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alice - Badisches Staatstheater - Karlsruhe

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<strong>alice</strong>


Je meHr TüreN maN<br />

öffNeT, deSTo Tiefer<br />

geräT maN HiNeiN<br />

Premiere 27.9.12 KleiNeS HaUS<br />

Aufführungsdauer 2 Stunden, 40 Minuten, eine Pause<br />

Aufführungsrechte Felix Bloch Erben GmbH & Co KG, Berlin<br />

Internationale Musikverlage Hans Sikorski / Edition Wilhelm Hansen Hamburg<br />

Auf Wunsch der Urheber ist die Wiedergabe der Songtexte in keinerlei Form<br />

gestattet. Wir verweisen auf den Text auf S. 26.


<strong>alice</strong><br />

von Robert Wilson, Tom Waits, Kathleen Brennan & Paul Schmidt<br />

nach Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“<br />

Deutsch von Wolfgang Wiens<br />

Musik und Gesangstexte von Tom Waits & Kathleen Brennan | Text von Paul Schmidt<br />

Regie, Design und Visual Concept der Originalproduktion von Robert Wilson<br />

Alice UrSUla groSSeNbacHer<br />

Charles Dodgson roberT beSTa<br />

Weißes Kaninchen, Weißer Ritter roberT beSTa<br />

Lilie JoaNNa KiTzl<br />

Rose HaNNeS fiScHer<br />

Zwei Gänseblümchen aNNa-magdaleNa beeTz<br />

JaN aNdreeSeN<br />

Raupe eva derleder<br />

Fisch, ein Lakai gUNNar ScHmidT<br />

Frosch, ein Lakai NaTaNaËl lieNHard<br />

Herzogin aNNa-magdaleNa beeTz<br />

Köchin JaN aNdreeSeN<br />

Grinsekatze HaNNeS fiScHer<br />

Hutmacher JoaNNa KiTzl<br />

Märzhase JaN aNdreeSeN<br />

Haselmaus aNNa-magdaleNa beeTz<br />

Rehkitz NaTaNaËl lieNHard<br />

Schachkönig gUNNar ScHmidT<br />

Schachkönigin eva derleder<br />

Weißes Schaf gUNNar ScHmidT<br />

Humpty Dumpty HaNNeS fiScHer<br />

Tweedledum JaN aNdreeSeN<br />

Tweedledee JoaNNa KiTzl<br />

Schwarzer Ritter NaTaNaËl lieNHard<br />

Altar Boy (Solo) georg KraUSe<br />

Altar Boys láSzló braNKo breidiNg, lUKaS frieS,<br />

leoN HellSTerN, marviN HocK<br />

Klavier, Harmonium, Celesta, Theremin clemeNS ryNKowSKi<br />

Percussion, Drumset, Schlagwerk, JaKob diNKelacKer<br />

Waldhorn, Trompete, Marimba, Vibra-Phon<br />

Bass, Gitarre, Klavier, Saz, Windmaschine floriaN ryNKowSKi<br />

Posaune, Sousaphon, Tuba JocHeN welScH<br />

Bassklarinette, Saxophon, Piccolo, Querflöte SveN PUdil<br />

Bratsche agaTa zieba


Regie daNiel PflUger<br />

Musikalische Leitung & Arrangements clemeNS ryNKowSKi<br />

Bühne flUriN borg madSeN<br />

Kostüme JaNiNe werTHmaNN<br />

Licht cHriSToPH PöScHKo<br />

Dramaturgie NiNa STeiNHilber<br />

Regieassistenz eric NiKodym<br />

Bühnenbildassistenz Viktoria strikiČ<br />

Kostümassistenz STefaNie gaiSSerT<br />

Regiehospitanz aliNa STadler, robiN graber<br />

Bühnenbildhospitanz deNiSe HUber<br />

Soufflage dagmar weber<br />

Inspizienz NiKolaUS NaUy<br />

Technische Direktion Harald faSSlriNNer, ralf HaSliNger Bühne HeNdriK brüggemaNN,<br />

edgar lUgmair Leiter der Beleuchtung STefaN woiNKe Leiter der Tonabteilung<br />

STefaN raebel Ton JaN fUcHS, STefaN raebel Leiter der Requisite wolfgaNg<br />

feger Requisite clemeNS widmaNN Werkstättenleiter gUido ScHNeiTz Malsaalvorstand<br />

dieTer moSer Leiter der Theaterplastiker ladiSlaUS zabaN Schreinerei<br />

roUveN biTScH Schlosserei mario weimar Polster- und Dekoabteilung UTe wieNberg<br />

Kostümdirektorin doriS HerSmaNN Gewandmeister/in Herren PeTra aNNeTTe<br />

ScHreiber, roberT HarTer Gewandmeisterinnen Damen TaTJaNa graf, KariN<br />

wörNer, aNNeTTe groPP Waffenmeister micHael PaoloNe Schuhmacherei THomaS<br />

maHler, barbara KiSTNer Modisterei diaNa ferrara, JeaNeTTe Hardy<br />

Chefmaskenbildner raimUNd oSTerTag Maske friederiKe reicHel, SoNJa roSS,<br />

melaNie laNgeNSTeiN, SaNdra oeSTerle Leiter der Statisterie rolf JeNeweiN<br />

Mit freundlicher Unterstützung der<br />

dicH gibT eS NUr<br />

iN SeiNem TraUm.<br />

2<br />

Ursula Grossenbacher


wer biN<br />

icH?<br />

zUm iNHalT<br />

Charles Dodgson hat Kopfschmerzen. Die<br />

Stimmen in seinem Kopf bilden scheinbar<br />

sinnlose Wortketten. Dodgson träumt –<br />

und jedes Bild, jeder Gedanke gilt dem<br />

Mädchen Alice.<br />

Alice posiert für die Kamera von Charles<br />

Dodgson. Im Blitzlicht verwandelt der<br />

Fotograf sich in ein weißes Kaninchen.<br />

Alice folgt dem Kaninchen und ist<br />

plötzlich unter der Erde. Das Kaninchen<br />

ist verschwunden. Eine Flasche fordert<br />

Alice auf, aus ihr zu trinken. Sie trinkt und<br />

landet in einem Labyrinth unterschiedlich<br />

großer Türen. Ist sie gewachsen? Oder<br />

geschrumpft? Oder hat sich nur ihre Umgebung<br />

verändert?<br />

Durch eine der Türen gerät Alice in den<br />

Garten der sprechenden Blumen. In heller<br />

Aufregung angesichts der ihnen unbekannten<br />

Pflanze fordern die Blumen Alice<br />

4<br />

auf, ihnen zu sagen, wer sie ist. Sie realisiert,<br />

dass sie ihren Namen vergessen<br />

hat, kann sich aber gerade noch daran<br />

erinnern, dass sie ein Mädchen ist. Als<br />

die Blumen sie weiter bedrängen, droht<br />

Alice, sie zu pflücken. Die Blumen beginnen<br />

zu weinen, als die Rose ihr Lied über<br />

den ewigen Kreislauf von Leben und Tod,<br />

Erblühen und Verwelken singt.Eine Raupe<br />

erscheint und verspeist die Blumen.<br />

Auch die Raupe verlangt von Alice Aufschluss<br />

über ihre Identität – und wieder<br />

muss Alice feststellen, dass sie vergessen<br />

hat, wer sie ist. Sie sagt, dass sie<br />

klein sei und gerne wachsen würde. Die<br />

Raupe rät ihr, die Fassung zu bewahren<br />

und singt das Lied des Freakshow-Stars<br />

Tabletop Joe.<br />

Kaum ist die Raupe verschwunden, begegnet<br />

Alice dem Fisch, der dem Frosch<br />

Robert Besta, Ursula Grossenbacher


eine Einladung für die Herzogin von Ihrer<br />

Majestät, der Schachkönigin zum Krocketspiel<br />

überbringen will. Und wieder ist da<br />

das weiße Kaninchen – und eine Tür, die<br />

Alices Aufmerksamkeit auf sich zieht. Obwohl<br />

der Frosch sie warnt, dass dahinter<br />

alle verrückt sind, öffnet Alice die Tür.<br />

Sie gelangt in eine Küche. Unter Beobachtung<br />

der Grinsekatze gehen die<br />

Köchin und die Herzogin ihren immergleichen<br />

Tätigkeiten nach. Die Herzogin<br />

hält zudem ein schreiendes Bündel auf<br />

dem Schoß. Der Gedanke, bald selbst eine<br />

Mutter mit Baby zu sein, erschreckt Alice<br />

und sie will raus aus der Küche. Da landet<br />

das schreiende Bündel in ihrem Arm –<br />

und Alice versinkt mitsamt der Küche.<br />

Außerhalb des Wunderlandes schreibt<br />

Charles Dodgson Briefe an die kleine<br />

Alice. Die erwachsene Alice erzählt ihrer<br />

Katze von den Nachmittagen bei dem<br />

Fotografen Charles Dodgson.<br />

Zurück im Wunderland trifft Alice auf<br />

die Grinsekatze und fragt sie nach dem<br />

richtigen Weg. Die Katze erklärt ihr, dass<br />

am Ende jedes Weges jemand wartet, der<br />

verrückt ist. Alice landet in der verrückten<br />

Teegesellschaft mit dem Hutmacher,<br />

der Haselmaus und dem Märzhasen.<br />

Je verzweifelter Alice einen Ausweg<br />

sucht, desto tiefer gerät sie hinein in das<br />

Wunderland. Im Wald ohne Namen trifft<br />

Alice zum ersten Mal ein Wesen, das wie<br />

sie selbst vergessen hat, wer oder was<br />

es ist. Doch nach einem kurzen Moment<br />

der Annäherung erkennen das Reh und<br />

das Mädchen einander als das, was sie<br />

sind. In den Augen des Rehs ist Alice als<br />

Mensch ein Monster – und es ergreift die<br />

Flucht. Alice bleibt allein zurück.<br />

6<br />

Von überall her tauchen plötzlich Wunderland-Figuren<br />

auf, denen Alice im<br />

Verlauf der Geschichte bereits begegnet<br />

ist, und werden zu Schachfiguren.<br />

Die Schachkönigin erscheint und will dem<br />

Mädchen den Prozess machen. Alice wird<br />

angeklagt, „pikante Briefe“ empfangen zu<br />

haben. Als das Urteil vollstreckt werden<br />

soll, erscheint im letzten Moment Charles<br />

Dodgson in Gestalt des weißen Ritters,<br />

um Alice zu retten.<br />

In einem Vorspiel besingt ein gealterter<br />

Messdiener die Katastrophe seines<br />

von Missbrauch gezeichneten Lebens.<br />

Charles Dodgson tritt auf und vertreibt<br />

den Altar Boy.<br />

Alice bittet ihn, das Rätsel um ihre Identität<br />

zu lösen – doch statt einer Antwort<br />

konfrontiert er sie mit einem neuen Rätsel:<br />

Sie soll herausfinden, was Jabberwocky<br />

bedeutet. Dodgson verwandelt sich erneut<br />

in das weiße Kaninchen, Alice setzt<br />

ihren Weg durch das Wunderland fort.<br />

Sie begegnet einem Schaf, das etwas<br />

aus seiner eigenen Wolle strickt, aber<br />

auch nicht weiss, was mit Jabberwocky<br />

gemeint ist. Schließlich landet Alice<br />

vor einer Mauer, auf der ein riesiges Ei<br />

namens Humpty Dumpty sitzt, das ihr<br />

erklärt, Jabberwocky sei eine Mauer aus<br />

Wörtern. Das Ei rät ihr, herauszufinden,<br />

ob es auch ohne Wörter etwas bedeutet.<br />

Während Alice weiter im Wunderland<br />

feststeckt und versucht, das Rätsel zu<br />

lösen, taucht Charles Dodgson erneut<br />

außerhalb auf. Er erzählt von seiner<br />

ersten Begegnung mit Alice, die dem<br />

großen Lärm in seinem Kopf ein Ende<br />

gemacht hat – und von seiner Sehnsucht,<br />

Folgeseiten Joanna Kitzl, Hannes Fischer


in diesem Moment die Zeit anzuhalten.<br />

Weiße Steine weisen ihm den Weg in den<br />

Wald. Aus Charles Dodgson wird wieder<br />

das weiße Kaninchen – und es prüft Alice<br />

mit „Doublets“, einem Spiel, bei dem das<br />

Mädchen durch schrittweisen Austausch<br />

einzelner Buchstaben von einem Wort<br />

zum andern kommen muss. Aus Hand wird<br />

Fuss und aus Wörtern werden Töne – bis<br />

plötzlich Tweedledum und Tweedledee<br />

auftauchen, Zwillinge, die gegeneinander<br />

kämpfen, um sich voneinander zu unterscheiden,<br />

und die Alice auf das Gewitter<br />

hinweisen, das kurz darauf tatsächlich<br />

über sie hereinbricht.<br />

Auf Blitz und Donner folgen der schwarze<br />

und der weiße Ritter, die um Alice<br />

kämpfen. Der schwarze Ritter schlägt den<br />

weißen Ritter und erklärt Alice, dass sie<br />

nur im Traum des weißen Ritters existie-<br />

re. Er kündigt an, sie zur Schachkönigin zu<br />

bringen, wo man sie köpfen werde. Das<br />

Wunderland ist außer Kontrolle geraten.<br />

Alice ist der Schachkönigin und ihrem<br />

Hofstaat ausgeliefert, man will ihr erneut<br />

den Prozess machen. Die als Beweis für<br />

ihr Vergehen vorgelegten Briefe sind<br />

sämtlich mit ihrem Namen beschrieben.<br />

Alice wehrt sich gegen die Anschuldigungen<br />

– und wieder erscheint der weiße<br />

Ritter, um sie zu retten. Er bekennt sich<br />

des Verfassens der Briefe schuldig und<br />

soll nun seinerseits verurteilt werden. Bei<br />

dem Versuch, ihn zu köpfen, verwandelt<br />

der weiße Ritter sich über das weiße<br />

Kaninchen zurück in Charles Dodgson. Als<br />

Erfinder des Wunderlandes beansprucht<br />

er die Macht über die Figuren für sich –<br />

und lässt sie verschwinden. Alice glaubt,<br />

die Geschichte sei nun zu Ende …<br />

Nähere Informationen zu den Songs<br />

finden Sie auf Seite 26 in diesem Heft.<br />

Hier ScHeiNeN alle<br />

verrUcKT zU SeiN.<br />

7


<strong>alice</strong><br />

überall<br />

zUm STücK<br />

„In Alice ist alles, was mich an der<br />

Kunst interessiert: Das Changieren von<br />

Fiktion und Realität, die Konstruktion<br />

von Parallelwelten, die Kartografie des<br />

Unterbewusstseins, surreale Kontexte<br />

und Maßstabsverschiebungen, aber<br />

auch schwarzer Humor und Bosheit“,<br />

beschreibt der bildende Künstler Stephan<br />

Huber seine Faszination für die Alice-<br />

Welt, die der Mathematiker, Fotograf,<br />

Schriftsteller und Diakon Charles Lutwidge<br />

Dodgson vor 150 Jahren, am 4. Juli<br />

1862, auf einer Bootsfahrt für das kleine<br />

Mädchen Alice Liddell und ihre beiden<br />

Schwestern erfand.<br />

1865 erschienen unter Charles Dodgsons<br />

Pseudonym Lewis Carroll Alices Abenteuer<br />

im Wunderland erstmals in Buchform.<br />

Auf <strong>alice</strong>‘s adventures in wonderland/<br />

<strong>alice</strong> im wunderland folgte1872 mit<br />

Through the looking-glass, and what<br />

<strong>alice</strong> found There / <strong>alice</strong> hinter den<br />

Spiegeln der zweite Band.<br />

10<br />

Im Jahr seiner ersten Begegnung mit der<br />

damals knapp vierjährigen Alice Liddell<br />

schreibt Charles Dodgson am 9. Februar<br />

1856 in sein Tagebuch:<br />

„Wenn wir träumen und uns, wie das oft<br />

vorkommt, dieser Tatsache undeutlich<br />

bewusst werden und versuchen aufzuwachen,<br />

sagen und tun wir dann nicht Dinge,<br />

die im Wachzustand unsinnig erscheinen<br />

müssten? Könnten wir dann nicht manchmal<br />

den Wahnsinn als eine Unfähigkeit<br />

bezeichnen, zwischen Wachen und<br />

Schlafen zu unterscheiden? Wir träumen<br />

oft ohne die leiseste Ahnung einer Unwirklichkeit:<br />

‚Der Schlaf hat seine eigene<br />

Welt‘, und oft erscheint diese so lebensecht<br />

wie die andere.“<br />

Mit dem Wunderland hat Lewis Carroll<br />

für seine Leser und kindlichen Zuhörer<br />

ein surreales Universum geschaffen, in<br />

dem die Gesetzmäßigkeiten der realen<br />

Welt außer Kraft gesetzt sind und das


nur in Träumen existiert. In einer losen<br />

Folge einzelner Episoden beschreibt er<br />

die Reise des Mädchens Alice durch<br />

fantastische, irritierende, belustigende<br />

und beängstigende Fantasiewelten. Es ist<br />

eine faszinierende, von Nonsens geprägte<br />

Umgebung, in der nichts so ist, wie es<br />

zunächst scheint. Alice verliert zunehmend<br />

die Orientierung, vergisst, wer oder<br />

was sie ist und wird auf der Suche nach<br />

sich selbst und einem Ausweg von den<br />

verrückten Bewohnern des Wunderlandes<br />

mit immer neuen, unlösbaren Rätseln<br />

konfrontiert.<br />

Bis heute ist <strong>alice</strong> im wunderland Inspiration<br />

für Künstler unterschiedlicher<br />

Richtungen, Stile und Epochen. Das Surreale<br />

von Alices Abenteuern, das Irritierende<br />

der Beziehung zwischen Autor und<br />

kindlicher Muse, die schillernde Figurenwelt<br />

des Wunderlandes oder ganz einfach<br />

die in unterschiedliche Zusammenhänge<br />

gestellte Frage „Wer bin ich?“: Carrolls<br />

Alice-Welt öffnet Gedanken- und Assoziationsräume<br />

– und was für ihren Schöpfer<br />

ein exakten Regeln folgender Gegenentwurf<br />

zur unbeherrschbaren Welt draußen<br />

war, bleibt für den Betrachter das verwirrende<br />

Labyrinth einer faszinierenden<br />

Parallelwelt, das es immer wieder neu zu<br />

erforschen gilt. Alice ist eine Ikone der<br />

Kunst geworden.<br />

Das Musical <strong>alice</strong> nach einer Idee von<br />

Robert Wilson, mit Songs und Songtexten<br />

von Tom Waits und Kathleen Brennan<br />

sowie Dialogen von Paul Schmidt greift in<br />

nicht chronologischer Reihenfolge zahlreiche<br />

Episoden aus den beiden Alice-Büchern<br />

auf und verschneidet die Abenteuer<br />

der weiblichen Heldin im Wunderland mit<br />

der Gedanken- und Gefühlswelt des Wunderland-Schöpfers<br />

und seiner erwachsen<br />

gewordenen ehemaligen „Kindfreundin“<br />

und Muse Alice Liddell. Szenen, die die<br />

bis heute heftig diskutierte Beziehung<br />

zwischen Dodgson und der kleinen Alice<br />

Liddell in den Fokus rücken, rahmen und<br />

unterbrechen die Wunderland-Episoden.<br />

Immer wieder verwischen die Grenzen<br />

zwischen den Ebenen, zwischen Traum<br />

und Wirklichkeit, Wunderland und realer<br />

Welt, Vergangenheit und Gegenwart.<br />

Hier wie dort steht der Identitätskonflikt<br />

der beiden Protagonisten im Zentrum. Die<br />

Auseinandersetzung mit ihrem ambivalenten<br />

Verhältnis, das das Stück aus<br />

unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet,<br />

gibt der Frage des Missbrauchs<br />

Raum, entscheidet sich aber bewusst<br />

gegen eine eindeutige Interpretation.<br />

Vielmehr spiegelt <strong>alice</strong> das merkwürdige<br />

miteinander Verwachsensein zweier<br />

Menschen. Und wenn das Stück die in der<br />

Vergangenheit liegende Faszination eines<br />

erwachsenen Mannes für ein kleines<br />

Mädchen mit der Gegenwart einer Frau<br />

konfrontiert, die einmal das Mädchen<br />

war, das durch sein Werk unsterblich<br />

wurde, erzählt <strong>alice</strong> auch die Geschichte<br />

einer unmöglichen Liebe.<br />

Miteinander verbunden werden die<br />

beiden Ebenen der Geschichte durch die<br />

abgründig-poetischen Songs von Tom<br />

Waits und Kathleen Brennan, die Carrolls<br />

Wunderland-Traumwelt in die der Außenseiter,<br />

Freaks und Jahrmarktsattraktionen<br />

übersetzen und mit dem Identitätskonflikt<br />

der beiden Hauptfiguren Alice<br />

und Dodgson verbinden.<br />

Der Songwriter und seine Frau fügen<br />

dem Märchen von Alice im Wunderland<br />

und der autobiographischen Geschichte<br />

von Dodgson und Alice eine weitere<br />

11


Dimension hinzu. Sie vermischen Alices<br />

Verschwinden in einer Traumwelt mit<br />

Ängsten und Fantasien der „realen<br />

Alice“, suchen die Wunderland-Regeln<br />

„Wir sind alle verrückt hier“ oder „Alles,<br />

was du dir vorstellen kannst, ist wahr“<br />

in Bildern einer abseitigen und darum<br />

um so anziehenderen Wirklichkeit. Die<br />

merkwürdig-symbiotische Verbindung der<br />

Figuren übersetzen Waits und Brennan<br />

in konkrete Bilder, indem sie zum Beispiel<br />

für Dodgson und Alice ein Lied über die<br />

unmögliche Liebe zwischen Vogel und<br />

Fisch geschrieben haben, deren Vereinigung<br />

eine dem Sehnsuchtskosmos<br />

des Wunderlandes vorbehaltene Utopie<br />

bleibt. Was in der wirklichen Welt nur<br />

im Kopf stattfindet, kann in den Wunderland-Songs<br />

Wahrheit werden – aber<br />

auch außer Kontrolle geraten. Träume<br />

verselbständigen sich und die Berührung<br />

mit den unbegrenzten Möglichkeiten des<br />

Wunderlandes wird in der Realität eines<br />

späteren Lebens zu einer Fessel. Waits<br />

und Brennan spitzen es zu: Alice ist die<br />

Geschichte zweier Außenseiter.<br />

Die Erfahrung, mit der Dodgson Alice an<br />

sich bindet, ist die, die Welt mit anderen<br />

Augen zu sehen. Die Wahrnehmung<br />

verschiebt sich, Figuren und Gegenstände<br />

entwickeln ein Eigenleben, Worte<br />

verlieren ihre bekannte und erlernte<br />

Bedeutung. Funktioniert die gewohnte<br />

Zuordnung nicht mehr, tritt Alice ein in ein<br />

ganz neues Universum, in eine Welt der<br />

Nonsens-Rätsel und sprechenden Eier,<br />

eine surreale Welt, in der feste Bezugspunkte<br />

und Erklärungssysteme nicht<br />

mehr existieren. Die existentielle Verunsicherung,<br />

der Umsturz aller Gewissheiten<br />

in Bezug auf die Frage, wer wir sind<br />

und in welchem Verhältnis wir zur Welt<br />

und ihren Gegenständen stehen, schafft<br />

12<br />

den schwankenden Boden, auf dem<br />

Carrolls Nonsens-Wunderland entstehen<br />

kann, mitten im naturwissenschaftlichen<br />

19. Jahrhundert. Und natürlich erhält Alice<br />

hier auf die Frage, wer sie ist, nie eine<br />

befriedigende Antwort. Je intensiver sie<br />

versucht, sich zu den Wunderlandfiguren<br />

ins Verhältnis zu setzen, sie zu verstehen<br />

oder sich ihnen verständlich zu machen,<br />

desto tiefer katapultiert sie sich hinein<br />

in ein verwirrendes Labyrinth komplexer<br />

Fragen – und desto klarer wird ihr, dass<br />

sie hier keine eindeutigen Antworten finden<br />

wird. Und gerade aufgrund der konsequenten<br />

Verweigerung einer Antwort<br />

sind es die unbeantworteten Fragen, die<br />

die Geschichte immer weiter antreiben.<br />

Die Suche nach der Identität ist für Alice<br />

wie für Charles Dodgson, der mit Carroll<br />

und Dodgson, dem weißen Ritter und dem<br />

Kaninchen immer zwischen mehreren<br />

Entwürfen steht, auch eine Suche nach<br />

Zugehörigkeit. Über die reale Zerrissenheit<br />

Charles Dodgsons schreibt der Literaturwissenschaftler<br />

Klaus Reichert:<br />

„Die Ängstlichkeit – und Starre –, mit der<br />

Dodgson darauf hielt, beide Personen getrennt<br />

zu halten, hat etwas Zwanghaftes:<br />

sie zeigt, dass er spürte, die eine könnte<br />

die andere liquidieren. Unter diesem<br />

Aspekt ist die Alice die Verteidigung Carrolls<br />

gegen Dodgson. Alice ist Dodgson<br />

als Carroll, und die Monstren sind nicht<br />

einfach die Erwachsenen, denen Carroll<br />

sich, nicht nur wegen seines Stotterns<br />

und seiner Linkischkeit, nicht gewachsen<br />

fühlte und die er zu fürchten Grund hatte,<br />

weil die schlichte Tatsache, dass es ihn<br />

(Carroll) gab, sie schon in Frage stellte,<br />

– sie sind zugleich Dodgson selber,<br />

dessen bürgerliche Existenz Konzentrat<br />

und Potenzierung von allem dem war, was<br />

erwachsen hieß. Alice im Kampf mit den


in Ungeheuer verwandelten, verwünschten<br />

Erwachsenen, ist Carroll im Kampf mit<br />

Dodgson.“<br />

Alice ist ein Stück über Metamorphosen<br />

– von Lebewesen wie auch von scheinbar<br />

toten Dingen –, über die Logik des<br />

Unsinns, Sprache und das Spiel mit ihr,<br />

die verschwimmenden Grenzen zwischen<br />

Verstand und Wahnsinn, Realität und<br />

Fantasiewelt, Wachen und Träumen.<br />

„Wer hat‘s geträumt?“ heißt das letzte<br />

Kapitel in Alice hinter den Spiegeln. Auch<br />

diese Frage wird unbeantwortet bleiben.<br />

Alice befindet sich auf dem Weg des<br />

Erwachsenwerdens. Und Dodgson weiß,<br />

dass sie als Erwachsene die Fähigkeit<br />

verlieren wird, die Fantasiewelt zu sehen,<br />

die er dem Kind Alice zeigen kann. Das<br />

Wunderland wird ihr in späteren Jahren<br />

verschlossen bleiben. Und doch, so liest<br />

das Stück die Geschichte zu Ende, hängt<br />

sie mit einem Teil ihrer Gedankenwelt darin<br />

fest. Womöglich steckt hinter der Fassade<br />

des „normalen Lebens“ einer älter<br />

gewordenen Frau noch immer irgendwo<br />

das kleine Mädchen, das in einem Traum<br />

verschwunden ist. „I‘m still here“ – „Ich<br />

bin immer noch da“ singt die Titelheldin<br />

am Ende von Alice. Ob sie will oder nicht,<br />

etwas in ihr bleibt mit Dodgson verbunden,<br />

etwas, das sich nicht trennen will.<br />

In der Realität sind Charles Dodgson und<br />

Alice Liddell sich nach der sagenumwobenen<br />

Bootsfahrt, die die Geburtsstunde<br />

der Wunderland-Alice war, und dem<br />

Erscheinen des ersten Alice-Buches nur<br />

noch sehr selten begegnet. Aber es ist<br />

ein undatierter Brief Dodgsons erhalten,<br />

in dem er schreibt: „Mein inneres Bild<br />

des Mädchens, das über so viele Jahre<br />

meine vollkommene Kinderfreundin war,<br />

ist immer noch lebendig.“ Es ist das Bild,<br />

das er auf seinen Fotografien konserviert<br />

hat. Durch die Fotografie und seine<br />

Geschichten konnte Dodgson auf seine<br />

Art die Zeit anhalten und sich Alice als<br />

Kind bewahren. Für die erwachsene Alice<br />

Fluch und Segen – zwei Seiten ihrer ganz<br />

persönlichen Berühmtheit.<br />

HaST dU daS<br />

raTSel geloST?<br />

13


der carrollmyTHoS<br />

zUm HiNTergrUNd<br />

„Ging am Nachmittag mit Southey hinüber<br />

zum Dekanat und versuchte, die Kathedrale<br />

zu photographieren: beide Versuche<br />

misslangen. Die drei kleinen Mädchen<br />

[Lorina, Alice und Edith Liddell] waren<br />

fast die ganze Zeit über im Garten und<br />

wir wurden gute Freunde: Wir versuchten,<br />

sie im Vordergrund des Bildes zu<br />

gruppieren, aber sie waren ungeduldige<br />

Statisten. Ich markiere diesen Tag<br />

mit einem weißen Stein“, vermerkt der<br />

Schriftsteller, Fotograf, Mathematiker<br />

und Dekan Charles Lutwige Dodgson am<br />

25. April 1856 in seinem Tagebuch.<br />

Der Mann „hinter“ Lewis Carroll, dem<br />

berühmten Autor der Wunderland-Romane,<br />

wird am 27. Januar 1832 im alten<br />

Pfarrhaus von Daresbury im englischen<br />

Cheshire als ältester Sohn eines Geistlichen<br />

geboren. Charles Dodgson wächst<br />

in einem liebevollen familiären Umfeld<br />

mit zehn Geschwistern auf, die ihn alle<br />

überleben werden. Die Erinnerung an<br />

14<br />

die eigene unbeschwerte Kindheit auf<br />

dem Land wird sich für den erwachsenen<br />

Charles Dodgson mit der Sehnsucht nach<br />

einem paradiesischen Zustand spielerischer<br />

Unschuld verbinden, einem Zustand,<br />

den er nur bei Kindern findet.<br />

Seine späteren, intensiven Freundschaften<br />

zu Kindern, vor allem kleinen<br />

Mädchen, beschäftigen die Forschung<br />

bis heute. Während die eine Seite klar<br />

pädophile Neigungen unterstellt, erkennt<br />

die andere zwar eine ungewöhnliche,<br />

auch verstörende Nähe zu den kindlichen<br />

Freundinnen, widerspricht aber vehement<br />

dem Vorwurf der Pädophilie. Weitgehend<br />

einig ist man sich darüber, dass diese<br />

Neigungen, sollten sie vorhanden gewesen<br />

sein, nicht ausgelebt wurden. Auch<br />

für den Umstand, dass Charles Dodgson<br />

seit seiner frühen Kindheit und bis in<br />

das Erwachsenenalter hinein stottert,<br />

finden sich in der Carroll-Forschung<br />

unterschiedlichste Theorien. Es scheint


naheliegend, einen Zusammenhang herzustellen<br />

zwischen Dodgsons Stottern,<br />

das er selbst als „seine Unsicherheit“<br />

bezeichnet, und dem Umstand, dass er<br />

trotz seines Genies über wenig Selbstwertgefühl<br />

verfügt. Heftig umstritten ist<br />

allerdings die Theorie, dass er in späteren<br />

Jahren nur in Gesellschaft Erwachsener<br />

stottert, während er in der Umgebung von<br />

Kindern einwandfrei sprechen kann.<br />

Als der Vater im Norden von Yorkshire<br />

eine Pfarrstelle erhält,<br />

zieht Familie Dodgson<br />

Anfang der 40er Jahre<br />

in das dortige Pfarrhaus,<br />

„The Rectory“<br />

genannt. Charles<br />

Dodgson, der zunächst<br />

zuhause unterrichtet<br />

wird, ist bereits als<br />

Kind sehr belesen und<br />

beginnt früh, für seine<br />

Geschwister eigene<br />

Gedichte und Geschichten<br />

zu verfassen und<br />

Spiele zu erfinden.<br />

Einige seiner Geschichten<br />

werden später<br />

wieder aufgegriffen und<br />

publiziert.<br />

Er schreibt Theaterstücke für ein<br />

Marionettentheater, Tragödien und<br />

Opern, kommt auf eine angesehene<br />

Privatschule und beschäftigt sich zwischen<br />

seinem zwölften und siebzehnten<br />

Lebensjahr weiter intensiv mit Literatur,<br />

veröffentlicht eigene Schreibversuche<br />

und Zeichnungen in Schulmagazinen und<br />

Familienzeitschriften. 1850 schreibt er<br />

sich in Oxford an der Universität ein. Er<br />

belegt Mathematik, Theologie und klassische<br />

Literatur, schließt das Grundstudium<br />

Alice Liddell als „Bettlermädchen“, 1858<br />

mit Bestnote ab und wird für ein Stipendium<br />

vorgeschlagen. Gleich zu Beginn des<br />

Studiums stirbt seine Mutter im Alter von<br />

47 Jahren, vermutlich an einer Hirnhautentzündung.<br />

Auch wenn das Studieren ihm leicht fällt,<br />

geht Charles Dodgsons Ehrgeiz und die<br />

Vielfältigkeit seiner Interessen oft mit<br />

Konzentrationsschwierigkeiten einher.<br />

1854 bereitet er sich auf die Priesterweihe<br />

vor. Sein mathematisches Genie<br />

beschert ihm außerdem<br />

nach dem Abschluss<br />

des Studiums eine An-<br />

stellung als Tutor für<br />

Mathematik am Oxforder<br />

Christ Church-College.<br />

Doch die Dummheit,<br />

die er bei seinen<br />

Schülern diagnostiziert<br />

und ein gegenseitiges,<br />

persönliches Desinteresse<br />

machen die Lehrtätigkeit<br />

für Charles<br />

Dodgson zur Qual.<br />

1856 taucht in einer Zeitung<br />

in Zusammenhang<br />

mit einem abgedruckten<br />

Gedicht erstmals<br />

Dodgsons Dichtername Lewis Carroll auf.<br />

Im selben Jahr kauft er sich eine Fotokamera.<br />

Das Medium Fotografie ist gerade<br />

erst knapp 25 Jahre alt, Amateurfotografen<br />

steht das dafür notwendige Material<br />

noch keine zehn Jahre zur Verfügung.<br />

Für Charles Dodgson wird die Fotografie<br />

eine seiner größten Leidenschaften.<br />

Bald verfügt er über eine professionelle<br />

Ausrüstung und beginnt Freunde, Familien,<br />

Kinder und bekannte Persönlichkeiten<br />

zu porträtieren, künstlerisch beeinflusst<br />

von der präraffaelitischen Malerei. Eines<br />

15


seiner Lieblingsmodelle und sein heute<br />

bekanntestes Motiv wird Alice Pleasance<br />

Liddell, das kleine Mädchen, das er am<br />

25. April 1856 beim Versuch, die Kathedrale<br />

des Dekanats von Christ Church<br />

zu fotografieren, beim Spielen mit ihren<br />

Schwestern im Garten entdeckt hatte.<br />

Sie ist die Tochter Henry George Liddells,<br />

des Dekans von Christ Church.<br />

Eine Bootsfahrt mit den drei kleinen<br />

Liddell-Schwestern vor 150 Jahren, am<br />

4. Juli 1862, markiert die Geburtsstunde<br />

von <strong>alice</strong> im wunderland. Alice Liddell<br />

ist es, die ihn bittet, die Geschichte, die<br />

er ihr und ihren<br />

Schwestern auf<br />

diesem Bootsausflug<br />

erzählt hat,<br />

aufzuschreiben.<br />

Die handschriftliche<br />

Urfassung ist<br />

1864 abgeschlossen,<br />

Alice erhält<br />

das mit zahlreichen<br />

eigenen<br />

Illustrationen und<br />

der Widmung<br />

„Ein Weihnachtsgeschenk<br />

für ein liebes Kind in Erinnerung<br />

an einen Sommertag“ versehene<br />

Manuskript im November 1864. Ein Jahr<br />

später erscheint eine erweiterte Fassung<br />

in gedruckter Buchform mit Illustrationen<br />

des bekannten Zeichner John Tenniel im<br />

Verlag Macmillan. Der junge Oscar Wilde,<br />

Virginia Woolf und Königin Victoria zählen<br />

zu den Lesern von <strong>alice</strong> im wunderland.<br />

Zu diesem Zeitpunkt ist die Freundschaft<br />

zwischen Charles Dodgson und der<br />

Liddell-Familie bereits zerbrochen. Über<br />

die genauen Umstände wird bis heute<br />

reichlich spekuliert, zusätzlich angeheizt<br />

16<br />

wurde die Legendenbildung durch die Tatsache,<br />

dass für den relevanten Zeitraum<br />

im Sommer 1863 keine Tagebucheinträge<br />

Dodgsons mehr existieren und seine<br />

Briefe an Alice Liddell aus dieser Zeit<br />

von ihrer Mutter vernichtet wurden. Dass<br />

der inzwischen 30-jährige Mann dem<br />

11-jährigen Mädchen einen Heiratsantrag<br />

gemacht haben soll, ist nur eine Vermutung<br />

in einem Gespinst wilder Theorien<br />

zur Ursache des plötzlichen Bruchs.<br />

Durch den Tod des Vaters 1868 wurde<br />

Charles zum Familienoberhaupt der<br />

Dodgsons, gleichzeitig stürzte der Verlust<br />

ihn immer wieder<br />

in Depressionen.<br />

1871 publiziert er<br />

als Lewis Carroll<br />

mit <strong>alice</strong> hinter<br />

den Spiegeln die<br />

Fortsetzung von<br />

<strong>alice</strong> im wunderland,<br />

eine Zusammenstellung<br />

loser<br />

Geschichten,<br />

Fabeln und Nonsense-Gedichte,<br />

erneut illustriert<br />

von John Tenniel und inspiriert wiederum<br />

durch die Begegnung mit einem Mädchen<br />

namens Alice, Alice Raikes, die im Zuge<br />

eines Rätselspiels mit ihrem Spiegelbild<br />

die Frage nach den Gesetzmäßigkeiten<br />

auf der anderen Seite eines Spiegels<br />

aufgebracht hatte. Diese reale Episode<br />

findet sich in Alice hinter den Spiegeln<br />

ebenso wieder wie Carrolls berühmtes<br />

Nonsense-Gedicht Jabberwocky und das<br />

sprechende Ei Humpty Dumpty.<br />

1876 erscheint die große Nonsense-Ballade<br />

The Hunting of the Snark, in Deutschland<br />

in verschiedenen Übersetzungen<br />

Edith, Lorina & Alice Liddell


als Die Jagd nach dem Schnark, Schnatz<br />

oder auch Schlarg geläufig, ein fantastisches<br />

Gedicht über eine Expedition auf<br />

den Spuren eines seltsamen und extrem<br />

humorlosen Fabelwesens.<br />

1880 heiratet Alice Pleasance Liddell im<br />

Alter von 28 Jahren Reginald Hargreaves,<br />

mit dem sie drei Söhne bekommt,<br />

von denen sie zwei im ersten Weltkrieg<br />

verlieren wird.<br />

Nachdem Charles Dodgson jahrelang<br />

erfolgreich und leidenschaftlich<br />

fotografiert<br />

hat, beendet er diese<br />

Tätigkeit zu Beginn der<br />

1880er Jahre einigermaßen<br />

plötzlich. Vor<br />

allem zahlreiche kleine<br />

Mädchen im Alter zwischen<br />

vier und sechs<br />

Jahren hat er schlafend,<br />

träumend oder<br />

in unterschiedlichen<br />

theatralen Situationen,<br />

Rollen und Posen mit<br />

aussagekräftigen Requisiten<br />

und Kostümen<br />

im Zuge seiner fotografischen<br />

Laufbahn<br />

inszeniert und fotografiert. Auch nackte<br />

Kinder, vornehmlich Mädchen, inszeniert<br />

als Feen und Nymphen in paradiesischer<br />

Umgebung, waren ein beliebtes Motiv<br />

Dodgsons – für die Malerei und Fotografie<br />

der viktorianischen Zeit zwar nicht<br />

unbedingt ein Tabubruch, dennoch Anlass<br />

verschiedener Theorien, die den Grund<br />

für das abrupte Aufgeben der Fotografie<br />

in zunehmenden Konflikten Dodgsons mit<br />

den Eltern seiner Fotomodelle sehen, in<br />

einem zunehmenden Misstrauen, mit dem<br />

die Eltern auf die bevorzugten Motive des<br />

Alice Liddell<br />

Fotografen in Kombination mit seiner über<br />

jedes gewöhnliche Maß hinausgehenden,<br />

obsessiven Faszination für die Unschuld,<br />

Schönheit und Lebensfreude kleiner Mädchen<br />

reagiert haben könnten.<br />

1886 nimmt Charles Dodgson nach langer<br />

Zeit noch einmal Kontakt mit seiner<br />

inzwischen verheirateten ehemaligen<br />

Kinderfreundin auf und bittet sie um<br />

Erlaubnis, von dem Originalmanuskript<br />

<strong>alice</strong> Underground eine Faksimile-Ausgabe<br />

herstellen zu lassen. Drei Jahre später<br />

erscheint der erste<br />

Band des Romans Sylvie<br />

und bruno aus der<br />

Feder Lewis Carrolls –<br />

mit den Alice-Büchern<br />

verbindet diesen<br />

Roman das Thema der<br />

Identitätssuche.<br />

Am 14. Januar 1898<br />

stirbt Charles Lutwidge<br />

Dodgson, der bis zu<br />

seinem Lebensende<br />

unverheiratet bleibt,<br />

in Guilford, Surrey,<br />

auf dem nach dem<br />

Tod des Vaters angemieteten<br />

Familiensitz<br />

„The Chestnuts“ an einer Lungenentzündung.<br />

Sein Grabstein mit der Aufschrift<br />

„Rev. Charles Lutwidge Dodgson (Lewis<br />

Carroll)“ trägt der zeitlebens existierenden<br />

doppelten Persönlichkeit des<br />

ungewöhnlichen Künstlers Rechnung.<br />

Neben seinem literarischen Werk und<br />

zahlreichen Erfindungen, mathematischen<br />

Denkaufgaben, Wortspielen, Rätseln und<br />

Puzzles sind ca. 1000 seiner geschätzt<br />

3000 Fotografien erhalten und Teil<br />

diverser Publikationen und Ausstellungen.<br />

Es sind – neben den Alice-Büchern,<br />

17


Dodgsons Tagebuchaufzeichnungen und<br />

den überlieferten Briefen – vor allem die<br />

Fotografien kleiner Mädchen, die dem<br />

Mythos um Charles Dodgson alias Lewis<br />

Carroll und seine kindlichen Freundinnen<br />

immer neue Nahrung geben und Anlass<br />

zu einer bis heute andauernden kritischen<br />

und kontroversen Auseinandersetzung<br />

mit der Persönlichkeit Dodgson/Carroll<br />

und ihrem Werk geben.<br />

Alice Pleasance Hargreaves Liddell<br />

nimmt 1932 im Alter<br />

von 80 Jahren an<br />

einer Feier zum 100.<br />

Geburtstag des Autors<br />

Lewis Carroll teil. Im<br />

Cornhill Magazine vom<br />

Juli 1932 schreibt sie:<br />

„Wir besuchten ihn<br />

oft in seiner Wohnung,<br />

begleitet von unserem<br />

Kindermädchen. Dort<br />

angekommen, setzten<br />

wir uns rechts und<br />

links auf das große<br />

Sofa, während er uns<br />

Geschichten erzählte,<br />

und sie gleichzeitig<br />

mit Bleistift- oder<br />

Tuschezeichnungen<br />

illustrierte. Wenn uns die Geschichten<br />

vollkommen zufriefen und glücklich<br />

gestimmt hatten, ließ er uns Modell<br />

stehen und belichtete die Platten, bevor<br />

die richtige Stimmung verflogen war ...<br />

Wenn wir nachmittags mit Mr. Dodgson<br />

zum Fluß gingen, was höchstens vier<br />

oder fünf Mal in jedem Sommertrimester<br />

geschah, brachte er immer einen großen<br />

Korb voller Kuchen mit, und einen Kochkessel,<br />

in dem wir unter einem Heustock<br />

Tee kochten, wenn wir einen fanden. Bei<br />

seltenen Gelegenheiten verbrachten wir<br />

18<br />

den ganzen Tag mit ihm und hatten dann<br />

einen größeren Imbißkorb dabei - mit<br />

kaltem Huhn und Salat und allerlei guten<br />

Dingen. Einer unserer liebsten Ganztagsausflüge<br />

bestand darin, nach Nuneham zu<br />

rudern und in den Wäldern zu picknicken,<br />

in einer der Hütten, die von Mr. Harcourt<br />

speziell für Picknicker errichtet worden<br />

waren ... Mr. Dodgson trug in Oxford<br />

immer die schwarze Kleidung der Geistlichen,<br />

wenn er aber mit uns auf den Fluß<br />

ging, trug er meist eine weiße Flanellhose...<br />

Er hielt sich immer<br />

sehr gerade, beinahe<br />

mehr als gerade, als<br />

ob er einen Stock<br />

verschluckt hätte.<br />

Fast die gesamte Geschichte<br />

von <strong>alice</strong>‘s<br />

adventures Underground<br />

wurde an so<br />

einem glutheißen<br />

Sommernachmittag<br />

erzählt ... Ich glaube,<br />

dass die Geschichten,<br />

die er uns an jenem<br />

Nachmittag erzählte,<br />

besser gewesen sein<br />

müssen als sonst,<br />

denn ich habe eine<br />

so deutliche Erinnerung<br />

an den Ausflug, auch begann ich am<br />

nächsten Tag ihn zu bedrängen, er solle<br />

die Geschichte für mich aufschreiben,<br />

etwas, das ich noch nie getan hatte.“<br />

1934 stirbt die Frau, die eines der berühmtesten<br />

Kinderbücher für Erwachsene<br />

inspiriert hat. Ihr handschriftliches Originalmanuskript<br />

des ersten Alice-Buches<br />

befindet sich heute im Besitz der britischen<br />

Nationalbibliothek.<br />

Ursula Grossenbacher


xxx<br />

19


JabberwocKy<br />

lewiS carroll<br />

Verdaustig war‘s und glasse Wieben<br />

rotterten gorkicht im Gemank;<br />

Gar elump war der Pluckerwank,<br />

Und die gabben Schweisel frieben.<br />

»Hab acht vorm Zipferlak, mein Kind!<br />

Sein Maul ist beiß, sein Griff ist bohr!<br />

Vorm Fliegelflagel sieh dich vor,<br />

Dem mampfen Schnatterrind!«<br />

Er zückt‘ sein scharfbefifftes Schwert,<br />

Den Feind zu futzen ohne Saum;<br />

Und lehnt‘ sich an den Dudelbaum,<br />

Und stand da lang in sich gekehrt.<br />

In sich gekeimt, so stand er hier,<br />

Da kam verschnoff der Zipferlak<br />

Mit Flammenlefze angewackt<br />

Und gurgt in seiner Gier!<br />

Mit eins! Mit zwei! und bis aufs Bein!<br />

Die biffe Klinge ritscheropf!<br />

Trennt er vom Hals den toten Kopf,<br />

Und wichernd springt er heim.<br />

20<br />

„Vom Zipferlak hast uns befreit?<br />

Komm an mein Herz, aromer Sohn!<br />

O blumer Tag! O schlusse Fron!“<br />

So kröpfte er vor Freud.<br />

Verdaustig war‘s und glasse Wieben<br />

rotterten gorkicht im Gemank;<br />

Gar elump war der Pluckerwank,<br />

Und die gabben Schweisel frieben.<br />

Ins Deutsche übertragen<br />

von Christian Enzensberger<br />

Gunnar Schmidt, Ursula Grossenbacher


im THeaTer-<br />

wUNderlaNd<br />

zUr iNSzeNierUNg<br />

Episoden aus <strong>alice</strong> im wunderland und <strong>alice</strong><br />

hinter den Spiegeln, die legendenumwobene<br />

Geschichte des Wunderland-Schöpfers<br />

und seiner „idealen Kinderfreundin“,<br />

die Songs mit ihrer schillernd-abgründigen<br />

Welt der Außenseiter und Freaks: Das Musical<br />

<strong>alice</strong> von Robert Wilson, Tom Waits,<br />

Kathleen Brennan und Paul Schmidt bringt<br />

diese Elemente zu einem klang- und bildgewaltigen<br />

Theaterabenteuer zusammen.<br />

Zwanzig Jahre nach der Uraufführung am<br />

Thalia Theater in Hamburg hat das <strong>Karlsruhe</strong>r<br />

Theater die Rechte an Noten- und<br />

Textmaterial bekommen, um <strong>alice</strong> in einer<br />

Neuinszenierung auf die Bühne zu bringen.<br />

Regisseur Daniel Pfluger, Bühnenbildner<br />

Flurin Borg Madsen und Kostümbildnerin<br />

Janine Werthmann sind ein bewährtes<br />

Team, hinzu kam der Pianist, Komponist und<br />

Thereminist Clemens Rynkowski, der die<br />

Songs für die <strong>Karlsruhe</strong>r <strong>alice</strong>-Aufführung<br />

neu arrangierte – für das <strong>Karlsruhe</strong>r Ensemble,<br />

eine sechsköpfige Band und insgesamt<br />

zweiundzwanzig Instrumente.<br />

22<br />

Für das Regieteam begann die Auseinandersetzung<br />

mit der Frage, wie die verschiedenen<br />

Stückebenen auf der Bühne<br />

zusammenzuführen sind, mit konzeptionellen<br />

Entscheidungen zu Struktur und Fassung,<br />

Besetzung und räumlicher Verortung.<br />

Der Wunsch, die Titelrolle mit Ursula<br />

Grossenbacher zu besetzen und ganz<br />

bewusst nicht mit einer jungen Schauspielerin,<br />

ergab sich aus der Perspektive<br />

der erwachsenen Alice, mit der das Stück<br />

immer wieder spielt. Ausgangspunkt der<br />

Wunderland-Geschichten ist eine spätere<br />

Realität. Alice ist nicht mehr das Mädchen,<br />

das Dodgson, gespielt von Robert<br />

Besta, auf einer Fotografie konserviert<br />

hat. Doch sobald sie zurückkehrt in die<br />

Traumwelt der Vergangenheit, wird aus<br />

der erwachsenen Frau wieder das Mädchen,<br />

für das er das Wunderland erschaffen<br />

hat. Die Umgebung also bestimmt das<br />

Alter von Alice im Stück, entsprechend<br />

findet auf der Bühne keine äußerliche<br />

Veränderung der Alice-Figur statt.


Bei der Konzeption und Stückentwicklung<br />

der Hamburger Uraufführung entschied<br />

Wilson sich für eine, auch bei seiner vorigen<br />

Arbeit The black rider verwendete<br />

Struktur, bei der die Szenenfolge durch<br />

„Knee“-, also „Gelenkszenen“ unterbrochen<br />

wird. Nach Ende jeder Szene schließt<br />

sich der Vorhang, um dahinter den Umbau<br />

auf das nächste große Bild zu erlauben.<br />

Währenddessen findet vor dem Vorhang<br />

eine kurze „Zwischenszene“ statt. Für<br />

die <strong>Karlsruhe</strong>r Inszenierung löste Daniel<br />

Pfluger diese aus dem amerikanischen<br />

Vaudeville übernommene Technik weitgehend<br />

auf. Um zu ermöglichen, dass Alice<br />

ihre Reise durch das Wunderland jenseits<br />

der Ebenenwechsel ohne Unterbrechungen<br />

– über das Ende von Einzelepisoden hinaus<br />

– fortsetzen kann, fand er mit Flurin Borg<br />

Madsen Bühnenlösungen, bei denen sich<br />

der Raum vor den Augen des Publikums für<br />

die jeweils nächste Wunderlandepisode<br />

verändert. Für diese fließenden Übergänge<br />

übernehmen Figuren die Umbauten, dazu<br />

kommen vier Altar Boys. Alice bleibt fast<br />

durchgehend auf der Bühne, während das<br />

Wunderland um sie herum immer wieder<br />

neue Gestalten annimmt. Pfluger nimmt in<br />

seiner Inszenierung die Spuren auf, die das<br />

Stück auf den verschiedenen Ebenen legt<br />

und führt sie zusammen zu einer theatralen<br />

Expedition an einen Ort der Obsessionen<br />

und Verstörung, aber auch der Schönheit<br />

und Leichtigkeit.<br />

So wie Dingen und Lebewesen in der Fantasiewelt<br />

von Lewis Carroll ihre gewohnten<br />

Eigenschaften abhanden kommen,<br />

verändern auch die Bühnenbildelemente,<br />

mit denen Flurin Borg Madsen und Daniel<br />

Pfluger arbeiten ihre Bedeutung. Was eben<br />

ein Mond war, wird im nächsten Moment<br />

zum Mund der Grinsekatze, die Spiegel, die<br />

zerbrechen, wenn Alice von Charles Dodg-<br />

son fotografiert wird und durch die sie ins<br />

Wunderland eintritt, werden zu Blitzen im<br />

Gewittersturm, der durch das Wunderland<br />

fegt. Die Betonwand des <strong>Karlsruhe</strong>r Theaters<br />

verschwindet hinter einem schwarzen<br />

Aushang – und Alice im Kaninchenbau. Im<br />

Zusammenspiel mit Bühnenmusik und Licht<br />

verwandelt sich der schwarze Bühnenraum<br />

in den Wald ohne Namen, in dessen grünem<br />

Nebel Alice verloren geht während die<br />

Musiker im Orchestergraben ihren Instrumenten<br />

die dazugehörigen Waldgeräusche<br />

entlocken. Im Traum ist die Welt auf den<br />

Kopf gestellt, der Mond scheint unter der<br />

Erde, Bett und Nachttisch hängen lose im<br />

Bühnenhimmel. Der Raum wird dominiert<br />

von schwarzen und weißen Elementen.<br />

Pfluger und Madsen greifen die Schach-<br />

und Kartenspielsysteme auf, die Carrolls/<br />

Dodgsons logischer Mathematikergeist den<br />

surrealen Ereignissen der Alice-Geschichten<br />

zugrunde gelegt hat und lassen aus einfachen<br />

schwarzen und weißen Quadraten<br />

im Verlauf einer Szene plötzlich ein großes<br />

Schachfeld entstehen, auf dem die Wunderlandwesen<br />

zu Schachfiguren werden,<br />

oder kombinieren die Kostüme von Janine<br />

Werthmann mit bühnenbildnerischen Versatzstücken,<br />

wenn zum Beispiel unter dem<br />

Kleid der Schachkönigin ein Fahrgestell<br />

samt Guillotine zum Vorschein kommt.<br />

Auch sonst beeinflussten räumliche Entscheidungen<br />

unmittelbar die Konzeption der<br />

Kostüme. Um einen Kontrast zu schaffen,<br />

setzt Janine Werthmann dem versatzstückartigen<br />

Spielfeld der Bühne, auf dem mit<br />

möglichst unaufwendigen Mitteln schöne<br />

Bilder evoziert werden, bunte, fantasievolle<br />

und detailgenaue Kostüme entgegen. Ob<br />

es das Schaf ist, das seine eigene Wolle<br />

verstrickt, oder die aufwendigen, viktorianischen<br />

Kostüme der sprechenden Blumen,<br />

die Zwillingsmasken von Tweedledee und<br />

23


Tweedledum oder die kräftigen, neonfarbenen<br />

Glieder der Raupe – Werthmann<br />

und Pfluger entscheiden sich im Kostüm<br />

bewusst gegen eine durchgängige Ästhetik<br />

der Traumwelt und für ein fantasiereiches<br />

Spiel mit Farben und Formen, Stilrichtungen<br />

und Epochen. Während jede Wunderlandepisode<br />

ihre eigene Ästhetik hat, stehen<br />

Alice und Charles Dodgson außerhalb<br />

dieses bunten Verwandlungsreigens. Nur<br />

mit Hilfe einer Kopfbedeckung wird Dodgson<br />

zum weißen Kaninchen, das Alice ins<br />

Wunderland lockt – und wenn er ihr gegen<br />

die Schachkönigin und ihren Hofstaat als<br />

weißer Ritter zur Hilfe eilt, dient ihm eine<br />

Spielkarte als ritterliches Schild. Und für<br />

Alice hat Wertmann ein Kleid entworfen,<br />

das in Form und Farbe mit dem Bild des<br />

hellblauen Mädchenkleides aus zahlreichen<br />

Bearbeitungen der Alice-Geschichte in Film,<br />

bildender Kunst und Populärkultur spielt.<br />

Verantwortlich für die musikalische Übersetzung<br />

der Alice-Welt auf die Bühne des<br />

KLEINEN HAUSES ist Clemens Rynkowski,<br />

der die Songs von Tom Waits und Kathleen<br />

Brennan neu arrangiert hat und die<br />

Aufführung mit seinen fünf Band-Kollegen<br />

auf insgesamt 22 Instrumenten begleitet.<br />

Ein wiederkehrendes Motiv in den Songs ist<br />

der Dreivierteltakt, ihr erdiger Sound wird<br />

in den Arrangements unterstützt durch<br />

zahlreiche Bass-Instrumente wie E-Bass,<br />

Kontrabass, Bassklarinette, Posaune und<br />

Sousaphon, auch Harmonium und Tam<br />

Tam (eine Art Gong) sorgen für tiefe Töne,<br />

während einzig Celesta, Flöte, Piccoloflöte,<br />

sowie Flageolett-Töne einen Kontrast in<br />

den Höhen bilden. Zusammen mit der Band<br />

hat Rynkowski jenseits der Songs auch<br />

sämtliche Sounds und Slapstickgeräusche<br />

der Wunderwelt musikalisch entwickelt,<br />

vom Quietschen der Türen über das Geräusch<br />

des Schrumpfens, Vogelrufe und<br />

24<br />

Maschinenlärm bis zur Soundkulisse eines<br />

Gewitters, werden sie live mit den vorhandenen<br />

Instrumenten kreiert.<br />

Für den apokalyptischen Freakshow-Karneval<br />

der Waits/Brennan-Songs hat die Hamburger<br />

Produktion mit einigen Freaks unter<br />

den Instrumenten gearbeitet: Ursprünglich<br />

gab es in der Instrumentierung zum<br />

Beispiel eine Strohgeige, ein musikalisches<br />

Zwitterwesen, das – auf der einen Seite mit<br />

einem Trichter versehen – eine Art siamesischen<br />

Klangkörper besitzt und in seiner<br />

besonderen Eigenschaft mit der Geschichte<br />

des Mannes in dem Alice-Song Poor edward<br />

korrespondiert, der auf der Rückseite<br />

seines Kopfes ein zweites Gesicht hat. Die<br />

Bratsche, ein Instrument zwischen Geige<br />

und Cello, die den ihr eigenen matten Klang<br />

aus dem Umstand gewinnt, dass sie – um<br />

überhaupt gehalten werden zu können – zu<br />

kurz gebaut wurde, das Sousaphon und das<br />

Theremin sind Instrumente, die in <strong>Karlsruhe</strong><br />

zum Einsatz kommen. Wecker und Donnerblech<br />

verstärken die atmosphärischschräge<br />

Klangwelt.<br />

Als erstes elektronisches und einziges<br />

berührungslos gespieltes Instrument der<br />

Welt, wurde das 1919 von dem Russen<br />

Lew Termen erfundene Theremin in der<br />

Vergangenheit vor allem in Zusammenhang<br />

mit neuer Musik, Science-Fiction-Filmen<br />

und experimenteller Popmusik eingesetzt.<br />

Gespielt wird es buchstäblich in der Luft<br />

– und schlägt so eine ganz eigene Brücke<br />

vom Orchestergraben ins Wunderland.<br />

Robert Besta & Ensemble


freaKS<br />

die SoNgS voN Tom waiTS<br />

& KaTHleeN breNNaN<br />

Der Kalifornier Tom Waits, Sänger, Komponist,<br />

Autor und Schauspieler – u. a. in down<br />

by law und bram Stoker’s dracula –, ist ein<br />

Grenzgänger zwischen den Genres. In seiner<br />

Musik bringt er unterschiedliche Einflüsse<br />

und Stilrichtungen zusammen, Jazz und<br />

Blues, Folk, Vaudeville und Theatermusik,<br />

Rap, Industrial-, Alternative- und Indie-Rock.<br />

Schon seine ersten Songtexte waren inspiriert<br />

von Jack Kerouac, Allen Ginsberg und<br />

anderen Vertretern der Beat-Generation.<br />

Bewusst spielt Waits mit Brüchen und<br />

Irritationen, forciert durch seine charakteristische<br />

Stimme, die sich anhört, „als wäre<br />

sie in einem Fass Bourbon getränkt, einige<br />

Monate in die Räucherkammer gehängt,<br />

dann nach draußen gebracht und mehrmals<br />

mit dem Auto überfahren worden”, wie ein<br />

Musikkritiker kommentierte. Nach früheren<br />

Exzessen ließ Waits seit Beginn der 90er<br />

Jahre konsequent die Finger von Alkohol<br />

und Zigaretten – was aber der Unverwechselbarkeit<br />

seiner Stimme keinen Abbruch tat.<br />

26<br />

Während seiner Arbeit am Soundtrack für<br />

den Film one from the Heart von Francis<br />

Ford Coppola lernte Waits dessen Skript-<br />

Assistentin Kathleen Brennan kennen, sie<br />

heirateten im August 1980 und sind seither<br />

auch künstlerisch ein Paar. Ende der 80er<br />

Jahre begann die Zusammenarbeit mit Regisseur<br />

und Bühnenkünstler Robert Wilson,<br />

mit dem er für das Hamburger Thalia Theater<br />

The black rider entwickelte. Mit <strong>alice</strong> folgte<br />

Anfang der 90er Jahre die zweite Zusammenarbeit<br />

mit Wilson für das Hamburger<br />

Theater und 2000 mit woyzeck ein weiteres<br />

gemeinsames Projekt, das in Kopenhagen<br />

uraufgeführt wurde. Den Vergleich mit Kurt<br />

Weill kommentierte Waits einmal mit den<br />

Worten: „Er nimmt eine schöne Melodie<br />

und erzählt dir furchtbare Dinge. Ich hoffe,<br />

dass mir das auch gelingt.” Wie auch bei<br />

<strong>alice</strong>, handeln die meisten Songs, deren<br />

Texte und Kompositionen Waits seit Mitte<br />

der 80er Jahre mit Kathleen Brennan als<br />

Co-Autorin entwickelt, von Außenseitern<br />

und Freaks, Gestrandeten, Träumern, Ver


ückten, Säufern und Huren. Es sind düstere<br />

Märchen für Erwachsene, ihre Helden meist<br />

tragische Verlierer, hoffnungslos Gescheiterte,<br />

aussichtslos Liebende. In <strong>alice</strong> treffen<br />

die eingängigen Melodien wehmütiger Balladen<br />

und Liebeslieder auf schräge Songs<br />

voller assoziativer Wortketten und surrealer<br />

Bildwelten.<br />

Der erste Song mit dem Titel <strong>alice</strong> ist Carrolls/Dodgsons<br />

Obsession für das Mädchen<br />

gewidmet. Dodgson träumt und beschwört<br />

Bilder einer eisigen Landschaft herauf. Der<br />

Mond, ein gefrorener Weiher, das Meer<br />

und die Tränen sind Motive, die in späteren<br />

Songs wiederkehren werden. Es existiert<br />

eine Welt unterhalb der gefrorenen Oberfläche,<br />

in der Alice auf ihn wartet. Weil er<br />

nicht zu ihr gelangen kann, zieht er mit den<br />

Kufen seiner Schlittschuhe ihren Namen<br />

nach, bis das Eis nachgibt. Alice ist seine<br />

Sehnsucht und sein Abgrund – also stürzt er<br />

sich hinein und verschwindet in ihr. Heimliche<br />

Küsse, Wahnsinn und Wonne: „There’s<br />

only Alice“ / „es gibt nur Alice.“<br />

Mit dem zweiten Song wechselt die Perspektive.<br />

Alice ist „under ground”, befindet<br />

sich in einem merkwürdigen Übergangsreich<br />

zwischen Himmel und Hölle, Wachen und<br />

Träumen. No one knows, i’m gone / „Keiner<br />

weiß, dass ich weg bin“ ist Alices Song über<br />

ihr Verschwinden.<br />

In No one puts flowers on the grave beschreibt<br />

die Rose den ewigen Kreislauf von<br />

Leben und Sterben, Erblühen und Verwelken.<br />

Nach dem Tod einer Blume erblüht irgendwo<br />

prachtvoll eine andere – doch niemand legt<br />

je Blumen auf das Grab einer Blume.<br />

Es folgt das Lied der Raupe, mit dem<br />

Waits und Brennan Alice in das Reich der<br />

Jahrmarktattraktionen, der Krüppel und<br />

anatomischen Wunderwesen entführen.<br />

Tabletop Joe / „Tischplatten-Joe“ existierte<br />

tatsächlich, ein Mann ohne Unterleib, der<br />

seine unglückliche Kindheit hinter sich lässt<br />

und dank seiner Liebe zur Musik den Traum,<br />

berühmt zu werden, in der Welt der Jahrmärkte<br />

und Freakshows verwirklichen kann.<br />

In der „Coney Island Dreamland-Show“ hat<br />

er sein eigenes Orchester, genießt Reichtum,<br />

Ansehen und Popularität – und straft all<br />

diejenigen Lügen, die stets nur den Krüppel<br />

sahen. Er zeigt es ihnen, gerade indem er<br />

bleibt, wie er war und nicht weiter wächst.<br />

Johnny Eck, das reale Vorbild für Tabletop<br />

Joe, wurde u. a. durch den Film freaks von<br />

1932 bekannt.<br />

Die verrückte Teegesellschaft konfrontiert<br />

Alice mit absurden Bildfolgen von Wahnsinn<br />

und Verwesung, Würmern, Krüppeln<br />

und herum kullernden Augäpfeln. Die Zeit<br />

ist durchgedreht, nichts überdauert, alles<br />

verfällt. „Hell is such a lonely place – we’re<br />

all mad here.” Die Horrorszenarien und<br />

Alptraumfantasien der verrückten Teegesellschaft<br />

kontrastieren Waits/Brennan mit<br />

dem Liebesduett fish and bird, gesungen<br />

von Alice und dem weißen Ritter. Die am<br />

Tresen einer Taverne von einem Matrosen<br />

erzählte Geschichte von dem kleinen Vogel,<br />

der sich in einen Wal verliebte, ist die Parabel<br />

einer unmöglichen Liebe. Weil der eine<br />

nicht im Ozean, der andere nicht in der Luft<br />

leben kann, bleibt eine Vereinigung Utopie,<br />

dem Sehnsuchtskosmos einer Fantasiewelt<br />

vorbehalten, in der alle Gesetzmäßigkeiten<br />

aufgehoben sind. In der Realität wissen sie,<br />

dass sie sich trennen müssen – und bleiben<br />

doch untrennbar verbunden.<br />

Nach der Pause steigt die Geschichte mit<br />

dem Sprechgesang des altar boy wieder<br />

ein – und der Tragödie des verpfuschten, von<br />

Unterdrückung und Missbrauch gezeichneten<br />

27


Lebens eines depressiven Trinkers und<br />

ehemaligen Messdieners.<br />

Nach einer kurzen Reprise des Liebesduettes<br />

fish & bird holt das weiße Kaninchen<br />

Alice mit dem Song everything you can think<br />

of is true zurück ins Wunderland. „Alles, was<br />

du dir vorstellen kannst, ist wahr“, das Baby<br />

schläft in deinem Schuh und der Teller ist<br />

mit dem Löffel durchgebrannt – doch die Zeit<br />

rennt und absurde Fantasien mischen sich in<br />

schneller Assoziationskette mit neuen, düsteren<br />

Bildern der eigenen Vergänglichkeit.<br />

Durch das weiße Schaf wird Alice mit einem<br />

Dasein ohne Abenteuer und Freiheit konfrontiert,<br />

in sich verstrickt und meinungslos, weil<br />

nach der Meinung schon lange niemand<br />

mehr gefragt hat. barcarole, das Duett<br />

zwischen Alice und dem alten Schaf, erzählt<br />

von der Einsamkeit einer verheirateten Frau,<br />

entwirft eine negative Vision des Erwachsenseins.<br />

Der Zirkus des Lebens ist weiter<br />

gezogen, die Frau ist ihres Daseins müde.<br />

Unfähig, sich zu befreien, verliert sie sich<br />

in den Bildern einer vergangenen Zeit: „I’m<br />

skating on the ice in a glass / In the hands<br />

of a man / That I kissed on a train ...”<br />

Das Ei Humpty Dumpty fügt mit reeperbahn<br />

eine andere Vision hinzu. „The memories are<br />

short but the tales are long / Down there in<br />

the Reeperbahn” verkündet der Song und<br />

entwirft ein Kaleidoskop abschüssiger<br />

Lebenswege, die sich auf der Hamburger<br />

Reeperbahn kreuzen. Das Paradies ist<br />

verloren – „The apple is gone but there’s<br />

always the core / The seeds will sprout up<br />

right through the floor / Down there in the<br />

Reeperbahn.”<br />

Die Ballade von Poor edward übersetzt das<br />

miteinander Verwachsensein der Haupt-<br />

28<br />

figuren in die Geschichte des Mannes mit<br />

den zwei Gesichtern: Das Gesicht eines<br />

Mädchens auf der Rückseite seines Kopfes<br />

entpuppt sich als sein teuflischer Zwilling,<br />

der ihn in den Wahnsinn treibt. Das Gesicht<br />

zu entfernen, würde ihn töten, also sind sie<br />

für immer aneinander gekettet. Und bleiben<br />

es noch über Edwards Selbstmord hinaus:<br />

„Some still believe he was freed from her /<br />

But I knew her to well / I say she drove him<br />

to suicide / And took Poor Edward to hell.”<br />

Wie schon bei Tabletop Joe liegt der Ballade<br />

von Poor edward eine reale Geschichte<br />

zugrunde. Im Stück folgt der Song auf<br />

eine Szene, in der der weiße Ritter dem<br />

schwarzen Ritter, seiner anderen, dunklen<br />

Seite im Kampf um Alice unterliegt.<br />

Mit Hymn oder in the Hands of Time ist die<br />

Reise durch das Wunderland an einem Ende<br />

angekommen. „You murdered time and you<br />

must pay / For the things you’ve done” – das<br />

Vergehen, in den natürlichen Verlauf der<br />

Zeit eingegriffen zu haben, muss gesühnt<br />

werden. „Drown him in tears I say / And off<br />

with his bleeding head” heißt es im Song,<br />

ein Höllenszenario markiert den Moment der<br />

Abrechnung. „You’re now in the hands of<br />

time.”<br />

Das Schlusslied gehört Alice. i’m still here<br />

ist ihre Geschichte und sie erzählt davon,<br />

wie sie erträumt und dann in dem Traum<br />

zurückgelassen wurde. „How long was I<br />

dreaming for / What was it you wanted me<br />

for.” Das Rätsel ist ungelöst. „You haven’t<br />

looked at me that way in years – But I’m still<br />

here.” Die Schlusszeile aus Alices Song ist<br />

zugleich der letzte Satz im Stück: „Ich bin<br />

immer noch hier.“<br />

Eva Derleeder, Ursula Grossenbacher & Ensemble<br />

Folgeseiten Jan Andreesen, Ursula Grossenbacher, Anna-Magdalena Beetz, Joanna Kitzl


daNiel PflUger Regie<br />

Daniel Pfluger studierte Regie an der Zürcher<br />

Hochschule der Künste. Während des<br />

Studiums erarbeitete er u. a. Titus nach<br />

Shakespeare und Heiner Müller und Unvollkommen,<br />

ein Bewegungstheater nach<br />

den Metamorphosen von Ovid, das beim<br />

Schauspielschultreffen 2008 in Rostock<br />

ausgezeichnet wurde und mit dem er das<br />

Körber Studio Junge Regie 2009 gewann.<br />

Als freischaffender Regisseur inszenierte<br />

er am Heidelberger Theater das transdisziplinäre<br />

Projekt godard driving, moby dick<br />

am Schauspielhaus Graz und für Winter in<br />

Schwetzingen die Vivaldi-Oper bajazet. Es<br />

folgten Arbeiten am Mannheimer Schnawwl<br />

und am <strong>Staatstheater</strong> Schwerin sowie<br />

das Projekt m & The acid monks in der<br />

Kaserne Basel. Ab Oktober 2012 nimmt er<br />

am Stipendiatenprogramm der Akademie<br />

Musiktheater Heute teil. Künftige Arbeiten<br />

führen ihn u.a. an die Deutsche Oper<br />

Berlin. In <strong>Karlsruhe</strong> inszenierte er 2011/12<br />

die Kinderoper dino und die arche.<br />

clemeNS ryNKowSKi Musikalische<br />

Leitung & Arrangements<br />

Clemens Rynkowski ist Pianist, Komponist<br />

und Thereminist. Seit seinem Studium<br />

an der Universität der Künste und an der<br />

Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in<br />

Berlin, komponiert und arrangiert er für Orchester,<br />

Kammerensembles, Film und Theater,<br />

u. a. für die Jenaer Philharmonie und<br />

das Orchestre Philharmonique du Luxembourg<br />

sowie das salonorchesterweimar. Er<br />

arbeitete mit den Regisseuren Michael von<br />

zur Mühlen am Deutschen Nationaltheater<br />

Weimar und Claus Peymann am Berliner<br />

Ensemble. Mit seinen Brüdern gründete<br />

er die Band Herr Rynkowski, spezialisiert<br />

auf Soul und Funk im Falsettgesang. Das<br />

Thereminspielen lernte Rynkowski u. a. bei<br />

Lydia Kavina, der Großnichte des Theremin-Erfinders<br />

und ist seither solistisch<br />

und im Ensemble als Thereminist tätig, u.<br />

a. 2010 mit Sting. Er unterrichtet an der Musik-Hochschule<br />

in Weimar und der Hochschule<br />

für Musik und Theater Rostock.<br />

32 Folgeseite Band & Altar Boys


flUriN borg madSeN Bühne<br />

Flurin Borg Madsen, geboren 1981 in<br />

Stuttgart, begann nach Hospitanzen u.<br />

a. am Schauspielhaus Düsseldorf und<br />

am Nederlands Dans Theater in Den<br />

Haag 2002 sein Studium der Szenografie<br />

an der Hochschule für Gestaltung (HfG)<br />

<strong>Karlsruhe</strong>. Neben dem Studium arbeitete<br />

er als Kamera-Assistent und entwarf<br />

Bühnenbilder für Theater in Buenos Aires,<br />

Mannheim, Zürich, Solothurn und Heidelberg<br />

sowie Videoprojektionen für Opern<br />

in Amsterdam, Düsseldorf und für Michael<br />

Simons Lohengrin-Inszenierung an der<br />

Nürnberger Staatsoper. 2006 bis 2007 war<br />

er Bühnenbildassistent am Nationaltheater<br />

Mannheim, 2008 folgte ein weiteres<br />

Szenografie-Studium an der Züricher<br />

Hochschule der Künste (ZHdK). Mit Daniel<br />

Pfluger verbindet ihn eine regelmäßige<br />

Zusammenarbeit. In <strong>Karlsruhe</strong> entwarf<br />

Flurin Madsen 2011/12 die Bühnenbilder<br />

für Herzog Theodor von gothland und die<br />

Kinderoper dino und die arche.<br />

JaNiNe werTHmaNN Kostüme<br />

Janine Werthmann ist seit 2006 freischaffende<br />

Kostümbildnerin für Schauspiel,<br />

Oper und Ballett u.a. am Nationaltheater<br />

Mannheim, Schauspiel Frankfurt, Stadttheater<br />

Bremerhaven, Theater Heidelberg.<br />

Sie arbeitet mit Regisseuren wie Burkhard<br />

C. Kosminski, Daniel Pfluger, Michael Simon,<br />

Cilli Drexel, Tim Egloff, Egill Pálsson,<br />

Simon Solberg u. a. In der Spielzeit 11/12<br />

entwarf sie zuletzt Bühne und Kostüme für<br />

die Schauspielproduktionen der goldene<br />

drache unter der Regie von Tim Egloff am<br />

Stadttheater Bremerhaven, die Kostüme<br />

für die deutsche Erstaufführung von der<br />

andere ort unter der Regie von Burkhard<br />

C. Kosminski am Nationaltheater Mannheim<br />

sowie die Kostüme für die Produktion<br />

m & The acid monks in der Regie von<br />

Daniel Pfluger in der Kaserne Basel. In der<br />

Spielzeit 2011/12 war sie bereits für die<br />

fantasievollen Kostüme der Kinderoper<br />

dino und die arche verantwortlich.<br />

33


Folgeseiten Klaus Cofalka-Adami, Ursula Grossenbacher<br />

35


36<br />

aNNa-magdaleNa beeTz Gänseblümchen, Haselmaus, Herzogin<br />

Nach dem Schauspielstudium an der Hamburger Stage School of Music,<br />

Dance and Drama war Anna-Magdalena Beetz 2001-2005 festes Ensemblemitglied<br />

in Heidelberg, 2007-2011 in <strong>Karlsruhe</strong>, wo sie u. a. in cabaret<br />

und big money spielte und mit ihrer Band annagramm auftrat. Als Gast<br />

ist sie weiter in dylan – The times they are a-changin‘ zu erleben.<br />

eva derleder Raupe, Schachkönigin<br />

Eva Derleder war u. a. in Mannheim, Stuttgart und Baden-Baden engagiert<br />

und wurde mit onkel wanja von Harald Clemen und Quai west<br />

in der Regie von Jürgen Bosse am Mannheimer Nationaltheater zum<br />

Berliner Theatertreffen eingeladen. In <strong>Karlsruhe</strong> spielte sie zuletzt in<br />

auf Kolonos und ist weiterhin in Jakob der lügner zu sehen.<br />

UrSUla groSSeNbacHer Alice<br />

Ursula Grossenbacher spielte u. a. am Deutschen Schauspielhaus in<br />

Hamburg, bevor sie ihr erstes Festengagement in Braunschweig antrat.<br />

1995 ging sie fest ans Landestheater Tübingen, 2002 nach <strong>Karlsruhe</strong>,<br />

wo sie zuletzt u. a. in Herzog Theodor von gothland, big money,<br />

orpheus steigt herab spielte und weiterhin in Jakob der lügner.<br />

JoaNNa KiTzl Lilie, Hutmacher, Tweedledee<br />

Joanna Kitzl spielte am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, wo<br />

sie mit Jürgen Gosch arbeitete, am Theater Neumarkt Zürich, am<br />

Heidelberger Theater und am Staatsschauspiel Hannover. In <strong>Karlsruhe</strong><br />

spielte sie u. a. minna von barnhelm, die Lady in orpheus steigt herab<br />

und ist 2012/13 u. a. in verrücktes blut und dantons Tod zu sehen.<br />

JaN aNdreeSeN Gänseblümchen, Märzhase, Tweedledum<br />

Jan Andreesen studierte an der Leipziger Hochschule und spielte im<br />

Studio des Dresdner Staatsschauspiels, bevor er fest ans Theater Bielefeld<br />

ging. 2010/11 gehörte er zum Heidelberger Ensemble. In <strong>Karlsruhe</strong><br />

spielte er u. a. in Philotas+ und steht weiterhin in Supermen Ka und<br />

verrücktes blut, demnächst außerdem in dantons Tod auf der Bühne.<br />

roberT beSTa Charles Dodgson, Weißer Ritter, Weißes Kaninchen<br />

Robert Besta ist seit 2005/06 in <strong>Karlsruhe</strong> engagiert. 2007 erhielt<br />

er den jährlich an ein Nachwuchstalent des Theaters verliehenen<br />

„Goldenen Fächer“. Seit 2006 inszeniert der Leiter eines Jugendclubs<br />

regelmäßig und dreht Filme, u. a. abgesang, regelmäßig zu sehen im<br />

STUDIO. Zuletzt spielte er u. a. in big money und immer noch Sturm.<br />

HaNNeS fiScHer Rose, Grinsekatze, Humpty Dumpty<br />

Die Theater in Würzburg und Nürnberg, das Düsseldorfer Schauspielhaus,<br />

Volkstheater Wien, Theater Baden-Baden, Schauspiel Essen und<br />

<strong>Staatstheater</strong> Kassel gehören zu den Stationen von Hannes Fischer.<br />

2007-2012 war er fest in <strong>Karlsruhe</strong> engagiert. Hier spielte er zuletzt u. a.<br />

in die Hermannsschlacht, auf Kolonos, fiesco und Jakob der lügner.


georg KraUSe Altar Boy solo<br />

Georg Krause studierte Bildhauerei und Schauspiel in Stuttgart. Nach<br />

Engagements in Tübingen, Heilbronn und Münster kam er 2002/03 fest<br />

nach <strong>Karlsruhe</strong>, wo er den Mephisto in faust und den brandner Kaspar<br />

spielte. Zuletzt stand er u. a. in orpheus steigt herab und big money auf<br />

der Bühne und spielt auch 2012/13 die Titelrolle in Jakob der lügner.<br />

NaTaNaËl lieNHard Frosch, Reh, Schwarzer Ritter<br />

Nach seiner Ausbildung an der Frankfurter Hochschule gehörte Natanaël<br />

Lienhard ab Mai 2008 zum Ensemble des Heidelberger Theaters, wo<br />

er u. a. als Saint Just in dantons Tod zu erleben war. In <strong>Karlsruhe</strong> ist er<br />

auch 2012/13 mit Tschick in der INSEL sowie im STUDIO mit Supermen<br />

Ka und dem musikalischen Soloabend brel – on n‘oublie rien zu erleben.<br />

gUNNar ScHmidT Fisch, Schaf, Schachkönig<br />

Gunnar Schmidt absolvierte seine Schauspielausbildung in Hamburg.<br />

Nach Engagements in Wilhelmshaven, Münster und Tübingen kam<br />

er 2002 fest ins <strong>Karlsruhe</strong>r Ensemble. Hier war er 2011/12 u. a. in big<br />

money und Philotas+ zu sehen, 2012/13 spielt er in Jakob der lügner<br />

und hat im November 2012 mit dantons Tod Premiere.<br />

wo dU biST, macHT KeiNeN<br />

SiNN, weNN dU NicHT<br />

weiSST, wie dU HeiSST.<br />

wie dU HeiSST, macHT<br />

KeiNeN SiNN, weNN dU<br />

NicHT weiSST, wo dU biST.<br />

37


38<br />

agaTa zieba Bratsche<br />

Agata Zieba studierte Bratsche und Musiktheorie in Krakau. Es folgten<br />

Studien an der Musikhochschule Stuttgart bei Prof. Andra Darzins, ab<br />

2011 mit Schwerpunkt Neue Musik. Aushilfstätigkeiten führen sie u.a.<br />

zum SWR SO Freiburg und zur Badischen Staatskapelle. Seit 2012 ist<br />

sie Solo-Bratschistin an der Oper Bialystok.<br />

JaKob diNKelacKer Waldhorn, Trompete, Percussion, Schlagwerk.<br />

Jakob Dinkelacker studierte in Mannheim Jazz- und Popularmusik mit<br />

Schwerpunkt Schlagzeug. Er ist Mitglied verschiedener Jazz-Kollektive,<br />

Gründer des Projektes Return To Whatever und wirkte bei Theaterproduktionen<br />

in Tübingen, Heidelberg, Basel und <strong>Karlsruhe</strong> mit. Zudem<br />

begleitet er Tourneen u. a. von Fabian Simon und Adam Arcuragi.<br />

SveN PUdil Bassklarinette, Saxophone, Piccolo, Querflöte<br />

Sven Pudil studierte Jazz- und Popularmusik an der Hochschule für<br />

Musik und Darstellende Kunst in Mannheim und ist europaweit für Big-<br />

und Brass Bands, Musicals, CD-Produktionen und Jazzfestivals tätig.<br />

Er tritt mit der Big Band Kicks `n Sticks in der Alten Feuerwache Mannheim<br />

auf und ist Mitglied der Brassband Blassportgruppe Südwest.<br />

floriaN ryNKowSKi ,Bass, Gitarre, Klavier, Saz, Windmaschine<br />

Florian Rynkowski studierte E-Bass, Kontrabass und Komposition in<br />

Weimar, Helsinki, Accra (Ghana) und Köln. Der Musiker arbeitet mit<br />

verschiedenen Formationen im Bereich Jazz, Weltmusik, Minimal Music,<br />

Klassik und Soul zusammen. 2012 erschien seine Debütplatte flora<br />

et labora, die er gemeinsam mit fünf finnischen Musikern aufnahm.<br />

JocHeN welScH Posaune, Sousaphon, Tuba<br />

Der gebürtige <strong>Karlsruhe</strong>r Jochen Welsch ist freischaffender Komponist,<br />

Arrangeur, Posaunist und Sousafonist. Wenn der Musiker nicht<br />

gerade unterwegs ist, lebt er in Mannheim, wo er an der Musikhochschule<br />

und an der Universität Ensemble-Leitung unterrichtet. Er ist<br />

Mitbegründer und Leiter zahlreicher Jazz-Orchester und Bigbands.<br />

Ursula Grossenbacher, Natanaël Lienhard & Band


ildNacHweiSe<br />

UmScHlag & SzeNeNfoToS<br />

Felix Grünschloß<br />

s. 14 ff. Dreaming in Pictures, The Photography<br />

of Lewis Carroll, San Francisco<br />

Museum of Modern Art, Yale University<br />

Press, New Haven and London 2002<br />

TeXTNacHweiSe<br />

Lewis Carroll, briefe an kleine mädchen,<br />

aus dem Englischen übersetzt und hrsg.<br />

von Klaus Reichert, Frankfurt 1976.<br />

Klaus Reichert, Studien zum literarischen<br />

Unsinn – lewis carroll, München 1974.<br />

Lewis Carroll, die <strong>alice</strong>-romane, <strong>alice</strong>s<br />

abenteuer im wunderland, durch den<br />

Spiegel und was <strong>alice</strong> dort fand, aus dem<br />

Englischen übersetzt und hrsg. von Günther<br />

Flemming, Stuttgart 2002, 2010.<br />

Alice Liddell 1932 im Cornhill Magazine,<br />

zitiert nach <strong>alice</strong>, Programmheft Thalia<br />

Theater Hamburg, Spielzeit 1992/93.<br />

<strong>alice</strong> im wunderland der Kunst, hrsg. von<br />

Hubertus Gaßner, Annabella Görgen und<br />

Christoph Benjamin Schulz, Hamburg 2012.<br />

zauberhafte Klangmaschinen,<br />

Mainz 2008.<br />

Nicht gekennzeichnete Texte sind<br />

Originalbeiträge für dieses Heft von<br />

Nina Steinhilber<br />

40<br />

imPreSSUm<br />

HeraUSgeber<br />

BADISCHES STAATSTHEATER<br />

KARLSRUHE<br />

geNeraliNTeNdaNT<br />

Peter Spuhler<br />

verwalTUNgSdireKTor<br />

Michael Obermeier<br />

ScHaUSPieldireKTor<br />

Jan Linders<br />

redaKTioN<br />

Nina Steinhilber<br />

KoNzePT<br />

DOUBLE STANDARDS BERLIN<br />

www.doublestandards.net<br />

geSTalTUNg<br />

Kristina Pernesch<br />

drUcK<br />

medialogik GmbH, <strong>Karlsruhe</strong><br />

BADISCHES STAATSTHEATER<br />

KARLSRUHE 11/12<br />

Programmheft Nr. 2<br />

www.staatstheater.karlsruhe.de<br />

wie wäre eS miT eiNem ei?<br />

Ursula Grossenbacher, Robert Besta


maNcHmal gibT<br />

eS eTwaS, aber<br />

maN mUSS die<br />

aUgeN ScHlieSSeN,<br />

Um eS zU SeHeN.

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