alice - Badisches Staatstheater - Karlsruhe
alice - Badisches Staatstheater - Karlsruhe
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Bei der Konzeption und Stückentwicklung<br />
der Hamburger Uraufführung entschied<br />
Wilson sich für eine, auch bei seiner vorigen<br />
Arbeit The black rider verwendete<br />
Struktur, bei der die Szenenfolge durch<br />
„Knee“-, also „Gelenkszenen“ unterbrochen<br />
wird. Nach Ende jeder Szene schließt<br />
sich der Vorhang, um dahinter den Umbau<br />
auf das nächste große Bild zu erlauben.<br />
Währenddessen findet vor dem Vorhang<br />
eine kurze „Zwischenszene“ statt. Für<br />
die <strong>Karlsruhe</strong>r Inszenierung löste Daniel<br />
Pfluger diese aus dem amerikanischen<br />
Vaudeville übernommene Technik weitgehend<br />
auf. Um zu ermöglichen, dass Alice<br />
ihre Reise durch das Wunderland jenseits<br />
der Ebenenwechsel ohne Unterbrechungen<br />
– über das Ende von Einzelepisoden hinaus<br />
– fortsetzen kann, fand er mit Flurin Borg<br />
Madsen Bühnenlösungen, bei denen sich<br />
der Raum vor den Augen des Publikums für<br />
die jeweils nächste Wunderlandepisode<br />
verändert. Für diese fließenden Übergänge<br />
übernehmen Figuren die Umbauten, dazu<br />
kommen vier Altar Boys. Alice bleibt fast<br />
durchgehend auf der Bühne, während das<br />
Wunderland um sie herum immer wieder<br />
neue Gestalten annimmt. Pfluger nimmt in<br />
seiner Inszenierung die Spuren auf, die das<br />
Stück auf den verschiedenen Ebenen legt<br />
und führt sie zusammen zu einer theatralen<br />
Expedition an einen Ort der Obsessionen<br />
und Verstörung, aber auch der Schönheit<br />
und Leichtigkeit.<br />
So wie Dingen und Lebewesen in der Fantasiewelt<br />
von Lewis Carroll ihre gewohnten<br />
Eigenschaften abhanden kommen,<br />
verändern auch die Bühnenbildelemente,<br />
mit denen Flurin Borg Madsen und Daniel<br />
Pfluger arbeiten ihre Bedeutung. Was eben<br />
ein Mond war, wird im nächsten Moment<br />
zum Mund der Grinsekatze, die Spiegel, die<br />
zerbrechen, wenn Alice von Charles Dodg-<br />
son fotografiert wird und durch die sie ins<br />
Wunderland eintritt, werden zu Blitzen im<br />
Gewittersturm, der durch das Wunderland<br />
fegt. Die Betonwand des <strong>Karlsruhe</strong>r Theaters<br />
verschwindet hinter einem schwarzen<br />
Aushang – und Alice im Kaninchenbau. Im<br />
Zusammenspiel mit Bühnenmusik und Licht<br />
verwandelt sich der schwarze Bühnenraum<br />
in den Wald ohne Namen, in dessen grünem<br />
Nebel Alice verloren geht während die<br />
Musiker im Orchestergraben ihren Instrumenten<br />
die dazugehörigen Waldgeräusche<br />
entlocken. Im Traum ist die Welt auf den<br />
Kopf gestellt, der Mond scheint unter der<br />
Erde, Bett und Nachttisch hängen lose im<br />
Bühnenhimmel. Der Raum wird dominiert<br />
von schwarzen und weißen Elementen.<br />
Pfluger und Madsen greifen die Schach-<br />
und Kartenspielsysteme auf, die Carrolls/<br />
Dodgsons logischer Mathematikergeist den<br />
surrealen Ereignissen der Alice-Geschichten<br />
zugrunde gelegt hat und lassen aus einfachen<br />
schwarzen und weißen Quadraten<br />
im Verlauf einer Szene plötzlich ein großes<br />
Schachfeld entstehen, auf dem die Wunderlandwesen<br />
zu Schachfiguren werden,<br />
oder kombinieren die Kostüme von Janine<br />
Werthmann mit bühnenbildnerischen Versatzstücken,<br />
wenn zum Beispiel unter dem<br />
Kleid der Schachkönigin ein Fahrgestell<br />
samt Guillotine zum Vorschein kommt.<br />
Auch sonst beeinflussten räumliche Entscheidungen<br />
unmittelbar die Konzeption der<br />
Kostüme. Um einen Kontrast zu schaffen,<br />
setzt Janine Werthmann dem versatzstückartigen<br />
Spielfeld der Bühne, auf dem mit<br />
möglichst unaufwendigen Mitteln schöne<br />
Bilder evoziert werden, bunte, fantasievolle<br />
und detailgenaue Kostüme entgegen. Ob<br />
es das Schaf ist, das seine eigene Wolle<br />
verstrickt, oder die aufwendigen, viktorianischen<br />
Kostüme der sprechenden Blumen,<br />
die Zwillingsmasken von Tweedledee und<br />
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