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Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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heftig ihre Fragen wiederholte und dabei aus Versehen<br />

den Faden am Rocken zerriß, sah die alte Frau erzürnt<br />

auf. Ein paar Secunden schien es, als wolle sie<br />

eine Fluth von Schimpfreden über das Mädchen ausgießen,<br />

plötzlich aber ward ihr Gesicht wieder ernst,<br />

ein wehmüthiges Lächeln spielte um den reizlosen faltigen<br />

Mund, und den Faden wieder anknüpfend und<br />

mit größerer Emsigkeit die Spindel drehend, summte<br />

sie erst leise, dann immer lauter eine jener melancholischen<br />

Liederweisen vor sich hin, die noch heut’ bei<br />

den Wenden der Lausitzen in Gebrauch sind. Nachdem<br />

sie mehrere Verse unverständlich geflüstert hatte, erhob<br />

sie plötzlich ihre Stimme ganz laut und der fremde<br />

Greis verstand die Worte:<br />

»Hinaus sie ihn trugen,<br />

Viel Volk hinterher,<br />

Jüdevoi!<br />

Vor allen sein Liebchen<br />

Ging zwischen zwei Andern,<br />

Jüdevoi!<br />

Das Mägdelein weinte<br />

Und brach ihre Hände,<br />

Jüdevoi!« 1<br />

Hier ließ sie die Stimme sinken, so daß die nächsten<br />

Verse den Zuhörern unverständlich blieben, dann aber,<br />

die Spindel heftig an sich reißend, an ihren Brustlatz<br />

1 Bruchstücke noch jetzt unter den Wenden gang und geber<br />

Volkslieder.

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