01.06.2018 kibizz
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Interview: Mit dem E-Auto ans Nordkap<br />
Juni 2018 <strong>kibizz</strong><br />
Preiselbeersirup bei Pertti<br />
Biberach. Felix Adrian, Florian Funk und Florentin Küfer sind am 22. April 2018 mit einem BMW i3, zur Verfügung<br />
gestellt vom Autohaus Munding, von Biberach in Richtung Nordkap gestartet. Das abenteuerliche an der<br />
Reise ist, dass die drei jungen Biberacher mit einem Elektroauto unterwegs sind, das durchschnittlich 250 Kilometer<br />
mit einer Batterieladung schafft. Nach der Ankunft am Kap haben sie auf unsere Fragen geantwortet.<br />
Wie lange hat es denn gedauert, die 3400 Kilometer<br />
zurückzulegen?<br />
3400 Kilometer ist die Strecke für den direkten<br />
Weg ans Nordkap. Wir sind ein bisschen mehr<br />
gefahren, ungefähr 4800 Kilometer. Am 19. Tag<br />
sind wir am Nordkap angekommen. Auf unserer<br />
Hinreise haben wir uns aber auch Zeit gelassen,<br />
um Städte wie Dresden, Hamburg, Berlin, Flensburg,<br />
Kopenhagen und Stockholm anzuschauen.<br />
Wir sind pro Tag zwischen 200 und 500 Kilometer<br />
gefahren. Unsere längsten Etappen waren Tag eins<br />
Biberach Dresden (533 km) und Tag elf Gåcksäter–<br />
Byske (zufällig auch 533 km).<br />
Lief alles reibungslos? Gab es Probleme? Wenn<br />
ja, welche?<br />
Die Reise ans Nordkap mit einem Elektroauto ist<br />
machbar und lief erstaunlich reibungslos. Wenn<br />
Probleme auftraten, waren dies meist Probleme<br />
bei der Authentifizierung an der Ladesäule. Da es<br />
so viele uneinheitliche Systeme gibt, braucht man<br />
viele verschiedene Apps und Chipkarten. Manchmal<br />
muss man sich auch per SMS registrieren.<br />
Nach einer Weile hat man das dann aber auch<br />
raus und es geht schneller. Das ist aber auch nur<br />
ein Problem, das auf langen Reisen auftritt, wegen<br />
den verschiedenen regionalen Anbietern. Unser<br />
Verbesserungsvorschlag: Bezahlung an der Ladesäule<br />
mit Kredit/EC Karte oder sogar mit Bargeld.<br />
Ein anderes Problem war, dass viele Ladesäulen<br />
im hohen Norden Finnlands nur mit 6 kW laden<br />
anstatt mit den versprochenen 22 kW. Dadurch<br />
muss man länger warten. Ansonsten klappte alles<br />
reibungslos und die Ladesäuleninfrastruktur ist gut<br />
ausgebaut in Deutschland und im Süden Skandinaviens.<br />
Oft konnten wir sogar kostenlos laden.<br />
So eine Reise stellt man sich ja noch als Abenteuer<br />
vor. Ist das so?<br />
Ein Abenteuer war, als wir mit nur neun Kilometer<br />
Restreichweite an unserer Unterkunft im<br />
arktischen Finnland angekommen sind. Die Unterkunft<br />
war eine urige Hütte, einsam im Wald.<br />
Was wir im Vorhinein nicht wussten: Die Hütte<br />
hatte keine Elektriziät und kein fließend Wasser.<br />
Wir haben also nachts ein Feuer gemacht um<br />
uns warm zu halten. Unser Auto konnten wir<br />
aber nicht laden. Am nächsten Tag sind wir zu<br />
dem „Hausmeister“ der Hütte gefahren, der ein<br />
paar Kilometer weiter auf einem Hof lebte. Dort<br />
durften wir dann unser Auto an der Haushaltssteckdose<br />
laden, sodass wir die nächste Ladesäule<br />
erreichen konnten. Der Mann (Pertti) und<br />
seine Frau haben uns während der Ladezeit zu<br />
sich eingeladen. Dort bekamen wir zu essen:<br />
Preiselbeersirup von selbstgepflückten Beeren,<br />
Pferdesalami, Rentierwurst von eigenen Rentieren<br />
und den nördlichsten Honig der Welt. Pertti<br />
hält die nördlichsten Bienen der Welt. So ein<br />
Erlebnis hätten wir nicht gehabt, würde alles<br />
ohne Problem laufen.<br />
Wird man unterwegs als Exote wahrgenommen<br />
mit einem E-Auto oder ist das mittlerweile<br />
schon eher normal?<br />
Wir wurden schon von ein paar Leuten angesprochen,<br />
die sich für die Reise interessiert<br />
haben. Schließlich hat unser Auto ein sehr auffälliges<br />
Design. Trotzdem ist es für die Skandinavier<br />
eher normal. Selbst im Norden von<br />
Norwegen sieht man einige Elektroautos und<br />
viele Hybrid Fahrzeuge. Tatsächlich viel mehr<br />
als in Deutschland.<br />
Gab es Kontakte mit den Leuten der verschiedenen<br />
Länder?<br />
Wie gesagt, den Kontakt mit Pertti und seiner Frau.<br />
Wir haben sehr oft Unterkünfte mit AirBnB gebucht.<br />
So kommt man in Kontakt mit Einheimischen. Bei<br />
AirBnB vermieten Menschen ein Zimmer in ihrem<br />
Haus oder die komplette Wohnung. Die sind immer<br />
sehr nett, und freuen sich, dass man kommt.<br />
Wie ist das Gefühl, am Nordkap zu stehen?<br />
Das Nordkap ist der nördlichste Punkt vom Festland<br />
Europas, der mit dem Auto erreichbar ist. Es<br />
gibt noch einen nördlicheren Punkt. Die Landzunge<br />
westlich des Nordkaps. Dort kommt man allerdings<br />
nur hin, wenn man 15 Kilometer durch den<br />
Schnee wandert. Von dem her ist es ein sehr tolles<br />
Gefühl am Nordkap zu stehen und zu wissen, den<br />
weiten Weg mit einem Elektroauto zurückgelegt<br />
zu haben. Die Ladesäulen liefern eigentlich immer<br />
Ökostrom, also haben wir die weite Reise fast ganz<br />
ohne Emissionen zurückgelegt. Wir waren gestern<br />
am Nordkap. Man steht dort auf einer sehr hohen,<br />
steil abfallenden Klippe und blickt in Richtung Norden,<br />
dort wo am Nordkap die Sonne untergeht.<br />
Den ganzen Abend hat man einen rötlichen Himmel,<br />
weil der Sonnenuntergang hier so langsam<br />
geht. Die Sonne hat gestern den Horizont berührt<br />
und ist dann um 0.15 Uhr wieder aufgegangen,<br />
ohne dass sie verschwunden ist. Das war ein sehr<br />
besonderes Erlebnis.<br />
Wann wollt ihr wieder zurück sein?<br />
Wir haben jetzt noch circa sechs Wochen Zeit zurückzufahren;<br />
mehr als auf dem Hinweg. Wir können<br />
uns in Norwegen mehr Zeit lassen und das<br />
Land genießen. Interview: Achim Zepp<br />
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