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01.06.2018 kibizz

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Im Porträt: Max Wentz<br />

Juni 2018 <strong>kibizz</strong><br />

Sattelfest<br />

Tannheim. 82 Jahre alt ist Max<br />

Wentz aus Tannheim. 65 Jahre aktiver<br />

Radrennsport haben ihn durch<br />

die ganze Welt geführt und sein<br />

Name hat nicht nur in Sportlerkreisen<br />

einen guten Klang. Unzählige<br />

Pokale in allen Größen und die<br />

dazugehörigen Urkunden erzählen<br />

in seinem Haus in Tannheim von<br />

seinen sportlichen Erfolgen. Und<br />

ganz selbstverständlich führt er<br />

das Gespräch im Trikot der Union<br />

Wangen, wo alles im Alter von 14<br />

Jahren begann.<br />

„Wenn ich von Tannheim aus Richtung Süden<br />

fahre, trage ich das Wangener Trikot, wenn es<br />

Richtung Norden geht, fahre ich im Dress von<br />

Rino Bernardi aus Ochsenhausen, der mich schon<br />

seit Langem unterstützt“, erklärt Max Wentz verschmitzt.<br />

Sein Humor und seine positive Lebenseinstellung<br />

blitzen im Gespräch immer wieder<br />

auf. Dabei hat er erst vor zwei Jahren schmerzhaft<br />

erleben müssen, dass er sich von einem<br />

lange angestrebten Ziel verabschieden musste.<br />

„Ich hatte mir alles so gut ausgedacht. Gerade 80<br />

geworden, wollte ich in meiner Altersklasse auf<br />

Mallorca die Senioren-Weltmeisterschaft gewinnen.<br />

Und die Chancen standen gut. Ich war gut in<br />

Form und ich wäre beim Start einer der Jüngsten<br />

gewesen.“ Aber da spielte ihm sein Sportlerherz<br />

erstmals einen Streich. „Ohne Vorwarnung“, so<br />

erzählt er, habe am Tag vor dem Flug plötzlich<br />

sein Herzrhythmus verrückt gespielt; die Frequenz<br />

habe ohne Belastung zwischen Puls 30 und Puls<br />

180 geschwankt. An einen Start in Mallorca war<br />

unter diesen Umständen nicht zu denken. Stattdessen:<br />

Untersuchungen und eine erste Operation.<br />

In der Zwischenzeit hat die Vorhofklappe insgesamt<br />

sechsmal verrückt gespielt und eine erneute<br />

Operation steht an, in der weitere Gefäße verödet<br />

werden sollen. „Auf dem Fahrrad geht‘s mir gut,<br />

die Probleme kommen immer, wenn ich ruhig auf<br />

dem Sofa sitze.“ Wie viele Hochleistungssportler<br />

hat er ein vergrößertes Herzvolumen, ein „Sportlerherz“.<br />

Sein Glück: Der behandelnde Kardiologe<br />

in Bad Waldsee – „mein Herzdoktor Sieroslawski“<br />

– ist ausgesprochener Radsportfan und berät ihn<br />

auch über das Medizinische hinaus. Max Wentz<br />

und auch seiner Ehefrau ist klar, dass er weiter<br />

Leistungssport treiben muss. „Wenn er nicht Radfahren<br />

darf, stirbt er mir“, sagt sie resigniert.<br />

„Auf dem Rad geht es mir gut“<br />

Max Wentz hat die neue Situation tapfer angenommen<br />

und sich entsprechend eingerichtet.<br />

Früher sei er im Jahr mehr als 20 000 Kilometer<br />

gefahren, allein oder auch in der Gruppe: „Im weiten<br />

Umkreis kenne ich jeden befahrbaren Feldweg<br />

und jeden, auch den entlegensten Winkel.“<br />

So ist es kein Wunder, dass er zweimal die Woche,<br />

dienstags und donnerstags, bei einer Rennradgruppe<br />

als „Guide“ fungiert und die Geselligkeit<br />

in der Sportlerrunde genießt. Aber natürlich ist er<br />

auch allein unterwegs, auf der Straße oder, noch<br />

lieber, in der freien Natur, denn seine heimliche<br />

Liebe galt stets der Disziplin „Cross Country“, dem<br />

Querfeldeinfahren. Sorgen macht er sich keine,<br />

„denn auf dem Fahrrad geht es mir gut“. Die mit<br />

dem Leistungssport verbundenen Ziele hat er<br />

in der Zwischenzeit aufgegeben. „Aber die Erinnerungen<br />

bleiben und die kann mir niemand<br />

nehmen“, sagt er. Auch die Verletzungen, die bei<br />

dieser langen Zeit als Aktiver nicht ausblieben, hat<br />

er abgehakt, wobei er sich die gravierendste im<br />

Winter beim Langlauf zugezogen hat.<br />

Gerne denkt er an die Duelle mit Rolf Wolfshohl<br />

bei Querfeldeinmeisterschaften zurück, an die<br />

einstigen Größen des deutschen Straßensports<br />

wie Klaus Peter Thaler, Rudi Altig. Diese und viele<br />

andere, so erzählt er, seien sehr gerne zu ihm<br />

nach Tannheim in sein Radsportfachgeschäft gekommen,<br />

um sich von ihm technisch beraten zu<br />

lassen. „Sie haben mich immer bewundert, weil<br />

ich angeblich stets das beste und leichteste Material<br />

hatte“, sagt der Tüftler stolz. Und er verfolgt<br />

auch, allerdings eher kopfschüttelnd, die aktuelle<br />

internationale Radsportszene und macht sich dabei<br />

seine eigenen Gedanken.„Jan Ullrich war ein<br />

Ästhet auf dem Fahrrad. Er hat nur einen Fehler<br />

gemacht: Er hätte zur selben Zeit, als Erik Zabel<br />

sich unter Tränen als Doper geoutet hatte, ebenfalls<br />

gestehen müssen. Da hatte er wohl schlechte<br />

Berater – und er tut mir noch heute leid.“ Für einen<br />

Armstrong und einen Froome hat er nur Verachtung<br />

übrig. „Die können ja nicht einmal g’scheit<br />

Radfahren“, schimpft er, „und wer Asthma hatte,<br />

durfte früher nicht aufs Fahrrad.“<br />

Max Wentz indessen wird weiterfahren, das ist er<br />

allein schon seiner Rennradgruppe schuldig: „Die<br />

finden ohne mich ja gar nicht nach Hause“, sagt<br />

er grinsend.<br />

Hans-Jörg Reiff<br />

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