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Sprechtraining für Schauspieler

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auf diese Anregung der Ohren reagiert. Vielleicht hört sie sich tiefer,<br />

satter, entspannter oder kompakter an?<br />

Durch die »Meeresmuschel« gewinnen auch die Sprechpausen an<br />

Atmosphäre. Sie werden dichter und bereiten den nächsten Gedanken<br />

und Stimmimpuls vor.<br />

Das Ohr ist auch ein psychisches Organ. Wenn wir ihm zu viel zumuten,<br />

reagiert es »beleidigt«. Das heißt, wenn wir über längere Zeit<br />

Straßenlärm, Kindergeschrei, Motorengeräuschen oder elektronischem<br />

Surren von Geräten ausgesetzt sind, fühlen wir uns schlapp<br />

und leer, reagieren gereizt oder müde. Da Gehör und Stimme zusammenarbeiten,<br />

leidet die Stimme in diesen Situationen ebenso. Das<br />

Ohr ist das empfangende Organ, die Stimme das sendende.<br />

Deshalb ist es wichtig, Stimmarbeit immer eng mit Hörarbeit zu<br />

vernetzen. Im eigentlichen Sinne ist es keine »Arbeit«, sondern eine<br />

Übung der Achtsamkeit, wie sie ebenso in Meditationstechniken<br />

praktiziert wird. Diese kann zwar auch auf eigene Weise anstrengend<br />

sein, bewirkt aber, dass wir uns danach frei und gestärkt fühlen. Für<br />

<strong>Schauspieler</strong> stellt die Kombination von Sprech- und Hörübungen<br />

eine wirksame Art des Warm-ups dar, um sich auf das Sprechen auf<br />

der Bühne vorzubereiten oder aber die ermattete Stimme neu zu<br />

beleben.<br />

• Das »ffff-Seil«<br />

Track 7<br />

(Siehe Abb. S. 112 links)<br />

Wir regen in der folgenden einfachen Übung Ohren, Artikulation<br />

und Zwerchfell an und stimmen diese Bereiche aufeinander ab. Wenn<br />

Sie grundsätzlich eher unterspannt sind, öffnen Sie die Augen dabei.<br />

Wenn Sie grundsätzlich eher angespannt sind, lassen Sie die Augen<br />

geschlossen. Bei einer ganzheitlichen Wahrnehmung der Übung<br />

können wir mehrere Effekte beobachten. Haben Sie bereits öfter mit<br />

dem »ffff-Seil« geübt, werden Sie die Vielschichtigkeit deutlich erleben:<br />

Lassen Sie den Einatem einfließen, sodass sich die Bauchdecke<br />

sanft wölbt. Atmen Sie auf ein sehr langes, gedehntes und gut dosier-<br />

tes, gleichmäßiges »f« aus. Stellen Sie sich vor, dass eine kraftvolle,<br />

aber gleichmäßig fließende Fontäne nach oben steigt. Im Gegensatz<br />

zur Ruheatmung üben wir nun die Sprechatmung, indem wir den<br />

Ausatem nicht passiv ausströmen lassen, sondern ihn aktiv verlängern.<br />

Das Zwerchfell wird trainiert, da es sich nur ganz langsam und<br />

gleichmäßig entspannen darf. Im Gesangsunterricht und teilweise<br />

in der Sprecherziehung nennt man dies etwas veraltet die »Stütze«.<br />

Dem <strong>Schauspieler</strong> ermöglicht sie, einen langen gesprochenen Satz<br />

physisch zu bewerkstelligen. Das bedeutet, dass Sie auch bei einem<br />

weitschweifigen Gedankengang beispielsweise von Kleist nicht leise<br />

und atemlos werden!<br />

Die Schultern sind weiterhin passiv und liegen schwer auf der<br />

Matte. Der Kehlkopf ist entspannt – die Stimmbänder haben nichts<br />

zu tun und befinden sich daher in der Atemstellung. Die Artikulationsorgane<br />

dagegen sind aktiv: Die Unterlippe schmiegt sich mit<br />

ihrer Innenseite an die oberen Schneidezähne und bildet eine Enge.<br />

Die Luft wird gegen einen spürbaren Widerstand durch diese Enge<br />

geschoben. Es entsteht das <strong>für</strong> »f« typische Reibegeräusch. Stellen Sie<br />

sich vor, dass Sie ein gleichmäßig dickes Seil in Richtung Zimmerdecke<br />

spannen. Dieses hat keine Risse und Knoten! Hören Sie sich<br />

dabei genau zu und genießen Sie, dass Ihr Ohr durch die hohen Frequenzen<br />

dieses Reibelaut-Geräusches angeregt wird. Wiederholen<br />

Sie den Vorgang einige Male. Sie können auch Ihre Hände auf die<br />

Bauchdecke legen, um die unterschiedlichen Spannungszustände zu<br />

beobachten. Die Einatmung ist immer weich und kommt von selbst.<br />

Die Bauchdecke wölbt sich in Richtung Zimmerdecke. Beim Ausatmen<br />

auf »ffff« sinkt sie langsam in Richtung Wirbelsäule. Da Sie<br />

sich bei dieser Übung noch nicht in einem Sprechdenkprozess befinden<br />

– also nicht auf einen Partner reagieren müssen –, haben Sie<br />

jedes Mal Zeit, auf den Einatem zu warten und ihn aufmerksam zu<br />

genießen. Lassen Sie sich auftanken – jedoch ohne zu übertanken:<br />

Wenn Sie sich dabei »ertappen«, dass Sie den Einatem geräuschvoll<br />

einziehen, so sollten Sie das »f« nicht so lange dehnen und den Einatem<br />

rechtzeitig kommen lassen.<br />

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