denkt an zu Hause. Es war<br />

halt eine andere Welt! Die Schaufelraddampfer,<br />

mit ihren zwei hohen Schornsteinen wie<br />

bei Mark Twain in seinen Büchern, einmalig<br />

und für uns fast unwirklich nach diesem<br />

komplizierten Vorspiel unserer Reise. Eine<br />

besondere Freude machte uns das junge<br />

Paar. Wir fahren nach Minneapolis zum Valleyfair.<br />

Das war ein riesiger Freizeitpark, wo<br />

wir den ganzen Tag nur staunen konnten.<br />

Über Achterbahn (natürlich etwas größer als<br />

bei uns), aber wir fuhren mit. Über Wasserrutschen<br />

bis zum Westernschießen, alles wurde<br />

mitgemacht, und gegen Abend fuhren wir<br />

wieder zurück. 300 Meilen – ein Riesenstück<br />

auch auf dem großen Highway von Amerika.<br />

Wir hatten schon allerhand gesehen, doch es<br />

erwartete uns noch viel Einmaliges. Es ging<br />

auf nach North Dakota, zu den Eltern unserer<br />

Tante. Man muss sich das etwas anders<br />

vorstellen, als bei uns über die Autobahn<br />

zu fahren. Rechts ein riesenhafter Bison (wir<br />

waren im Land der Buffel angekommen), 3<br />

Meilen weiter kam ein komplettes Haus auf<br />

einem Tieflader angerollt, man kann nur sagen<br />

Amerika, das Land der unbegrenzten<br />

Möglichkeiten. Wir sind auf der Ranch unserer<br />

Verwandten angekommen. Viele haben<br />

schon Western-Filme gesehen. Wir erlebten<br />

es original. Der Onkel, ein von der Natur gebräunter<br />

Typ mit schneeweißen Haaren, und<br />

seine Frau, eine gütige reife Farmerin, die<br />

schon einige Stürme erlebt hatte. Dazu gehörte<br />

noch ein Sohn: ruhig, bestimmt und<br />

mit einer Ausstrahlung, dass man ihm sein eigenes<br />

Pferd hätte anvertrauen können. Seine<br />

Frau eine hübsche Krankenschwester, die ge-<br />

Erinnerungen<br />

47


1989 - Eine Reise mit Hindernissen – von der alten in die neue Welt<br />

Erinnerungen<br />

nau wusste, wo in der Not angepackt werden<br />

musste. Das waren unsere Verwandten, eine<br />

äußerst liebenswerte Farmerfamilie in North<br />

Dakota. Nach der Begrüßung und den Geschenken<br />

kam für uns etwas Einmaliges. Der<br />

Onkel zeigte uns seinen Waffenschrank. Eine<br />

gewaltige Gun (eine großkalibrige Waffe, für<br />

Bären, die aus Kanada im strengen Winter<br />

wechseln), zwei Winchester für die Wölfe,<br />

die schon eher mal im Winter vorbeischauen,<br />

wenn das Fressen knapp wird, und so ein<br />

richtiges Jagdgewehr für Enten, Hasen etc.<br />

Etwas Munition war auch vorhanden, man<br />

weiß ja nie, wie viel Wölfe kommen.<br />

Stolz zeigte er uns Bilder von einem Winter<br />

mit sehr viel Schnee. Er war auf dem Dach am<br />

Schornstein und sah die schwarzen Punkte<br />

näher kommen . Es waren Wölfe und alles bis<br />

fast zum Dach eingeschneit. Da musste man<br />

sich selbst helfen. Übrigens nur ein Bär hatte<br />

es bis an die Farm geschafft, das war aber<br />

schon bei seinem Vater, doch der Bär hat seinen<br />

weiten Weg auch bereut. Man muss auch<br />

wissen: Die Farm steht mindestens 10 Meilen<br />

von der nächsten Ansiedlung entfernt, also<br />

bist du Gottes Sohn, so hilf dir selbst!<br />

Für den Winter gibt es natürlich Schneemobile,<br />

für den Sommer große Dreiräder mit Tundrareifen,<br />

man muss ja überall durchkommen.<br />

Die Farm war meine Welt, eine große<br />

Werkstatt mit Drehbank, Schweißgerät u.s.w.<br />

Ja. auf so einer Farm muß man sich selbst in<br />

allen Lebenslagen kümmern können. Wir waren<br />

sehr beeindruckt von dem Lebenswillen<br />

der Rancher und ihrem immer währenden<br />

Kampf mit der Natur. Meine Leute bauen Sojabohnen<br />

und Potatoes (Kartoffeln) an. Doch<br />

nicht jedes Jahr ist ihnen das Wetter wohlgesonnen,<br />

und es gibt Durststrecken, die zu<br />

überleben sind. Unser Onkel meinte eines<br />

Tages, morgen fahren wir nach Hawley, und<br />

Altherren Country-Band<br />

dort macht ihr Entertainment für ältere Bürger!<br />

Nachdem wir erfahren hatten, was gemeint<br />

war, bereiteten wir uns nach Möglichkeit<br />

vor. Zu gut deutsch: Unser Onkel wusste,<br />

dass wir uns kulturell schon betätigt hatten,<br />

und meinte, das würde gut für die Leute in<br />

Hawley passen. lch suchte alle Zaubermöglichkeiten<br />

zusammen, mein Bruder versuchte<br />

Papier und Farben zu beschaffen und schon<br />

war unser Kulturprogramm zusammengestellt.<br />

Der Onkel erwähnte noch am Rande,<br />

die kleinen Klassen haben schulfrei, und das<br />

Regionalfernsehen ist auch dabei. Wir sind ja<br />

auch nicht gleich zu beeindrucken, doch das<br />

war doch auch für uns etwas unverhofft. Wir<br />

wollten unsere Leute nicht enttäuschen und<br />

gaben das Beste. Zwei Tage später stand im<br />

Hawley Kurier: Die Germanboys haben hervorragendes<br />

Entertainment für die Bürger<br />

von Hawley gezeigt. Ja ja, wer reist, der kann<br />

was erzählen!<br />

Diese Veranstaltung war von unseren Verwandten<br />

von langer Hand vorbereitet, denn<br />

aus ganz Amerika kamen alle, die zur Verwandschaft<br />

gehörten, oder bald neu dazu<br />

48<br />

Erinnerungen


Oder wie wir 1989 von Görlitz nach North Dakota gereist sind!<br />

Erinnerungen<br />

kommen sollten. Ein großes Familientreffen.<br />

Alles lief toll harmonisch ab, denn jeder hatte<br />

einen Aufkleber am Pulli mit Namen, so<br />

konnte keiner verwechselt werden. Einfach<br />

toll dieser Zusammenhalt!<br />

Hans-Rüdiger Eulitz beim Richten einer Kardanwelle<br />

Wir haben in Hawley auch eine Tante. Sie ist<br />

78, kann aber noch gut fort, deshalb kümmert<br />

sie sich um die „ALTEN“. Sie hat auch<br />

eine Ranch, ein Stück vor der Stadt. Genau<br />

gesagt mit ihrem Mann hat sie mitten in der<br />

Prärie Bäume gepflanzt, ein Haus gebaut<br />

und lebt nun dort. Ihr Mann ist verstorben,<br />

und als wir sie besuchten, kroch sie unter<br />

dem Traktor hervor und meinte, gut dass ihr<br />

kommt, die Hühnchen sind fertig. Wir waren<br />

verblüfft, mit welcher Energie die alte Dame<br />

ihr Leben meistert. Du bist ja ganz allein hier,<br />

unsere fast schüchterne Frage. „Ich habe viel<br />

zu tun, muss noch Brot backen für eine Hochzeit,<br />

habe mir extra eine Getreidemühle aus<br />

Deutschland kommen lassen, es soll die beste<br />

sein“. Wir haben viel erzählt, sie hat sehr,<br />

sehr gut gekocht, und wir waren begeistert<br />

von unserer Tante in der Prärie unweit von<br />

Hawley. Als wir wieder nach einer Runde<br />

durch Hawley am Treffpunkt für die Senioren<br />

vorbei kamen, kümmerte sich schon wieder<br />

unsere 78jährige Tante, um die alten Senioren.<br />

Eines darf ich nicht vergessen, unsere Tante<br />

fuhr weit mit uns in die Prärie hinaus, um uns<br />

große Steinkreise zu zeigen. Hier zogen die<br />

Indianer lang um hier ihre Tipis aufzubauen.<br />

Diese Rastplätze waren in gewissen Abständen<br />

über die Prärie verteilt. Selbst einen großen<br />

einzelnen Stein mitten in der Prärie gab<br />

es, und der war von einer Seite glattgescheuert,<br />

denn hier rieben sich die Bisons Jahr für<br />

Jahr, wenn sie durch die Prärie zogen. Für uns<br />

waren das beeindruckende Erlebnisse.<br />

(Fortsetzung folgt)<br />

Hans-Rüdiger Eulitz<br />

Blick auf den Fuhrpark der Farm in Hawley<br />

Erinnerungen<br />

49


Tagebau Berzdorf 1946 - 1955 (Teil II)<br />

Berzdorf<br />

Abraumbetrieb<br />

Ausgehend vom III. Parteitag der SED erfolgten<br />

1950 umfangreiche technologische<br />

Untersuchungen zur langfristigen<br />

Entwicklung des Berzdorfer Tagebaues.<br />

Für den Abraumbetrieb wurde eine Drehpunktverlegung<br />

von Süden nach Norden,<br />

ins Bereich des späteren Stellwerkes 7, als<br />

wichtigste Maßnahme herausgearbeitet.<br />

Diese Umstellung, verbunden mit einer<br />

generellen Veränderung der Schwenkrichtung,<br />

musste bis 1953/54 abgeschlossen<br />

sein. Gleichzeitig wurde mit dieser Maßnahme<br />

die notwendige Verlegung der<br />

Pließnitz sowie die Devastierung der Ortslage<br />

Berzdorf zeitlich maximal nach hinten<br />

verschoben. Damit wurde auch ein Spielraum<br />

für tiefgründige und durchdachte<br />

Untersuchungen geschaffen, zumal die<br />

Erkenntnis vorlag, dass nur mit sehr hohen<br />

Aufwendungen und komplizierten<br />

Folgeinvestitionen ein langfristiges Betreiben<br />

des Tagebaues möglich sein wird.<br />

Einbezogen in diese Untersuchungen<br />

wurden die zu erwartenden Kohlebedarfszahlen<br />

nach Inbetriebnahme der ersten<br />

Kraftwerksblöcke in Hagenwerder. Die<br />

Ab 1950 bestand im Abraumbetrieb folgende Grundtechnologie:<br />

- Vorschnitt (+ 203 m NN) 1 Dampfbagger (Bagger 4),1 Dampflöffelbagger auf Schienen, 1.5 cbm<br />

von O & K, 30 cbm/Std.<br />

- 1. Abraumschnitt (+ 202 m NN) Eimerkettenbagger E 250 LMG 80 cbm/Std (Bagger 1)<br />

- 2. Abraumschnitt (+ 192 m NN) Eimerkettenbagger E 300 LMG 100 cbm/Std (Bagger 5)<br />

Einspeisung der Eimerkettengeräte auf Schienen mit 1000 V Gleichstrom.<br />

Für Beräumung der Kohlesättel + 176 m NN:<br />

2 Dampflöffelbagger (mit Greiferausrüstung) von Menck und Hembrock 0,75 cbm und 25 cbm/Std (Bg. 2 und 3)<br />

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50<br />

Geschichte


Braunkohlenwerk Berzdorf im Zeitrau 1950-1952<br />

Tagebau Berzdorf<br />

Abb. 1 Blick aus Nord Ost in den Tagebau um<br />

1950; Vordergrund Seilbahn, rechts Beladestation<br />

auf der AE + 171 m NN, Bild Mitte Schacht 1 zur<br />

Entwässerung, Bild oben 1. AS mit Bagger 1<br />

und 2. AS mit Bagger 5<br />

Abb. 2 Dampfbagger 3 mit Greifer um 1950<br />

und 2. AS mit Bagger 5<br />

Wiederaufnahme des in den 30er Jahren<br />

begonnenen Kraftwerksbaues war ebenfalls<br />

beschlossen worden.<br />

Obwohl der veraltete Maschinenpark die<br />

Berzdorfer Bergleute bei der Baggerung<br />

vor viele Probleme stellte, war die Abnahme<br />

der Massen auf den Kippen eine noch<br />

größere Herausforderung. Es gab nur Trocken-<br />

bzw. Pflugkippen im Bereich der<br />

Teich- und Langteichhalde sowie im Bruchgebiet<br />

des „Alt-Bergbau-Gebietes“, nahe<br />

der „Ziegelei“. Mit dem Einsatz des ersten<br />

Absetzers auf der Langteichhalde, ab Mitte<br />

1951, sollte der Engpass „Kippe“ überwunden<br />

bzw. entlastet werden. Hierfür wurde<br />

der Absetzer As 300, mit einer theoretischen<br />

Leistung von 300 cbm/h und einer<br />

Versturzhöhe von 16 m, aus dem BKW Al-<br />

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Geschichte<br />

51


Tagebau Berzdorf 1946 - 1955 (Teil II)<br />

Berzdorf<br />

Abb. 3 Kippenbesatzung mit Anhängepflug<br />

für Dampflok<br />

Abb. 4 995 A 300 Im Einsatz bis ca. 1958<br />

fred Scholz (Tagebau Welzow) durch die<br />

Zentralwerkstatt Welzow am 13.08.1951<br />

umgesetzt. Die Abb. 5 zeigt den A 300 bei<br />

der Inbetriebnahme auf dem Tauchritzer<br />

Kippengelände. Rechts die alte Straße von<br />

Schönau nach Tauchritz. Durch den Einsatz<br />

des Absetzers in Hochschüttung ergaben<br />

sich für den durch die Verbindungsstraße<br />

Schönau-Tauchritz begrenzten Kippraum<br />

wesentliche Verbesserungen. Die Verkippung<br />

der Abraummassen erfolgte auch<br />

weiterhin auf Trockenkippen von Hand<br />

mit Anhängepflügen.<br />

Parallel zu den Entwässerungsarbeiten<br />

wurde deshalb eine Entlastung des<br />

Deckgebirges durch die Einrichtung des<br />

Vorschnittes „Ost“ eingeleitet. Zum Einsatz<br />

kam in diesem Schnitt auf der Höhe<br />

+ 203 m NN ab Mitte 1952 der Eimerkettenbagger<br />

377 E 450 Buckau – 150 m³/h,<br />

500 V Drehstrom, auf Schienen. Für den<br />

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52<br />

Geschichte


Braunkohlenwerk Berzdorf im Zeitrau 1950-1952<br />

Tagebau Berzdorf<br />

Grubenbetrieb<br />

Die Abb. 6 zeigt den alten Kohlerücken<br />

und die Bohrgerüste. Im Bild vorn Mitte<br />

die Trafostation und Bild Mitte ein Dampfbagger<br />

beim Beräumen eines Kohlesattels.<br />

In der Grube erfolgte der Abbau der Kohle<br />

bis 1953 weiterhin im Handbetrieb mittels<br />

Schurrenabbau. Die Höhen der Schurren<br />

lagen durchschnittlich bei 10 – 20 m. Die<br />

Kohlemächtigkeit betrug 40 – 60 m.<br />

Abb. 5 Bagger 8 bereits 1949 auf dem Montageplatz<br />

DDR Nr. 377 E 450 /300 im Einsatz von<br />

1952 bis 1957. Abraumleistung 4.213 10³m³<br />

Hochschnitt-Bagger musste als Vorarbeit<br />

ein Einsatzschlauch durch Hilfsgeräte hergestellt<br />

werden.<br />

Die generelle Drehpunktumstellung nach<br />

„Norden“ wurde bis 1953 abgeschlossen.<br />

Die Gleise des Vorschnittes – West sowie<br />

des 1. und 2. Abraumschnittes waren ab<br />

diesem Zeitpunkt an die Verbindungsgleise<br />

Hochbunker – Ziegelei angeschlossen.<br />

Abb. 6 Blick in den Tagebau Jan./Feb. 1950<br />

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Geschichte<br />

53


Tagebau Berzdorf 1946 - 1955 (Teil II)<br />

Berzdorf<br />

Auszug aus „Bergmännisches Handbuch<br />

Bd II, Der deutsche Braunkohlenbergbau“,<br />

1923, Verlag Klöppel, Eisleben:<br />

„…baut man in Schlitzschurren ab. Hierbei<br />

wird unten in der Kohle eine Art Kammer<br />

ausgehackt, welche gerade den Förderwagen<br />

aufnehmen kann. Von der Kammer aus<br />

wird in dem senkrechten Kohlestoße ein<br />

schmaler Schlitz hochgeführt, der dann<br />

gleichfalls von oben her erweitert wird. Damit<br />

die losgehackte Kohle nicht aus dem Schlitz<br />

herausspringt, wird dieser vorn durch einen<br />

Holzverschlag (Abb. 7) und unten durch einen<br />

Sammelkasten abgeschlossen, aus dem<br />

der Förderwagen gefüllt wird. Die Wände der<br />

Schurre müssen immer so steile Neigungen<br />

haben, daß die Kohle von selbst rutscht…“<br />

Die Erweiterung der Betriebsfläche im<br />

Grubenbetrieb durch den Abbaufortschritt<br />

ermöglichte das Einrichten einer<br />

neuen Abbausohle auf + 150 m NN. Im<br />

Betriebsplan für 1951 wurden die Abbausohlen<br />

+ 170 ü NN mit der Abbauhöhe am<br />

Kohlesattel von 22 m, + 161 ü NN und 150<br />

ü NN und damit eine Gesamtabbauhöhe<br />

von 30 m beantragt. Die schwere Arbeit<br />

Abb. 7 Schurrenabbau, rechts Phase 1 und links<br />

Holzverschlag<br />

der Schlepper erfuhr mit dem Einsatz der<br />

ersten Dieselloks, im Grubenbetrieb ab<br />

1951, eine wesentliche Erleichterung. Die<br />

Kohle wurde weiterhin mit ¾ cbm Muldenkipper<br />

in den auf der + 170 ü NN stehenden<br />

Beladebunker verstürzt und von<br />

dort in Seilbahnwagen abgezogen. Nach<br />

der Inbetriebnahme der Seilbahn wurde<br />

die Schiefebene weiterhin zur Förderung<br />

der Zwischenmittel benutzt und diente als<br />

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54<br />

Geschichte


Braunkohlenwerk Berzdorf im Zeitrau 1950-1952<br />

Tagebau Berzdorf<br />

Reserve für die Kohleförderung. Die generelle<br />

Drehpunktumstellung nach „Norden“<br />

wurde bis 1953 abgeschlossen.<br />

Im gleichen Jahr erschwerte die zweite<br />

größere Rutschung, in Richtung Pließnitz,<br />

die Kohleförderung erheblich. Am<br />

08.08.1951 setzten sich Abraummassen<br />

von der + 191 ü NN in Bewegung und<br />

überschütteten die Gleisanlagen auf der +<br />

171 ü NN. In Folge waren 5 Tage Produktionsausfall<br />

zu verzeichnen und der Ausfall<br />

der Förderung von ca.750 t Kohle.<br />

Kraft und Maschinenbetrieb, Werkbahn,<br />

Investitionen<br />

Auszug aus dem Betriebsplan 1951 zum<br />

Kraft- und Maschinenbetrieb (später<br />

Hauptabteilung Instandhaltung):<br />

„Die Stromversorgung des Betriebes erfolgte<br />

durch die Gleichrichterstation am Nordrand<br />

des Tagebauses. Der Strom 6 KV bezw.<br />

10 KV Drehstrom wird der Station über zwei<br />

getrennte Hochspannungsfreileitungen<br />

von 6 bzw. 10 KV zugeführt, wo der Strom<br />

entsprechend gleichgerichtet bzw. transformiert<br />

wird. Zur Verwendung kommt 1100<br />

Abb. 8<br />

Volt Gleichstrom für die Eimerkettenbagger<br />

im Abraumbetrieb, 6000 V bzw 220/380 V<br />

Drehstrom für die Pumpen und sonstige Maschinen.“<br />

In den Tagesanlagen ist in den Jahren bis<br />

1952 die Hauptwerkstatt entstanden mit<br />

Lok- und Wagenbauwerkstatt und einer<br />

Tischlerei.<br />

In der Ziegelei werden weiterhin Naßpreßsteine<br />

aus der Klarkohle mit einer Ziegelpresse<br />

hergestellt. Die Trockenanlage hat<br />

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Geschichte<br />

55


Tagebau Berzdorf 1946 - 1955 (Teil II)<br />

Berzdorf<br />

Abb. 9 und 10 Dampflokführer (Kesselwärterprüfung erforderlich) waren sehr geachtete Kollegen.<br />

eine Kapazität von 70000 Stück Steinen,<br />

dazu ein Kesselhaus mit zwei Dampfkesseln<br />

mit 165 m² und 250 m² Heizfläche.<br />

Für die Abraumleistung war die Bereitstellung<br />

von einsatzfähigen Dampflokmotiven<br />

von entscheidender Bedeutung. In<br />

Berzdorf sind 39 Dampfloks im Leistungsund<br />

Hilfsfahrbetrieb im Einsatz gewesen.<br />

Sie kamen aus anderen Werken wie das<br />

Schreiben von 1952 (Abb. 8) zeigt. Die Typenvielfalt<br />

war enorm.<br />

Für die Leistungssteigerung des Fahrbetriebes<br />

wurden 1951/52 noch 2 weitere<br />

Wasserstationen für die Lokspeisung gebaut.<br />

(Abb. 11 und 12)<br />

In den Jahren 1951/52 wurden umfangreiche<br />

Neubauten errichtet und Umbauten<br />

realisiert u.a.:<br />

• Trinkwasserleitung für Berzdorf<br />

• Bau einer Lok Waschanlage<br />

• Errichtung von Waschkauen und<br />

Verwaltungsbaracke (Abb. 13)<br />

• Erweiterung der Werkstätten<br />

• Verlegung der Kleinen Gaule (400 m)<br />

• Bau einer Abraumbrücke über die<br />

Reichsbahnstrecke Görlitz - Zittau<br />

Die Ergebnisse der Produktion im Zeitraum 1950 – 1952<br />

Jahr 1950 1951 1952<br />

Abraum ( m³ ) 1 121 900 1 365 100 1 631 700<br />

Kohle ( t) 339 000 362 000 338 600<br />

von Hand ( t ) 337 000 340 938 306 938<br />

Bg. 5 / Bg. 2 ( t ) 2 000 12 533 / 2 703 22 533<br />

Naßpreßsteine ( t ) 18 400 18 500 18 000<br />

Belegschaft 1 051 1 055 1 066<br />

56<br />

Geschichte


Braunkohlenwerk Berzdorf im Zeitrau 1950-1952<br />

Tagebau Berzdorf<br />

• Bau einer Flutmulde und eines<br />

Hochwasserschutzdammes für die<br />

geplante Tagebauausfahrt<br />

• Neubau von weiteren 24 Wohnungen<br />

Leschwitzer Straße in Weinhübel mit sehr<br />

schöner Fassadengestaltung<br />

Abb. 11 und 12<br />

4.4. Gründung der Abteilung Entwässerung<br />

1950, Beginn der Untertage Entwässerung<br />

Abb. 13<br />

Da das Grundwasser den auslösenden<br />

Faktor spielte, wurde vorsorglich die Abteilung<br />

Entwässerung erweitert und eine<br />

eigenständige Betriebsabteilung gebildet.<br />

Bis 1947 werden die Wässer in von Hand<br />

angelegten Entwässerungsgräben gefasst,<br />

zu hergestellten Sümpfen geleitet und von<br />

dort zur Tagebaukante gepumpt. Deshalb<br />

Geschichte<br />

57


Tagebau Berzdorf 1946 - 1955 (Teil II)<br />

Berzdorf<br />

Abb. 14 Der erste Teil der Handskizze der Betriebssituation Anfang der 50 iger Jahre von Gottfried<br />

Adler für das Betriebsferienheim Großschönau entworfen.<br />

wurde 1948 mit dem Auffahren der ersten<br />

Entwässerungsstrecken in der Kohle vom<br />

offenen Tagebau aus (Mundloch) begonnen.<br />

Das Auffahren erfolgte ausschließlich<br />

von Hand mit Hacke und Schaufel auf der<br />

+ 161 m NN. Die anfallende Rohbraunkohle<br />

wird mittels handbetriebener Hunte abtransportiert.<br />

1949 erfolgte der Bau einer<br />

offenen Wasserstation an der Beladestelle<br />

der Seilbahn. Von dort wurden alle Grubenwässer<br />

zum Mühlgraben geleitet. Als<br />

Pumpkapazität standen 3 Kreiselpumpen<br />

mit einer Leistung von 10/11/12 cbm/min<br />

und 2 Kreiselpumpen mit einer Leistung<br />

von 6 cbm/min zu Verfügung. Außerdem<br />

waren 1949 auf + 171 m NN zwei Filterbrunnen<br />

bis auf das Liegende niedergebracht<br />

worden.<br />

1949 wurde das Teufen des ersten Schachtes<br />

im Südfeld von der im Sümpfungsgebiet<br />

liegenden Grubensohle + 150 m NN<br />

aus begonnen. Die Schachtteufe betrug 20<br />

m. Der Schacht wurde von Hand gehackt.<br />

Die anfallenden Massen wurden über eine<br />

an einem Holzbock befestigte Handwinde<br />

mit Kübel an die Oberfläche transportiert.<br />

Der Ausbau des Schachtes und das<br />

Schachtgerüst bestanden aus Holz. Vom<br />

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58<br />

Geschichte


Braunkohlenwerk Berzdorf im Zeitrau 1950-1952<br />

Tagebau Berzdorf<br />

Schachtes zwei weitere Pumpenräume errichtet<br />

und mit Kreiselpumpen 1 x 11 cbm<br />

und 2 x 6 cbm bestückt. Die Strecken hatten<br />

und haben folgende Abmessungen:<br />

Sohlenbreite: 1,90 bis 2,00 m; Firsthöhe:<br />

2,00 bis 2,20 m; Firstbreite: 1,20 bis 1,50 m.<br />

Auf die Strecken wurden mittels Handbohrwinde,<br />

auch Schinder genannt, von<br />

der Geländeoberfläche Bohrungen niedergebracht<br />

und mit Filterrohren ausgebaut.<br />

(Fallfilter). Die ersten Fallfilter entstanden<br />

Abb. 15 Mannschaft, die den Schacht ab<br />

1949 abgeteuft hat (v. links Kollegen Müller,<br />

Hirschfelder, Kura Anton, Otto)<br />

Schacht aus sind die Entwässerungsstrecken<br />

1, 1 a bis 1 c, 2 a, 2 b sowie 3 a und 3 b<br />

sternenförmig aufgefahren worden.<br />

Im 1. Jahr wurden insgesamt 582 m Strecke<br />

aufgefahren. Gleichzeitig erfolgte das<br />

Auffahren von 2 Pumpenräumen auf der<br />

Sohle + 135 m NN. Die Ausrüstung erfolgte<br />

mit Kreiselpumpen von jeweils 1x 6/1 x<br />

10 cbm/min. Bis 1953 wurden nördlich des<br />

Abb. 16 Schacht 1, Schachtgerüst aus Holz<br />

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Geschichte<br />

59


Tagebau Berzdorf 1946 - 1955 (Teil II)<br />

Berzdorf<br />

1951 mit Zementrohren. Untertägig sind<br />

Steckfilter eingebracht worden. Das sich in<br />

den Filtern sammelnde Grundwasser (auch<br />

hineingeleitetes Oberflächenwasser) wird<br />

in die Strecken abgeleitet. Das dort zusammengefasste<br />

„erschrotete Wasser“ läuft zu<br />

den Sümpfen der Pumpenräume, von wo<br />

es nach Übertage in die Pließnitz bzw. den<br />

Tauchritzer Mühlgraben gepumpt wurde.<br />

Die Entwässerungsarbeiten konnten sich<br />

aber nicht nur auf das in westliche Richtung<br />

verlaufende aktive Abbaufeld konzentrieren,<br />

da vor allem am Ostrand des<br />

Tagebaues, in Richtung Teich- und Langteichhalde,<br />

verstärkt Rissbildungen und<br />

großflächige Setzungen auftraten. Mit der<br />

Erweiterung des Streckennetzes in dieses<br />

Gebiet und zielgerichteten Entwässerungsmaßnahmen<br />

sollte einer möglichen Tagebaugefährdung<br />

vorgebeugt werden. Der<br />

geringe geologische und hydrologische Erkundungsstand,<br />

besonders für diesen Feldesteil,<br />

ließ keine eindeutigen Erkenntnisse<br />

zur Ursache der Setzungen zu. 1951 konnte<br />

das erste betriebseigene Bohrgerät zum<br />

Einsatz kommen. Im Zeitraum 1948 – 1952<br />

wurden ca. 26 Mio m³ Wasser gehoben.<br />

Abb. 17 Die erste Bohrbesatzung 1951<br />

Die Grubenwehr wurde 1950 gegründet<br />

Die Grubenwehr in Berzdorf wurde am<br />

16.01.1950 auf der Grundlage einer Anordnung<br />

der Deutschen Wirtschaftskommission<br />

über das Grubenrettungswesen vom<br />

06.04.1949 gegründet. Am Anfang hatte<br />

der Oberführer Emil Kieras, Fahrsteiger im<br />

Grubenbetrieb, 14 Wehrmänner zur Verfügung.<br />

Die erste Unterbringung war 1950 in<br />

einer Baracke an der Wache West. Im Janu-<br />

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60<br />

Geschichte


Braunkohlenwerk Berzdorf im Zeitrau 1950-1952<br />

Tagebau Berzdorf<br />

ar 1952 wurde die erste Rettungsstelle in<br />

der neuen Waschkaue Ost bezogen, und<br />

der hauptamtliche Gerätewart Manfred<br />

Jenke trat seinen Dienst an. Ab 1954 wurde<br />

im Bereich der Tagesanlagen das neue<br />

Grubenwehrgebäude (Abb. 17) bezugsfertig.<br />

Dieser Stützpunkt war zur Auflösung<br />

der Grubenwehr einsatzbereit.<br />

In der Anzeige zum Betriebsplan 1953<br />

werden nachfolgende verantwortliche<br />

Wehrmänner angezeigt:<br />

Oberführer Erhard Schmidt, Ausbildung<br />

zum Oberführer im Mai 1952, eingesetzt<br />

ab 14.02.1953 – 1955<br />

Stellv. Oberführer Fritz Mannack,<br />

1950 – 1960<br />

Gerätewart Erich Lindner von Mai<br />

1950 – 1980<br />

Hauptamtlicher Gerätewart Manfred Jenke<br />

<strong>September</strong> 1950 – 1988<br />

Ab 1955 wird Helmut Weber als Oberführer<br />

bestellt. Dieses Amt wird er bis 1986<br />

gewissenhaft ausführen.<br />

Joachim Neumann und Klaus Krische<br />

Aus: Berzdorfer Hefte<br />

Die technologische Entwicklung<br />

Tagebau Berzdorf<br />

1946-1955.<br />

Impressum:<br />

Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />

<strong>StadtBILD</strong>-Verlag<br />

eine Unternehmung der<br />

incaming media GmbH<br />

vertreten durch den Geschäftsführer<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

Mitglied im Deutschen Fachjournalistenverband<br />

Carl-von-Ossietzky-Straße 45 | 02826 Görlitz<br />

Tel. 03581 87 87 87 | Fax: 03581 40 13 41<br />

E-Mail: info@stadtbild-verlag.de<br />

Shop: www.stadtbild-verlag.de<br />

Bankverbindung:<br />

IBAN: DE21 8504 0000 0302 1979 00<br />

BIC: COBADEFFXXX<br />

Geschäftszeiten:<br />

Mo. - Fr. von 9.00 bis 16.00 Uhr<br />

Druck:<br />

Graphische Werkstätten Zittau GmbH<br />

Erscheinungsweise: monatlich<br />

Redaktion & Inserate:<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

Kathrin Drochmann<br />

Dipl. - Ing. Eberhard Oertel<br />

Bertram Oertel<br />

Layout:<br />

Kathrin Drochmann<br />

Lektorat:<br />

Wolfgang Reuter, Berlin<br />

Teile der Auflage werden kostenlos verteilt, um<br />

eine größere Verbreitungsdichte zu gewährleisten.<br />

Für eingesandte Texte & Fotos übernimmt der Herausgeber<br />

keine Haftung. Artikel, die namentlich<br />

gekennzeichnet sind, spiegeln nicht die Auffassung<br />

des Herausgebers wider. Anzeigen und redaktionelle<br />

Texte können nur nach schriftlicher Genehmigung<br />

des Herausgebers verwendet werden.<br />

Redaktionsschluss:<br />

Für die nächste Ausgabe (Oktober)<br />

ist am 20.09.<strong>2021</strong><br />

Geschichte<br />

61


Umzüge steuerlich geltend machen<br />

ETL-Steuerberatung<br />

Umzugskostenpauschalen wurden angehoben<br />

Bezahlbarer Wohnraum in guter Lage ist heiß begehrt. Wurde dann die Traumwohnung gefunden, muss der Umzug geplant<br />

werden – auch finanziell. Denn nicht nur für Renovierung oder neue Einrichtungsgegenstände fallen Kosten an, sondern auch<br />

für den Umzug selbst. Dann ist es gut zu wissen, dass auch Umzugskosten steuerlich berücksichtigt werden können.<br />

Steuerbonus bei privaten Umzügen nutzen<br />

Wer aus privaten Gründen umzieht, kann die Kosten einer Spedition als haushaltsnahe Dienstleistungen in der Steuererklärung<br />

geltend machen. 20 % der Aufwendungen können direkt von der Einkommensteuer abgezogen werden, maximal 4.000<br />

Euro im Jahr. Und auch Kosten für die Renovierung und andere Handwerkerleistungen werden berücksichtigt, allerdings nur,<br />

soweit sie auf die Arbeitsleistungen des Handwerkers entfallen. Als haushaltsnahe Handwerkerleistungen können 20 % der<br />

Arbeitskosten, maximal 1.200 Euro, von der Einkommensteuer abgezogen werden.<br />

Tipp: Wer aus gesundheitlichen Gründen (ärztlicher Nachweis erforderlich) umziehen muss, kann Umzugskosten als außergewöhnliche<br />

Belastungen abziehen. Allerdings sind die Kosten nur abziehbar, soweit sie die zumutbare Eigenbelastung übersteigen.<br />

Diese hängt vom Familienstand, dem Einkommen und der Zahl der steuerlich berücksichtigungsfähigen Kinder ab. Auch<br />

wer aufgrund der Hochwasserkatastrophe im Juli <strong>2021</strong> seine Wohnung verloren hat und umziehen muss, kann Aufwendungen<br />

als außergewöhnliche Belastungen abziehen. Soweit sie hierbei nicht abziehbar sind, kommt eine Berücksichtigung als haushaltsnahe<br />

Dienst- oder Handwerkerleistung infrage.<br />

Umzugspauschalen bei beruflich veranlassten Umzügen abziehbar<br />

Wer aus überwiegend beruflichen Gründen umzieht, kann die dabei entstehenden Aufwendungen als Werbungskosten in der<br />

Einkommensteuererklärung geltend machen. Eine berufliche Veranlassung kann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer<br />

aufgrund einer Versetzung oder eines Arbeitsplatzwechsels an den Arbeitsort umzieht. Berufliche Gründe eines Umzugs<br />

können aber auch die erstmalige Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit sowie die Begründung oder Beendigung einer doppelten<br />

Haushaltführung des Arbeitnehmers sein. Daneben gelten auch eine Fahrtzeitverkürzung von mindestens einer Stunde<br />

täglich und ein Umzug auf Verlangen des Arbeitgebers als beruflich veranlasst.<br />

Abziehbar sind einerseits die tatsächlichen Kosten für das Umzugsunternehmen, eine Maklercourtage für die Vermittlung<br />

der Wohnung sowie Reisekosten zur neuen Wohnung bzw. im Vorfeld zur Suche und Besichtigung der Wohnung. Daneben<br />

können pauschale Beträge für Aufwendungen geltend gemacht werden, die im Zusammenhang mit dem Umzug anfallen.<br />

Im Jahr 2020 wurden die Umzugskostenpauschalen erheblich geändert. Seit dem 1. Juni 2020 richten sich die pauschalen<br />

Beträge nicht mehr nach dem Familienstand, sondern nach dem Begünstigten (dem Umziehenden).<br />

Mit Schreiben vom 21. Juli <strong>2021</strong> hat das Bundesfinanzministerium (BMF) nun die Pauschalen leicht angehoben und zwar rückwirkend<br />

ab dem 1. April <strong>2021</strong>. Die neuen Werte sind auf alle Umzüge anzuwenden, bei denen der Tag vor dem großen Einladen<br />

des Umzugsgutes nach dem 31. März <strong>2021</strong> liegt. Wer also am 1. April <strong>2021</strong> oder später seinen Umzugswagen beladen hat oder<br />

belädt, darf die höheren Pauschalen ansetzen. Ab dem 1. April 2022 gelten erneut höhere Pauschalen.<br />

Pauschbetrag für sonstige Umzugsauslagen:<br />

Begünstigter 01.06.2020 bis 31.03.<strong>2021</strong> 01.04.<strong>2021</strong> bis 31.03.2022 ab 01.04.2022<br />

„Umziehender“ = 1. Person 860 € 870 € 886 €<br />

Jede weitere mitumziehende Person 573 € 580 € 590 €<br />

(Ehe-/Lebenspartner, Kinder)<br />

Wer erstmals eine eigene Wohnung bezieht oder seine eigene Wohnung mit dem Umzug auflöst, darf nur 174 Euro als Umzugspauschale<br />

ansetzen (172 Euro bis 31.03.<strong>2021</strong> und 177 Euro ab 1. April 2022). Auch für umzugsbedingte Unterrichtskosten<br />

dürfen Pauschalen angesetzt werden. Für jedes Kind werden bis zu 1.160 Euro berücksichtigt (1.146 Euro bis 31. März <strong>2021</strong><br />

und 1.181 Euro ab 1. April 2022).<br />

Hinweis: Alternativ zum Abzug der beruflich veranlassten Umzugskosten als Werbungskosten kann auch der Arbeitgeber die<br />

Aufwendungen ganz oder teilweise übernehmen oder erstatten. Dabei sind die Aufwendungen des Arbeitgebers steuerfrei,<br />

soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen bzw. die Umzugskostenpauschalen nicht übersteigen.<br />

Autor: Ulf Hannemann, Freund & Partner GmbH (Stand: 01.08.<strong>2021</strong>)<br />

62<br />

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