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ZgV aktuell 2015

Nachrichten aus der Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN

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ZENTRUM <strong>aktuell</strong>...<br />

Informationen der Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN<br />

Unsere Stiftung wird 15 Jahre alt<br />

Das Zentrum hat Beachtliches erreicht<br />

Seit 15 Jahren gibt es unsere Stiftung Zentrum<br />

gegen Vertreibungen. Aus dem Geist der<br />

Versöhnung hat der Bund der Vertriebenen<br />

diese Stiftung am 6. September 2000 ins Leben<br />

gerufen. Mit Hilfe zahlreicher Unterstützer<br />

haben wir Beachtliches erreicht. Ohne das<br />

Zentrum gäbe es die Bundesstiftung „Flucht,<br />

Vertreibung, Versöhnung“ nicht und ohne<br />

die großen gemeinsamen Anstrengungen der<br />

Vertriebenen und ihrer Einrichtungen gäbe es<br />

auch keine Landesgedenktage in Bayern, Hessen<br />

und Sachsen und keinen nationalen Gedenktag<br />

für die Opfer von Flucht und Vertreibung,<br />

der am 20. Juni diesen Jahres erstmals<br />

in Berlin begangen wird. Die Intinitalzündung<br />

kam vom Zentrum.<br />

Wir haben uns die Aufgabe gestellt, in einem<br />

Gesamtüberblick das Schicksal der mehr als<br />

15 Millionen deutschen Deportations- und<br />

Vertreibungsopfer aus ganz Mittel-, Ost- und<br />

Südosteuropa mit ihrer Kultur und ihrer Siedlungsgeschichte<br />

genauso erfahrbar zu machen,<br />

wie das Schicksal der 4 Mio. deutschen<br />

Spätaussiedler.<br />

Wir wollen mit dieser Stiftung auch die Veränderungen<br />

Deutschlands durch die Integration<br />

Millionen entwurzelter Landsleute mit den<br />

Auswirkungen auf alle Lebensbereiche ausleuchten.<br />

Der Soziologe Eugen Lemberg hat<br />

schon 1950 von der „Entstehung eines neuen<br />

Volkes aus Binnendeutschen und Ostvertriebenen“<br />

gesprochen. Tatsächlich blieb z.B. von<br />

der konfessionellen Struktur in Deutschland<br />

nichts mehr so, wie es weithin seit dem Augsburger<br />

Religionsfrieden von 1555 gewesen<br />

war. Durch unsere Wanderausstellungen erinnern<br />

wir bundesweit daran.<br />

Es war und ist uns aber unverzichtbar mit<br />

dem Zentrum gegen Vertreibungen auch<br />

an Vertreibung und Genozid an anderen Völkern,<br />

insbesondere in Europa zu erinnern.<br />

Allein in Europa waren bzw. sind mehr als 30<br />

Volksgruppen von solchen Menschenrechtsverletzungen<br />

betroffen. Alle Opfer von Genozid<br />

und Vertreibung brauchen einen Platz in<br />

unseren Herzen und<br />

im historischen Gedächtnis.<br />

Wir machen<br />

deutlich, dass<br />

Menschenrechte<br />

unteilbar sind. Unverzichtbar<br />

gehört<br />

der Dialog mit unseren<br />

Nachbarvölkern<br />

dazu.<br />

Zu unseren Stiftungsaufgaben<br />

gehört<br />

auch die Verleihung<br />

eines Preises,<br />

mit dem Menschen<br />

Stiftungsvorsitzende<br />

Erika Steinbach MdB<br />

ausgezeichnet werden, die durch ihr Handeln<br />

das Verantwortungsbewusstsein schärfen.<br />

Der Preis kann an Einzelpersonen, aber<br />

auch an Initiativen oder Gruppen verliehen<br />

werden, die sich gegen die Verletzung von<br />

Menschenrechten durch Völkermord, Vertreibung<br />

und die bewusste Zerstörung nationaler,<br />

ethnischer oder religiöser Gruppen gewandt<br />

haben. Dafür haben wir den Franz-Werfel-<br />

Menschenrechtspreis geschaffen, der alle zwei<br />

Jahre in der Frankfurter Paulskirche verliehen<br />

wird.<br />

Über unsere Tätigkeit berichten wir auf den<br />

folgenden Seiten und bitten zugleich um Ihre<br />

Unterstützung für unsere Anliegen.<br />

ZENTRUM <strong>aktuell</strong> – Frühjahr <strong>2015</strong><br />

1


Franz-Werfel-Menschenrechtspreis<br />

Franz-Werfel-Menschenrechtspreis in der Frankfurter Paulskirche verliehen<br />

Regisseur der „Wolfskinder“ ausgezeichnet<br />

Der Regisseur und Drehbuchautor Rick Ostermann<br />

hat den jüngsten Franz-Werfel-<br />

Menschenrechtspreis der Stiftung Zentrum<br />

gegen Vertreibungen erhalten. Ostermann<br />

wurde am 2. November 2014 in der Frankfurter<br />

Paulskirche für seinen Spielfilm „Wolfskinder“<br />

ausgezeichnet.<br />

V.l.n.r.: Laudator Prof. Dr. Klaus Hänsch, Präsident des Europäischen<br />

Parlaments a.D., der Preisträger Rick Ostermann<br />

und die Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen<br />

Erika Steinbach MdB.<br />

Der Film zeigt das Schicksal der sogenannten<br />

Wolfskinder. Diese hatten in den Wirren zum<br />

Ende des Zweiten Weltkrieges ihre Familien<br />

verloren und mussten ohne Fürsorge vor der<br />

heranrückenden Roten Armee fliehen. Dem<br />

1978 geborenen Ostermann gelinge es in seinem<br />

Drama, das Schicksal dieser Kinder beeindruckend<br />

darzustellen, sagte die Vorsitzende<br />

der Stiftung, Erika Steinbach MdB, bei der<br />

Preisverleihung. Gewalt und Tod, aber auch<br />

Freundschaft und Zusammenhalt zeige er vor<br />

der gewaltigen Kulisse der nahezu unberührten<br />

Natur Ostpreußens und Litauens. „Mit<br />

dem diesjährigen Preisträger ehren wir einen<br />

Mann, der sich des Schicksals von Kindern an-<br />

genommen hat. Es sind Kinderschicksale aus<br />

der Mitte des 20. Jahrhunderts. Anrührend,<br />

feinfühlig und gleichermaßen ausdrucksstark<br />

thematisiert dieser Film das erschütternde<br />

Schicksal dieser Kinder. Mit der diesjährigen<br />

Preisverleihung macht die Jury auf die ungebrochene<br />

Aktualität dieser außergewöhnlichen,<br />

doch tausendfach erlittenen Geschichte<br />

aufmerksam: auf die Schicksale von Kindern<br />

in den weltweiten Kriegsgebieten. Es sind<br />

die Kleinsten, die oftmals das größte Leid –<br />

Flucht, Vertreibung, Entwurzelung – für sich<br />

alleine zu ertragen haben.“<br />

Der Präsident des Europäischen Parlaments<br />

a.D., Prof. Dr. Klaus Hänsch, der aus dem<br />

schlesischen Sprottau stammt, begründete<br />

die Auswahl der Jury mit beeindruckenden<br />

Worten. „Es ist ein Film, der mit verstörender<br />

Lakonie zeigt, wie die Abwesenheit von<br />

jederlei Rechts das elementarste aller Menschenrechte<br />

zuschanden macht: Das Recht auf<br />

Leben.“ Besonders deutlich hob der Laudator<br />

die <strong>aktuell</strong>en Bezüge des Films hervor. „Rick<br />

Ostermanns berührender und im Wortsinne<br />

hoffentlich „bewegender“ Film erlaubt, nein,<br />

erzwingt Assoziationen mit dem Schicksal der<br />

Millionen flüchtenden und verfolgten Menschen<br />

in der Nachbarschaft Europas. Weltweit,<br />

so Hänsch, seien wohl mehr als 20.000 dieser<br />

Kinder unterwegs.<br />

Rick Ostermann bezog in seinen Dank bezog<br />

er ausdrücklich auch die Wolfskinder mit ein.<br />

Er nehme den Preis stellvertretend für alle<br />

Wolfskinder entgegen. Auch er erinnerte an<br />

die <strong>aktuell</strong>en Vertreibungs- und Flüchtlingstragödien<br />

seit dem Zweiten Weltkrieg, an die<br />

Zahl der Flüchtlinge von zur Zeit weltweit<br />

über 50 Millionen Menschen, von denen die<br />

Hälfte Kinder seien. Markus Patzke<br />

2 ZENTRUM <strong>aktuell</strong>


Flucht, Vertreibung, Deportation<br />

Dienstag, 9. Juni <strong>2015</strong>, 19 Uhr, Akademie der Konrad-Adenauerstiftung Berlin<br />

Das Schicksal der Deutschen im Osten<br />

nach dem Ende des Krieges<br />

Das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren<br />

ist für das Zentrum gegen Vertreibungen<br />

und die Konrad-Adenauer-Stiftung Anlass,<br />

auch an die bis zu 14 Millionen Deutschen zu<br />

erinnern, die im Zuge von Flucht und Vertreibung<br />

ihre Heimat verloren.<br />

Die Vertreibung der Deutschen am und nach<br />

Ende des Zweiten Weltkrieges war die größte<br />

ethnische „Säuberung“ des 20. Jahrhunderts<br />

in Europa. Von den mehr als 18 Millionen<br />

Deutschen im Osten verloren bis zu 14 Millionen<br />

infolge von Flucht, Vertreibung oder<br />

Deportation ihre Heimat.<br />

Hunderttausende deutscher Zivilisten wurden<br />

in Internierungslagern zusammengetrieben<br />

und zum Teil noch vor Ort zur Zwangsarbeit<br />

gezwungen. Der Transport nach Deutschland<br />

fand häufig unter schrecklichen Bedingungen<br />

statt, den viele nicht überlebten. 700.000<br />

wurden als „lebende Reparation“ zur Zwangsarbeit<br />

in sowjetische Arbeitslager abtransportiert.<br />

Jeder zweite Verschleppte überlebte die<br />

sowjetische Lagerhaft nicht.<br />

Das Zentrum gegen Vertreibungen und<br />

Helfen Sie mit!<br />

Jede Spende bringt uns unserem Ziel näher. Ihre Spende ist für Sie steuerlich abzugsfähig.<br />

Unser Spendenkonto lautet:<br />

Deutsche Bank AG<br />

Konto-Nr.: 317 17 17<br />

BLZ 380 700 24<br />

IBAN DE76 380 700 240 3171717 00<br />

BIC (SWIFT) DEUT DE DB380<br />

die Konrad-Adenauer-Stiftung veranstalten<br />

deshalb ein gemeinsames Symposium. Zu dieser<br />

Veranstaltung laden wir herzlich ein.<br />

19.00 Uhr Begrüßung<br />

Volker Kauder MdB – Vorsitzender der CDU/<br />

CSU-Bundestagsfraktion<br />

19.10 Uhr Befreiung und neues Leid – Das<br />

Schicksal der Deutschen im Osten 1945<br />

Erika Steinbach MdB, Vorsitzender der Stiftung<br />

„Zentrum gegen Vertreibungen“<br />

19.15 Uhr Deportationen, Flucht und Vertreibung<br />

Prof. em. Dr. Dr. h. c. Horst Möller, Institut<br />

für Zeitgeschichte, München<br />

19.45 Uhr Podiumsdiskussion: Der Platz von<br />

Flucht und Vertreibung in der deutschen Erinnerungskultur<br />

– mit Milan Horáček, Freya<br />

Klier, Prof. em. Dr. Dr. h. c. mult. Horst<br />

Möller, Erzbischof Robert Zollitsch<br />

Moderation: Sven Felix Kellerhoff – Die Welt<br />

20.30 Uhr Schlusswort<br />

Dr. Bernd Fabritius MdB, Präsident des Bundes<br />

der Vertriebenen<br />

Das Zentrum gegen Vertreibungen braucht Sie<br />

Wenn Sie unsere Stiftung nachhaltig unterstützen<br />

wollen, können sie Förderer/in<br />

werden. Förderer/in werden Sie, wenn sie<br />

monatlich, halbjährlich oder jährlich jeweils<br />

einen Betrag von 25 €, 50 € oder 100<br />

€ per Bankeinzug spenden.<br />

ZENTRUM <strong>aktuell</strong><br />

3


Perspektiven<br />

Unsere Arbeit geht weiter - Neue Ausstellung in der Planungsphase<br />

„Verschwunden – Orte, die es nicht mehr gibt“<br />

Spätestens seitdem der griechische Philosoph<br />

Platon den Mythos von der versunkenen Insel<br />

Atlantis in die Welt gesetzt hat, sind die Menschen<br />

von verschwundenen Orten fasziniert.<br />

Der Untergang menschlicher Siedlungen hat<br />

vielfältige Ursachen: Er konnte durch Naturkatastrophen<br />

(Vulkanausbrüche, Erdbeben,<br />

Erdrutsche, Sturmfluten, Wassermangel),<br />

durch Seuchen (z.B. die Pest von 1350, durch<br />

von der jeweiligen eigenen Regierung gewollte<br />

Maßnahmen (Braunkohletagebau, Anlage<br />

von Stauseen), durch wirtschaftlichen Zusammenbruch<br />

(z.B. Versiegen von Bodenschätzen)<br />

oder wie nach 1945 durch Krieg, insbesondere<br />

auch durch Flucht und Vertreibung<br />

bedingt sein.<br />

„Flucht, Vertreibung, Deportation. Das<br />

Schicksal der Deutschen im Osten nach<br />

Ende des Zweiten Weltkrieges“<br />

Di, 9. Juni <strong>2015</strong>, 19 Uhr, Akademie der<br />

Konrad-Adenauerstiftung Berlin<br />

Eine Veranstaltung des Zentrums gegen Vertreibungen<br />

und der Konrad-Adenauer-Stiftung.<br />

In den Gebieten, die bis zur Vertreibung am<br />

Ende des Zweiten Weltkrieges von Deutschen<br />

besiedelt waren, befinden sich zahlreiche solcher<br />

Orte, in denen heute keine Menschen<br />

mehr leben. Manche wurden sogar planiert,<br />

um alle Spuren deutscher Siedlungen zu tilgen.<br />

Die geplante neue Ausstellung der Stiftung<br />

Zentrum gegen Vertreibungen will<br />

diese Orte u.a. im heutigen Polen, Russland,<br />

Tschechien, der Slowakei, Kroatien, Serbien<br />

und Slowenien aufspüren und nach den<br />

Ursachen ihres Verschwindens fragen. Nach<br />

Möglichkeit soll dabei mit Museen, Archiven,<br />

Bürgerinitiativen und Einzelpersonen vor Ort<br />

zusammengearbeitet werden. Es soll auch recherchiert<br />

werden, ob sich in den Ländern in<br />

Ostmittel- und Osteuropa über historische Fotos<br />

und Ansichtspostkarten hinaus noch Einzelstücke<br />

der verschwundenen Orte erhalten<br />

haben, die eine Geschichte erzählen und die<br />

für die Ausstellung entliehen werden könnten.<br />

Das gleiche gilt für die Vertriebenenmuseen<br />

und Heimatstuben in Deutschland.<br />

Die im Kommunismus forcierte Industrialisierung<br />

führte zu Landflucht und Abwanderung<br />

in die Industriezentren, in den ehemals<br />

deutsch besiedelten Dörfern gab es keine oder<br />

nur wenige neue Arbeitsplätze. Besonders extrem<br />

stellt sich die Situation in den ehemaligen<br />

sudetendeutschen Gebieten und in der<br />

russischen Oblast Kaliningrad, dem früheren<br />

nördlichen Ostpreußen, dar, das jahrzehntelang<br />

militärisches Sperrgebiet war. Das alte<br />

Königsberg – einst eine der reichsten und<br />

schönsten Städte Europas - ist noch heute weitgehend<br />

„ausradiert“. Lediglich der Königsberger<br />

Dom mit dem Grab von Immanuel Kant<br />

ist ein „Erinnerungsort.“. Die sechs großen<br />

ostpreußischen Barockschlösser, Bauten von<br />

europäischem Rang (Friedrichstein, Finckenstein,<br />

Schlobitten, Schlodien, Dönhoffstädt<br />

und Steinort) sind komplett verschwunden<br />

oder traurige Ruinen. Auch 25 Jahre nach dem<br />

Ende des Kommunismus ist außer in Steinort<br />

hier nichts geschehen. Noch extremer ist der<br />

Kulturverlust an Kirchen. Allein in Nordostpreußen<br />

sind 224 Kirchen, viele davon aus der<br />

Zeit des Deutschen Ordens, dem Erdboden<br />

gleichgemacht oder nur als Ruine vorhanden.<br />

4 ZENTRUM <strong>aktuell</strong>


„Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“<br />

Originalexponat an Stiftung übergeben<br />

Erika Steinbach übergibt Kapellenwagen<br />

Am 26. Februar <strong>2015</strong> hat die Vorsitzende<br />

der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen<br />

(<strong>ZgV</strong>) Erika Steinbach MdB mit dem<br />

wohl letzten existierenden „Kapellenwagen“<br />

des „Speckpaters“ Werenfried van Straaten ein<br />

einzigartiges zeithistorisches Objekt an die<br />

Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“<br />

(SFVV) übergeben. Der 14 Meter lange,<br />

zwei Meter breite, drei Meter hohe und ca. fünf<br />

Tonnen schwere Kapellenwagen soll ein<br />

wesentliches und gleichzeitig das größte Ausstellungsstück<br />

der einzurichtenden Dauerausstellung<br />

im Berliner Deutschlandhaus werden.<br />

Andrea Moll, zuständige Ausstellungs-Kuratorin,<br />

nahm stellvertretend Wagen, Kennzeichen,<br />

Schlüssel und Fahrzeugpapiere in Empfang.<br />

Ebenfalls anwesend war BdV-Präsident Dr.<br />

Bernd Fabritius MdB, den die <strong>ZgV</strong>-Vorsitzende<br />

wegen der engen Zusammenarbeit der<br />

Organisationen zur Übergabe hinzugebeten<br />

hatte.<br />

Bei dem Fahrzeug handelt es sich um eine<br />

der „mobilen Kapellen“ aus dem Bestand der<br />

früheren „Ostpriesterhilfe“, die Pater Werenfried<br />

1947 gründete, um das materielle und<br />

seelische Elend der deutschen Heimatvertriebenen<br />

lindern zu helfen. Dafür sammelte er bei<br />

den Bauern Flanderns Speck und andere Nahrungsmittel,<br />

weshalb er landauf landab „Speckpater“<br />

genannt wurde. Danach ließ er durch<br />

sein Hilfswerk „Kirche in Not“ zwischen 1950<br />

und 1970 35 Kapellenwagen bauen, die –<br />

zumeist von belgischen Diözesen gestiftet und<br />

unterhalten – zunächst geistlichen Trost und<br />

Lebensmittel zu den hungernden Vertriebenen<br />

brachten – ein „Schauspiel christlicher Nächstenliebe“,<br />

wie der Kölner Kardinal Frings<br />

damals sagte. Später dehnte Pater Werenfried<br />

seine Hilfsmission auf die verfolgte Kirche im<br />

kommunistischen Osteuropa bzw. auf Gläubige<br />

in Lateinamerika, Asien und Afrika aus. Von<br />

der „Kirche in Not“ hatte das Zentrum gegen<br />

Vertreibungen den Kapellenwagen 2007 zur<br />

geeigneten Verwendung überlassen bekommen.<br />

Erika Steinbach MdB erklärte zur Übergabe:<br />

„Es ist gut, dass dieser Kapellenwagen, mit dem<br />

Seelsorge, aber auch Hilfsgüter zu so vielen<br />

Menschen gebracht wurden, bald derart im<br />

Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen<br />

wird.“ Bernd Fabritius freute sich über die<br />

V.l.n.r. : BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB, Andrea Moll,<br />

Kuratorin der „Stiftung Flucht, Vertreibung,Versöhnung“, Erika<br />

Steinbach MdB, Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen<br />

und Sven Oole, Leiter Kommunikation/Stiftungsmanagement,<br />

der Stiftung „Flucht, Vertreibung Versöhnung“<br />

vor dem Kapellenwagen.<br />

Zukunft des Kapellenwagens als „ein Stück<br />

Geschichte zum Sehen und Anfassen“. Beide<br />

wünschten der Bundesstiftung, dass diese von<br />

den deutschen Heimatvertriebenen und<br />

Flüchtlingen weitere Originalexponate zur<br />

Dokumentation der Geschichte von Flucht<br />

und Vertreibung, aber auch der Heimatgebiete<br />

erlangen werde.<br />

ZENTRUM <strong>aktuell</strong><br />

5


Podiumsdiskussionen<br />

Podiumsdiskussion im Atrium der Bundespressekonferenz im September 2014<br />

Was bedeutete die Vertreibung ?<br />

Hinter der Zahl von Millionen Flüchtlingen<br />

und Vertriebenen, die zum Ende des Zweiten<br />

Weltkrieges ihre Heimat verlassen mussten,<br />

stehen konkrete Schicksale, individuelle Lebenswege.<br />

Für viele war der Neuanfang eine<br />

bittere, schier unlösbare Lebenserfahrung.<br />

Andere bauten mit Mut, Energie und großem<br />

Leistungswillen aus dem Nichts neue Existenzen<br />

auf. Die in der Rückschau höchst erfolgreiche<br />

Eingliederung der Vertriebenen in<br />

das junge Nachkriegsdeutschland lässt wenig<br />

Auf dem Podium (v.l.n.r.): Bürgermeister Olaf Cunitz, Dr.<br />

Klaus Hänsch, Armin Heinz, BdV-Präsidentin Erika Steinbach<br />

MdB, Moderatorin Nina Ruge, Dr. Christean Wagner, Prof. Dr.<br />

Michael Wolffsohn.<br />

über den persönlichen Umgang Einzelner mit<br />

diesem einschneidenden Erlebnis erahnen.<br />

Wie gehen die Betroffenen damit um? War die<br />

Vertreibung für sie und ihre Familien Antrieb<br />

oder Last? Um dieser Fragestellung einige<br />

neue Aspekte beizusteuern, hatte die Stiftung<br />

Zentrum gegen Vertreibungen am 23.<br />

September 2014 zu einer Podiumsdiskussion<br />

in das Atrium der Bundespressekonferenz in<br />

Berlin eingeladen.<br />

Nach der Begrüßung übergab die Stiftungsvorsitzende<br />

Erika Steinbach MdB an die Fernsehmoderatorin<br />

Nina Ruge, die den Abend<br />

mit sehr viel Fingerspitzengefühl leitete. Die<br />

Auswahl der Podiumsteilnehmer spiegelte ein<br />

breites Spektrum des gesellschaftlichen Lebens<br />

wieder. Als Zeitzeuge von Flucht und Vertreibung<br />

war der 1938 im schlesischen Sprottau<br />

geborene ehemalige Präsident des Europäischen<br />

Parlaments Dr. Klaus Hänsch (SPD) anwesend,<br />

dessen Familie 1945 nach Flensburg<br />

geflüchtet war. Dr. Christean Wagner (CDU),<br />

der 1943 in Königsberg zur Welt gekommene<br />

ehemalige Hessische Kultus- bzw. Justizminister<br />

war ebenso dabei, wie der 1944 in Gablonz<br />

an der Neiße geboren Unternehmer Dipl.-Ing.<br />

Armin Heinz, der ebenfalls als Kleinkind mit<br />

seiner Familie die Heimat verlassen musste.<br />

Eine besondere Perspektive bot der Blick des<br />

Historikers Prof. Dr. Michael Wolffsohn, geboren<br />

1947 in Tel Aviv. Komplett wurde das<br />

Podium mit dem Bürgermeister der Stadt<br />

Frankfurt am Main Olaf Cunitz (Bündnis 90/<br />

Die Grünen), der als Kind vertriebener Eltern<br />

1968 in Frankfurt das Licht der Welt erblickte.<br />

In der Diskussion offenbarte sich früh, dass<br />

man sich im Hinblick auf grundlegende Bewertungen<br />

einig war. Dies zeigte sich u.a. in den<br />

Antworten auf die Frage, ob „Flucht und Vertreibung“<br />

denn überhaupt noch ein <strong>aktuell</strong>es<br />

Thema sei. Dazu erklärte Professor Wolffsohn,<br />

echtes historisches Interesse entstehe meist erst<br />

ab der Enkel-Generation, und die Vertreibung<br />

werde auch 2024 noch <strong>aktuell</strong> sein. Im Hinblick<br />

auf die zentrale Frage des Abends zeigten sich<br />

alle Diskutanten einig, dass die Vertreibung als<br />

Teil ihrer Familiengeschichte für sie eher Antrieb<br />

als Last bedeute. Dabei sei es weniger entscheidend,<br />

ob dieser Antrieb dazu führe, durch<br />

schwere Arbeit etwas Neues aufzubauen, den<br />

Mechanismen der Vertreibung wissenschaftlich<br />

auf den Grund zu gehen oder Vertriebenen<br />

zur Seite zu stehen. Marc-P. Halatsch<br />

6 ZENTRUM <strong>aktuell</strong>


Podiumsdiskussion<br />

Diskussionsrunde in der Bundespressekonferenz im Oktober 2014<br />

Vertreibung als künstlerischer Impuls?<br />

An tiefen Lebenskrisen können Menschen<br />

zerbrechen. Sie können der Herausforderung<br />

aber auch mit Kraft und Mut begegnen. So<br />

kann aus einer Krise ein Impuls für ein ganzes<br />

Leben entspringen.<br />

Zweifelsohne stellt das millionenfache Schicksal<br />

von Flucht und Vertreibung zum Ende des<br />

Zweiten Weltkrieges für die Betroffenen auch<br />

eine Lebenskrise dar – ein Trauma, dessen<br />

Verarbeitung sich nicht nur auf das eigene<br />

Leben begrenzte, sondern sich oft sogar auf<br />

die Nachfahren auswirkte. Für manchen war<br />

der Neuanfang eine bittere, schier unlösbare<br />

Lebenserfahrung. Viele andere resignierten<br />

nicht und bauten mit großem Leistungswillen<br />

aus dem Nichts neue Existenzen auf.<br />

Erika Steinbach MdB, Stiftungsvorsitzende,<br />

begrüßte die Teilnehmer und Gäste auf das<br />

Thema hinführend, in dem sie den am 7. Oktober<br />

2014 verstorbenen, aus Masuren stammenden<br />

Schriftsteller Siegfried Lenz und<br />

dessen Werk – etwa die Kurzgeschichten „So<br />

zärtlich war Suleyken“ – in Erinnerung rief.<br />

Die aus der Heimaterinnerung, aber auch aus<br />

der Erfahrung von Flucht und Vertreibung<br />

gespeiste Inspiration seines Schaffens springe<br />

sofort ins Auge. In der Diskussion solle es darum<br />

gehen, diese ganz subjektiv empfundenen<br />

Impulse sichtbar zu machen.<br />

Ein Grußwort sprach der Präsident des Deutschen<br />

Kulturrates Prof. Christian Höppner.<br />

Dieser charakterisierte Flucht und Vertreibung<br />

als fundamentale Entwurzelung.<br />

Prof. Voß berichtete zunächst, ihm sei die<br />

schwierige Lage der Vertriebenen, aber auch<br />

die aus Flucht und Vertreibung entstandene<br />

Integrationsanforderung an Deutschland<br />

schon während seiner Kindheit in Lübeck<br />

klargeworden, wo die Bevölkerungszahl<br />

durch Vertriebene innerhalb kürzester Zeit<br />

von ca. 100.000 auf etwa 230.000 gestiegen<br />

sei. Erika Steinbach zeigte sich überzeugt, dass<br />

viele Künstler mit Vertriebenenhintergrund<br />

ihre Erfahrungen auf ganz unterschiedliche<br />

Art kreativ verarbeitet hätten. Für sie selbst sei<br />

die musikalische Ausbildung eine Art Befreiung<br />

aus der durch die Vertreibung erzeugten<br />

Das Podium der Veranstaltung (v.l.n.r.): Prof. Siegfried Matthus,<br />

Erika Steinbach MdB, Moderator Prof. Peter Voß und<br />

Dirigent und Violinist Alois Springer.<br />

Lebenslage gewesen – ein Weg zu mehr Individualität.<br />

Als wichtige Impulse stellte Prof.<br />

Matthus die Erinnerungen an seine ostpreußische<br />

Heimat und sein Aufwachsen dar. Für<br />

Peter Voß stellte sich nach den Schilderungen<br />

die Frage, ob die Podiumsgäste – ähnlich wie<br />

es bereits Marcel Reich-Ranicki einmal ausgedrückt<br />

hatte – eine „Heimat in der Musik“<br />

gefunden hätten. Alois Springer bejahte dies<br />

sofort. Auch Erika Steinbach beschrieb ein Gefühl<br />

der Heimatlosigkeit auf ihrem Weg nach<br />

Hanau, in dem ihr die Musik Halt gab. Siegfried<br />

Matthus aber erklärte, dass die Musik für<br />

ihn eher zu einer Möglichkeit geworden sei,<br />

die Heimat zu bewahren und die Erinnerungen<br />

aus der Vertreibungszeit zu verarbeiten.<br />

<br />

Marc-P. Halatsch<br />

ZENTRUM <strong>aktuell</strong><br />

7


Ausstellungen<br />

ERZWUNGENE WEGE, DIE GERUFENEN und ANGEKOMMEN<br />

Stationen der Ausstellungen<br />

Erzwungene Wege - Flucht und Vertreibung<br />

im Europa des 20. Jahrhunderts<br />

Landratsamt Oberallgäu<br />

14. Mai bis 26. Juni <strong>2015</strong><br />

Oberallgäuer Platz 2, 87527 Sonthofen<br />

Aichach-Friedberg<br />

Kreisgut Aichach<br />

13. Juli bis 14. August <strong>2015</strong><br />

Am Plattenberg 12, 86551 Aichach<br />

Landratsamt Kitzingen<br />

19. August bis 13. September <strong>2015</strong><br />

Kaiserstr. 4, 97318 Kitzingen<br />

Internetseite in neuem Layout<br />

www.z-g-v.de<br />

Landkreis Waldeck-Frankenberg<br />

16. September bis 31. Oktober <strong>2015</strong><br />

Südring 2, 34497 Korbach<br />

Impressum<br />

Herausgegeben von der Stiftung<br />

ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN<br />

Organisationsbüro:<br />

Godesberger Allee 72-74<br />

53175 Bonn<br />

Tel.: 0228 / 81 007 30<br />

Fax: 0228 / 81 007 52<br />

E-Mail: info@z-g-v.de<br />

web: www.z-g-v.de<br />

Angekommen - Die Integration der<br />

Vertriebenen in Deutschland<br />

Donauschwäbisches Zentralmuseum<br />

22. Mai <strong>2015</strong> bis 20. September <strong>2015</strong><br />

Schillerstr. 1, 89077 Ulm<br />

Landtag von Sachsen-Anhalt<br />

27. Mai <strong>2015</strong> bis 26. Juni <strong>2015</strong><br />

Domplatz 6-9, 39104 Magdeburg<br />

Westpreußisches Landesmuseum<br />

25. Juli <strong>2015</strong> bis 27. September <strong>2015</strong><br />

Klosterstr. 21, 48231 Warendorf<br />

Stiftung Martin-Opitz-Bibliothek<br />

22. Oktober bis 03. Dezember <strong>2015</strong><br />

Berliner Platz 5, 44623 Herne<br />

Besuchen Sie uns auch auf unserer neu gestalteten<br />

Internetseite (www.z-g-v.de) mit den <strong>aktuell</strong>en<br />

Nachrichten zur Stiftung, Hintergrundinformationen,<br />

Zeitzeugenvideos und der Möglichkeit,<br />

unsere Arbeit direkt über PayPal zu unterstützen.<br />

Die Gerufenen - Deutsches Leben in<br />

Mittel- und Osteuropa<br />

Stadt Augsburg, Rathaus<br />

28. Mai <strong>2015</strong> bis 29. Juni <strong>2015</strong><br />

Rathausplatz 2, 86150 Augsburg<br />

ZENTRUM <strong>aktuell</strong><br />

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