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Sprechtraining für Schauspieler

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ständig einzulassen, sind fordernde und nicht endende Aufgaben,<br />

denen Sie sich als <strong>Schauspieler</strong> immer wieder neu stellen müssen:<br />

»In seiner Arena, der Bühne, setzt der <strong>Schauspieler</strong> nicht weniger<br />

als sich selbst mit Haut und Haaren aufs Spiel. […] Ist er nicht Hase<br />

und Igel in einer Person, ständig im Wettstreit mit sich selbst?«<br />

(Granzer, <strong>Schauspieler</strong> außer sich; S. 65 u. S. 74)<br />

Auch sind Sie als <strong>Schauspieler</strong> in Ihrem Beruf täglich der Kritik anderer<br />

ausgesetzt und zusätzlich Ihrer Selbstkritik:<br />

»Wir wissen theoretisch, dass jeder <strong>Schauspieler</strong> seine Kunst täglich<br />

in Frage stellen muss – genau wie Pianisten, Tänzer, Maler –<br />

und dass er sonst fast sicher stagnieren, Klischees entwickeln und<br />

irgendwann einen Niedergang erleben wird.« (Peter Brook im<br />

Vorwort zu: Jerzy Grotowski, Für ein armes Theater; S. 12)<br />

Sich infrage zu stellen gehört zu Ihrem Beruf also existenziell dazu.<br />

Dieses ständige Bewertetwerden kann auf Dauer dazu führen, dass<br />

Sie sich mehr und mehr über die Sicht der anderen, also des Regisseurs<br />

oder des Publikums, definieren. Lob und Verriss können zu<br />

einer Droge werden, die abhängig macht und somit unfrei:<br />

»In der Theorie klingt die physische Exponiertheit der <strong>Schauspieler</strong><br />

weitaus harmloser, als sie sich am eigenen Leib anspürt. Die<br />

Intimität, die ausgestellt wird, ist äußerst fragil, das Risiko hoch<br />

und immer brisant, da es nie zeitversetzt, sondern immer im Augenblick<br />

stattfindet. […] Er selbst kann nicht zurücktreten, um<br />

zu prüfen, was er da eben gemacht hat. Er bleibt distanzlos in der<br />

eigenen Nähe befangen. Er bekommt seine Arbeit nie leibhaftig<br />

vor den eigenen Blick, immer nur die anderen. Das macht extrem<br />

abhängig von dem, was man über die eigene Wirkung zu hören<br />

bekommt, und es macht extrem sensitiv.« (Granzer, <strong>Schauspieler</strong><br />

außer sich; S. 30)<br />

Das Arbeitsmaterial Stimme<br />

»[…] der <strong>Schauspieler</strong> [ist] Arbeiter, Werkzeug, Material und<br />

Produkt zugleich! Obendrein muss er sich in das Ensemble einer<br />

Aufführung fügen! Und er ist Mensch mit persönlichen Erfahrungen,<br />

Gedanken und Gefühlen, also mit all dem, was ihn geistig<br />

bewegt.« (Ebert, ABC des Schauspielens; S. 28)<br />

Als <strong>Schauspieler</strong> müssen Sie nicht nur große Räume mit Ihrer Stimme<br />

füllen. Sie müssen oft Menschen in Extremsituationen darstellen,<br />

ohne dabei Ihrer Stimme dauerhaft zu schaden.<br />

Ihre Stimme ist Ihr persönliches Instrument und eines Ihrer<br />

wichtigsten Arbeitsmaterialien. Sie muss Ihnen zur Verfügung stehen<br />

– auch in Erkältungszeiten, wenn alle um Sie herum husten und<br />

schniefen. Sie muss auch dann funktionieren, wenn Sie sich privat in<br />

einer schwierigen Situation befinden. Sie sind auf Ihre Stimme existenziell<br />

angewiesen.<br />

Ihre Stimme verdient es daher, besonders gepflegt zu werden. Viele<br />

Menschen schenken ihrer Stimme aber nur dann Beachtung, wenn<br />

sie nicht mehr so funktioniert, wie sie es gerne hätten. Sie meldet sich<br />

dann unangenehm dünn, kraftlos, heiser, gedrückt, mitunter sogar<br />

schmerzvoll.<br />

Es ist besonders im <strong>Schauspieler</strong>beruf wichtig, grundsätzlich achtsam<br />

mit der Stimme umzugehen, sie aufzuwärmen, zu pflegen und<br />

überhaupt in ständigem Kontakt mit ihr zu bleiben und daraus die<br />

künstlerische Arbeit zu bewältigen. Mit der eigenen Stimme in Kontakt<br />

zu sein bedeutet letzten Endes auch, mit sich selbst in Kontakt<br />

zu bleiben. Besonders <strong>für</strong> <strong>Schauspieler</strong> ist die Arbeit an sich selbst,<br />

unabhängig vom Ego, unerlässlich, um aus den künstlerischen Ressourcen<br />

zu schöpfen.<br />

Ein regelmäßiges achtsames Stimmtraining kann dazu beitragen,<br />

dem professionellen Anspruch des Schauspielalltags gerecht zu werden<br />

und gleichzeitig einer Überlastung oder gar einem Burnout-<br />

Syndrom vorzubeugen. Dazu ist es notwendig, dass Sie sich vor jeder<br />

Probe mit dem momentanen Zustand Ihrer Stimme vertraut machen<br />

und sie behutsam auf ein Niveau bringen, das von der aktuellen Ta-<br />

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