Schönes Leben – Ausgabe 72
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Das regionale Saison-Magazin<br />
<strong>Ausgabe</strong> <strong>72</strong> | Kostenlos für Sie zum Mitnehmen<br />
Frühjahr 2021<br />
Land, Kultur & <strong>Leben</strong>sart zwischen Elbestrand und Heidesand<br />
Im Märzen der Bauer ...<br />
Feldarbeit mit Ackerpferden.<br />
Mechanische Turmuhren<br />
Altes Handwerk.<br />
Museum für Rocklegenden<br />
Stones-Fans zieht es nach Lüchow.<br />
Naturerlebnisgarten<br />
Nachhaltiges Gärtnern mit zahlreichen Inspirationen.<br />
Alles im Fluss<br />
Ausflugstipp: Paddeln in der Lüneburger Heide.<br />
Pfeilschnelle Jäger<br />
Die Rückkehr der bedrohten Wanderfalken.<br />
Tausendsassa Löwenzahn<br />
Ein echtes Wunderkraut <strong>–</strong> und richtig lecker<br />
... und vieles mehr.
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Land, Kultur & <strong>Leben</strong>sart<br />
oin oin un un Aoi, Aoi, iee iee erinnen erinnen un un e, e,<br />
Sie hören es schon: Wir kommen aus dem Norden. Dort erscheint das<br />
Saison-Magazin „<strong>Schönes</strong> <strong>Leben</strong>“ schon seit vielen Jahren. Und ab<br />
dieser <strong>Ausgabe</strong> ist es nun deutschlandweit im Zeitschriftenhandel<br />
erhältlich. Damit bringen wir unsere abwechslungsreichen Themen<br />
rund um Land, Kultur und <strong>Leben</strong>sart endlich auch zu Ihnen, die Sie<br />
nicht im Norden zuhause sind.<br />
Neben Ausflugstipps und Anregungen zur Freizeitgestaltung berichten<br />
wir über Projekte rund um den Tier-, Umwelt- und Naturschutz aus<br />
unserer norddeutschen Umgebung, die es in ähnlicher Form in ganz<br />
Deutschland gibt. In dieser <strong>Ausgabe</strong> finden Sie unter anderem interessante<br />
Reportagen und Berichte über Wildbienen, Wanderfalken und<br />
Aale. Frei nach dem Motto „nur wer die Natur kennt und liebt, kann<br />
sie schützen“, versuchen wir mit unseren Beiträgen das <strong>Leben</strong> für Tier,<br />
Mensch und Natur etwas schöner zu machen.<br />
Das Redaktionsteam von „<strong>Schönes</strong> <strong>Leben</strong>“<br />
v. l. n. r.: Frank Drynda, Carsten Weede, Emily Weede.<br />
Auch über Denkmalpflege, altes Brauchtum und Handwerk finden Sie<br />
lesenswerte Berichte, sei es der Erlebnisgarten, die Ackerpferde, Tempo-<br />
Oldtimer, die Restaurierung alter Turmuhren aus dem Harz und vieles<br />
mehr <strong>–</strong> kurzum: Wir versprechen Ihnen pures Lesevergnügen.<br />
Möchten Sie <strong>Schönes</strong> <strong>Leben</strong> abonnieren?<br />
Tauchen Sie ein in unsere Welt <strong>–</strong> in unser „<strong>Schönes</strong> <strong>Leben</strong>“. Wir freuen<br />
uns, Sie zu begeistern und wünschen Ihnen viel Spaß beim Schmökern.<br />
Bleiben Sie gesund und behütet.<br />
Unser Kennenlern-Angebot für Sie:<br />
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Sie können auch bequem per Fax bestellen<br />
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Verlagskontor <strong>Schönes</strong> <strong>Leben</strong><br />
Leserservice<br />
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21435 Stelle<br />
Frühjahr 2021 3
Vogelschutz<br />
6 Die schnellen Jäger der Lüfte<br />
Mitglieder des Vereins Wanderfalken-Schutz Norddeutschland<br />
betreuen die Brutplätze der faszinierenden<br />
Raubvögel. Eine Erfolgsgeschichte.<br />
Oldtimer<br />
14 Jetzt aber Tempo!<br />
Frühjahr 2021<br />
Aus dem Inhalt<br />
„Jetzt aber Tempo!“, heißt es am Pfingstsonntag, 23.<br />
Mai: Der Tempo-Club Deutschland veranstaltet sein<br />
8. Internationales Treffen im Ehestorfer Freilichtmuseum<br />
am Kiekeberg (Gemeinde Rosengarten).<br />
Landwirtschaft<br />
22 Landschaftspflege mit echten PS<br />
Für Klaus-Peter Hagel sind Arbeitspferde in Forstund<br />
Landwirtschaft, im Naturschutz sowie im sanften<br />
Tourismus keineswegs nur pure Nostalgie.<br />
Künstlerportrait<br />
30 <strong>Leben</strong>dig erzählte Geschichte(n)<br />
Gabriele Dummschat schreibt spannende Bücher<br />
für Erwachsene und unter ihrem Pseudonym<br />
Julie Bender auch für Kinder und Jugendliche.<br />
Genusskalender<br />
40 Tausendsassa Löwenzahn<br />
Häufig als Unkraut verschmäht, ist Löwenzahn ein<br />
echtes Wunderkraut. Und köstlich obendrein.<br />
Insektenschutz<br />
48 Ein Blick für die kleinen Wunder<br />
Hilfe für Wildbienen und Co: Monika Köster-Zahlten<br />
gibt Tipps zum Thema Insektenschutz.<br />
Wandertipp<br />
56 Willy wandert wieder<br />
Begegnungen und Erlebnisse auf dem zweiten<br />
Abschnitt des Estewanderweges von Moisburg<br />
über Buxtehude nach Estebrügge und weiter<br />
bis Königreich.<br />
Altes Handwerk<br />
64 Wenn´s mittags vom Turme scholl<br />
Ob an Türmen oder in Plantagen: Historische Weule-<br />
Turmuhren aus dem Harzvorland und der Gang der<br />
Zeit.<br />
Ausflugstipp<br />
74 Eisenbahnromantik in der Lüneburger Heide<br />
Carsten Recht bringt seine Passagiere mit der<br />
„Wilden Erika“ über den Jordan in bezaubernde<br />
„Böhmesche Dörfer“.<br />
Pilgerstätte für Stones-Fans. Seite 100<br />
Landschaftspflege mit Ackerpferden. Seite 22 Historische Mechanik: Turmuhren. Seite 64<br />
4<br />
Frühjahr 2021
Ausstellung<br />
80 Auftanken. Luft holen. Natur erleben!<br />
Im Schloss Bleckede ist noch bis Mitte Juni die Ausstellung<br />
„Wilder Wald am großen Fluss“ zu sehen.<br />
Zwei weitere Ausstellungen sind in Planung.<br />
Naturerlebnis<br />
82 Natur erleben mit allen Sinnen<br />
Mit Projektleiter Bernhard Vogt unterwegs im<br />
BUND-Naturerlebnisgarten, einer grünen Oase<br />
mitten in Wilhelmsburg.<br />
Ausflugstipp<br />
Oldtimertreffen vor<br />
historischer Kulisse.<br />
Seite 14<br />
Brutplatzbetreuung<br />
für Falkenküken.<br />
Seite 6<br />
90 Immer mit der Luhe<br />
Eine Paddeltour bietet viel Abwechslung: Meistens<br />
gleitet das Boot ruhig über das Wasser, aber es gibt<br />
auch Streckenabschnitte mit flotter Strömung.<br />
Museumstipp<br />
100 Rockhistorische Pilgerstätte im Wendland<br />
Weltweit einziges Stones-Fan-Museum in Lüchow<br />
feiert zehnjähriges Bestehen.<br />
Artenschutz<br />
106 Kleine Fische, große Hoffnung<br />
Die Bestände des Europäischen Aals sind erheblich<br />
zurückgegangen. Um gegenzusteuern, werden alljährlich<br />
Zigtausende Jungaale ausgesetzt.<br />
Erlebnisreiche Gartenarbeit. Seite 82<br />
Herrlicher Estewanderweg. Seite 56 Die Buchautorin. Seite 30 Jungaale sollen Bestände sichern. Seite 106<br />
Frühjahr 2021 5
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von Carsten Weede<br />
Mitglieder des Vereins Wanderfalken-Schutz Norddeutschland<br />
betreuen die Brutplätze der faszinierenden<br />
Raubvögel. Eine Erfolgsgeschichte.<br />
„Wanderfalken sind faszinierende Vögel. Sie sind nicht nur die größte<br />
Falkenart in Mitteleuropa, sondern auch die schnellsten Jäger der<br />
Lüfte weltweit. Im Sturzflug erreichen sie Geschwindigkeiten von rund<br />
350 km/h“, sagt Harald Gerken, ehemaliger langjähriger Vorsitzender<br />
des Vereins Wanderfalken-Schutz Norddeutschland (WSN). „Wanderfalken<br />
nutzen ihre enorme Geschwindigkeit zum Jagen ihrer Beute, die<br />
sie fast ausschließlich aus der Luft greifen“, erklärt der Vogelschützer.<br />
Der Wanderfalke ist die am weitesten verbreitete Vogelart der Welt; er<br />
besiedelt bis auf die Antarktis alle Kontinente.<br />
Der Wanderfalke ist die am weitesten verbreitete<br />
Vogelart der Welt; er besiedelt bis auf die<br />
Antarktis alle Kontinente.<br />
Wanderfalken werden seit<br />
Jahrhunderten von Falknern<br />
bei der Beizjagd eingesetzt.<br />
Foto: Carsten Weede<br />
Eine Weule Uhr von 1908 zeigt den Toppenstedtern vom Turm des<br />
Spritzenhauses seit über 100 Jahren die exakte Uhrzeit.<br />
Doch Anfang der 1970er-Jahre waren die schnellen Jäger der Lüfte in<br />
weiten Teilen Europas fast ausgestorben. „In Deutschland gab es nur<br />
noch südlich der Main-Linie einige wenige Brutpaare“, weiß Harald<br />
Gerken. Einer der Gründe für den dramatischen Bestandsrückgang<br />
war die Aufnahme von DDT, das in der Landwirtschaft eingesetzt<br />
wurde, über die Beutetiere. Das Insektizid DDT kam in den 1950er-<br />
Jahren auf den Markt. Schädlinge auf dem Acker ließen sich damit<br />
beinahe über Nacht ausrotten.<br />
Der Wanderfalke war dabei die Art, die am Ende der Nahrungskette am<br />
meisten am DDT zu leiden hatte. Von dem Gift wurden die Eier dünnschalig<br />
und zerbrachen beim Brüten, sodass der Nachwuchs ausblieb.<br />
Anfang der 1970er-Jahre war der Falke in mehreren Bundesländern<br />
komplett ausgestorben. Die schädliche Wirkung des Insektizids wurde<br />
lange unterschätzt. Es dauerte drei Jahrzehnte bis das Mittel auf die<br />
Liste der verbotenen Stoffe gesetzt wurde.<br />
Jetzt erholt sich die Population der Wanderfalken langsam wieder. Dass<br />
in Deutschland heute wieder mehr als 600 Paare brüten, ist in erster<br />
Linie engagierten Naturschützern wie Harald Gerken zu verdanken.<br />
Der 83-jährige Diplom-Ingenieur aus Achim hat den Wanderfalken-<br />
Schutz in Norddeutschland entscheidend geprägt. Er hat nicht nur den<br />
6 Frühjahr 2021
Foto oben: Ein Wanderfalkenweib nach<br />
dem Anflug.<br />
Foto unten: Einen Tag alte Küken,<br />
vom Weib gehudert.<br />
Wanderfalkenweib in der Sonne.<br />
Foto oben: Frisch geschlüpftes<br />
Wanderfalkenküken.<br />
Foto unten: Atzung der<br />
Küken von beiden Eltern mit<br />
Selbstversorgung.<br />
WSN gegründet, sondern auch bereits den Vorläufer, den Arbeitskreis<br />
Nordseeküste als Sparte des Deutschen Falkenordens, dem er auch noch<br />
angehört.<br />
Die Population der Wanderfalken erholt sich<br />
langsam wieder − der Jäger kehrt zurück.<br />
Vor mehr als 30 Jahren war Harald Gerken an den ersten Ansiedlungsversuchen<br />
von Wanderfalken im Wattenmeer beteiligt. Anschließend<br />
holte er die zaghaft wieder auflebende Population ans Festland <strong>–</strong> im<br />
Grunde ganz allein; denn er war es, der auf allen Funktürmen in<br />
Nord-Niedersachsen Nistkästen als Bruthilfen anbrachte. Am Ende<br />
waren es rund 70 Stück. Einige Holzausführungen musste er durch<br />
solche aus Metall ersetzen. Heute nutzen alle auf Funktürmen brütenden<br />
Wanderfalken <strong>–</strong> egal unter welchem Betreuer <strong>–</strong> seine Bruthilfen.<br />
Der Vorteil des Diplomingenieurs der ehemaligen Oberpostdirektion<br />
Bremen war, dass er berufsbedingt mit dem Bau der Funktürme zwischen<br />
Küste und Teutoburger Wald und von der Ems bis zur Elbe<br />
befasst war.<br />
Die Rückkehr des Wanderfalken gilt heute als eine der größten Erfolgsgeschichten<br />
des Naturschutzes überhaupt: Harald Gerken wurde für<br />
sein ehrenamtliches Engagement für den Vogelschutz vom Naturschutzbund<br />
Deutschland (NABU) mit allen Ehrungen (bis hin zur Goldnadel)<br />
gewürdigt. Auch der einstige Vorsitzende der Jägerschaft des Landkreises<br />
Verden, der 2011 verstorbene Eckart Schormair aus Otersen,<br />
der zuvor 16 Jahre lang Bundesvorsitzender im Deutschen Falkenorden<br />
(DFO) war, hatte Harald Gerken im Namen der Jägerschaft für seine<br />
Verdienste um den Greifvogelschutz ausgezeichnet. Bereits 1997 hatte<br />
er anlässlich der Erstbrut auf dem Bremer Funkturm Harald Gerkens<br />
Arbeit für den Wanderfalken-Schutz als „<strong>Leben</strong>sleistung“ bezeichnet.<br />
„Da sind inzwischen noch einige Jahre dazugekommen“, sagt Harald<br />
Gerken und schmunzelt.<br />
Den Posten des 1. Vorsitzenden im WSN hat er 2015 in jüngere Hände<br />
übergeben. Allerdings engagiert er sich bis heute im Verein.<br />
„Im Gegensatz zu anderen heimischen Greifvögeln bauen die Wanderfalken<br />
keine Horste, sondern nutzen bevorzugt natürliche Felsnischen,<br />
die sie auch nicht mit Nistmaterial auffüllen“, erklärt der Greifvogel-<br />
Experte. Wanderfalken haben gern einen freien Blick auf das Umland.<br />
Daher bewohnen sie in erster Linie gebirgige Landschaften und brüten<br />
bevorzugt in Gebieten mit hohem Felsanteil, wie zum Beispiel in Bayern,<br />
der Sächsischen Schweiz oder im Pfälzer Wald. In Niedersachsen<br />
leben einige sogenannte Felsenbrüter im Harz und im Weserbergland.<br />
Aber auch im norddeutschen Flachland kann man Wanderfalken<br />
antreffen, vor allem dann, wenn der Mensch durch das Anbringen von<br />
Brutkästen an hohen Türmen nachhilft: „Die werden von Wanderfalken<br />
gern angenommen“, weiß Harald Gerken. Diese Falken werden dann<br />
als „Gebäudebrüter“ bezeichnet, um sie von den „Felsenbrütern“ zu<br />
unterschieden. „Wanderfalken haben ihren <strong>Leben</strong>sraum auch auf<br />
unsere Städte ausgedehnt, wo sie zu etwa 90 Prozent Stadttauben<br />
erbeuten“, sagt Harald Gerken.<br />
Nisthilfen hoch oben an Funktürmen und Schornsteinen werden von<br />
Wanderfalken bevorzugt angenommen: In Zusammenarbeit mit der<br />
Frühjahr 2021 7
Ein Weibchen sichert ihr Revier.<br />
6 Wochen altes<br />
Wanderfalkenweibchen.<br />
Deutschen Telekom konnte der WSN auf zahlreichen Telekom-Bauwerken<br />
Nisthilfen für Wanderfalken installieren. „Die Nisthilfen sind meist<br />
in einer Höhe von über 70 Metern angebracht“, sagt Harald Gerken.<br />
Um sie zu kontrollieren und zu reparieren ist aus Sicherheitsgründen<br />
ein spezieller Lehrgang notwendig. Jeder, der in solcher Höhe arbeitet,<br />
muss den Umgang mit der persönlichen Schutzausrüstung gegen<br />
Absturz (PSAgA) beherrschen. „Mittlerweile bin ich zu alt, um noch<br />
selbst in die Türme zu klettern“, sagt Harald Gerken. Die Ausbildung<br />
von zwei jüngeren Vereinsmitgliedern sowie die Anschaffung ihrer<br />
Kletterausrüstung wurde von der Jägerschaft Rotenburg und der<br />
Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) übernommen. „Die Landesjägerschaft<br />
unterstützt den Wanderfalken-Schutz zusätzlich durch die<br />
Übernahme von Fahrtkosten sowie sämtliche Kosten für Pflege,<br />
Instandhaltung und Erneuerung von Bruthilfen und Ausrüstungskosten<br />
und ist uns damit ein langjähriger und verlässlicher Partner“,<br />
betont Harald Gerken.<br />
Auch auf dem Funkturm in Langenrehm (Gemeinde Rosengarten) hat<br />
ein Falkenpärchen optimale Bedingungen für die ungestörte Brut und<br />
Aufzucht ihrer Jungen gefunden. Ein bis drei Jungtiere pro Jahr ziehen<br />
die Falken hier auf. „Das ist wichtig, damit sich der Bestand der Greifvögel<br />
weiter erholt“, sagt WSN-Mitglied Helmut Fedders aus Moisburg.<br />
Der im Jahr 2007 gegründete WSN hat inzwischen etwa 100<br />
Mitglieder. Aktive des Vereins betreuen rund 50 Brutplätze <strong>–</strong> vom<br />
Landkreis Harburg über die Landkreise Rotenburg (Wümme) bis<br />
hinunter in den Landkreis Gifhorn und von Bremen im Westen bis in<br />
den Landkreis Lüchow-Dannenberg im Osten. „Unsere Mitglieder<br />
erfassen alle Vorkommen von Wanderfalken und dokumentieren, wie<br />
sich die Bestände dieser faszinierenden Vögel entwickeln“, sagt WSN-<br />
Mitbegründer Harald Gerken. Die Zahlen meldet der Verein dann<br />
regelmäßig an den zuständigen Niedersächsischen Landesbetrieb für<br />
Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Im vergangenen<br />
Jahr registrierten die Falkenschützer im Zuständigkeitsbereich des<br />
WSN insgesamt 55 Brutpaare. „In unserem Betreuungsgebiet sind 83<br />
Junge flügge geworden. Das ist ein gutes Ergebnis“, berichtet Harald<br />
Harald Gerken (rechts), ehemaliger langjähriger Vorsitzender des Vereins<br />
Wanderfalken-Schutz Norddeutschland (WSN).<br />
Foto: Privat<br />
Wanderfalken-Schützer Helmut Fedders kennt die versteckten Horste der<br />
seltenen Raubvögel. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
8<br />
Frühjahr 2021
Bild oben links:<br />
Angestammter<br />
Terzel am Funkturm<br />
Bremen.<br />
Bild oben rechts:<br />
Zwei junge Terzel.<br />
Bild unten links:<br />
Ein Vierer-Gelege<br />
der Wanderfalken.<br />
Bild unten rechts:<br />
Ein Terzel im<br />
Portrait.<br />
Gerken. In ganz Niedersachsen haben im selben Zeitraum 113 Paare<br />
gebrütet, von denen 90 erfolgreich Junge aufgezogen haben. Landesweit<br />
sind 233 Junge ausgeflogen, berichtet Dr. Wolfgang Kaufmann<br />
von der Staatlichen Vogelschutzwarte Hannover des NLWKN, der für<br />
die Erfassung der Wanderfalken- und Uhu-Populationen zuständig ist.<br />
Der Trend des Bruterfolgs bei natürlichen Horsten (Fels, Steinbruch,<br />
Baum) in der freien Landschaft sei seit 2000 abnehmend. „Dieser Trend<br />
wird maßgeblich vom Geschehen im Weserbergland und Harz<br />
bestimmt, da hier der noch überwiegende Anteil der Naturhorste liegt.<br />
Hier weist der Uhu eine hohe Populationsdichte auf“, so Dr. Kaufmann<br />
malereibetrieb<br />
weiter. Der abnehmende Bruterfolg beim Wanderfalken sei mit dem<br />
zeitgleichen Anstieg der Zahl von Wanderfalkenpaaren, die entweder<br />
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gar nicht erst zur Brut schreiten oder keinen Bruterfolg haben, verknüpft.<br />
„Beobachtungen legen nahe, dass hier die steigende nicht<br />
reproduktive Wanderfalkenfraktion eine Folge der Verdrängung durch<br />
den Uhu ist“, sagt Dr. Kaufmann.<br />
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Harald Gerken kann dies bestätigen: „Auf dem Funkturm in Langenrehm<br />
hatte jahrelang ein Wanderfalkenpaar gebrütet, das dann von<br />
einem Uhu-Paar verdrängt wurde.“ Als im Oktober 2019 per Hubschrauber<br />
die rot-weiße Fernseh-Sendeanlage von der Spitze des rund<br />
160 Meter hohen Funkturmes entfernt wurde, fühlten sich die Uhus<br />
offenbar so gestört, dass sie den Horst aufgaben. „Im vergangenen Jahr<br />
malereibetrieb<br />
haben wieder Wanderfalken an dem Turm gebrütet und zwei Junge<br />
aufgezogen“, erzählt Harald Gerken. „Seit 2015 haben wir noch einen<br />
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Frühjahr 2021 9
neuen Brutplatz auf einem stillgelegten Betriebsgelände an der Grenze<br />
zum Landkreis Stade. Dort hat ein Pärchen jede Saison drei bis vier<br />
Junge aufgezogen“, sagt Helmut Fedders, der sich bereits seit 1975 im<br />
Wanderfalken-Schutz engagiert. „In Egestorf brütet ein Paar auf dem<br />
ältesten Stahlbetonmast Deutschlands, genau so wie auf einem Silo an<br />
der Grenze zum Landkreis Rotenburg und am Schornstein der Asklepios-Klinik<br />
in Harburg“, berichtet der 74-jährige Betriebselektriker<br />
im Ruhestand. Zu den Aufgaben der Vogelschützer gehört die regelmäßige<br />
Kontrolle und Pflege von Bruthöhlen. „Das geschieht natürlich in<br />
enger Abstimmung mit den Eigentümern der Gebäude“, sagt der Moisburger.<br />
Manchmal müssten auch Vorkehrungen gegen Abstürze der<br />
Jungfalken getroffen oder alte Brutkästen gegen neue getauscht werden.<br />
Die alten Kästen bestehen in der Regel noch aus mehrfach verleimten<br />
Siebdruckplatten. „Wir ersetzen sie durch Aluminium-Kästen oder<br />
Edelstahl-Kästen. Die neuen Kästen halten viel länger“, sagt Helmut<br />
Fedders.<br />
Durch ein Spektiv oder mit Hilfe von Fotos, die mit starken Teleobjektiven<br />
aufgenommen wurden, können die Wanderfalken-Schützer Ringe<br />
ablesen. Dabei gehen sie äußerst vorsichtig vor, um die störungsempfindlichen<br />
Vögel nicht zu beunruhigen. „Als Betreuer achten wir darauf,<br />
dass die Vögel an den Brutplätzen nicht gestört werden“, berichtet<br />
Helmut Fedders. „Auch wenn der Wanderfalke mit stabilen Populationszahlen<br />
in Deutschland zurück ist und inzwischen sogar in der<br />
Roten Liste gefährdeter Arten heruntergestuft werden konnte, ist die<br />
Art weiterhin gefährdet und auf Schutzmaßnahmen angewiesen“,<br />
betont der engagierte Naturschützer aus Moisburg. Das kann Harald<br />
Gerken nur bestätigen: „Leider kommt es immer wieder vor, dass<br />
Brutvögel vergiftet und dass Eier oder Jungfalken aus den Nestern<br />
geholt werden.“ In einigen arabischen Ländern gelte diese Greifvogel<br />
als Statussymbol, und auf den Märkten seien für Wanderfalken hohe<br />
Preise zu erzielen. Um das sogenannte Aushorsten und generell Störungen<br />
zu verhindern, werden die Brutplätze der Wanderfalken in aller<br />
Regel geheim gehalten. Wenn allerdings ein Falkenpaar auf einem<br />
Funkturm brütet, dann ist das Nest für Menschen kaum erreichbar.<br />
Um generell Störungen zu verhindern, werden<br />
die Brutplätze der Wanderfalken in aller<br />
Regel geheim gehalten.<br />
Zu den wenigen, die trotzdem Einblick in die Kinderstube der Wanderfalken<br />
haben, gehört WSN-Gründungsmitglied Sven Eppler. Der<br />
58-jährige Naturfotograf aus Bremen ist ein Dauerbeobachter am<br />
dortigen Funkturm. Seitdem der Funkturm im Stadtteil Walle, etwa<br />
2,5 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, zum ständigen Brutplatz<br />
wurde, observiert er dort oben in rund 100 Meter Höhe das Tagesgeschehen<br />
mit vierfachem Einblick in den Brutkasten. Sven Eppler ist seit<br />
der Erstbrut in Bremen (1997) dabei und liefert mit seiner täglichen<br />
Brutbegleitung Erkenntnisse, wissenschaftliche Daten und nicht<br />
zuletzt Fotos und Filme, die europaweit gefragt sind. Dazu gehören<br />
bisher von niemand anderem festgehaltene Szenen von der Beuteübergabe<br />
im freien Fall an die Jungen. Sven Eppler sind auch einmalige<br />
Aufnahmen aus dem Inneren des Brutkastens gelungen: Er hat mit der<br />
Kamera den gesamten Brutablauf der Wanderfalken <strong>–</strong> von der Eiablage,<br />
über das Schlüpfen der Küken bis hin zum Ausfliegen der Jungvögel<br />
dokumentiert. Sven Epplers beeindruckende Fotos setzt der WSN gern<br />
bei seiner Öffentlichkeitsarbeit ein <strong>–</strong> etwa zur Illustration in Pressemitteilungen,<br />
bei Media-Vorträgen an Schulen oder beim Erfahrungsaustausch<br />
mit befreundeten Schutzorganisationen.<br />
Der Verein Wanderfalken-Schutz Norddeutschland im Internet:<br />
www.wsn-ev.de<br />
Naturfotograf Sven Eppler im Internet:<br />
www.naturfotografie-eppler.de<br />
Wanderfalken nehmen künstliche Nisthilfen in<br />
großer Höhe gern an.<br />
<br />
Foto: Sven Eppler<br />
Diese Wanderfalken sind Viereinhalb Wochen alt.<br />
<br />
Foto: Sven Eppler<br />
Naturfotograf Sven Eppler beobachtet seit<br />
Jahren Wanderfalken am Bremer Funkturm.<br />
<br />
Foto: Sven Eppler<br />
10<br />
Frühjahr 2021
Steckbrief Wanderfalke<br />
Der Wanderfalke (Falco peregrinus) gehört zur Familie der Falken<br />
(Falconidae) und zur Ordnung der Falkenartigen (Falconiformes).<br />
Zum Brüten ist der Wanderfalke auf steile Felswände, Steinbrüche<br />
oder hohe Gebäude angewiesen. Es gibt auch Wanderfalken, die<br />
auf Bäumen brüten. In jedem Fall muss ein freier Anflug des Brutplatzes<br />
gewährleistet sein. Außerhalb der Brutzeit sind die Vögel<br />
in fast allen Landschaftsformen zu finden, vorzugsweise jedoch<br />
über offenem Gelände und an Gewässern mit reichem Vogelleben.<br />
Mitteleuropäische Brutpaare sind Standvögel, die auch den Winter<br />
über in ihrem Revier bleiben. Ab Mitte März legt das Weibchen<br />
Falkner Werner Grützner erklärt Kindern die <strong>Leben</strong>sweise der schnellen<br />
Jäger der Lüfte. Foto: Carsten Weede<br />
Der schnelle Jäger der Lüfte ist größer als eine Taube und im Flug<br />
an den langen, spitzen Flügeln und dem breit gefächerten, relativ<br />
kurzen Schwanz (Stoß) zu erkennen, außerdem an den schnellen<br />
kraftvollen Flügelschlägen, mit denen Wanderfalken ihre Beute<br />
über freiem Gelände verfolgen. Die Gefiederfärbung ist oberseits<br />
blaugrau, unterseits hell mit dunklen Querbändern beziehungsweise<br />
Flecken auf der Brust. Weitere Erkennungsmerkmale sind<br />
der sehr dunkle Oberkopf und insbesondere der breite, schwarze<br />
Backenstreif. Wie alle Falken haben Wanderfalken einen kleinen<br />
Kopf mit auffallend großen Augen und einer dunklen, fast schwarzen<br />
Iris. Falken verfügen über einen hervorragenden Sehsinn. Die<br />
Greifvögel sehen für uns Menschen unsichtbare Wellenbereiche<br />
des Lichts und haben deutlich schärfere und „schnellere“ Augen<br />
als wir.<br />
Der Schnabel des Falken ist wie ein Haken nach unten gekrümmt.<br />
Der Falkenzahn <strong>–</strong> ein Zacken an der seitlichen Schneidekante des<br />
Oberschnabels <strong>–</strong> ist ein besonderes Kennzeichen des Falken. Falken<br />
sind sogenannte Bisstöter <strong>–</strong> sie halten ihre Beutetiere mit den<br />
Fängen nur fest, töten sie aber durch Genickbiss. Der Falkenzahn<br />
unterstützt den Biss in den Nacken beziehungsweise in den Hinterschädel<br />
der Beutetiere.<br />
Der Wanderfalke jagt fast ausschließlich fliegende Vögel, entweder<br />
von einer erhöhten Sitzwarte aus oder aus hohem Kreisflug.<br />
Zu seiner Beute zählen besonders Haustauben, Drosseln, Stare,<br />
Feldlerchen, Buchfinken und Rabenvögel.<br />
Falken sind an ihrer schwarzen Iris von anderen Greifvögeln zu unterscheiden.<br />
Foto: Carsten Weede<br />
Eier. Ein Wanderfalken-Gelege besteht häufig aus zwei bis vier<br />
kurzovalen, gelblichweißen und bräunlich gefleckten Eiern. Nach<br />
29 bis 32 Tagen schlüpfen die Jungen, die anschließend etwa<br />
zehn Tage abwechselnd von beiden Elternvögeln gefüttert und<br />
gewärmt (gehudert) werden. Insgesamt bleiben die Jungen 35<br />
bis 42 Tage am Nest. Ende Juli/Anfang August, wenn die Jungen<br />
das selbstständige Jagen beherrschen, löst sich der Familienverbund<br />
auf.<br />
Der Naturfotograf Gerhard Brodowski hat auf seiner Internetseite<br />
eine spannende Dokumentation über brütende Wanderfalken im<br />
Hamburger Hafen veröffentlicht:<br />
www.brodowski-fotografie.de/beobachtungen/<br />
wanderfalken-aufzucht.html.<br />
Frühjahr 2021 11
Infos, Tipps & Trends <strong>–</strong> für Sie entdeckt zwischen Elbestrand und Heidesand<br />
Himmelsgucker wachen über Blumen in Bötersheim<br />
Im Bestattungswald Bötersheim<br />
werfen neuerdings drei hochgewachsene<br />
Skulpturen ihre Blicke<br />
in den Himmel, die Bötersheimer<br />
Himmelsgucker.<br />
auf der kleinen Lichtung an den<br />
Himmelsguckern zu tun.<br />
Sylvia Itzen schafft Holzskulpturen<br />
mit der Motorsäge und gibt<br />
auch Kurse für Interessierte an<br />
Holzstämmen lebendige Figuren<br />
werden. Die drei Himmelsgucker<br />
im Bestattungswald Bötersheim<br />
scheinen eine kleine Familie zu<br />
sein, die auf etwas Höheres, über<br />
uns Schwebendes, deuten. Was<br />
sehen sie wohl dort oben in den<br />
Die Himmelsgucker markieren<br />
die Lichtung, an der Blumenschmuck<br />
abgelegt werden kann.<br />
Künstlerin Sylvia Itzen vor den<br />
Himmelsguckern.<br />
Die Künstlerin Sylvia Itzen aus<br />
Sprötze hat diese geschaffen. Ihre<br />
Skulpturen zeigen in den Himmel,<br />
man könnte meinen, sie wollten<br />
daraufhin deuten, dass es noch<br />
etwas anderes gibt als unser irdisches<br />
Dasein, etwas, das über uns<br />
bleibt, wenn ein Mensch nicht<br />
mehr da ist.<br />
Die Figuren stehen am Eingang<br />
zum Bestattungswald Bötersheim<br />
auf einer kleinen Lichtung. Sie<br />
wachen über Blumenschmuck,<br />
abgelegt in Gedenken an einen<br />
Verstorbenen.<br />
Im Bestattungswald dürfen die<br />
Gräber nicht geschmückt werden,<br />
da der Wald Wald bleiben soll.<br />
Dort soll nur die Natur mit ihren<br />
unendlichen Facetten den Wandel<br />
der Jahreszeiten schmücken. Für<br />
Blumenschmuck gibt es an den<br />
Himmelsguckern nun einen Blumenablageplatz,<br />
an dem der<br />
Schmuck nach einer Beisetzung<br />
oder bei anderer Gelegenheit<br />
abgelegt werden kann. So haben<br />
Besucher, die gerne etwas am<br />
Friedhof zum Gedenken ablegen<br />
möchten, die Möglichkeit, dies<br />
Der Bestattungswald <strong>–</strong> ein natürliches Refugium.<br />
dieser Art der Kunst. Beeindruckend<br />
schnitzt sie mit der Motorsäge<br />
filigrane Skulpturen aus Holz<br />
und lässt somit aus schweren<br />
Wolken über den hohen Bäumen<br />
der Lichtung?<br />
Ihre Einweihung hat wie so vieles<br />
Lernen Sie bei kostenlosen Führungen<br />
den Bestattungswald kennen.<br />
Die Termine finden Sie auf<br />
www.bestattungswald-boetersheim.de<br />
Tel. 04186 - 89 28 89 I 21255 Bötersheim<br />
in dieser durch die Corona-Pandemie<br />
gezeichneten Zeit in aller<br />
Stille stattgefunden, und auch die<br />
Figuren selbst scheinen einen<br />
gewissen Abstand voneinander zu<br />
halten.<br />
Vor vier Jahren, im August 2016,<br />
wurde der Bestattungswald<br />
Bötersheim ins <strong>Leben</strong> gerufen. Als<br />
Friedhof im Wald bietet er einen<br />
besonders schönen Ort der Trauer<br />
und des Gedenkens. Der Bestattungswald<br />
ist ein kommunaler<br />
Friedhof in der Trägerschaft der<br />
Samtgemeinde Tostedt. Beigesetzt<br />
wird am Fuße eines Baumes,<br />
mitten in der Natur. Grabpflege<br />
gibt es nicht, da der Wald naturbelassen<br />
bleiben soll. Die Pflege<br />
übernimmt die Natur.<br />
Bei kostenlosen Einzelführungen<br />
können Sie nach Terminabsprache<br />
den Bestattungswald kennenlernen.<br />
Selbstverständlich sind die<br />
geltenden Abstands- und Hygienemaßnahmen<br />
einzuhalten.<br />
Weitere Informationen zum<br />
Bestattungswald Bötersheim<br />
erhalten Sie auf<br />
www.bestattungswald-boetersheim.de<br />
oder telefonisch unter:<br />
04186-892889.<br />
Informationen zu den Kunstwerken<br />
und Kursen von Sylvia Itzen<br />
erhalten Sie unter:<br />
www.chainsaw-woodworks.de<br />
12<br />
Frühjahr 2021
Infos, Tipps & Trends <strong>–</strong> für Sie entdeckt zwischen Elbestrand und Heidesand<br />
Munster <strong>–</strong> die Mitte der Lüneburger Heide<br />
Der Naturpark Lüneburger Heide<br />
wurde als einer der ersten Naturparke<br />
in Deutschland gegründet.<br />
Er zählt heute zu den größten und<br />
bekanntesten seiner Art. Seine<br />
Fläche ist mit 107.000 Hektar<br />
etwa 1,25-mal so groß wie Hamburg<br />
und umfasst die größten<br />
zusammenhängenden Heideflächen<br />
Die St. Urbani-Kirche.<br />
Foto: Markus Tiemann<br />
Mitteleuropas. Diese liegen in<br />
einem Naturschutzgebiet, dem<br />
Kernbereich des Naturparks rund<br />
um den Wilseder Berg. Aber auch<br />
Moore, Wälder, Heideflächen,<br />
Flüsse und vitale Dörfer mit<br />
schönen Hofanlagen und reetgedeckten<br />
Häusern sind schützensund<br />
erlebenswerte Bestandteile<br />
der Region. Aktivurlauber und<br />
Naturinteressierte kommen hier<br />
ganz auf ihre Kosten.<br />
Mitten im Herzen der Lüneburger<br />
Heide liegt das idyllische Heidestädtchen<br />
Munster. Von hier aus<br />
können Sie praktisch all Ihre<br />
Touren in die Lüneburger Heide<br />
mitsamt ihren Sehenswürdigkeiten<br />
starten. Natürlich stehen hier<br />
Aktivurlaub wie Wandern und<br />
Radfahren an erster Stelle, und<br />
gerade hier bietet Munster tolle<br />
Möglichkeiten, den Urlaub aktiv<br />
zu verbringen. Einige gut ausgeschilderte<br />
Wanderwege gilt es zu<br />
entdecken. Der Örtzeweg beispielsweise<br />
erschließt die landschaftliche<br />
Vielfalt und Schönheit<br />
des Örtzetals zwischen der Innenstadt<br />
Munsters im Norden und der<br />
Dethlinger Heide im Süden. Die<br />
Erkundung des Fließgewässerund<br />
Ökosystems der Örtze ist das<br />
Thema des Fischeweges, der entlang<br />
der Örtze vom Mühlenteich<br />
im Zentrum der Stadt nach Norden<br />
bis zu ihrem Quellgebiet an<br />
die Muno-Seen führt. Neben den<br />
Idylle im Örtzetal. <br />
Wanderwegen können Sie die<br />
Landschaft natürlich auch auf<br />
dem Rad entdecken. Hier hat<br />
Der Ollershof.<br />
Foto: Lothar von Alm<br />
• Heimathausanlage<br />
• Wassermühle<br />
• Deutsches Panzermuseum<br />
• Rad- und Wanderwege<br />
• Kunstwerke<br />
• Naherholungsgebiet<br />
Flüggenhofsee<br />
• Denk Parcours<br />
• Boulebahn<br />
• Allwetterbad<br />
Munster auch wunderbar ausgeschilderte<br />
Wege zu bieten.<br />
Kunst und Kulturliebhaber kommen<br />
hier in Munster ebenfalls voll<br />
auf ihre Kosten. Der Ollershof<br />
bildet zusammen mit der St.<br />
Urbani Kirche, der Wassermühle<br />
und den Einrichtungen der Stadtbücherei<br />
das historische und<br />
kulturelle Zentrum von Munster.<br />
Zum Ollershof gehören auch eine<br />
Wagenremise, ein<br />
Backhaus, ein Treppenspeicher<br />
und die<br />
Schweinehäuser. Das<br />
Gebäude war einst<br />
Haupthaus eines Vollhofes<br />
und ist heute das<br />
älteste noch erhaltene<br />
Wohngebäude der<br />
Stadt. Ein Pflichtbesuch<br />
sollte die Wassermühle<br />
sein. Die Mühle<br />
liegt im Örtzetal<br />
mitten in Munster und war<br />
ursprünglich Bestandteil des<br />
Müllerhofes. Erstmalig wurde die<br />
Foto: Markus Tiemann<br />
Veestherrnweg 5 • 29633 Munster • Tel: 05192 8 99 80<br />
www.munster-touristik.de • info@munster-touristik.de<br />
Am Örtzeweg.<br />
<br />
Foto: Munster Touristik<br />
Mühle im Jahr 1556 erwähnt und<br />
besaß auch seitdem das Mahlrecht.<br />
Nach der Renovierung 1987 wird<br />
der wieder betriebsfähige Mahlgang<br />
bei Mahl- und Backtagen<br />
eingesetzt. Der Schrotgang und<br />
der 6-Kant-Sichtkasten können<br />
besichtigt werden. Bis heute<br />
besteht ein wasserrechtlich genehmigtes<br />
Staurecht an der Örtze.<br />
Neben den Aktiv- und Kultururlaubern<br />
kommen aber auch<br />
Entspannungssuchende in unserer<br />
schönen Heidestadt auf ihre<br />
Kosten. Das Naherholungsgebiet<br />
rund um den Flüggenhofsee ist da<br />
genau die richtige Anlaufstelle.<br />
Neben dem separat ausgewiesenen<br />
Hundestrand bietet der See mit<br />
Strand, Liegewiesen und einen<br />
Spielplatz ausreichend Platz und<br />
Gelegenheit, sich im Freien zu<br />
erholen. Dazu laden auch die<br />
Gärten und Parks in unmittelbarer<br />
Nähe zur Innenstadt sowie die<br />
Dethlinger Heide ein.<br />
Ein richtiges Highlight, nicht nur<br />
in Munster sondern in der gesamten<br />
Region, ist das Deutsche<br />
Panzermuseum. Das DPM bearbeitet<br />
die Geschichte der deutschen<br />
Panzer von ihren Ursprüngen<br />
im 19. Jahrhundert bis in die<br />
Gegenwart und zeigt dazu als<br />
wesentliches Ausstellungsgut<br />
Fahrzeuge und Waffen. Diese<br />
Sammlung ist eine der umfangreichsten<br />
weltweit.<br />
Kontakt: Munster Touristik,<br />
Tel.: 05192 89980,<br />
Mail: info@munster-touristik.de,<br />
www.munster-touristik.de<br />
Frühjahr 2021 13
et et aer aer em! em!<br />
von Carsten Weede<br />
Das 8. Internationale Tempo-Treffen<br />
findet im Freilichtmuseum<br />
am Kiekeberg statt.<br />
„Jetzt aber Tempo!“, heißt es am Pfingstsonntag, 23. Mai: Der Tempo-<br />
Club Deutschland veranstaltet sein 8. Internationales Treffen im Ehestorfer<br />
Freilichtmuseum am Kiekeberg (Gemeinde Rosengarten). Besucher<br />
sehen von 10 bis 18 Uhr eine Auswahl historischer Tempo-Fahrzeuge<br />
und erfahren Hintergrundgeschichten von den Besitzern. Kleine<br />
Ausstellungen rund um Tempo geben Einblicke in die Vergangenheit<br />
der Marke. Ein vielfältiges Programm mit Führungen durch die<br />
„Königsberger Straße“ und Mitmach-Aktionen für Kinder runden den<br />
Tag ab. Der Eintritt beträgt 9 Euro, Besucher unter 18 Jahren und<br />
Fördervereinsmitglieder haben freien Eintritt.<br />
Tempo-Besitzer können sich noch bis zum 31. März unter www.tempodienst.de/termin/8-internationales-tempo-treffen/<br />
für das Treffen<br />
anmelden. Für die Teilnehmer findet das 8. Internationale Tempo-Treffen<br />
von Freitag bis Montag, dem 21. bis 24. Mai, statt. Am Pfingstsonntag<br />
ist der Schautag für die Museumsbesucher. Zur Anmeldung<br />
zugelassen sind alle Fahrzeuge, die auf Basis der Vidal & Sohn Tempo<br />
Werk GmbH Hamburg-Harburg unter verschiedenen Marken produziert<br />
und weiterentwickelt wurden. Die Anmeldegebühr beträgt 65<br />
Euro pro Person, Kinder bis 12 Jahre sind frei, Jugendliche zwischen<br />
Das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg kam<br />
auf drei Rädern daher. Fahrzeuge der Marke Tempo transportierten<br />
Waren und Werkzeuge durch die junge Bundesrepublik.<br />
<br />
Foto: Freilichtmuseum am Kiekeberg<br />
Der vierrädrige „Matador“ wurde in verschiedenen Ausführungen seit<br />
1952 gebaut. Foto Jan Reussow<br />
14 Frühjahr 2021
Holger Hink, Werkstattleiter im Freilichtmuseum am Kiekeberg, präsentiert<br />
einen „Tempo-Wiking“, Baujahr 1954. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
Laut Tacho brachte es dieser Tempo auf 100 Stundenkilometer.<br />
<br />
Foto: Herbert Ladstätter<br />
An der historischen Tankstelle aus Stade im Freilichtmuseum am Kiekeberg werden die Tempo-Fahrzeuge noch wie früher von einem Tankwart betankt.<br />
<br />
Foto: Freilichtmuseum am Kiekeberg<br />
Frühjahr 2021 15
Beim Tempo-Treffen zeigt sich die ganze Vielfalt der ehemals so beliebten Kleinlaster. <br />
Foto: Tempo-Dienst<br />
13 und 17 Jahren zahlen 30 Euro. Besucher entdecken bei dem Treffen<br />
am Kiekeberg eine Vielzahl historischer Tempo-Fahrzeuge: Der Bogen<br />
spannt sich vom Vorgänger des Lieferwagens für den innerörtlichen<br />
Ausfahrbetrieb bis zum Transporter, Baujahr 1974 mit interner<br />
Bezeichnung P 14, über fast fünf Jahrzehnte Lieferfahrzeugbau. Die<br />
Besitzer stehen den Besuchern für Fragen bereit. In kleinen Ausstellungen<br />
stellt der „Tempo-Dienst“ außerdem den ersten Konstrukteur bei<br />
Tempo, Otto Daus, das Karosseriewerk PIO (Piotrowski) in Fischbek<br />
und Werbematerialien von Tempo vor.<br />
Bei Führungen durch die „Königsberger Straße“ erfahren Museumsbesucher<br />
mehr über den Alltag in der Nachkriegszeit und die aufkommende<br />
Mobilität. „Sie lernen auch die Geschichte unserer 50er-Jahre-<br />
Tankstelle aus Stade kennen“, sagt Holger Hink, alias „Dr. Trecker“,<br />
der schon mehrere Tempo-Fahrzeuge wieder auf Vordermann gebracht<br />
hat. Viele Oldtimerfans kennen den Chef-Schrauber des Freilichtmuseums<br />
am Kiekeberg auch aus dem NDR-Format „Treckerfahrer dürfen<br />
das!“, wo er an der Seite von Porsche-Trecker-Fahrer Sven Tietzer mit<br />
seinem profunden Fachwissen über Traktoren glänzt. Beim Tempo-Treffen<br />
wird Holger Hink beweisen, dass er sich auch sehr gut mit historischen<br />
Nutzfahrzeugen auskennt <strong>–</strong> egal, ob mit drei oder vier Rädern.<br />
In der Dauerausstellung „Haus des Handwerks. Zwischen Tradition<br />
und neuen Herausforderungen“ am Kiekeberg sehen Besucher einen<br />
Tempo Wiking aus den 1950er Jahren. Er ist eingerichtet als Fahrzeug<br />
Die beliebten Tempo-Kleinlaster wurden in Hamburg-Bostelbek gebaut.<br />
Freunde und Fahrer von Fahrzeugen der Marke Tempo und der in<br />
Hamburg konstruierten Nachfolgemodelle haben sich zum Tempo-Club<br />
Deutschland (www.tempo-dienst.de) zusammengeschlossen. <br />
<br />
Foto: Tempo-Dienst<br />
Der dreirädrige „Tempo-Hanseat“ war mit seinen unterschiedlichen Aufbauten<br />
ein Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg.<br />
Foto: Carsten Weede<br />
16<br />
Frühjahr 2021
Das Armaturenbrett <strong>–</strong> ein faszinierendes Stilleben.<br />
<br />
Foto: Carsten Weede<br />
Frühjahr 2021 17
Find us on Facebook Badge<br />
CMYK / .ai<br />
Torsten Kirchner und seine Mitstreiter von Historia Mobilis pflegen die<br />
In der Werkstatt des Freilichtmuseums am Kiekeberg restauriert<br />
Tempo-Fahrzeuge wie dieses T6-Dreirad.<br />
Foto: Carsten Weede<br />
„Dr. Trecker“, Holger Hink, ein Tempo-Dreirad.<br />
Foto: Carsten Weede<br />
eines Elektrikers und steht für die neue Mobilität der Handwerker in<br />
den 1960er und 1970er Jahren. Die Dauerausstellung in der Tesper<br />
Scheune zeigt Biografien und Umbrüche vom Handwerk im Landkreis<br />
Harburg <strong>–</strong> gestern und heute.<br />
Im Bau- und Forschungsvorhaben „Königsberger Straße <strong>–</strong> Heimat in<br />
der jungen Bundesrepublik“ beschäftigen sich die Museums-Macher<br />
mit der Zeit von 1945 bis in die 1970er Jahre hinein. „Bis Ende 2022<br />
errichten wir eine neue Baugruppe mit fünf Gebäuden <strong>–</strong> vom Flüchtlingssiedlungshaus<br />
bis zum Geschäftshaus mit seinen für die frühen<br />
1960er Jahre typischen Ladeneinrichtungen. Hier zeigen wir konkrete<br />
Familiengeschichten aus der Region und machen die Entwicklung der<br />
jungen Bundesrepublik erlebbar“, erklärt Museumsdirektor Stefan<br />
Zimmermann.<br />
Informationen rund um das Freilichtmuseum am Kiekeberg<br />
finden Sie im Internet unter:<br />
www.kiekeberg-museum.de.<br />
Mehr über „Dr. Trecker“ gibt es unter:<br />
www.facebook.com/Treckerdoktor/<br />
Tempo-Freund Horst Burmann hat noch bei der Firma Vidal & Sohn in<br />
Hamburg-Bostekbek gelernt. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
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Frühjahr 2021
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Das Naturschutzgebiet „Untere Seeveniederung“ ist immer einen Besuch wert<br />
Im Naturschutzgebiet „Untere<br />
me erscheint je nach Witterung ab<br />
ist mit über 160 Hektar der größ-<br />
Seeveniederung“ beginnt bald die<br />
April auf den feuchten Wiesen<br />
te in Deutschland, in vielen ande-<br />
Schachbrettblumenblüte. Eine<br />
zwischen Seeve und Elbe. Der<br />
ren Gegenden ist die Pflanze durch<br />
zarte Schönheit erblüht in den<br />
violette Farbrausch ist dann von<br />
die Veränderung ihres <strong>Leben</strong>sraumes<br />
stark zurückgegangen und<br />
sehr bedroht. Zum Schutz der<br />
Schachbrettblume wird das Gebiet<br />
heute mit strengen Naturschutz-<br />
Wiesenareal. Damit Besucher die<br />
auflagen bewirtschaftet. Die<br />
rund 1,3 Mio. Blüten trotzdem<br />
lilafarben oder weiß blühende<br />
aus nächster Nähe genießen kön-<br />
Blume darf weder beschädigt<br />
nen, stellt der Landkreis Harburg<br />
noch von ihrem Standort entfernt<br />
zur Blütezeit einen mobilen Lauf-<br />
werden.<br />
steg auf, dieser führt bodennah<br />
Unser Ausflugstipp: Das Natur-<br />
über die Wiese, schützt die seltene<br />
schutzgebiet ist sehr gut mit der<br />
Pflanze und bietet gleichzeitig<br />
HVV-Buslinie 149 (Am Junkern-<br />
ausgezeichnete Beobachtungs-<br />
feld und Wuhlenburg Schleuse)<br />
möglichkeiten.<br />
nächsten Wochen auf dem Jun-<br />
kurzer Dauer <strong>–</strong> die Blütezeit<br />
und der metronom-Linie RB 31<br />
Die Pflanze blüht nicht in jedem<br />
kernfeld zwischen dem Seevetaler<br />
dauert immer nur wenige Tage<br />
(Bf. Maschen) zu erreichen. Um<br />
Jahr gleich <strong>–</strong> bitte informieren Sie<br />
Gemeindeteil Hörsten und Stelle<br />
und erreicht in der Regel gegen<br />
das Junkernfeld führt ein ca. 6 km<br />
sich aktuell online zum Stand der<br />
im Naturschutzgebiet „Untere<br />
Ende April ihren Höhepunkt.<br />
langer, gut ausgebauter Rundweg.<br />
Blüte unter:<br />
Seeveniederung“: die Schachbrett-<br />
Der Bestand auf dem Junkernfeld<br />
Von hier hat man zu jeder Jahres-<br />
www.landkreis-harburg.de/<br />
blume. Die launische Zwiebelblu-<br />
in der „Unteren Seeveniederung“<br />
zeit gute Einblicke in das weite<br />
schachbrettblume.<br />
© Blütenfarbkombinat<br />
Gemeinde Seevetal<br />
Stabsstelle für Öffentlichkeitsarbeit und Kultur<br />
Andreas Schmidt<br />
Telefon: 0 41 05 55 <strong>–</strong> 22 66<br />
E-Mail: a.schmidt@seevetal.de<br />
Kirchstraße 11 | 21218 Seevetal<br />
Svenja Riebau<br />
Telefon: 0 41 05 55 <strong>–</strong> 22 88<br />
E-Mail: s.riebau@seevetal.de<br />
www.seevetal.de<br />
Frühjahr 2021 21
anscatse<br />
anscatse<br />
i i ecte ecte <br />
von Carsten Weede<br />
Für Klaus-Peter Hagel sind Arbeitspferde in Forst-<br />
und Landwirtschaft, im Naturschutz sowie im sanften<br />
Tourismus keineswegs nur pure Nostalgie.<br />
Klaus-Peter Hagel ist Biobauer mit Leib und Seele und der einzige<br />
anerkannte Ausbilder für landwirtschaftliche Pferdearbeit in Niedersachsen.<br />
Vor 14 Jahren hat der Landwirtschaftsmeister mit seiner<br />
Frau Anja den mittlerweile 175 Jahre alten Nebershof in Riepe,<br />
einem Ortsteil von Vahlde (Landkreis Rotenburg/Wümme) gekauft.<br />
Einen Teil der Arbeit auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen<br />
erledigt der Biobauer mit seinen Zugpferden „Anni“ und „Beeke“.<br />
Die beiden Vollschwestern der norddeutschen Rasse Schleswiger Kaltblut<br />
sind hervorragend ausgebildete Arbeitspferde, die Klaus-Peter<br />
Hagel zum Pflügen, Grubbern, Grasmähen oder zum „Entkusseln“<br />
der Heide einsetzt. Auf seinen modernen Trecker mit über 100 PS<br />
kann der Landwirtschaftsmeister nicht verzichten, aber wann immer<br />
es möglich und ökonomisch vertretbar ist, lässt Klaus-Peter Hagel<br />
den Ackerschlepper stehen und spannt stattdessen seine Zugpferde an.<br />
„Mit den Pferden bin ich näher an der Natur <strong>–</strong> ich rieche den Boden,<br />
höre die Vögel zwitschern. Auf dem Trecker sitze ich in meiner klimatisierten<br />
Kabine und kriege von meiner Umwelt wenig mit“, sagt der<br />
Landwirtschaftsmeister und erfolgreiche Kaltblut-Züchter.<br />
Warum er mit Pferden seine Felder beackert? „Es macht einfach Spaß.<br />
Wenn ich den Pferden beim Pflügen hinterherlaufe, ist das pure Entspannung“,<br />
sagt Klaus-Peter Hagel.<br />
Mit Pferden ist Klaus-Peter Hagel näher an der Natur.<br />
Für die Niedersächsischen Landesforsten mäht Klaus-Peter<br />
Hagel mit seinen Schleswiger Kaltblutstuten „Anni“ und<br />
Beeke“ ökologisch besonders wertvolle Wiesen.<br />
<br />
Foto: Carsten Weede<br />
„Arbeitspferde haben im Vergleich zu modernen Maschinen viele<br />
Vorteile“, betont der Biobauer und nennt einige Beispiele: „Ein<br />
Trecker benötigt Diesel und Öl. Arbeitspferde verbrauchen keine<br />
fossilen Brennstoffe, die bei Unfällen ins Erdreich gelangen können.“<br />
Reparaturen am Trecker seien oft teuer und irgendwann sei ein neuer<br />
fällig, was sehr viel Geld koste. „Mit der Stute geht man einfach zum<br />
Hengst und wenn alles gut läuft, bekommt sie ein Fohlen, das ganz<br />
viel von der Mutter lernt und dann die nächste Generation auf dem<br />
Acker wird.“ Zudem verdichten Arbeitspferde den Boden nicht wie<br />
schwere Maschinen: „Das ist gerade in sensiblen Bereichen im Naturschutz<br />
ein nicht zu unterschätzender Vorteil.“ So seien die Pferde im<br />
Naturschutzgebiet Lüneburger Heide die ideale Besetzung, um uner-<br />
22 Frühjahr 2021
wünschten Kiefern- und Birkenaufwuchs einschließlich der Wurzeln<br />
zu entfernen und so ein Wiederausschlagen zu verhindern. Mit gut<br />
ausgebildeten Pferden seien dabei respektable Leistungen zu erreichen.<br />
Unschlagbar seien die Arbeitspferde, wenn es um die Vermeidung<br />
von Bodendruck und die Schonung der Heide geht: „Besonders<br />
in Bereichen, in denen viele Touristen unterwegs sind, werden die<br />
Pferde besser akzeptiert als Maschinen, die durch die Heide fahren“,<br />
sagt Klaus-Peter Hagel. Auch im Wald überzeugen die Pferde <strong>–</strong> etwa<br />
bei der Bekämpfung der unerwünschten Traubenkirsche: „Durch ihre<br />
Wendigkeit kann mit den Pferden selbst dort noch Bodenschonend<br />
gearbeitet werden, wo es für große Maschinen zu eng wird.“<br />
Arbeitspferde schonen den Boden.<br />
Außerdem habe es einen besonderen Reiz, wie unsere Vorfahren zu<br />
arbeiten. „Das kann bald keiner mehr“, erklärt der engagierte Ackerpferde-Ausbilder:<br />
„Durch die Nutzung der Arbeitspferde wird ein<br />
einzigartiges Kulturgut vor dem Aussterben bewahrt und das Wissen<br />
für nachfolgende Generationen erhalten.“ Grundsätzlich trete er für<br />
eine „bäuerliche, nachhaltige Landwirtschaft ein, die unser Ökosystem<br />
und die Kulturlandschaft erhält und die besondere Beziehung von<br />
Mensch und Tier pflegt“.<br />
Überhaupt sind Klaus-Peter Hagel und seine Frau Anja große Tierfreunde.<br />
Neben mehreren Hunden lebt eine zehnköpfige Mutterkuhherde<br />
auf dem Biohof. „Unsere besondere Liebe aber gilt unseren elf<br />
Pferden“, sagt Klaus-Peter Hagel. Wenn er von seinen Schleswiger<br />
Kaltblütern spricht, gerät er ins Schwärmen: „Das sind wunderbare<br />
Tiere: umgänglich, lernwillig, wendig und leistungsstark“, sagt der<br />
erfolgreiche Züchter. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts sei das Schleswiger<br />
Kaltblut hauptsächlich als Arbeitspferd in der Land- und Forstwirtschaft<br />
genutzt, aber auch als Zugpferd für Omnibusse, in der<br />
Industrie, für das Militär und als Brauereipferd eingesetzt worden.<br />
Bis 1949 sei der Bestand auf rund 25000 Stuten und 450 eingetrage-<br />
Bild oben: Die Doppelmesser schneiden das Gras wie eine Schere<br />
und mähen auch lange nicht so schnell und auch nicht so tief wie<br />
ein moderner Kreiselmäher. Dadurch gibt es keine Sogwirkung etwa<br />
für Insekten oder Amphibien, die noch weglaufen können.<br />
<br />
Bild unten: Klaus-Peter Hagel ist der einzige Ausbilder für landwirtschaftliche<br />
Pferdearbeit in Niedersachsen. Auf dem Nebershof<br />
in Riepe bietet der Landwirtschaftsmeister regelmäßig Kurse im<br />
Pflügen mit Pferden an.<br />
<br />
Fotos: Carsten Weede<br />
Frühjahr 2021 23
Im Schnittgut ist eine Vielzahl von Pflanzen zu finden. Besonders auffällig<br />
ist die Kuckuckslichtnelke. Sie gehört zu den Stauden, ist also<br />
mehrjährig und in der Blüte vom späten Frühjahr bis in den Sommer<br />
hinein eine wahre Augenweide. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
Die Pferde ziehen den rein mechanisch funktionierenden Mäher durch<br />
das hohe Gras. Durch das schonende Mähen wird die biologische Vielfalt<br />
auf der Wiese deutlich erhöht. Außerdem wird dabei hochwertiges<br />
Futterheu produziert. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
ne Deckhengste angewachsen. „Heutzutage gilt der Bestand laut der<br />
Gesellschaft für bedrohte Haustierrassen als gefährdet. Am Tiefpunkt<br />
im Jahr 1975 gab es nur noch etwa 60 Zuchtstuten und wenige Hengste“,<br />
weiß der Landwirtschaftsmeister aus Riepe. Mittlerweile werden<br />
Schleswiger nicht nur im norddeutschen Kernzuchtgebiet, sondern<br />
verstärkt auch in anderen Bundesländern und in Dänemark gezüchtet.<br />
Nach Angaben des Zuchtverbandes gibt es heute wieder rund 200<br />
eingetragene Zuchtstuten, 30 Hengste und weitere Stuten und Wallache.<br />
„Es ist wichtig, diese ruhigen, charakterstarken, intelligenten,<br />
kraftvollen und vielseitigen Pferde zu erhalten“, sagt Klaus-Peter<br />
Hagel, dessen Familie ursprünglich aus Mecklenburg-Vorpommern<br />
stammt.<br />
Auf seinem Biohof baut der Landwirtschaftsmeister Kartoffeln,<br />
Roggen, Hafer, Buchweizen und Kleegras nach den strengen Demeter-<br />
Richtlinien an. Mittlerweile bewirtschaftet er rund 65 Hektar, die er<br />
größtenteils vom benachbarten Demeter-Betrieb Holderhof gepachtet<br />
hat. Als Partnerbetrieb und Lieferant für Roggen arbeitet er beispielsweise<br />
mit der Hamburger Vollkorn-Bäckerei Effenberger zusammen.<br />
Für die Niedersächsischen Landesforsten mäht der Landwirtschaftsmeister<br />
mit seinen Pferden ökologisch besonders wertvolle Wiesen.<br />
„Der Einsatz unserer Doppelmessertechnik ist schonender als ein<br />
Kreiselmähwerk. Wir mähen lange nicht so schnell und auch nicht so<br />
tief wie ein modernes Schleppermähwerk. Dadurch gibt es keine<br />
Sogwirkung etwa für Insekten oder Amphibien, die noch weglaufen<br />
können. Die Pferde bekommen auch mit, wenn da ein Kitz im Gras<br />
liegt, und scheuen.“ Außerdem komme es durch den Einsatz des Doppelmessers<br />
zu einem besseren Wiederaufwuchs, da die Pflanzen ähnlich<br />
wie bei einer Schere gerade abgeschnitten und nicht wie bei einem<br />
Rotationsmähwerk abgeschlagen werden. Als Partnerbetrieb des<br />
Naturparks Lüneburger Heide setzt er seine Zugpferde auch für Pflegearbeiten<br />
wie das Entkusseln von Heideflächen ein und für die Windmühle<br />
in Bardowick baut er auf seinen Ackerflächen Buchweizen und<br />
In den Pausen und nach getaner Arbeit werden die „Anni“ und „Beeke“<br />
mit Futter und Wasser versorgt. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
„Das Wohl der Pferde hat immer oberste Priorität“, sagt Klaus-Peter<br />
Hagel. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
24<br />
Frühjahr 2021
Roggen an. „Unser Ziel ist es, dass wir weiterhin als Bauern unser<br />
Auskommen haben. Dazu müssen wir mehrgleisig fahren. Wir sind<br />
deshalb ständig bemüht, neue sinnvolle Aufgaben für unsere „dicken<br />
Mitarbeiter“ zu finden. Dabei hat das Wohl der Pferde oberste Priorität“,<br />
betont Klaus-Peter Hagel. Um Werbung in eigener Sache zu<br />
machen, besucht der Landwirtschaftsmeister auch Hof- und Mühlenfeste<br />
sowie Heimatvereine und Museen, wo er das Arbeiten mit echten<br />
PS vorstellt. Außerdem bietet er auf dem Nebershof in Riepe regelmäßig<br />
Kurse im Pflügen mit Pferden an.<br />
Klaus-Peter Hagel bietet auf dem Nebershof<br />
Kurse im Pflügen mit Ackerpferden an.<br />
Insgesamt elf Pferde leben auf dem Biohof. Vier davon <strong>–</strong> „Anni“ (9),<br />
„Beeke“ (8) und ihre Nachzuchten „Nele“ und „Nils“ <strong>–</strong> sind Zugpferde,<br />
die anderen Reitpferde. Während Klaus-Peter Hagel mit den<br />
Zugpferden arbeitet, ist Ehefrau Anja in erster Linie für die Reitpferde<br />
auf dem Biohof zuständig. „Wir sind beide leidenschaftliche Pferdeleute<br />
und ergänzen uns prima“, sagt Anja Hagel. Die ausgebildete<br />
Reitlehrerin und Pferdetrainerin reitet seit ihrem vierten <strong>Leben</strong>sjahr<br />
und bietet auf dem Nebershof Ausbildung von Pferd und Reiter sowie<br />
Urlaub mit dem Pferd an.<br />
Klaus-Peter Hagel ist Ausbilder und Vorstandsmitglied im Landesverband<br />
Niedersachsen der Interessengemeinschaft Zugpferde e.V (IGZ).<br />
Der gemeinnützige Verein setzt sich für Naturschutz, Landschaftspflege,<br />
Forst- und Landwirtschaft mit Zugpferden nach ökologischen<br />
Regeln ein. „Dabei achten wir besonders auf die tierschutzgerechte<br />
Haltung, Ausbildung und Nutzung unserer Tiere“, erläutert Klaus-<br />
Peter Hagel. Die Interessengemeinschaft wolle das Wissen um die<br />
Nutzung der Zugpferde bewahren und erneuern. „Durch unsere<br />
Öffentlichkeitsarbeit wollen wir über die Möglichkeiten und Vorteile<br />
der zeitgemäßen Nutzung von Zugtieren informieren“, sagt der Landwirtschaftsmeister.<br />
Außerdem fördere die IGZ auch die Entwicklung<br />
und Nutzung moderner Arbeitsgeräte für tierischen Zug. Klaus-Peter<br />
Hagel benutzt für seine Schleswiger ein sogenanntes Kummet- oder<br />
Kumt-Geschirr. Das Kummet ist ein gepolsterter Ring, der über den<br />
Hals des Pferdes gestreift wird und dem Tier individuell angepasst<br />
werden muss. Die enorme Kraft der etwa 800 Kilogramm schweren<br />
Schleswiger sitzt im muskelbepackten Hinterteil, der Kruppe. Über<br />
das Kummet kann der volle Schub aus Brust und Schulterbereich<br />
genutzt werden, den der „Heckantrieb“ entwickelt <strong>–</strong> und es ist die<br />
schonendste Form der Anspannung. Von Trense und Halfter verlaufen<br />
die Leinen <strong>–</strong> beim Pflügen einfache Stricke <strong>–</strong> über das Kummet nach<br />
hinten.<br />
Klaus-Peter Hagels Kumt-Geschirr mit den silbernen Knöpfen hat<br />
rund 2.500 Euro gekostet <strong>–</strong> pro Pferd, wohlgemerkt. „Dieses<br />
Geschirr wurde von den Amischen in den USA entwickelt. Für die<br />
Schonung der Pferde bei der Arbeit gibt es nichts Besseres“, betont<br />
Klaus-Peter Hagel. Die Amischen (englisch: amish people) sind eine<br />
täuferisch-protestantische Glaubensgemeinschaft, deren Anhänger<br />
moderne Kleidung, Maschinen und Computer ablehnen. Die Amischen<br />
arbeiten ausschließlich mit Pferden und fahren Kutsche statt<br />
Auto. Nicht nur das Pferdegeschirr haben sie weit entwickelt, sondern<br />
auch manche Geräte, die sie in Land- und Forstwirtschaft hinter dem<br />
Pferd einsetzen.<br />
Doch die richtige Ausrüstung allein bringt es nicht: Eine Menge Zeit<br />
und Arbeit steckt in der Ausbildung der Pferde. „Die Ausbildungsdauer<br />
richtet sich danach, wie intelligent und gelehrig die Tiere sind.<br />
Aber zwei bis drei Jahre dauert es bestimmt, bis ein Zugpferd richtig<br />
ausgebildet ist“, sagt Klaus-Peter Hagel. Damit die Pferde wissen,<br />
was sie machen sollen, brauchen sie klare Kommandos, die sie lernen<br />
müssen. Es braucht Geduld und Zeit bis ein Pferd jedes Fuhrkomman-<br />
Bild oben: Klaus-Peter Hagel hat die Plakette „Aktiv für den Naturpark“<br />
bekommen, weil sein Betrieb nachhaltig, naturschutzgerecht<br />
und regional wirtschaftet. Foto: Naturpark Lüneburger Heide<br />
Bild unten: Eine gerade Furche zu pflügen, ist gar nicht so einfach.<br />
Aber die Routine der gut ausgebildeten Zugpferde hilft den Teilnehmern<br />
beim Training auf dem Acker. Foto: Carsten Weede<br />
Frühjahr 2021 25
do aufnehmen und korrekt umsetzen kann. Bei einem Zweispanner<br />
beispielsweise muss ein Pferd in der nur 30 Zentimeter breiten Furche<br />
gehen und das andere läuft oben auf dem Acker. Ein Rad vom Pflug<br />
läuft in der Furche. Bevor es losgeht, ruft Klaus-Peter Hagel nur<br />
„Furche“ und „Anni“ weiß Bescheid. Sobald „Anni“ und „Beeke“<br />
das Kommando „Komm“ hören, ziehen die starken Ackerpferde los.<br />
Das Fuhrkommando für linksherum lautet „hist“, für rechtsherum<br />
„hott“. Wenn die Pferde eine scharfe Wendung in eine Richtung<br />
machen sollen, werden „hist“ oder „hott“ durch das Kommando<br />
„rum“ ergänzt. Der Anhaltebefehl lautet „brr“. Wenn Klaus-Peter<br />
Hagel mit seinen Schleswiger Kaltblutpferden arbeitet, sieht das alles<br />
spielend leicht aus. Pferd und Mensch bilden eine Einheit. Mit seiner<br />
Stimme und zwei Leinen lenkt der versierte Fuhrmann seine Tiere. Bei<br />
„Anni“ und „Beeke“ sind die Leinen nahezu überflüssig. Sie reagieren<br />
sofort auf die vertraute Stimme. „Die wissen ganz genau, wer hinter<br />
dem Pflug steht“, sagt Klaus-Peter Hagel und lächelt.<br />
Klaus-Peter und Anja Hagel im Internet:<br />
www.nebershof.de<br />
Die Interessengemeinschaft Zugpferde e.V. im Internet:<br />
www.ig-zugpferde.de<br />
Als der Trecker kam und das Pferd verschwand<br />
Buch mit Erinnerungen von Landwirten<br />
an eine Zeit der Umbrüche und Herausforderungen<br />
Zuerst haben Marion Wilk und Ernst Matthiesen<br />
2017 einen Film über den großen<br />
Wandel in der Landwirtschaft gedreht.<br />
Für ihren 55-minütigen Dokumentarfilm<br />
haben sie über 80 Jahre alte Landwirte<br />
vor laufender Kamera interviewt. Auch<br />
alte Privatfotos und historisches Filmmaterial<br />
haben die Filmemacher in ihr Werk<br />
einfließen lassen. „Als der Trecker kam<br />
und das Pferd verschwand <strong>–</strong> Landwirte<br />
erinnern sich“ betitelten sie ihren Film.<br />
Doch das Thema hatte sie so gepackt,<br />
dass sie auch noch ein Buch darüber<br />
geschrieben haben.<br />
„Auf die Idee, aus unserem Filmprojekt<br />
ein erweitertes, umfangreicheres Buch<br />
zu machen, wären wir von allein allerdings<br />
nicht gekommen <strong>–</strong> sie wurde vielmehr<br />
von außen an uns herangetragen:<br />
vor allem mit der Begründung, es sei<br />
auch für den heutigen Diskurs rund um<br />
die Bedeutung der Landwirtschaft notwendig<br />
und wichtig, die Erlebnisse der<br />
Bauern zur Mitte des 20. Jahrhunderts<br />
und damit ihre <strong>Leben</strong>swelt und -leistung<br />
schriftlich festzuhalten und zu bewahren“,<br />
sagt Ernst Matthiesen. Daraus wurde<br />
das überaus lesenswerte Buch, das<br />
denselben Titel trägt wie der Film.<br />
Seit dem sie 2013 von Hamburg aufs Land<br />
gezogen sind, beschäftigen sich Marion<br />
Wilk und Ernst Matthiesen als Journalisten,<br />
Autoren und Filmemacher intensiv<br />
mit grünen Themen und Treckern:<br />
So haben sie unter anderem eine zwölfteilige<br />
Milchbauern-Doku und zahlreiche<br />
andere TV-Beiträge produziert. Nebenher<br />
betreiben sie das Portal „Trecker lust“ auf<br />
Youtube.<br />
Der Trecker hat die Landwirtschaft re -<br />
volutioniert. Waren in der ersten Hälfte<br />
des 20. Jahrhunderts starke Pferde noch<br />
unentbehrlich, setzte sich in den 1950er<br />
Jahren die Vollmotorisierung durch: es<br />
gab so viele verschiedene Traktoren und<br />
Zulassungen wie nie! Was aber hat der<br />
Wechsel für die einzelnen Landwirte<br />
bedeutet? Welche Veränderungen gab<br />
es auf ihrem Hof und welche Herausforderungen<br />
mussten sie meistern, um mit<br />
dieser neuen Technik fertig zu werden?<br />
Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die<br />
darüber berichten können. Doch drei<br />
Landwirte lassen diese Zeit in dem spannenden<br />
Buch noch einmal lebendig werden<br />
und erinnern sich begeistert und mit<br />
viel Kenntnisreichtum und Humor an ihre<br />
Erlebnisse mit den Pferden und den ersten<br />
Schleppern auf ihrem Hof. Herausgekommen<br />
ist ein hochwertiges Buch voller<br />
Erinnerungen, Anekdoten und über 100<br />
großformatigen Bildern von damals. Ein<br />
ideales Geschenk für ältere Generationen<br />
und alle die, die sich für die vergangene<br />
Zeit auf dem Land interessieren.<br />
„Wir sind fest davon überzeugt, dass<br />
es gerade in diesen Zeiten wichtig ist,<br />
Themen aus der kleinbäuerlichen Landwirtschaft<br />
aufzugreifen und damit etwas<br />
anzustoßen. Mit unserem Buch möchten<br />
wir dazu beitragen, den historisch einmaligen<br />
Wechsel in der Landwirtschaft<br />
in Erinnerung zu halten“, erklärt Ernst<br />
Matthiesen. Und Marion Wilk ergänzt:<br />
„Die Erfahrungen und Erlebnisse der<br />
Landwirte haben uns tief beeindruckt.<br />
Man kann gar nicht genug Hochachtung<br />
haben, wenn man sich klar macht, unter<br />
welch schwierigen Verhältnissen die<br />
Menschen damals auf dem Land gelebt<br />
und gearbeitet haben <strong>–</strong> das sollte nie vergessen<br />
werden.“<br />
Das Buch von Marion Wilk und Ernst<br />
Matthiesen mit dem Titel „Als der Trecker<br />
kam und das Pferd verschwand <strong>–</strong><br />
Landwirte erinnern sich“ ist als LV.Buch<br />
im Landwirtschaftsverlag erschienen.<br />
Das Buch mit Hardcover und Lesebändchen<br />
hat 160 Seiten und kostet 20 Euro<br />
(ISBN: 978-3-7843-5608-2).<br />
26<br />
Frühjahr 2021
Bereits ab dem 30. <strong>Leben</strong>sjahr<br />
beginnt die biologische Uhr<br />
rückwärts zu laufen.<br />
Die Muskulatur und Organe werden<br />
schlechter durchblutet, was<br />
mit einem niedrigeren Antransport<br />
von Sauerstoff und Nährstoffen<br />
einhergeht.<br />
Es beginnt das biologische Altern,<br />
zudem produziert der menschliche<br />
Körper weniger anabole<br />
Hormone, was häufig auf Grund<br />
mangelnder Fitness<br />
geschieht. Im<br />
Alter schwindet<br />
oft die Stoffwechseleffizienz,<br />
das<br />
führt zu Übergewicht,<br />
Antriebslosigkeit<br />
und womöglich<br />
zu Diabetes<br />
mellitus.<br />
Schlechte Zuckerwerte<br />
verursachen Gefäßschäden,<br />
welche zum Beispiel einen<br />
Herzinfarkt, Hirnschlag oder<br />
Nierenversagen begünstigen können.<br />
Pro Jahr werden als Folge<br />
des Diabetes 40.000 Beine, Füße<br />
und Zehen amputiert, rund 2.000<br />
Menschen verlieren ihr Augenlicht<br />
<strong>–</strong> die Zahl der Betroffenen<br />
steigt jährlich.<br />
Fitnesspark Maschen GmbH<br />
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Abnahme der Muskelmasse<br />
und beugen so dem Verlust an<br />
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Mittel, um im Alter Muskelkraft<br />
und Muskelmasse zu erhalten. Es<br />
beeinflusst das allgemeine Wohlbefinden<br />
und wird mit besserer<br />
mentaler Gesundheit sowie sozialer<br />
Integration verbunden.<br />
Durch Verlust an Muskelmasse<br />
gleitet der Mensch, ehe er sich<br />
versieht in die Unselbständigkeit.<br />
Widerstandstraining dient als<br />
Medikament, um selbst im hohen<br />
Alter alltägliche Aufgaben meistern<br />
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Frühjahr 2021 27
Infos, Tipps & Trends <strong>–</strong> für Sie entdeckt zwischen Elbestrand und Heidesand<br />
Entdecken Sie die Winsener Elbmarsch<br />
Das blaue Band der Elbe und das<br />
dem Winsener Schloss oder Euro-<br />
der Strecke ein- und aussteigen<br />
weite Grün des Marschlandes<br />
pas größtem Rangierbahnhof.<br />
und die wunderbare Landschaft<br />
verbinden die Gemeinden Seevetal<br />
Der neue Radwege-Guide der<br />
mit ihren Tourismus- und Gastro-<br />
und Stelle, die Stadt Winsen<br />
Winsener Elbmarsch und der<br />
nomieangeboten kennenlernen.<br />
(Luhe) und die Samtgemeinde<br />
Lüneburger Elbtalaue ist da und<br />
Elbmarsch zur Ausflugs- und<br />
umfasst insgesamt 14 ausgeschil-<br />
Urlaubsregion Winsener Elb-<br />
derte Radtouren und zusätzlich<br />
marsch. Nur einen Katzensprung<br />
vier weitere Attraktionen.<br />
von den Hansestädten Hamburg<br />
und Lüneburg entfernt, zeigt sich<br />
hier die Natur in den schönsten<br />
Farben.<br />
Skulptur „Die goldene Gans“.<br />
Elbshuttle. <br />
Foto: Annika Paulini<br />
<br />
Foto: Stadt Winsen<br />
Ein Abstecher in die Kreisstadt<br />
erbaut wurde. Heute sind hier die<br />
Winsen (Luhe) darf bei einem<br />
Stadtbücherei, das Heimatmuseum<br />
Besuch in die Region nicht fehlen.<br />
und die Tourist-Information zu<br />
Die Stadt wurde 1158 erstmals<br />
finden.<br />
urkundlich erwähnt. Heute leben<br />
Den neuen Radwege-Guide, den<br />
hier gut 36.000 Menschen. Wer<br />
Fahrplan für den Elb-Shuttle<br />
Elberadweg. <br />
Foto: photocompany<br />
Winsens Altstadt zum ersten Mal<br />
sowie Infos zu den abwechslungs-<br />
Ein Erlebnisangebot der Winsener<br />
besucht, hält am Schlossplatz<br />
reichen Erlebnispunkten und<br />
Ein gut ausgebautes Radwegenetz<br />
Elbmarsch ist der ELB- SHUTTLE.<br />
inne. Die Bronze-Skulpturen des<br />
einen Fahrradverleih gibt es in der<br />
macht es möglich, entspannt oder<br />
Der kostenfreie Radwanderbus<br />
Märchens „Die goldene Gans“<br />
Tourist-Information oder online<br />
sportlich durch die Winsener<br />
pendelt vom 1. Mai bis 3. Oktober<br />
sind ein beliebtes Fotomotiv.<br />
auf der Internetseite:<br />
Elbmarsch zu radeln.<br />
zu den schönsten Ausflugszielen<br />
Das Wasserschloss ist über 700<br />
www.winsener-elbmarsch.de.<br />
Der beliebte Elberadweg und<br />
zwischen Hamburg und Lüneburg.<br />
Jahre alt und gilt als Wahrzeichen<br />
weitere Flussradwege verlaufen<br />
Von Hamburg-Bergedorf aus<br />
der Stadt. Heute hat das Amtsge-<br />
durch die Region und verknüpfen<br />
fährt der ELB- SHUTTLE an<br />
richt seinen Sitz in den histori-<br />
Sehenswürdigkeiten und Angebote<br />
Wochenenden und Feiertagen<br />
schen Räumen.<br />
der vielfältigen Umgebung. Land-<br />
dreimal täglich über dreißig<br />
Nur wenige Meter entfernt liegt<br />
einwärts führen weitere Touren<br />
Haltestellen südlich der Elbe an.<br />
der Marstall, ein zweigeschossiges<br />
vorbei an Mühlen, mittelalter-<br />
Ausflügler können mit ihren<br />
Fachwerkhaus, das früher als<br />
lichen Feldsteinkirchen, romanti-<br />
Fahrrädern nach Lust und Laune<br />
Pferdestall und Scheune genutzt<br />
Team der Tourist Information.<br />
schen Seen, malerischen Dörfern,<br />
an den Erlebnispunkten entlang<br />
und möglicherweise um 1600<br />
<br />
Foto: Stadt Winsen<br />
Entdecken Sie Winsen an der Luhe!<br />
www.winsener-elbmarsch.de<br />
Informationen zu allen Freizeitangeboten<br />
gibt es in der Tourist-Information im Marstall.<br />
Tel. 04171 - 657 286 oder 281<br />
28<br />
Frühjahr 2021
Infos, Tipps & Trends <strong>–</strong> für Sie entdeckt zwischen Elbestrand und Heidesand<br />
Richtiges Licht für das Wohlbefinden<br />
Licht ist eine der wichtigsten<br />
Quellen für unsere Gesundheit und<br />
das Wohlbefinden. Je besser das<br />
Licht, desto schöner das <strong>Leben</strong>!<br />
Unser Wohlbefinden wird nicht nur<br />
vom Sonnenlicht, sondern auch<br />
von der Qualität künstlicher<br />
Beleuchtung beeinflusst. Wie Sie<br />
diese möglichst optimal gestalten<br />
können, erfahren Sie im Elektro<br />
König Fachgeschäft im Winsener<br />
Ortsteil Borstel. Denn wenn Sie in<br />
punkto Beleuchtung keine halben<br />
Sachen machen möchten, sind Sie<br />
dort an der richtigen Adresse.<br />
Das kompetente Team unterstützt<br />
Sie bei der individuellen Planung<br />
und hilft Ihnen, für jeden Einsatzbereich<br />
die richtige Leuchte zu<br />
finden <strong>–</strong> sei es zu Hause oder am<br />
Arbeitsplatz. Bei der Beratung<br />
durch das Team von Elektro König<br />
können Sie sicher sein, dass Ihr<br />
Licht-Problem kompetent gelöst<br />
wird. Ob strahlend weiß für den<br />
idealen Start in den Tag oder stimmungsvolle,<br />
warme Lichttöne für<br />
gemütliche Abende: Sie entscheiden,<br />
welches Licht gerade das Beste<br />
für Sie ist.<br />
Wer das Besondere sucht, wird bei<br />
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allen Anlässen wird eine Auswahl an<br />
dekorativen Artikeln, wie z. B. der<br />
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Und wenn Sie das Passende für sich<br />
entdeckt haben, wird die neue<br />
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diese auch im Fachgeschäft repariert<br />
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Rahmen der Kundendiensttätigkeiten<br />
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Prüfung Ihrer Gebäudeinstallationen<br />
nach den aktuell geltenden<br />
Vorschriften. Auch dem Ursprung<br />
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Frühjahr 2021 29
ebeni ebeni erält<br />
erält<br />
eschicte(n)<br />
eschicte(n)<br />
von Carsten Weede<br />
Gabriele Dummschat schreibt spannende Bücher<br />
für Erwachsene und unter ihrem Pseudonym<br />
Julie Bender auch für Kinder und Jugendliche.<br />
Gabriele Dummschat mag Schiffe, das Meer, die Elbe <strong>–</strong> und Fischbrötchen.<br />
Der Hamburger Hafen faszinierte sie schon als kleines Mädchen,<br />
ihr Vater Willi war in jungen Jahren zur See gefahren. „Leider habe ich<br />
meinen Vater früh verloren. Von ihm habe ich die Liebe zur See und zur<br />
maritimen Literatur geerbt“, sagt die 53-jährige Schriftstellerin aus<br />
Maschen. Über die Piraterie der Hansezeit hat Gabriele Dummschat<br />
sowohl ein Sachbuch für Erwachsene (Klaus Störtebeker und die Hanse:<br />
Seefahrt und Piratenleben) als auch einen Abenteuerroman für<br />
Kinder (Der Schatz des Arabers: Zeitreise zu Störtebeker) geschrieben.<br />
„Ich liebe es, Geschichte lebendig werden zu lassen. Die Zeit des Mittelalters<br />
hat mich schon immer fasziniert und der Gedanke von Piraten als<br />
draufgängerische Outlaws natürlich sowieso“, beschreibt sie ihre Motivation.<br />
Früher habe sie draußen in der Natur Abenteuerspiele gespielt. Heute,<br />
als Autorin, mache es ihr Spaß, mit historischen Sachverhalten zu<br />
spielen und sie für ihre Mitmenschen spannend aufzubereiten. Das sei<br />
übrigens mit einem Sachbuch genauso möglich wie mit einem Roman.<br />
„Es macht mir Freude, das, was an Wissen bereits vorhanden ist,<br />
Die Autorin unterwegs<br />
30 Frühjahr 2021
Auf den Kinderbuch-<br />
Lesungen sind die jungen<br />
Zuhörer voll dabei.<br />
attraktiv und für jedermann verständlich<br />
rüberzubringen. Bei Kindern funktioniert<br />
das am besten, wenn man sie mit einer<br />
Geschichte zu packen bekommt. Es ist ja<br />
heutzutage kein Geheimnis mehr, dass alles,<br />
was mit starken Emotionen verbunden ist,<br />
im Gehirn besser verankert wird“, sagt die<br />
freischaffende Autorin.<br />
Bereits als Kind besaß Gabriele Dummschat<br />
viel Fantasie und einen großen Hang zum<br />
Abenteuer. Gern erinnert sie sich an die Zeit,<br />
die sie auf dem Bauernhof der Großeltern<br />
in Maschen verbrachte: „Jeden Freitag nach<br />
der Schule fuhr ich zu meinen Großeltern<br />
mütterlicherseits. Auf dem alten Bauernhof<br />
im Maschener Ortskern traf sich an diesem<br />
Tag stets die ganze Familie.“ Ein Freund<br />
habe ihr einmal gesagt, dass es sich für ihn<br />
dort anfühle „wie bei den Waltons“. Die<br />
kleine Gabi genoss es sehr, abends auf der<br />
langen Küchenbank zwischen den Erwachsenen<br />
zu sitzen und deren Gesprächen zu<br />
lauschen. Zuvor hatte das blonde Mädchen<br />
meistens den ganzen Nachmittag mit seinen<br />
Cousins draußen auf dem Hof und in der<br />
Scheune gespielt.<br />
Die Kindheit auf dem Land bot<br />
Gabriele Dummschat reichlich<br />
Gelegenheiten zum Abenteuer.<br />
„In dieser Scheune war außer zahlreichen<br />
alten landwirtschaftlichen Geräten auch der<br />
Hühnerstall untergebracht, weshalb Hühnermist<br />
für mich bis heute nach Abenteuer<br />
riecht“, meint Gabriele Dummschat<br />
schmunzelnd. Sie erinnere sich noch gut<br />
daran, dass keiner aus der Familie jemals die<br />
Haustür des Niedersachsenhauses von 1818<br />
benutzte: „Wir kamen einfach immer alle<br />
durch die Diele. Dort parkten wir Kinder<br />
auch unsere Fahrräder, sahen unserem Opa<br />
beim Vogelfuttermachen zu oder kletterten<br />
in den alten Bauernschrank, der mittlerweile<br />
im Haupthaus der Wassermühle Karoxbostel<br />
steht.“<br />
In einer Ecke der Diele befand sich die Räucherkammer.<br />
Dies hatte zwar den Vorteil,<br />
dass es dort ziemlich gut roch, allerdings<br />
brachte es auch mit sich, dass Gabriele eines<br />
Tages nach der Schule zwei ausblutende<br />
Schweinehälften überraschten: „Die hingen<br />
nackt und für mich als Kind scheinbar riesengroß<br />
nebeneinander vom Balken herab“,<br />
erinnert sich die Autorin noch heute an diese<br />
„unheimliche Begegnung“.<br />
Bild links: Der Hof in<br />
Maschen ist seit<br />
mehr als 600 Jahren<br />
im Familienbesitz.<br />
Bild Mitte: Gabriele<br />
Dummschat.<br />
Foto: Katrin Lembke<br />
Bild rechts: Urgroßvater<br />
Heinrich Köhlbrandt<br />
war Fähr- und<br />
Gasthausbetreiber in<br />
Drennhausen a. d.<br />
Elbe.<br />
Frühjahr 2021 31
Im „Olen Huus“ in Stelle-Ashausen wurde Gabriele Dummschats<br />
Urgroßmutter geboren. (Foto: Sylvia Simon)<br />
Gründungsunterlagen „Dat ole Huus“ von 1849/1850 (Quelle: Steller<br />
Archiv). Das typisch niederdeutsche Hallenhaus ist heute ein Ort<br />
lebendiger Begegnung.<br />
<strong>Leben</strong>de <strong>–</strong> und deutlich weniger erschreckende <strong>–</strong> Bewohner der Diele<br />
waren Rauchschwalben, die Jahr für Jahr an ebendiesen Balken in ihren<br />
Nestern brüteten. Gabriele Dummschats Cousin, der bekannte Autor,<br />
Biologe und Vogelstimmenimitator Dr. Uwe Westphal, erzählt bei<br />
seinen Veranstaltungen gerne, wie er sich einmal auf der Diele des<br />
Bauernhauses recht lange mit einer Schwalbe „unterhielt“, die es sich<br />
auf seinem Fahrradlenker gemütlich gemacht hatte.<br />
Cousin und Cousine verknüpfen viele schöne Erinnerungen mit dem<br />
Hof ihrer Großeltern in Maschen. Die älteste urkundliche Erwähnung<br />
des Hofes Nr. 17, Hofname „Hans Fülschen“, heute Alte Straße 10,<br />
stammt aus dem Jahr 1429. „Mein bereits damals erwähnter Urahn<br />
und seine Familie haben sich also auf unserem Hof schon Piratengeschichten<br />
erzählt, als die Vitalienbrüder und Likedeeler noch lebten<br />
und auf See aktiv waren“, sagt Gabriele Dummschat. Vermutlich<br />
erinnerten sich ihre Vorfahren auch noch gut an die Hinrichtung Störtebekers<br />
und 35 seiner Männer im Herbst 1400 auf dem Hamburger<br />
Grasbrook (übrigens in unmittelbarer Nähe der heutigen Elbphilharmonie).<br />
Ein Jahr später fand an derselben Stelle Gödeke Michels mit<br />
einer weiteren Gruppe Seeräuber den Tod. Beides waren Ereignisse, die<br />
damals <strong>–</strong> auch ohne den Mythos des mit abgeschlagenem Kopf an<br />
einem Teil seiner Männer vorbeilaufenden Störtebeker <strong>–</strong> bis weit über<br />
Hamburgs Stadtgrenzen hinaus enormes Aufsehen erregten.<br />
Noch heute fasziniert die Legende von den sagenumwobenen Freibeutern,<br />
die einst auf Nord- und Ostsee ihr Unwesen trieben und Handelsschiffe<br />
der wohlhabenden „Pfeffersäcke“ plünderten, viele Menschen.<br />
In Stein gemeißelt steht der Wahlspruch der Piraten auf dem Sockel<br />
So wurde noch um 1950 in der Küche von Gabriele Dummschats<br />
Großeltern gekocht.<br />
Glückliches Schweineleben früher auf dem Land.<br />
32 Frühjahr 2021
Premierenlesung im Europäischen Hansemuseum, Lübeck <strong>–</strong> mit passender<br />
Ausstattung.<br />
Der „Schatz des Arabers“.<br />
des Störtebeker-Denkmals auf dem Hamburger Grasbrook in der<br />
Hafencity: „Gottes Freund, der Welt Feind“. Auf der damals noch<br />
unbewohnten Elbinsel ließen die Bürgermeister der Hansestadt über<br />
Jahrhunderte hinweg Piraten hinrichten. Ihre abgeschlagenen Köpfe<br />
spießten die Henkersknechte zur Abschreckung mit langen Nägeln auf<br />
Holzpfähle. „Ob ein 1878 auf dem Grasbrook gefundener Totenschädel,<br />
der mit einem eisernen Nagel durchstoßen wurde und im Museum<br />
für Hamburgische Geschichte ausgestellt ist, tatsächlich zu den sterblichen<br />
Überresten Störtebekers gehört, konnte auch mit modernsten<br />
wissenschaftlichen Methoden nicht endgültig geklärt werden“, weiß<br />
Gabriele Dummschat. „Aber dass es sich um einen Piratenanführer der<br />
Hansezeit handelt, gilt als bewiesen.“<br />
Die Mutter zweier erwachsener Söhne hat sich intensiv mit dem <strong>Leben</strong><br />
und Sterben der Piraten um Klaus Störtebeker und Gödeke Michels<br />
befasst und sich an zahlreichen Orten auf Spurensuche begeben: „Für<br />
die Recherche am Buch haben mein Mann Rüdiger und ich eine Menge<br />
Zeit in Hansestädten und an der Küste verbracht <strong>–</strong> wobei zwischendurch<br />
natürlich auch mal das eine oder andere Fischbrötchen verdrückt<br />
wurde. Allerdings nur von mir, mein Mann hasst Fisch.“ Während die<br />
Geschmäcker in Sachen Fisch komplett verschieden sind, teilt das<br />
Ehepaar eine andere Leidenschaft: „Wir fotografieren beide unheimlich<br />
gerne. Ein Großteil der Fotos in ‚Klaus Störtebeker und die Hanse‘<br />
stammt von Rüdiger und mir“, berichtet Gabriele Dummschat. Seit die<br />
Seevetalerin im vergangenen Jahr ihren Sportbootführerschein<br />
gemacht hat, erkundet sie Hamburg und Umgebung auch auf dem<br />
Wasser: „Was den Vorteil hat, dass ich auf diese Weise noch leichter an<br />
Fischbrötchen komme!“ (lacht)<br />
Ihre Begeisterung für maritime Literatur und alles, was mit der Schifffahrt<br />
und ihrer Geschichte zu tun hat, war <strong>–</strong> wie bereits erwähnt <strong>–</strong><br />
schon in der Jugend der Autorin entfacht worden. Auch das Erzählen<br />
und Schreiben von Geschichten bereitete ihr schon als Schülerin großes<br />
Vergnügen: „Ich habe wahnsinnig gerne Comics gelesen, die interessanten<br />
Bilder ausgeschnitten und mir neue Geschichten dazu ausgedacht.<br />
Meine Freunde waren die Leser meiner Geschichten.“ Nach dem Abitur<br />
machte sie zunächst eine Ausbildung als Speditionskauffrau. In diesem<br />
Beruf hatte sie jahrelang mit „dicken Pötten“ zu tun, was ihren Nei-<br />
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Frühjahr 2021 33
gungen entgegenkam. Doch auch die Lust am Fabulieren und der<br />
Drang zum Abenteuer blieben und mussten kanalisiert werden. Also<br />
dachte sich Gabriele Dummschat eigene Geschichten für ihre Kinder<br />
aus. „Mir wurde damals bewusst, wie viel Spaß mir das noch immer<br />
macht“, erinnert sie sich. „Von da an reifte der Traum in mir, Schriftstellerin<br />
zu werden.“<br />
Gabriele Dummschat erkundet ihre<br />
Umgebung gerne auf dem Wasser.<br />
Ihrem Ziel, professionell zu schreiben, näherte sich die Autorin, indem<br />
sie an Kursen der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel<br />
sowie an einer Roman-Schreibwerkstatt mit der Bestsellerautorin<br />
Tanja Kinkel teilnahm. Nach ihrem Studium Kreatives Schreiben<br />
mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendbuch an der Hamburger<br />
Akademie gewann sie bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb für Nachwuchsautoren<br />
sogar den ersten Preis. 2015 erfolgte die erste Veröffentlichung:<br />
eine Kurzgeschichte in der Anthologie Unberechenbar <strong>–</strong><br />
Mathematische Kriminalgeschichten (Westkreuzverlag). Ihr Sachbuch<br />
„Klaus Störtebeker und die Hanse <strong>–</strong> Seefahrt und Piratenleben“ über<br />
die heute noch zu findenden Spuren des legendären Piraten sowie die<br />
Schifffahrt der Hansezeit erschien 2016 im Hinstorff Verlag. Danach<br />
folgten unter ihrem Kinder- und Jugendbuch-Pseudonym Julie Bender<br />
die Kinderbuchreihe „Mia Magie“ (ab 8 Jahren, 3 Bände, alle KOS-<br />
MOS 2019), der Abenteuerroman „Der Schatz des Arabers <strong>–</strong> Zeitreise<br />
zu Störtebeker“ (ab 10 Jahren, Verlag Monika Fuchs, 2020) sowie<br />
aktuell eine Geschichte in „Volle Fahrt voraus! <strong>–</strong> Das große Vorlesebuch<br />
der Elbautoren“ (Carlsen, Februar 2021). Seit zwei Jahren ist<br />
Gabriele Dummschat alias Julie Bender Mitglied der Elbautoren, einer<br />
in ihren Worten „höchst inspirierenden Gemeinschaft von professionellen<br />
Kinder- und Jugendbuch-Autorinnen und -Autoren aus Hamburg<br />
und Umgebung“.<br />
Die Künstlerin besitzt inzwischen die Freiheit, sich ihren <strong>Leben</strong>sunterhalt<br />
durch das Schreiben zu verdienen. Gabriele Dummschat hat ihr<br />
großes Ziel erreicht: „Bücherschreiberin ist wirklich mein Traumberuf.<br />
Autorin sein heißt für mich: Freiheit, Freude, Arbeit“, sagt sie. Beim<br />
Kinderbuchschreiben komme es darauf an, die jungen Leser in ihrem<br />
alltäglichen Erleben abzuholen und dies in ein für sie ungewöhnliches<br />
und faszinierendes Szenario umzusetzen. Dass der Autorin das immer<br />
wieder gut gelingt, beweisen ihre jüngsten Erfolge: Ihr Buch „Mia<br />
Magie und die Zirkusbande“ war Spitzentitel im Frühjahrsprogramm<br />
des KOSMOS-Verlags (Frühjahr und Herbst jeweils 50 Neuerscheinungen!)<br />
und die Hörspiel-Adaption (USM, Label Europa) fand sich sogar<br />
auf der Auswahlliste für den Deutschen Kinderhörspielpreis 2020<br />
wieder. Was sie während des Schreibens antreibt? „Ich bin selbst jedes<br />
Mal so gespannt, wie’s weitergeht!“<br />
Die Premierenlesung von „Der Schatz des Arabers <strong>–</strong> Zeitreise zu Störtebeker“,<br />
fand im Europäischen Hansemuseum in Lübeck statt. „Das<br />
war großartig für mich, weil ich mir keinen besseren Ort dafür hätte<br />
wünschen können“, freut sich Gabriele Dummschat. Auf die Idee zu<br />
dem Buch sei sie gekommen, als sie im Deutschen Schifffahrtsmuseum<br />
in Bremerhaven voller Staunen auf das berühmte Wrack der Bremer<br />
Kogge blickte. Sie stellte sich vor, wie es wohl wäre, mit solch einem<br />
klobigen Gefährt übers Meer zu segeln und Piratenabenteuer zu erleben.<br />
Kaum wieder zu Hause, schrieb sie die ersten Kapitel der<br />
Ge schichte. „Mir selbst fällt auf, dass in meinen Kinderbüchern immer<br />
Die Piraten-Bücher von Gabriele Dummschat alias Julie Bender gibt es für junge und junggebliebene sowie für erwachsene Leser.<br />
34<br />
Frühjahr 2021
Veranstaltungen mit Gabriele Dummschat<br />
alias Julie Bender<br />
Fr., 25. Juni 2021, 19 Uhr, Lesung in der Wassermühle Karoxbostel:<br />
„Hanse-Abend“ <strong>–</strong> eine Lesung mit Piratenflair aus dem<br />
Buch ›Klaus Störtebeker und die Hanse <strong>–</strong> Seefahrt und Piratenleben‹.<br />
Autorin Gabriele Dummschat fühlt sich<br />
auch der Natur sehr verbunden.<br />
Sa., 4. September 2021, 19:00 Uhr, Lesung im Dorfhaus<br />
Maschen: ›Klaus Störtebeker und die Hanse‹ <strong>–</strong> ein Abend über<br />
Piraterie, Abenteuer und Pfeffersäcke der Hansezeit, initiiert<br />
von der Kulturstiftung Seevetal.<br />
auch Tiere vorkommen“, sagt die Autorin. Henrik, die Hauptfigur des<br />
Piratenabenteuers, hat eine zahme weiße Maus, die ihn auf seine Reise<br />
in die Hansezeit begleitet. Bei Mia Magie sind es u. a. der Löwe Otello<br />
und die Schlange Aida. Bei ihren Veranstaltungen hat Gabriele Dummschat<br />
dann auch stets ein paar (plüsch-)tierische Begleiter sowie Illustrationen<br />
zur Präsentation mittels Beamer dabei. „Gern baue ich auch<br />
ein interaktives Spiel oder ein Quiz in meine Lesungen ein“, erklärt die<br />
Autorin, die oft und gern vor Schulklassen liest. „Häufig werde ich<br />
gefragt, ob ich das nicht als sehr anstrengend empfände. Diese Frage<br />
zielt in der Regel dahin, dass es während so einer Lesung doch<br />
bestimmt oft unruhig sei. Ich antworte dann, dass es generell ein<br />
anspruchsvolles Stück Arbeit und eine große Herausforderung ist, sich<br />
vor ein Publikum zu stellen“, berichtet Gabriele Dummschat. Tatsächlich<br />
steht sie bei ihren Lesungen lieber als dass sie sitzt: „Dadurch kann<br />
ich eine viel intensivere Verbindung zu den Zuhörern aufbauen“, sagt<br />
In den Lesungen entführt Gabriele Dummschat ihre Veranstaltungsteilnehmer<br />
in die faszinierende Welt der Hanse. Diese Epoche<br />
war nicht nur eine Zeit des blühenden Handels, sondern<br />
durch Sturmfluten, Hungersnöte und Pestschübe auch eine Zeit<br />
der Umbrüche. Wir erfahren nicht nur, wie sich die Hanse zum<br />
Global Player entwickelte, welche Gefahren Seeleute auf dem<br />
Meer erwarteten und wie ihr Alltag an Bord einer Kogge aussah,<br />
sondern auch, welch buntes Treiben bereits im Jahr 1400 im<br />
Hamburger Hafen herrschte. Außerdem schildert die Autorin die<br />
aktuellen Erkenntnisse über die Person des Piraten Störtebeker<br />
sowie den Mythos um den sogenannten Störtebekerschädel.<br />
Die Lesungen werden mit umfangreichem Bildmaterial begleitet.<br />
Bunter Familiennachmittag im Winsener Marstall: Im Auftrag<br />
der Stadtbücherei Winsen lesen Julie Bender, Till Penzek und<br />
Inga Marie Ramcke aus dem aktuell erschienenen Vorlesebuch<br />
der Elbautoren „Volle Fahrt voraus!“<br />
Termin wird noch bekanntgegeben, bitte informieren Sie sich<br />
auf der Website des Winsener Marstalls:<br />
www.marstall-winsen-luhe.de<br />
Junghexe „Mia Magie“ besitzt einen magischen Gefühlsanzeiger<br />
und erlebt aufregende Abenteuer.<br />
Frühjahr 2021 35
Inspirationen sammeln für „Mia Magie und die verrückten Hühner“.<br />
Buchrecherche und Fotografie erfordern oft vollen Einsatz.<br />
sie. Es stimme zwar, dass Erwachsene bei Veranstaltungen leiser und<br />
ruhiger sind <strong>–</strong> das heiße aber nicht unbedingt, dass sie auch konzentrierter<br />
zuhören. „Kinder verhalten sich lebendiger und sind manchmal<br />
auch unruhig. Tatsächlich sind sie durch diese unmittelbaren Reaktionen<br />
das schwierigere, aber gleichzeitig auch ehrlichere Publikum“,<br />
erzählt die Autorin. Umso mehr Freude mache es ihr, wenn sie die<br />
Kinder mit ihren Geschichten nicht nur zum Lachen bringe, sondern<br />
man bei jeder Lesung gleich an mehreren Textstellen die sprichwörtliche<br />
Stecknadel fallen hören könnte. „Und die leuchtenden Augen der<br />
Kinder, wenn sie hinterher zu mir nach vorne kommen und mich<br />
anstrahlen, sind sowieso unbezahlbar und jede vorhergehende Anstrengung<br />
wert“, lächelt die sympathische Schriftstellerin aus Seevetal.<br />
Gabriele Dummschat alias Julie Bender im Internet:<br />
www.gabriele-dummschat.de<br />
und<br />
www.julie-bender.com<br />
Breite Strasse 11a / City Center<br />
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www.keeseoptik.de<br />
36<br />
Frühjahr 2021
Infos, Tipps & Trends <strong>–</strong> für Sie entdeckt zwischen Elbestrand und Heidesand<br />
Winzer-Pioniere aus Niedersachsen produzieren Wein von hoher Qualität<br />
Der erste Weißwein der Sorte<br />
logischen und veganen Richtlinien<br />
aromatisch, spritzig, frisch im<br />
Flaschen, vollständig im Land-<br />
Solaris (Jahrgang 2020) vom<br />
hergestellt, die Bio-Zertifizierung<br />
Geschmack und von attestierter,<br />
kreis Lüneburg stattgefunden hat.<br />
Weinhof Wiecheln wurde am 30.<br />
befindet sich im Zulassungspro-<br />
hoher Qualität. Er ist der erste<br />
Damit trägt er dem Anspruch von<br />
Januar 2021 auf Flaschen gefüllt.<br />
zess. Begutachtet wurde der Sola-<br />
niedersächsische Wein, dessen<br />
Regionalität und Umweltverträg-<br />
Ehepaar Gudrun und Hans-Jürgen Meyer vom Weingut Wiecheln im neu<br />
angelegten Weinberg auf dem Hof in Wiecheln.<br />
Mattis (von links), Vater Hans-Jürgen und Hannes sind Weinbau-Pioniere<br />
in Niedersachsen. <br />
Foto: Meyer<br />
Nach dem Etikettieren startete<br />
ris 2020 vom amtlich zugelassenen<br />
Herstellungsprozess vom Wachsen<br />
lichkeit in maximaler Konsequenz<br />
der Verkauf ab Mitte Februar<br />
Weinlabor Krauß aus Saulheim<br />
der Traube, über das Keltern und<br />
Rechnung.<br />
2021. Der Wein wurde nach bio-<br />
(Rheinland/Pfalz). Er sei trocken,<br />
Ausbauen bis zur Abfüllung auf<br />
www.weinhof-wiecheln.com<br />
SPD Fraktion Harburg<br />
Harburg. Zukunft. Mitgestalten.<br />
Frank Richter<br />
Vorsitzender<br />
Holger Böhm<br />
Stv. Vorsitzender<br />
Natalia Sahling<br />
Stv. Vorsitzende<br />
Peter<br />
Bartels<br />
Michael<br />
Dose<br />
Klaus<br />
Fehling<br />
Torsten<br />
Fuß<br />
Benizar<br />
Gündoğdu<br />
Jürgen<br />
Heimath<br />
Claudia<br />
Oldenburg<br />
Beate<br />
Pohlmann<br />
Sören<br />
Schinkel-Schlutt<br />
Frank<br />
Wiesner<br />
Marion<br />
Wolkenhauer<br />
Gemeinsam mit allen, die in Harburg leben und arbeiten, wollen wir unseren Bezirk gestalten.<br />
Von der barrierefreien Anbindung des Binnenhafens an die Innenstadt, über die Planung von Verkehr<br />
und Velo-Routen, Kita, Schulen und sozialen Einrichtungen bis zu Stadtplanung und Wohnungsbau<br />
sind wir für Sie da. Sprechen Sie uns gerne an.<br />
Ihre Abgeordneten der SPD in der Bezirksversammlung Harburg.<br />
Harburger Rathausplatz 1 - 21073 Harburg - info@spd-fraktion-harburg.de - 040/76751620<br />
Frühjahr 2021 37
Chantal de Paris <strong>–</strong> eine aktuelle<br />
Arbeit der Bildhauerin aus<br />
Hoopte an der Elbe.<br />
wie wie cönei<br />
cönei<br />
von Carsten Weede<br />
Frauenakte, Tangotanzpaare, Engel, Kinder und<br />
Tiere sind Motive für die meisterhaften Arbeiten<br />
von Iris Rousseau, in denen Eleganz und Ästhetik<br />
verschmelzen.<br />
Sie kommt mit einem großen Na men daher: Rousseau <strong>–</strong> eben wie Jean-<br />
Jacques Rousseau (* 28. Juni 1712 in Genf; † 2. Juli 1778 in Ermenonville<br />
bei Paris), der große Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge, Naturforscher<br />
und Komponist der Aufklärung. Ihrem klangvollen Namen<br />
macht Iris Rousseau alle Ehre: Sie zählt zweifellos zu den renommiertesten<br />
Künstlerinnen der Region: Werke der Bildhauerin aus Hoopte<br />
werden weltweit von Kunstliebhabern gesammelt. Ihre Arbeiten wurden<br />
bereits auf unzähligen Ausstellungen im In- und Ausland sowie auf<br />
internationalen Künstler- und Handwerks-Messen gezeigt. Werke der<br />
79-jährigen Bildhauerin sind in zahlreichen Galerien und im öffentli-<br />
Die Bildhauerin Iris Rousseau.<br />
chen Raum zu finden: Iris Rousseaus Skulpturen, Porträts, Kleinplastiken,<br />
Reliefs und vor allem ihre unverwechselbaren Frauenakte aus<br />
Bronze werden nicht nur auf freien Plätzen, in Hotels, auf Friedhöfen,<br />
in Krankenhäusern und Kirchen präsentiert, sondern sie schmücken<br />
auch viele Privatsammlungen.<br />
Iris Rousseau liebt Körper, die sie in Perfektion abbildet. Alle ihre<br />
Figuren entstehen nach lebenden Vorbildern. „Ich arbeite nur mit<br />
Modellen“, betont die Bildhauerin. So ergibt sich die Natürlichkeit am<br />
besten. Ob statisch oder in Bewegung <strong>–</strong> stets gelingt es der Künstlerin<br />
auf verblüffende Weise, den richtigen Moment für eine typische Situation<br />
einzufangen. Ihre bevorzugten Materialien sind dabei Ton und<br />
Bronze. Iris Rousseau hat es zu wahrer Meisterschaft gebracht, wenn es<br />
darum geht, aus dem eigentlich leblosen Werkstoff etwas zu erschaffen,<br />
38 Frühjahr 2021
was tatsächlich lebendig wirkt. Die realistische<br />
Darstellung der Gesichter, die jedes<br />
markante Detail erfasst, macht diese Kunstwerke<br />
zu lebensechten Charakterstudien.<br />
Diese Qualität spricht sich herum: Diverse<br />
Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft,<br />
Medizin und Wissenschaft hat die Künstlerin<br />
bereits als Auftragsarbeiten modelliert.<br />
„Meinen Arbeiten <strong>Leben</strong> einzuhauchen,<br />
bedeutet für mich vollkommenes Glück. Für<br />
mich ist es wichtig, dass in einem modellierten<br />
Gesicht die Aussage des Menschen, das<br />
Karma, die Seele und das Gemüt zu sehen<br />
und zu fühlen ist“. Iris Rousseau gelingt es,<br />
die wahre Schönheit des Menschen sichtbar<br />
zu machen. „Ästhetik ist für mich ganz<br />
wichtig“, sagt sie. Charme, Charakter, Stolz<br />
oder auch Freundlichkeit <strong>–</strong> das soll sich am<br />
Ende in ihren Arbeiten widerspiegeln.<br />
Damit dies gelingt, arbeitet sie oft monatelang<br />
an einer Skulptur. Einige ihrer lebensgroßen<br />
Kunstwerke forderten sie anderthalb<br />
Jahre, bis die Bildhauerin, die sich selbst als<br />
„wahnsinnige Perfektionistin“ beschreibt,<br />
endlich mit dem Ergebnis zufrieden war.<br />
„Für mich ist Kunst individuelles Umsetzen<br />
alles sinnlich Wahrnehmbaren und in der<br />
Phantasie Vorstellbaren“, sagt Iris Rousseau.<br />
Ihr Credo: „Kunst muss intuitiv<br />
ansprechen.“ Ihr reicher Erfahrungsschatz<br />
kombiniert mit ihrer schier unerschöpflichen<br />
und inspirierenden Schaffenskraft<br />
machen die Künstlerin zu einem unverwechselbaren<br />
Charakter. Zu Recht gilt Iris Rousseau<br />
daher heute als „Grande Dame der<br />
Bronze-Skulpturenkünstler“.<br />
In ihrem Atelier in Hoopte an der Elbe<br />
finden sich die beeindruckenden Bronzeskulpturen<br />
von Iris Rousseau. Stilvoll und<br />
gut ausgeleuchtet werden auf insgesamt<br />
drei Etagen all die Kleinplastiken, Porträtbüsten,<br />
Reliefs sowie viele ihrer bekannten,<br />
lebensgroßen Werke präsentiert. An den<br />
Wänden hängen zahlreiche Ölgemälde,<br />
Kreidezeichnungen sowie Litho- und Fotografien<br />
von befreundeten internationalen<br />
Künstlern. Es gibt in Haus und Garten<br />
jedoch jede Menge andere „tierische Bewohner“:<br />
Dackel, Katzen, Enten, Eulen, Singvögel<br />
und vieles mehr. Diese wurden zwar<br />
von Künstlerhand nach der Natur geformt<br />
und sie wirken durchaus lebensecht und<br />
lebendig, bestehen in Wirklichkeit jedoch<br />
aus Keramik oder Bronze. Nach Vereinbarung<br />
und coronakonform führen Iris Rousseau<br />
und Eduard van Leeuwen persönlich<br />
Besucher durch Galerie, Atelier, Werkstatt<br />
und Garten. Wichtig: Besucher sollten<br />
unbedingt Zeit mitbringen, denn die Fülle<br />
der Eindrücke ist überwältigend. In ihrer<br />
Werkstatt gibt es eine komplette Schmiede<br />
mit Esse und Amboss, Schweißgeräten und<br />
Winkelschleifern für die Arbeit an den<br />
Skulpturen.<br />
Aktuell hat Iris Rousseau ein 424 Seiten<br />
starkes Buch mit mehr als 300 Fotos veröffentlicht,<br />
welches den Werdegang einer<br />
Bronzeskulptur detailliert beschreibt und<br />
zudem das vollständige Verzeichnis Ihrer<br />
Werke enthält. Das Buch ist in vielen<br />
Galerien und direkt bei der Künstlerin<br />
erhältlich.<br />
www.rousseau.de<br />
Das Geheimnis<br />
der Bildhauerei<br />
Der Kunstband von Iris Rousseau<br />
mit Hardcover und Lesebändchen<br />
hat 424 Seiten mit mehr als<br />
300 Farbabbildungen und<br />
kostet 69,95 Euro.<br />
ISBN: 978-3-9821859-2-7<br />
Ob Engelskulpture oder lebensgroßer<br />
Frauenakt, die Kunstwerke von Iris<br />
Rousseau werden weltweit geschätzt.<br />
Frühjahr 2021 39
ausensass<br />
ausensass<br />
öwena<br />
öwena<br />
von Emily Weede<br />
Häufig als Unkraut verschmäht, ist<br />
Löwenzahn ein echtes Wunderkraut.<br />
Und köstlich obendrein.<br />
Zeichnung: Ralph Bühr<br />
In meiner Kindheit sagten wir nur Butterblume oder<br />
Kuhblume zum Löwenzahn. Im Frühling waren die<br />
Weiden übersät mit den leuchtenden gelben Blüten.<br />
Wir haben uns aus den Blüten Kränze fürs Haar<br />
gebunden und im Sommer war es immer wieder ein<br />
Wettstreit, wer die Samen mit nur einmal Luft zu<br />
holen, vom Stängel pusten konnte. Wir wussten zwar,<br />
dass man Löwenzahn essen konnte, aber er war uns<br />
Kindern zu bitter. Das änderte sich erst viel später, als<br />
ich das erste Mal gebleichten Löwenzahn und Kultur-<br />
Löwenzahn gegessen habe. Welch ein wunderbares<br />
köstliches Frühlingskraut.<br />
Im Bereich Löwenzahn-Genuss war ich einfach hoffnungslos<br />
hinterzu, schließlich wird Löwenzahn schon<br />
in Kräuterbüchern seit dem 15. Jahrhundert beschrieben.<br />
So wurde in Italien und Frankreich schon im 17.<br />
Jahrhundert gern Löwenzahnsalat und Gemüse gegessen.<br />
In deutschsprachigen Regionen wurde die Pflanze<br />
eher als Heilmittel für Blasen-, Nieren- und Leberleiden<br />
verwendet. So wurde er im Volksmund aufgrund<br />
seiner harntreibenden Wirkung auch „Bettpisser“<br />
genannt. Heute werden in Westeuropa hauptsächlich<br />
drei Kultursorten angebaut. Zum einen der „Krausblättrige<br />
Löwenzahn“, er ist kopfartig gewachsen und<br />
seine Herzblätter neigen sich stark nach innen. Zum<br />
Weiteren der „Großblättrige Löwenzahn“, er hat bis<br />
zu 60 Zentimeter lange Blätter. Die dritte Kultursorte<br />
nennt sich „Frühester verbesserter Löwenzahn“, diese<br />
Sorte wächst sehr schnell und wird auch recht groß.<br />
Um Löwenzahn zu bleichen, damit er nicht so bitter<br />
schmeckt, werden die Pflanzen zusammen gebunden<br />
oder angehäufelt.<br />
Die Blüten des Löwenzahns sind nicht nur bei Insekten<br />
außerordentlich beliebt, sondern man kann aus<br />
ihnen auch wunderbar schmeckenden Sirup, Gelee<br />
oder Wein machen. Sogar die Blütenknospen lassen<br />
sich wie Kapern einlegen. Aber nicht nur Blätter und<br />
40 Frühjahr 2021
Blüten des Löwenzahn lassen sich zu Leckereien<br />
verarbeiten, auch die Wurzeln lassen<br />
sich rösten und vermahlen.<br />
Auch als Gemüse sind die Löwenzahnwurzeln<br />
eine Delikatesse. Sie enthalten viel<br />
Inulin, ein wasserlöslicher Ballaststoff, der<br />
wichtig ist für eine ausgewogenen Ernährung.<br />
Löwenzahn ist besonders im zeitigen<br />
Frühjahr ein Hochgenuss, ganz egal, ob er<br />
als Gemüse, Salat oder Getränk genossen<br />
wird.<br />
Butterblumenwein<br />
500 g Löwenzahnblüten<br />
250 g Zucker<br />
1 Paket Trockenhefe<br />
2 l Wasser<br />
Die Löwenzahnblüten werden mit<br />
2 l kochendem Wasser übergossen.<br />
Anschließend werden 250 g Zucker<br />
untergemischt. Das Gemisch an einem<br />
dunklen Ort über Nacht stehen lassen.<br />
Am nächsten Tag die Blüten abgießen<br />
und 1 Paket Trockenhefe zugeben.<br />
Den Wein an einem dunklen, kühlen<br />
Ort 3 Wochen gären lassen, danach in<br />
Flaschen füllen.<br />
Löwenzahnblüten-Sirup<br />
und Löwenzahn-Honig<br />
250 g Löwenzahnblüten<br />
1 l Wasser<br />
1 kg Zucker<br />
Saft von 1 Zitrone<br />
Zusätzlich für den Honig<br />
1 Vanillestange<br />
1 kg Honig<br />
Die Blüten von den grünen Kelchblättern<br />
befreien und in 1 l Wasser aufkochen.<br />
Danach in dem Wasser 24 Stunden<br />
ziehen lassen. Anschließend die<br />
Blüten abseien und den Sud mit dem<br />
Zitronensaft und Zucker noch einmal<br />
aufkochen. Den Schaum abschöpfen.<br />
Diesen Sirup dann heiß in Flaschen<br />
füllen und verschließen.<br />
Für Löwenzahn-Honig können Sie<br />
den Sud mit 1 Kg Honig und 1 Vanillestange<br />
3 Stunden auf kleiner Flamme<br />
einkochen lassen und in Gläser füllen.<br />
Dieser Löwenzahn-Honig ist ein delikater<br />
Brotaufstrich.<br />
Natur-Reis mit Löwenzahn<br />
und Walnüssen<br />
400 g frische Löwenzahnblätter<br />
200 g Walnüsse gehackt<br />
200 g Naturreis<br />
2 Zwiebeln<br />
3 EL Ahornsirup<br />
3 EL Olivenöl<br />
1/2 TL Kurkuma<br />
1 Becher Sahne<br />
Salz<br />
Pfeffer<br />
Den Reis in reichlich gesalzenem<br />
Wasser ca. 30 Minuten kochen. In der<br />
Zwischenzeit die geschnittenen Zwiebeln<br />
zusammen mit den gehackten<br />
Walnüssen in Öl anbraten, Kurkuma<br />
hinzugeben und mit Ahornsirup karamellisieren.<br />
Den Löwenzahn kleinschneiden,<br />
in eine Pfanne geben,<br />
mit etwas Wasser ablöschen und ein<br />
paar Minuten ziehen lassen. 1 Becher<br />
Sahne dazu geben und mit Salz und<br />
Pfeffer abschmecken. Zusammen mit<br />
dem Reis und der Zwiebel-Walnuss-<br />
Masse auf einem Teller anrichten und<br />
mit einem scharfen Chutney servieren.<br />
Löwenzahnpesto<br />
100 Gramm Löwenzahn (jung)<br />
120 Gramm Sonnenblumenkerne<br />
75 ml Rapsöl<br />
1 Koblauchzehe<br />
Chilipulver<br />
Salz<br />
Pfeffer<br />
Alles mit dem Pürierstab zerkleinern<br />
und in Gläser füllen. Schmeckt zu<br />
frischem Baguette.<br />
Bild oben: Selbstgemachter Löwenzahnhonig<br />
ist ein<br />
echter Gaumenschmaus.<br />
Bild unten: Nicht nur aus dem Grün<br />
der Löwenzahnpflanze lassen sich<br />
köstliche Leckereinen zubereiten,<br />
auch die Blätter und Wurzeln sind<br />
Basis für schmackhafte Rezeptideen.<br />
Frühjahr 2021 41
Feines kulinarisches <strong>–</strong> immer einen Ausflug wert<br />
Landluft und Spargellust auf dem Cassenshof<br />
Auf dem Cassenshof Inzmühlen<br />
beginnt die Spargelsaison: Die<br />
ersten zarten Köpfe recken sich<br />
unter der wärmenden Folie der<br />
Frühlingssonne entgegen. Von den<br />
kundigen Händen langjähriger<br />
Das Draußenleben zelebrieren <strong>–</strong><br />
mit frischem Spargel vom<br />
Cassenshof.<br />
Erntehelfer des Heidehofes werden<br />
die empfindlichen Stangen sorgsam<br />
freigelegt und gestochen. Im<br />
Hofladen gibt es das zarte Frühjahrsgemüse<br />
aus Bio-Anbau aus<br />
tagesfrischer Ernte in verschiedenen<br />
Stärken <strong>–</strong> auf Wunsch<br />
küchenfertig geschält. Dünne<br />
Spargel eignen sich als Auflage für<br />
Flammkuchen, Pizza oder für<br />
Salate, stärkere Stangen lassen<br />
sich gut als Ganzes zubereiten<br />
oder in Rauten schneiden für ein<br />
buntes Frühlingsgemüse.<br />
Der Hofladen bietet viele Genüsse<br />
aus eigener Erzeugung: Von den<br />
Bio- und Freiland-Hennen des<br />
Cassenshofes gibt es zur Zeit auch<br />
wieder die kleinen Junghennen-<br />
Eier in der 20er-Henkeltasche. Aus<br />
der Hofküche kommen knusperfrisches<br />
Brot, kreative Brotaufstriche,<br />
goldgelbe Eiernudeln und<br />
köstlich Eingemachtes vom Gemüse<br />
bis zu Eiern in Senfsauce. Schinken,<br />
Mett und Wildpastete aus<br />
eigener Jagd ergänzen sich mit<br />
Käsespezialitäten von Höfen aus<br />
der Region. Frisches Gemüse,<br />
Obst, Salat und Kräuter machen<br />
zusammen mit farbenfrohen Frühblühern<br />
und schönen Dekoartikeln<br />
Lust, den Frühling zu gestalten<br />
und zu genießen.<br />
Die beliebten Kuchen und Torten<br />
gibt es zum Mitnehmen: Neben<br />
Klassikern wie der Eierlikörtorte<br />
oder dem Frischkäsekuchen mit<br />
Früchten der Saison ist eine wechselnde<br />
Auswahl von Schmandkuchen<br />
über Marzipantorte bis zu<br />
sahnigen Windbeuteln oder fluffigen<br />
Muffins im Angebot.<br />
Der Hofladen des Cassenshofes ist<br />
ab 28. März wieder an allen Tagen<br />
der Woche geöffnet, jeweils von 8<br />
bis 18 Uhr.<br />
Köstlicher Spargel aus Bio-<br />
Anbau <strong>–</strong> der erste heimische<br />
Gemüsegenuss im Jahr.<br />
Das angrenzende Naturschutzgebiet<br />
lädt dazu ein, ein paar schöne<br />
Stunden in der erwachenden<br />
Heidelandschaft zu verbringen.<br />
Vorbei an der Hühnerweide des<br />
Cassenshofes mit anschaulichen<br />
Infotafeln über die Hühnerhaltung<br />
verläuft die Einmündung<br />
zum Heidschnuckenweg, einem<br />
der schönsten Wanderwege Norddeutschlands.<br />
Und mit leckerem<br />
Kuchen im Gepäck wird eine<br />
Picknickspause zum Frühlingsfest.<br />
Hofladen geöffnet 8<strong>–</strong>18 Uhr<br />
Winterzeit: Mi<strong>–</strong>So • Sommerzeit: Mo<strong>–</strong>So<br />
Ihre Familie Voß<br />
Knackiger Genuss aus Bio-Anbau<br />
Spargelfreuden<br />
Hofgebackene Kuchen<br />
& Torten zum Mitnehmen<br />
• täglich frisch vom Feld<br />
• verschiedene Stärken und Qualitäten<br />
• auf Wunsch küchenfertig geschält<br />
Hanf,<br />
die Kulturpflanze Nr. 1.<br />
Lernen Sie die Vielfalt unserer Bio-<br />
Hanfprodukte kennen. Wir decken<br />
nicht nur den <strong>Leben</strong>s mittelbereich<br />
ab, sondern bieten Ihnen Hanfkuscheltiere,<br />
Hanfbett wäsche und<br />
vieles mehr an.<br />
Besuchen Sie uns gerne in<br />
unserem »kleinen Hanflädchen«<br />
Öffnungszeiten: Mo u. Di und Do u. Fr von 9.31 Uhr bis 18.02 Uhr,<br />
Mittwoch geschlossen, Samstag von 9.31 Uhr bis 14.02 Uhr,<br />
in der Hauptstraße 68 in 21266 Jesteburg<br />
0 41 83/ 7 95 99 68<br />
info@hanf-schnitt-nord.eu<br />
Subey<br />
www.edeka-subey.de<br />
2 x in Buchholz für Sie da:<br />
Mo. <strong>–</strong> Sa. 7:00 <strong>–</strong> 20:00 Uhr<br />
Cassenshof • Im Seevegrund 2 • 21256 Inzmühlen • www.cassenshof.de<br />
Hamburger Straße 83, Buchholz · Telefon 04181/8793<br />
Soltauer Straße 85, Buchholz · Telefon 04181/997614<br />
42<br />
Frühjahr 2021
Feines kulinarisches <strong>–</strong> immer einen Ausflug wert<br />
Auszeit im Grünen<br />
Abtauchen ins Grüne <strong>–</strong> ist auf dem<br />
Herzapfelhof im Alten Land ein<br />
Leichtes. Der Bio-Obsthof in Jork<br />
mit fast 40 Hektar Anbaufläche ist<br />
ein Paradies für Apfelliebhaber.<br />
Über 250 verschiedene Apfelsorten<br />
wachsen im Herz-Apfel-Garten.<br />
Darunter sind Sorten, die jungen<br />
Leute vielleicht nur noch aus<br />
Er zäh lungen der Großeltern kennen.<br />
Im Herz-Apfel-Garten können<br />
Besucher auf Entdeckungsreise in<br />
die alten „Apfelzeiten“ gehen und<br />
die Apfelbäume von der Blüte bis<br />
zur Ernte beobachten. Ende April<br />
bis Anfang Mai legt sich ein besonderer<br />
Zauber übers Alte Land:<br />
Dann ist Blütezeit. Die un zähligen<br />
Obstbäume blühen weiß bis rosa<br />
<strong>–</strong> wunderschön für einen Spaziergang.<br />
Wer Lust hat, im Blütenmeer<br />
zu verweilen, kann auf dem Herzapfelhof<br />
ein Picknick buchen.<br />
Familie Lühs stellt verschiedene<br />
Hofladen-Produkte für eine Brötchen-Mahlzeit<br />
in einem Bollerwagen<br />
zusammen, mit dem die Gäste<br />
sich dann ein Plätzchen im Herz-<br />
Apfel-Garten aussuchen.<br />
Auch öffentliche Führungen über<br />
den Herzapfelhof werden angeboten<br />
und bei einem Rundgang über<br />
den Hof gibt es Einblicke in die<br />
Apfelsortierung Wer lieber selbst<br />
anpacken möchte, kann ab ca.<br />
Mitte Juni bis Mitte Oktober<br />
frisches Bio-Obst selbst pflücken.<br />
www.herzapfelhof.de<br />
Hof Oelkers startet frisch in den Frühling<br />
Zum Start in das Frühjahr hat den. Dazu gibt es aktuelle Informationen<br />
u. a. auf der Internet-<br />
sich das Hof Oelkers-Team vieles<br />
für die Kunden einfallen lassen! seite<br />
Denn das Team möchte den mit www.hof-oelkers.de.<br />
Abstand besten<br />
Gästen weiterhin<br />
ein Lächeln<br />
auf das Gesicht<br />
zaubern. So<br />
erhalten Sie am<br />
Wochenende<br />
warme Gerichte<br />
zum Mitnehmen,<br />
Frühstücksboxen<br />
sowie Torten<br />
und Kuchen. Hof Oelkers ist auf den Frühling eingestellt.<br />
Schauen Sie<br />
vorbei und nehmen Sie ein Stück Dort kann auch der Newsletter<br />
Oelkers’ Gefühl mit nach Hause! mit Neuigkeiten zu<br />
Sobald wie möglich, werden auch Gastronomie und Veranstaltungen<br />
wieder Veranstaltungen stattfin-<br />
abonniert werden.<br />
Picknick-Auszeit<br />
mitten im Grünen<br />
an der frischen Luft<br />
Naturnah entdecken<br />
Auf dem Herzapfelhof können Sie miterleben, wie im Einklang mit<br />
der Natur Bio-Obst angebaut und geerntet wird. Alte Tradition und<br />
höchste Bio-Richtlinien treffen hier zusammen.<br />
Genießen Sie eine Auszeit im Grünen. Wir stellen Ihnen ein Picknick<br />
im Bollerwagen zusammen und Sie suchen sich ein hübsches<br />
Plätzchen in unserem Herz-Apfel-Garten - täglich an der<br />
frischen Luft oder bei „schlechtem<br />
Wetter“ im Hofcafé auf Vorbestellung.<br />
Herzapfelhof Lühs · Tel.: 04162 254820-0<br />
Osterjork 102 · 21635 Jork / Altes Land<br />
Mehr Infos unter www.herzapfelhof.de<br />
Folgen Sie uns auf<br />
Wir starten frisch in<br />
den Frühling<br />
Großes Angebot an<br />
Frühlingsblühern, bepflanzten<br />
Schalen, Blumensträußen,<br />
Blumenerde, Frühlingskränzen<br />
und zauberhafter Deko für Haus<br />
und Garten!<br />
Spargel täglich frisch vom Feld !<br />
Ab ca. Mitte April finden Sie im Hofladen<br />
und an den Spargelständen alles für ein<br />
rundum gelungenes Spargelmenü.<br />
Am Wochenende Frühstücksboxen, warme Gerichte,<br />
Torten und Kuchen zum Mitnehmen.<br />
Klauenburg 6 ∙ 21279 Wenzendorf<br />
Hofladen täglich 9-18 Uhr geöffnet<br />
Tel. Hofladen: 04165/22200-12<br />
www.hof-oelkers.de<br />
Frühjahr 2021 43
Feines kulinarisches <strong>–</strong> immer einen Ausflug wert<br />
Die Gläserne Backstube in Seevetal <strong>–</strong> vom Korn zum Brot<br />
Bahde steht seit fast 40 Jahren für<br />
Holstein. So können die Kunden<br />
arbeitet die Bäckerei Bahde aus-<br />
hochwertige Qualität und feine<br />
die Backwaren aus der Gläsernen<br />
schließlich mit Ökostrom und<br />
Backhandwerkskunst in Bio- und<br />
Backstube der Bäckerei Bahde in<br />
verwendet eine umweltschonende,<br />
Demeter-Qualität. Die Bioback-<br />
Zukunft an noch mehr Standorten<br />
moderne Ofen- und Kältetechnik.<br />
im Norden einkaufen.<br />
Und mit der Wärmerückgewin-<br />
Und direkt vor Ort in der Gläser-<br />
nung nutzt der Betrieb die Ener-<br />
nen Backstube in Seevetal können<br />
gieressourcen zusätzlich optimal<br />
Bäckereibranche, wurde Bahde in<br />
die Gäste den Bio-Bäckern bei der<br />
aus.<br />
den Jahren 2013, 2017 und 2020<br />
Arbeit praktisch über die Schulter<br />
Natürlich sind Besucher herzlich<br />
von den Leserinnen und Lesern<br />
schauen. Das schafft Transparenz<br />
eingeladen, sich ein eigenes Bild<br />
des Magazins DER FEINSCHME-<br />
ganz im Sinne der strengen Deme-<br />
von der handwerklichen Herstel-<br />
CKER als eine der besten Bäcke-<br />
ter-Richtlinien, nach denen Bahde<br />
lung der hochwertigen Backwaren<br />
reien Deutschlands ausgewählt.<br />
backt.<br />
zu machen. Gleich hinter der<br />
Und im Jahr 2019 wurde das<br />
Das Gebot einer natürlichen<br />
Backstube bewirtschaftet Bahde<br />
Unternehmen nach den Richtli-<br />
Produktion drückt sich auch in<br />
nämlich einen kleinen Getreide-<br />
nien der Gemeinwohlökonomie<br />
verschiedenen technischen Details<br />
lehrpfad. Dort lernt man viel über<br />
bilanziert und zertifiziert,<br />
waren von Bahde erhalten Sie in<br />
aus. Die Backstube in Seevetal<br />
die Demeter-Landwirtschaft und<br />
wodurch der sehr hohe Grad an<br />
ausgesuchten Fachgeschäften,<br />
bietet ihren Mitarbeitern deutlich<br />
wie in der Gläsernen Backstube<br />
nachhaltigem Wirtschaften, öko-<br />
Bioläden und Naturkostmärkten.<br />
mehr Tageslicht, um so den Ein-<br />
aus Roggen, Weizen oder Dinkel<br />
logischem Handeln und Mitbe-<br />
Stück für Stück erweitert Bahde<br />
satz von elektrischen Beleuch-<br />
ein gutes Bahde-Brot wird.<br />
stimmung der Mitarbeiterinnen<br />
sein Vertriebsnetz in Hamburg,<br />
tungskörpern auf ein Minimum<br />
Neben der Auszeichnung mit dem<br />
und Mitarbeiter bestätigt wurde.<br />
Niedersachsen und Schleswig-<br />
zu reduzieren. Darüber hinaus<br />
„Markkieker“, der „Oscar“ der<br />
www.bahde.de<br />
44<br />
Frühjahr 2021
Feines kulinarisches <strong>–</strong> immer einen Ausflug wert<br />
Sommer in der deutschen Natur<br />
Das seit 1873 familiär geführte<br />
Landhotel bietet nur 30 km südlich<br />
von Hamburg in der Lüneburger<br />
Heide 44 liebevoll eingerichtete<br />
Zimmer und 6 Suiten.<br />
Vor den Toren der Stadt erlebt der<br />
Gast eine perfekte Symbiose aus<br />
Tradition und Moderne. Die<br />
Rad- und Wanderwege starten<br />
unmittelbar vor der Haustür. Die<br />
Heideflächen zeigen die Weite der<br />
beeindruckenden Landschaft. Die<br />
großzügige Bade- und Saunalandschaft<br />
mit Bio-Sauna, Finnischer<br />
Außensauna und Dampfbad sowie<br />
ein Fitness- und Beauty-Bereich<br />
laden zum Entspannen ein.<br />
Für den kulinarischen Genuss<br />
sorgt die regionale Frischeküche<br />
auf hohem Niveau, zu geniessen<br />
im gemütlichen Restaurant oder<br />
auf der großen Gartenterrasse.<br />
Für Familienfeiern, Konferenzen<br />
und Klausurtagungen stehen neu<br />
gestaltete Banketträume und eine<br />
Tagungsetage mit modernster<br />
Technik zur Verfügung.<br />
www.hotel-sellhorn.de<br />
Liebe Gäste,<br />
wir hoffen, dass wir alle möglichst<br />
schnell wieder in eine „Normalität“<br />
zurückkehren können und wir Sie<br />
möglichst bald wieder in unserem<br />
Restaurant begrüßen dürfen.<br />
Bis dahin bieten wir Ihnen weiterhin<br />
unseren Außer-Haus-Verkauf mit einer<br />
leckeren Speisenauswahl, sowie unserem<br />
beliebten Mittagstisch an.<br />
Bitte bestellen Sie Ihre Speisen vor, per<br />
Telefon unter 040 / 7000666 oder per<br />
Mail an info@kartoffelhaus-papas.de<br />
<br />
Wir freuen uns, Sie bei uns<br />
zu begrüßen.<br />
Ihr Team vom Kartoffelhaus papas<br />
ALLTAGSPAUSEN<br />
KULINARIK<br />
Restaurant: Täglich geöffnet!<br />
Abwechslungsreiche und regionale Küche <strong>–</strong><br />
Mo. - Do. von 17:30 bis 21 Uhr, Fr. - So. und an<br />
Feiertagen von 12 bis 21 Uhr <strong>–</strong> im Sommer gern<br />
auch auf der lauschigen Gartenterrasse.<br />
Nachmittags Kaffee sowie hausgebackene<br />
Kuchen und Torten.<br />
Wir freuen<br />
uns auf das<br />
Wiedersehen!<br />
»Unser Mittagstisch«<br />
Jeden Di bis Sa von 11.30 <strong>–</strong> 15.00 Uhr<br />
wählen Sie aus unserer wöchentlich<br />
wechselnden Mittagstischkarte.<br />
Täglich bieten wir<br />
6 verschiedene Gerichte.<br />
Pro Gericht nur 8,50 EUR,<br />
mit Vorsuppe oder Salat 10,<strong>–</strong> EUR,<br />
WELLNESS Lassen Sie sich verwöhnen <strong>–</strong> von Kopf bis Fuß<br />
Heusack-Behandlungen | z. B. Rücken Intensiv: 1x Infrarot-<br />
Wärmekabine, 1 Rückenmassage und 1 entspannende Heupackung |<br />
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Montag bis Sonntag buchbar 9 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr<br />
Hotel Sellhorn Gastronomie GmbH · Winsener Straße 23 · 21271 Hanstedt<br />
Telefon 0 41 84 - 80 10 · info@hotel-sellhorn.de · www.hotel-sellhorn.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
Dienstag <strong>–</strong> Freitag 11.30 Uhr <strong>–</strong> 15.00 Uhr,<br />
Samstag <strong>–</strong> Sonntag 11.30 Uhr <strong>–</strong> 18.00 Uhr.<br />
Montag Ruhetag<br />
www.kartoffelhaus-papas.de<br />
Tel.: 040/70 00 66 6<br />
Bahnhofstr. 39 · 21629 Neu Wulmstorf<br />
Frühjahr 2021 45
So schmeckt die Elbmarsch<br />
Geniessen an der Elbe<br />
Die Entwicklung der Winsener Elbmarsch<br />
ist untrennbar mit dem<br />
Anwachsen Hamburgs zur Großstadt<br />
sowie der Nähe zu Harburg und Lüneburg<br />
als wichtige Regio nalstädte verbunden.<br />
Die Versorgung der Stadtbewohner mit<br />
Frischgemüse, Obst, Milch, Fleisch und<br />
Fisch war nur durch die Landwirte der<br />
Elbmarsch zu gewährleisten.<br />
Die Vielzahl und Vielfalt der Nahrungsmittel,<br />
die aus der Elbmarsch kommen,<br />
gab den Anstoß, Rezepte aus der Elbmarsch<br />
zusammenzutragen und in<br />
klassischen und modernen Interpretationen<br />
zu ver öffentlichen.<br />
Lassen Sie sich von traditioneller<br />
Kochkultur inspirieren, kochen Sie<br />
mit und genießen Sie vielseitige und<br />
abwechslungsreiche Gerichte aus der<br />
Elbmarsch.<br />
Format 170 x 240 mm,<br />
Mattfolierter Einband,<br />
196 Seiten Inhalt,<br />
durchgehend 4-farbig,<br />
historisch bebilderte Einleitung,<br />
192 Rezepte.<br />
14,90 €<br />
zzgl. 2,90 € Versandkosten<br />
Bestellungen werden gerne unter der Rufnummer 0 41 74 / 66 99 717<br />
entgegengenommen oder per E-Mail an info@schoenes-leben.de.<br />
Dieses Werk wurde realisiert mit Unterstützung der Europäischen Union, der LEADER-Region<br />
Achtern-Elbe-Diek, der Gemeinde Seevetal, der Gemeinde Stelle, der Stadt Winsen (Luhe),<br />
der Samtgemeinde Elbmarsch und der Samtgemeinde Bardowick.<br />
46<br />
Frühjahr 2021
Undeloher Hof · Wilseder Straße 22 · 21274 Undeloh · Tel.: 0 41 89 / 4 57<br />
RESTAURANT · BRUNNEN CAFÈ · ÜBERNACHTUNGEN · KUTSCHFAHRTEN<br />
<br />
Herzlich willkommen im Undeloher Hof<br />
Gepflegte Gastlichkeit unterm Reetdach<br />
Heidespezialitäten & Wildgerichte<br />
Ständig wechselnde Veranstaltungen<br />
Großzügige Gartenterrasse<br />
Komfortable, gemütliche Gästezimmer<br />
Parkplätze am Haus, Busparkplatz<br />
Einstellmöglichkeiten für Fahrräder<br />
Lichtdurchfluteter Wintergarten für Hochzeiten, Familienfeiern & Betriebsfeste<br />
Ruhige, helle Seminarräume mit Beamer, Flipchart & Versorgungsservice<br />
Erholsam angelegter Wellnessbereich mit Finnischer Sauna, Biosauna, Farblichtdusche u.v.m.<br />
Kutschenbetrieb, hauseigene Hochzeitskutsche m. engl. Anspannung<br />
Kutschenlinienbetrieb von Undeloh nach Wilsede<br />
Barrierefreie und behindertengerechte Kutsch wagen mit Rampe und elektrischer Hebebühne<br />
Auf Hermann Löns‘ Spuren<br />
Ihre Kutschfahrt* startet direkt am Undeloher Hof. Gerne können Sie mit uns auch einen<br />
individuellen Treffpunkt vereinbaren. Unsere Kutschen fahren Sie täglich.<br />
Rundfahrt durch Wilsede, Dauer ca. 1,5 Stunden ohne Pause<br />
Radenbachtour, Dauer ca. 1,5 Stunden ohne Pause<br />
Fahrt nach Wilsede, Dauer ca. 2-2,5 Stunden<br />
Linienverkehr nach Wilsede: In den Sommermonaten fährt eine Kutsche ab Un de loher Hof<br />
zu festen Abfahrtszeiten auf der Linie Undeloh <strong>–</strong> Wilsede hin und zurück. So können Sie auch<br />
einen längeren Aufenthalt in Wilsede genießen oder nur eine einfache Fahrt buchen und<br />
unsere herrliche Landschaft zu Fuß erkunden.<br />
(* Coronabedingte Einschränkungen der Restaurant-, Hotel- und Kutschfahrtangebote möglich,<br />
aktuelle Angebote und Abfahrtszeiten erfragen Sie bitte telefonisch unter Telefon 04189-457)<br />
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Undeloher Hof · Wilseder Straße 22 · 21274 Undeloh<br />
Tel.: 04189 / 4 57 · Fax: 4 68 · info@undeloher-hof.de<br />
Aktuelle Angebote und Veranstaltungen auf www.undeloher-hof.de<br />
Frühjahr 2021 47
i i lic lic ür<br />
i i<br />
leine leine une<br />
e<br />
von Carsten Weede<br />
Hilfe für Wildbienen und Co: Monika Köster-Zahlten<br />
gibt Tipps zum Thema Insektenschutz.<br />
Einfach zugucken und nichts tun? Das wollten Monika Köster-Zahlten,<br />
Anke Busse und Sabine Lührsen auf gar keinen Fall! Aufgerüttelt<br />
durch Medienberichte und einen Vortrag von Sabine Wolansky über das<br />
Insektensterben und seine dramatischen Folgen, gründeten die drei<br />
Frauen aus Sprötze vor drei Jahren die Initiative „Unsere Dörfer für<br />
Bienen und Insekten“. Erklärtes Ziel: Die Öffentlichkeit ohne erhobenen<br />
Zeigefinger für das Thema Bienen- und Insektensterben zu sensibilisieren,<br />
selbst aktiv werden und mit gutem Beispiel vorangehen.<br />
„Initialzündung war für mich ein aufrüttelnder Vortrag von Sabine<br />
Wolansky“, erinnert sich Monika Köster-Zahlten. Sabine Wolansky ist<br />
eine Pionierin in Sachen Insektenschutz. Die Diplom-Ingenieurin für<br />
Garten- und Landschaftsgestaltung aus Holm-Seppensen wird nicht<br />
müde, in ihren Vorträgen die „überlebenswichtige Bedeutung“ der<br />
Bienen und Wildbienen für die Artenvielfalt in der Natur und für uns<br />
Menschen zu betonen. Bei zahlreichen Veranstaltungen in der Region<br />
hat sie immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig Insekten für das<br />
ökologische Gleichgewicht und auch für die Landwirtschaft sind.<br />
„Insekten bestäuben etwa drei Viertel unser wichtigsten Kulturpflanzen.<br />
Ohne die tierischen Bestäuber drohen enorme Ernterückgänge“,<br />
weiß auch Monika Köster-Zahlten.<br />
Die weltweite Bestäubungsleistung von Insekten habe wirtschaftlich<br />
gesehen einen Wert von mehreren Hundert Milliarden Euro. Laut<br />
Ohne Insekten als Bestäuber<br />
drohen enorme Ernterückgänge.<br />
Eine Steinhummel labt sich an einer offenen Dahlie.<br />
<br />
Fotos: Monika Köster-Zahlten<br />
Insektenatlas 2020, den die Heinrich Böll-Stiftung und der BUND<br />
herausgegeben haben, steht etwa die Hälfte aller Insektenarten auf der<br />
Liste der gefährdeten Arten. Doch nicht nur die Zahl der Arten, sondern<br />
auch die der Individuen befindet sich demnach in einem dramatischen<br />
Sinkflug: „Die Biomasse der Fluginsekten ist hierzulande seit<br />
1989 um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Wenn man früher mit dem<br />
Auto über Land fuhr, musste man seine Windschutzscheibe spätestens<br />
nach 100 Kilometern von daran klebenden Insekten befreien. Heute ist<br />
das kaum noch der Fall“, berichtet Monika Köster-Zahlten aus eigener<br />
Erfahrung. Die Gründe für das Insektensterben seien vielfältig: „Die<br />
wesentlichen Ursachen liegen in der Nutzungsintensivierung der Land-<br />
48 Frühjahr 2021
wirtschaft, dem schnell voranschreitenden Flächenschwund, der Zerschneidung<br />
unserer <strong>Leben</strong>sräume und vor allem auch im massiven<br />
Einsatz von Insektiziden und Herbiziden“, sagt die Naturschützerin.<br />
Insektizide töten Insekten direkt. Der Einsatz von Herbiziden führt<br />
zum Verlust von Wildblumen und sogenannten Unkräutern, was vielen<br />
Insekten die Nahrungsgrundlage entzieht. Auch gebeiztes Saatgut kann<br />
schädliche Folgen für die Honigbienen haben. „Bienen werden dadurch<br />
so verwirrt, dass sie nicht mehr in ihren Stock finden. Völker, die nicht<br />
mehr intakt sind, werden zudem leichter von der Varoamilbe angegriffen“,<br />
sagt Monika Köster-Zahlten.<br />
Das Insektensterben habe nicht nur dramatische Folgen für die Insekten<br />
und die Pflanzenwelt, sondern auch für uns Menschen: „Als Teil der<br />
Natur kann der Mensch nur existieren, wenn er seine natürlichen<br />
<strong>Leben</strong>sgrundlagen schützt und bewahrt. Der dramatische Verlust an<br />
biologischer Vielfalt ist eine der zentralen globalen Herausforderungen<br />
für uns alle“, betont die 57-jährige Naturschützerin. „Keine Bienen<br />
und Wildbienen bedeutet, keine Bestäubung von Obst und Gemüse,<br />
sodass in nicht allzu ferner Zukunft Ernteeinbußen auf uns zukommen<br />
werden“, schildert Monika Köster-Zahlten eine gravierende Folge des<br />
Insektensterbens.<br />
Der Einsatz von Herbiziden zerstört Wildblumen<br />
und Unkräuter, Nahrungsgrundlage vieler Insekten.<br />
Insekten leisten jedoch nicht nur wertvolle Dienste als Pflanzenbestäuber<br />
und Schädlingsvertilger, sondern dienen auch vielen Vögeln als<br />
wichtige Nahrungsquelle unter anderem bei der Aufzucht ihrer Jungen.<br />
Auch unsere heimischen Fledermäuse sind reine Insektenfresser. Frösche<br />
gehören ebenfalls zu den Insektivoren, das heißt, dass sie sich<br />
überwiegend von Insekten, Würmern und Spinnentieren ihrer Umgebung<br />
ernähren. Auch Igel, Maulwürfe oder Spitzmäuse zählen zu den<br />
Insektenfressern. Bei zahlreichen Fischarten stehen Insekten ebenfalls<br />
auf dem Speiseplan. „Wir müssen etwas tun, damit die Natur nicht vor<br />
unseren Augen kollabiert“, betont Monika Köster-Zahlten. Die ausgebildete<br />
Medizinisch-technische Assistentin arbeitet heute in der Ganztagsbetreuung<br />
in den Grundschulen Hittfeld und Ramelsloh. „Gerade<br />
interessierten Kindern möchte ich etwas über die Bedeutung von<br />
Honig- und Wildbienen und ihre Rolle bei der Bestäubung von blühenden<br />
Pflanzen vermitteln“, sagt die verheiratete Mutter von drei Kindern,<br />
die seit 20 Jahren in Sprötze lebt. „Aufgewachsen bin ich in<br />
Stuttgart. Für die Natur habe ich mich schon sehr früh begeistert. Wir<br />
hatten einen eigenen Weinberg-Garten, haben Urlaub auf dem Bauernhof<br />
gemacht und sind viel und gern gewandert“, sagt Monika Köster-<br />
Zahlten. Ehemann Holger unterstütze ihr Engagement für den Insektenschutz:<br />
„Er ist ein sehr geschickter Handwerker. Er hat mir bei der<br />
Umgestaltung unseres Gartens in einen insektenfreundlichen, naturnahen<br />
Garten geholfen und er baut Nisthilfen für Wildbienen und<br />
Stellwände für Info-Tafeln.“ So habe er beispielsweise die große Nisthilfe<br />
bei Edeka und einige andere „sogenannte Insektenhotels“ in<br />
Sprötze gebaut, wo Interessierte die Wildbienen bei ihrem Brutgeschäft<br />
Bild oben links: Zum Nektar-Genuss ab in die Fingerhutblüte.<br />
Bild oben rechts: Gartenkontraste: Zitronengelb und Echinaccearot.<br />
Bild mitte links: Erst 10-Jähriger Efeu blüht und bietet Nahrung an.<br />
Bild mitte rechts: Ackerhummel in einer Salbeiblüte. Die Ackerhummeln<br />
ernähren sich anspruchslos.<br />
Bild unten links: „Frühlingsgefühle“ in der Fenchelblüte.<br />
Oberes Bild unten rechts: Einheimische Wildrosen bieten Nektar und Pollen an.<br />
Unteres Bild unten rechts: Die Büschelblüten des Wandelröschens geben,<br />
auch wenn sie in Kübeln gepflanzt sind, vielen Insekten Nahrung.<br />
Frühjahr 2021 49
Eine friedfertige Hummel sitzt<br />
75 % aller Wildbienen nisten im<br />
Die Wildstaude „Herzgespann“ ist<br />
Die Weidensandbiene.<br />
auf einer Hyazinthe.<br />
Erdboden.<br />
ein Sonnenliebhaber und auch bei<br />
<br />
Foto: Ditmar Grosskopf<br />
Hummeln begehrt.<br />
beobachten können. Den Ausdruck „Insektenhotel“ verwendet Monika<br />
Köster-Zahlten übrigens nicht mehr so gern. Sie sagt lieber „Wildbienennisthilfe“.<br />
Das liege daran, dass viele sogenannte Insektenhotels,<br />
die zum Kauf angeboten werden, nicht wirklich hilfreich seien: „Leider<br />
sind solche Insektenhotels oft fehlerhaft und schaden den Bienen<br />
sogar! Dagegen können selbstgebaute Nisthilfen oft besser funktionieren,<br />
wenn man ein paar Regeln beachtet.“ Sie böten eine spannende<br />
Möglichkeit, die Wildbienen bei ihrem Brutgeschäft zu beobachten.<br />
„Wir geben unser Wissen gern weiter“, sagt Monika Köster-Zahlten.<br />
Die engagierte Naturschützerin aus Sprötze und ihre Mitstreiter von<br />
der Initiative „Unsere Dörfer für Bienen und Insekten“ bieten jedem<br />
Interessierten ihre Hilfe an. Der Schutz der Insekten, insbesondere der<br />
Wildbienen, wurden ihre „neue Leidenschaft“ und ihr Hobby. Monika<br />
Köster-Zahlten, Anke Busse und Sabine Lührsen wollen mit gutem<br />
Beispiel vorangehen und sie hängen sich richtig rein.<br />
Die drei Frauen haben unter anderem Flyer in den Haushalten der vier<br />
Dörfer Sprötze, Trelde, Kakenstorf und Drestedt verteilt, mit denen sie<br />
für ihr Anliegen werben. „Im Mittelpunkt steht für uns die aktive<br />
Arbeit in unseren Dörfern und für unsere Dörfer. Mit Blühflächen und<br />
Nisthilfen für Insekten wollen wir vor Ort den Blütenbestäubern einen<br />
natürlichen <strong>Leben</strong>sraum geben und nebenbei unsere Dörfer auch noch<br />
verschönern“, sagt Monika Köster-Zahlten. Der Wirkungskreis solle<br />
sich hierbei zunächst auf die Dörfer Sprötze, Trelde, Kakenstorf und<br />
Drestedt (die sogenannte „Vierdörfer Dönz“) konzentrieren. „Aber ich<br />
wünsche mir natürlich, dass an möglichst vielen Orten Maßnahmen für<br />
den Insektenschutz ergriffen werden und überall blühende Landschaften<br />
entstehen.“<br />
Aktiver Insektenschutz durch aktive Arbeit<br />
und Information in den Dörfern.<br />
Daher fordert sie alle Naturfreunde auf, mitzuhelfen: „In unseren<br />
Gärten, neben den Feldern und auf kommunalen Flächen sollen blühende<br />
Inseln der Blumen- und somit der Insektenvielfalt entstehen. Mit<br />
Blühflächen und Nisthilfen für Insekten können wir vor Ort den Blütenbestäubern<br />
einen natürlichen <strong>Leben</strong>sraum geben und so die Vielfalt<br />
Die erste Nahrungsquelle für<br />
Der Kaisermantel liebt ein reich-<br />
Solitärbiene am Büschelschön.<br />
Die Gehörnte Mauerbiene<br />
Hummelköniginnen im Frühjahr:<br />
haltiges Blütenangebot.<br />
Büschelschön ist ein guter Bienen-<br />
schlüpft ab Ende Februar.<br />
Krokusse.<br />
freund und Gründünger.<br />
50<br />
Frühjahr 2021
Der Schmetterlingsflieder ist bei Tag- und Nachtschmetterlingen<br />
sehr begehrt.<br />
Besuch in der teppichbildenden „Gelben<br />
Fetthenne“.<br />
Faszination Schmetterlingsrüssel:<br />
Diese sind bis zu 30 mm lang.<br />
an Pflanzen und Tieren erhalten.“ Seit der<br />
Gründung ihrer Initiative haben die drei<br />
Initiatorinnen bereits zahlreiche Mitstreiterinnen<br />
und Mitstreiter gewonnen. „Wir<br />
wollen den Honigbienen, Wildbienen, Hummeln<br />
und anderen Insekten eine Stimme geben<br />
und möchten den Weg vom monotonen Einheitsgrün<br />
und exotischen Pflanzungen hin zu<br />
vielfältigen, bunten und artenreichen <strong>Leben</strong>sräumen<br />
mitgestalten“, erklärt Monika Köster-Zahlten.<br />
Um ihre Ziele zu erreichen, haben<br />
sich die Naturschützerinnen aus Sprötze<br />
bereits mit der Stadt Buchholz (Projekt<br />
„Insektenfreundliches Buchholz“), dem Bund<br />
für Umwelt und Naturschutz Deutschland<br />
(BUND) und den Bienenbotschaftern aus<br />
Holm-Seppensen vernetzt. Neben der Kontaktpflege<br />
zu anderen Naturschutzgruppen<br />
hat Monika Köster-Zahlten unter anderem<br />
auch einen Mikroskopierkurs zum Bestimmen<br />
von Insekten absolviert. Außerdem hat sie<br />
einige Experten-Vorträge rund um die Themen<br />
„Insekten“ und „Insektenschutz“ gehört<br />
<strong>–</strong> mittlerweile hält sie selbst Vorträge über<br />
Wildbienen und insektenfreundliches Gärtnern.<br />
Die Wildbienen haben es der Naturschützerin<br />
besonders angetan: „In Deutschland gibt es<br />
etwa 560 Arten. In Niedersachsen leben etwa<br />
360 davon“, weiß Monika Köster-Zahlten.<br />
Die Wildbienen seien wirklich eine hochinteressante<br />
Insektengruppe: „Je mehr ich über<br />
diese faszinierenden Tierchen lerne, desto<br />
mehr bin ich von ihrer ungemein vielfältigen<br />
<strong>Leben</strong>sweise, ihren Nestbauten und ihrer<br />
Brutfürsorge beeindruckt.“ Für das Brutgeschäft<br />
seien ausschließlich die Wildbienenweibchen<br />
zuständig. Die Männchen, oder<br />
Drohnen, befruchten die Weibchen und sterben<br />
dann meist bald danach. Bei fast allen<br />
Wildbienenarten lege jedes Weibchen seine<br />
eigenen Brutzellen an: „Die baut es in Käferfraßgänge<br />
im Totholz, in Nischen von Trockenmauern,<br />
in Sand- oder Lehmböden,<br />
einzelne sogar bis einen Meter tief in den<br />
Boden“, sagt die Expertin. In jede Brutzelle<br />
lege die Wildbiene ein Pollen- und Nektargemisch<br />
sowie ein Ei. „Dieser Proviant reicht<br />
für die ganze Entwicklung vom Ei zur Larve,<br />
aus der sich dann die Puppe entwickelt. Aus<br />
der schlüpft dann schließlich nach einem Jahr<br />
eine fertige Wildbiene“, erklärt Monika<br />
Köster-Zahlten. Sie ermutigt andere Menschen<br />
dazu, selbst in der Natur auf Entdeckungsreise<br />
zu gehen: „Das Beobachten von<br />
Wildbienen ist wirklich spannend. Es schärft<br />
den Blick für die kleinen Wunder.“<br />
Da viele Wildbienen entweder auf eine einzige<br />
Pflanzenart oder auf eine oder wenige Pflanzenfamilien<br />
spezialisiert seien, bräuchten sie<br />
ein vielfältiges und lang andauerndes Blütenangebot.<br />
„Ihre winzigen Nachkommen können<br />
nämlich nur spezielle Pollen verdauen.<br />
Wenn diese Pflanzen fehlen, fehlen auch die<br />
entsprechenden Wildbienen“, weiß Monika<br />
Köster-Zahlten. Deshalb seien blühende<br />
Ackerrandstreifen, Hecken, extensiv bewirtschaftete,<br />
artenreiche Wiesen sowie Naturgärten<br />
mit entsprechendem Wildblumenangebot<br />
so wichtig. „Während die Arbeiterinnen der<br />
Monika Köster-Zahlten im Erlebnisgarten<br />
an der Wassermühle Karoxbostel: <strong>Leben</strong>sfreude<br />
ist Gartenfreude.<br />
<br />
Foto: Carsten Weede<br />
Frühjahr 2021 51
domestizierten Honigbiene falls nötig über 10 Kilometer weit fliegen,<br />
um Blüten zu besammeln, ist der Sammelradius der Wildbienen deutlich<br />
kleiner: Fast alle Wildbienen legen bei der Nahrungssuche nur<br />
Strecken bis zu 1 Kilometer zurück. Sie sind darauf angewiesen, dass<br />
es in der Nähe ihrer Nistplätze auch geeignete Blüten gibt“, erklärt die<br />
Naturfreundin. Ein Wildbienenweibchen lege in seinem vier- bis sechswöchigen<br />
<strong>Leben</strong> maximal 10 bis 30 Brutzellen an. Für jede Brutzelle<br />
brauche es Pollen und Nektar von vielen Dutzend Blüten: „Um eine<br />
einzige Brutzelle zu füllen, muss ein Wildbienenweibchen etwa 40 mal<br />
hin- und herfliegen“, weiß die Expertin. Liegen Nistplatz und Blütenangebot<br />
zu weit auseinander, könnten die Wildbienen nicht genügend<br />
Brutzellen mit Proviant versehen, um die Population dauerhaft zu<br />
erhalten. Das Überleben unserer Wildbienen hänge also davon ab, dass<br />
die Insekten auf ihren Sammelflügen die Distanz zwischen ihrem Nistplatz<br />
und der Nahrungsquelle auch tatsächlich überwinden können.<br />
„Im Klartext heißt das: Das Vorkommen von Wildbienen ist von der<br />
Kleinräumigkeit unserer Landschaft abhängig, aber die geht zunehmend<br />
verloren“, betont Monika Köster-Zahlten.<br />
Sichere Artenbestimmung<br />
geht<br />
nicht im Flug <strong>–</strong><br />
aber am Lehrmikroskop.<br />
Aussaat eines<br />
Bienenbuffets.<br />
Wildbienen benötigen in der Nähe ihrer Nistplätze<br />
geeignete Blüten. Um eine einzige Brutzelle zu<br />
füllen, fliegt ein Wildbienenweibchen etwa<br />
40 mal von den Blüten zum Nistplatz.<br />
Das traditionelle Mosaik eng verzahnter natürlicher <strong>Leben</strong>sräume, das<br />
vielen Bienenarten die nötigen Niststrukturen und Futterpflanzen bot,<br />
sei vielerorts verschwunden. Stattdessen seien Monokulturen auf<br />
riesigen, maschinell leicht zu bearbeitenden Agrarflächen entstanden,<br />
um die Wirtschaftlichkeit konventioneller Landwirtschaft zu steigern.<br />
„Auf solchen Flächen finden viele Tiere nicht mehr das, was sie zum<br />
<strong>Leben</strong> brauchen“, sagt die Naturschützerin. Hinzu komme, dass der<br />
Einsatz von Kunstdünger und Bioziden die Ackerwildkräuter und die<br />
Bienen schädige. Übrigens seien auch die großen, repräsentativen<br />
Rasenflächen öffentlicher Grünanlagen zu den Monokulturen zu rechnen.<br />
Monika Köster-Zahlten: „Statt des Einheits-Rasens würde ich mir<br />
mehr Blühflächen wünschen.“<br />
Da die meisten Wildbienen ihre Brutzellen im Boden bauen, sind sie<br />
dafür auf offene, unbewachsene Sand- oder Lehmflächen angewiesen.<br />
Die fortschreitende Bodenversiegelung sehen Insektenschützer wie<br />
Monika Köster-Zahlten daher als ein großes Problem: „Durch die<br />
Asphaltierung oder Verschotterung von Feldwegen, Höfen oder Plätzen<br />
werden Niststrukturen vernichtet und damit der Wildbienenfauna<br />
große Verluste zugefügt.“ Dagegen können naturnahe Gärten mit<br />
sandigen Plätzen und unbefestigten Wegen, offenen Fugen in Plattenbelägen,<br />
zwischen Pflastersteinen und in Trockenmauern wichtige<br />
Nistplätze für Wildbienen sein: „In naturnahen Gärten finden Wildbienen<br />
auch genügend geeignetes Nistmaterial, wie Pflanzenhaare, Blattstückchen,<br />
Lehmklümpchen und Steinchen sowie Pflanzensekrete, die<br />
sie für die Imprägnierung der Zellwände benötigen.<br />
Ton- u. Hartholz-Nisthilfen<br />
lassen sich mit einfachen<br />
Mitteln sehr gut<br />
selber bauen.<br />
Es ist sehr<br />
wichtig, Tränken<br />
anzulegen.<br />
Wo es blüht<br />
und summt, da<br />
ist immer ein<br />
guter Platz für<br />
eine Tränke.<br />
52<br />
Frühjahr 2021
Die bunte Blühwiese <strong>–</strong><br />
ein verlockendes<br />
Speise-Angebot und<br />
zudem noch ein herrlicher<br />
Augenschmaus.<br />
Tipp: Wespenhonigtöpfchen<br />
halten die<br />
Tiere vom Kuchen<br />
fern.<br />
Ausblick am<br />
Niströhreneingang.<br />
Trockenmauern<br />
und Totholzbereiche<br />
ergänzen<br />
Garten-Biotope<br />
optimal.<br />
„Rund ein Viertel aller Wildbienen baut keine eigenen Nester. Diese<br />
sogenannten Kuckucksbienen legen, wie der Kuckuck, ihre Eier in<br />
fremde Nester“, berichtet Monika Köster-Zahlten. Ist die Larve<br />
geschlüpft, frisst sie das Wirtsei oder tötet die Larve und ernährt sich<br />
vom Nahrungsvorrat in der Brutzelle. Im nächsten Jahr schlüpft die<br />
fertige Kuckucksbiene. „Kuckucksbienen sind auf je eine Wildbienenart<br />
und ihre wenigen Verwandten spezialisiert. Finden sie keine solchen<br />
Brutzellen, so können sie sich nicht fortpflanzen“, weiß die Expertin.<br />
Kuckucksbienen seien in der Regel auf den gleichen Blüten wie ihre<br />
Wirtsbienen zu finden: „Sie halten sich auch in der Nähe ihrer Nester<br />
auf und versuchen in einem günstigen Moment, ein Ei in eine fertige<br />
Brutzelle zu legen.“ Im Gegensatz zu anderen Wildbienenarten haben<br />
Kuckucksbienen keine Pollensammeleinrichtungen und auch keine<br />
Bauch- oder Beinbürste.<br />
Die Asphaltierung und Verschotterung von Flächen<br />
vernichtet Niststrukturen und fügt der<br />
Wildbienenfauna große Verluste zu.<br />
Eine sehr beliebte Wildbienenart sind die Hummeln <strong>–</strong> auf Plattdeutsch<br />
Plüschmors. „Es gibt in Deutschland mehr als 40 Arten. Die allermeisten<br />
sind größer als die anderen Wildbienen. Auffällig sind ihre putzigrundliche<br />
Gestalt und ihr dichter Pelz“, weiß Monika Köster-Zahlten.<br />
Hummeln leben in Völkern mit je einer Königin. Ihre Nester bauen sie<br />
in Hohlräumen wie Mäusegängen und alten Vogelnestern. Hummeln<br />
leben streng organisiert in Staaten von 50 bis 600 Tieren. „Hummeln<br />
bilden zwar wesentlich kleinere Völker als etwa Honigbienen, ein<br />
einzelnes Tier bestäubt aber nicht nur bis zu fünfmal mehr Blüten<br />
täglich, sondern tut das auch noch gleichmäßiger und effektiver“,<br />
erklärt Monika Köster-Zahlten. Die langrüsseligen Bestäubungsgenies<br />
leben nur einen Sommer lang, einzig die begattete Königin überwintert.<br />
Die junge Königin, welche als einzige ihres Volkes überlebt hat<br />
und nach rund sechs Monaten aus dem Winterschlaf erwacht, sammelt<br />
im Frühling zuerst Nektar und Pollen als Futtervorrat für sich und die<br />
erste Brut. Dann baut sie Brutkammern aus Wachs, legt die ersten Eier<br />
und brütet sie aus.<br />
Anschließend pflegt und füttert sie die geschlüpften Larven bis sich<br />
diese verpuppen. Nach einigen Tagen schlüpfen aus den Kokons die<br />
ersten Arbeiterinnen. Von nun an legt die Königin nur noch Eier. Die<br />
Bauarbeiten und Pflege im Nest übernehmen die Arbeiterinnen. Sie<br />
füttern die Brut bis ein Volk von bis zu 600 Hummeln entstanden ist,<br />
beschreibt die Wildbienen-Expertin diesen faszinierenden Zyklus.<br />
Wildbienen-Hilfe im Internet:<br />
www.doerferbieneninsekten.net<br />
www.bienenbotschafter-holm-seppensen.de<br />
Mitglieder der Bürgerinitiative „Plüschmors und Co“ aus Ehestorf-<br />
Alvesen in der Gemeinde Rosengarten und des Vereins Wassermühle<br />
Karoxbostel aus der Gemeinde Seevetal geben auch in diesem Jahr<br />
wieder von Hand gefüllte Samentüten mit<br />
Wildblumensaat an Interessierte ab.<br />
Frühjahr 2021 53
Infos, Tipps & Trends <strong>–</strong> für Sie entdeckt zwischen Elbestrand und Heidesand<br />
Das Ostpreußische Landesmuseum Lüneburg<br />
schaft und die Kultur des ehemaligen<br />
Ostpreußens sowie der<br />
Viel zu entdecken gibt es im Lüneburger<br />
Ostpreußischen Landesmuseum<br />
mit Deutschbaltischer Abteilung:<br />
Ein einzigartiger Parcours<br />
durch die Geschichte, die Land-<br />
Deutschbalten. Über Jahrhunderte<br />
war die einstige Provinz Ostpreußen<br />
Teil der preußischen,<br />
später deutschen Geschichte.<br />
Heute gehört die Region zu Russ-<br />
“Reise um die Welt“<br />
Adam Johann von Krusenstern<br />
zum 250. Geburtstag<br />
26.9.2020-9.5.2021<br />
Kabinettausstellung<br />
Ostpreußisches<br />
Landesmuseum<br />
mit Deutschbaltischer<br />
Abteilung<br />
Heiligengeiststraße 38 | D-21335 Lüneburg<br />
Tel. +49 (0)4131 759950 | www.ol-lg.de<br />
Öffnungszeiten Di. bis So. 10 bis 18 Uhr<br />
"Ansicht der Bay Romanzoff auf der Insel Jesso" (Hokkaido)<br />
© Privat<br />
land, Polen und Litauen. Fast alle<br />
deutschen Bewohner mussten in<br />
den Jahren 1945 bis 1948 ihre<br />
Heimat verlassen. Ihrer Initiative<br />
ist es zu verdanken, dass in Lüneburg<br />
schon 1958 ein Ostpreußenmuseum<br />
entstand. Seit 1987 wird<br />
das Museum durch die Bundesregierung<br />
und das Land Niedersachsen<br />
gefördert. In der Ausstellung<br />
lassen sich beeindruckende Exponate<br />
bewundern. Noch bis<br />
9.05.2021 lädt das Museum im<br />
Rahmen seiner aktuellen Kabinettausstellung<br />
zu einer „Reise um<br />
die Welt“ ein. Dem deutschbaltischen<br />
Admiral in russischen Diensten<br />
Adam Johann von Krusenstern<br />
(1770 <strong>–</strong> 1846) gelang von 1803<br />
bis 1806 die erste russische Weltumsegelung.<br />
In Erinnerung an<br />
seinen 250. Geburtstag und seine<br />
erlebnisreiche Reise werden seltene<br />
Kupferstiche aus Krusensterns<br />
Atlas gezeigt. Sie nehmen die<br />
Besucherinnen und Besucher mit<br />
auf eine Expedition rund um den<br />
Globus, die vom russischen Hafen<br />
Kronstadt über Brasilien, die Südsee-Inseln<br />
der Marquesas, Japan,<br />
Kamtschatka, China und die<br />
Südspitze Afrikas zurück nach<br />
Europa führt.<br />
Aufgrund der aktuellen Situation<br />
erkundigen Sie sich bitte nach ggf.<br />
abweichenden Öffnungszeiten.<br />
www.ol-lg.de<br />
54<br />
Frühjahr 2021
Das Naturschutzgebiet ›Untere Seeveniederung‹<br />
Das Naturschutzgebiet<br />
›Untere Seeveniederung‹<br />
Ein Paradies für seltene Pflanzen und<br />
Tiere<br />
Das Naturschutzgebiet<br />
zwischen Schachblumenwiesen<br />
›Untere Seeveniederung‹<br />
und der Seevengeti<br />
Ein Paradies für seltene Pflanzen und<br />
Tiere zwischen Schachblumenwiesen<br />
und der Seevengeti<br />
Carsten Weede<br />
Mit übersichtlicher Ausklappkarte<br />
Paradies für seltene<br />
Pflanzen und Tiere<br />
Wissen Sie, wo der Eisvogel seine<br />
Jungen aufzieht, wo sich Seeadler<br />
bei der Jagd beobachten lassen oder<br />
wo das bundesweit größte Vorkommen<br />
der ebenso seltenen wie schönen<br />
Schachblume zu finden ist?<br />
Genau: Im Naturschutzgebiet „Untere<br />
Seeveniederung“! Dieses insgesamt<br />
494 Hektar große Paradies<br />
für viele seltene Tiere und Pflanzen<br />
liegt südöstlich von Hamburg in der<br />
Steller Elbmarsch im Urstromtal<br />
der Elbe und wartet nur darauf,<br />
von Ihnen entdeckt zu werden!<br />
09.01.19 19:29<br />
Format 148 x 210 mm,<br />
Mattfolierter Umschlag<br />
mit Ausklappkarte,<br />
168 Seiten Inhalt,<br />
Durchgehend 4-farbig,<br />
160 Abbildungen.<br />
9,90 €<br />
zzgl. 2,90 € Versandkosten<br />
Bestellungen werden gerne unter der Rufnummer 0 41 74 / 66 99 717<br />
entgegengenommen oder per E-Mail an info@schoenes-leben.de.<br />
Die Herstellung dieses Buches wurde unterstützt von<br />
Frühjahr 2021 55
i i aner aner wiee wiee<br />
von Carsten Weede<br />
Begegnungen und Erlebnisse auf dem zweiten<br />
Abschnitt des Estewanderweges von Moisburg<br />
über Buxtehude nach Estebrügge und weiter<br />
bis Königreich.<br />
Den ersten Teil des Estewanderweges vom Startpunkt in Bötersheim<br />
über Hollenstedt bis nach Moisburg hatten Willy und sein Wanderfreund<br />
schon vor Monaten zurückgelegt. „Eine herrliche Tour durch<br />
eine wunderschöne Landschaft“, sind sich die beiden Männer einig.<br />
Nun sind sie gespannt, was es auf dem zweiten Abschnitt des Estewanderweges<br />
zu entdecken gibt. Auf rund 17 Kilometern führt der Weg<br />
entlang des Flusses von Moisburg nach Buxtehude und weiter in Richtung<br />
Norden bis nach Estebrügge im Alten Land. Die Wanderfreunde<br />
wollen ein weiteres Mal die abwechslungsreiche Landschaft des Estetals<br />
genießen; und sie wissen, dass der Weg sie nicht nur durch sumpfige<br />
Auenlandschaften, Wald und Wiesen, sondern auch durch mehrere<br />
sehenswerte Ortschaften führen wird.<br />
Das Estedorf Moisburg und seine Sehenswürdigkeiten hatten sie nicht<br />
erst bei ihrer vorherigen Wanderung kennengelernt: Während ihrer<br />
Ausbildung zu freiwilligen Müllern waren Willy und sein Kumpel von<br />
Entlang des Estewanderweges im Alten Land gibt<br />
es viele wunderschöne Fachwerkhäuser mit reich<br />
verzierten, historischen Haustüren. <br />
<br />
Fotos: Carsten Weede<br />
Willy und sein Wanderfreund Carsten starten ihre Tour in Moisburg.<br />
Der Estewanderweg ist gut ausgeschildert und verläuft durch eine<br />
reizvolle Landschaft.<br />
56 Frühjahr 2021
Bild links: Über die<br />
malerische Ziemens<br />
Brücke gelangen<br />
Wanderer auf dem<br />
Herrgottweg über die<br />
Este nach Nindorf.<br />
Bild rechts: Wer Lust<br />
hat, kann nachlesen,<br />
wie der Herrrgottweg<br />
zu seinem Namen<br />
kam.<br />
dem erfahrenen Müllermeister Franz Rosenkranz mit der Technik und<br />
der Geschichte der Moisburger Amtsmühle bekannt gemacht worden.<br />
Die Moisburger Kornmühle wurde<br />
bereits 1379 urkundlich erwähnt.<br />
Zudem ist Willys Wanderfreund gebürtiger Moisburger, der immer<br />
wieder gern in seine alte Heimat zurückkommt und dem es Vergnügen<br />
bereitet, die schönsten Ecken des Estedorfes auch anderen zu zeigen<br />
<strong>–</strong> und davon hat Moisburg tatsächlich einige. Diesmal jedoch bleibt<br />
den beiden Männern keine Zeit für einen längeren Bummel durch den<br />
geschichtsträchtigen Ort mit seiner wunderbar ausgemalten Feldsteinkirche,<br />
dem altehrwürdigen Amtshaus <strong>–</strong> das Moisburger immer noch<br />
„Schloss“ nennen <strong>–</strong> und der historischen Amtsmühle, die in der heute<br />
bestehenden Form 1<strong>72</strong>3 als Teil des Moisburger Vorwerks errichtet<br />
wurde. Eine Kornmühle in Moisburg ist bereits 1379 in einer Urkunde<br />
erwähnt. Die ehemalige Amtswassermühle an der Este ist eine der<br />
letzten noch voll funktionstüchtigen Wassermühlen in der Region. Seit<br />
1985 beherbergt sie das Mühlenmuseum Moisburg, eine Außenstelle des<br />
Freilichtmuseums am Kiekeberg.<br />
Vom Info-Punkt „Auf der Bleiche“ gegenüber dem Mühlenmuseum<br />
gehen die Wanderfreunde entlang der Straße Auf dem Damm über die<br />
Brücke zwischen Amtshaus und Mühle und weiter ein kurzes Stück an<br />
der Buxtehuder Straße entlang. Sie kommen an der Bäckerei und Konditorei<br />
Johannsen vorbei. Willys Wanderfreund, der weiß, wie lecker<br />
deren Kuchen, Brot und Brötchen schmecken, hätte sich am liebsten für<br />
die nächste Pause eingedeckt. Aber Willy winkt ab: „Deine Frau hat dir<br />
doch wieder jede Menge Proviant eingepackt. Du kannst doch wirklich<br />
nicht noch mehr Essen mitschleppen und in dich hineinfuttern“, sagt<br />
der sportlich-trainierte Wandersmann zu seinem übergewichtigen<br />
Kumpel und lässt ihn kurzerhand vor dem Schaufenster der Bäckerei<br />
stehen.<br />
Willy marschiert flott voran. „Hast ja recht“, murmelt sein Kumpel ein<br />
wenig kleinlaut vor sich hin und beeilt sich, flotten Schrittes zu dem<br />
Bild links: Entlang<br />
des Wanderweges<br />
informieren Schautafeln<br />
über<br />
Geschichten und<br />
Geschichte sowie<br />
über Flora und<br />
Fauna im Estetal.<br />
Bild rechts: An vielen<br />
idyllischen<br />
Plätzen am Wegesrand<br />
laden rustikale<br />
Bänke die Wanderer<br />
zur Rast ein.<br />
Frühjahr 2021<br />
57
Stellenweise gleicht der Weg einem Trampelpfad. In einiger Entfernung<br />
ist der Fluss immer wieder zwischen Bäumen zu sehen.<br />
Vom Geesthügel beim Dorf Heimbruch haben Wanderer einen<br />
besonders schönen Ausblick in das weite Estetal.<br />
vorauseilenden Wanderfreund aufzuschließen. Als er ihn eingeholt hat,<br />
biegt der gebürtige Moisburger vom Fußweg an der Buxtehuder Straße<br />
nach links in den Nindorfer Weg ein. „Auf diesem Weg kommen wir<br />
wieder direkt an die Este“, sagt er. Nach ein paar hundert Metern<br />
haben die Männer die letzten Häuser von Moisburg hinter sich gelassen.<br />
„Wir gehen in nördlicher Richtung weiter durch den Wald und<br />
kommen dann schon bald nach Daensen“, sagt Willys schwergewichtiger<br />
Kumpel.<br />
Der Estewanderweg ist gut ausgeschildert: Gelbe Schilder mit der<br />
Aufschrift „W1“ markieren den Streckenverlauf. Ab Moisburg Richtung<br />
Buxtehude untersteht der Estewanderweg dem Heimatverein<br />
Buxtehude, der auch einige Info-Tafeln am Wegesrand aufgestellt hat.<br />
Gleich zu Beginn ihrer Tour erfahren die Wanderer auf einer dieser<br />
Tafeln etwas über die Tierarten, die an und in der Este leben. „Sogar<br />
Fischotter und Eisvogel sollen hier heimisch sein“, sagt Willy nach<br />
einem Blick auf die Info-Tafel. An einer Weggabelung biegt Willys<br />
Wanderfreund auf dem Sandweg plötzlich nach links ab: Die Männer<br />
stehen unvermittelt vor einer hölzernen Brücke über den Fluss. Im<br />
nächsten Moment erblicken die Männer tatsächlich einen Eisvogel, der<br />
wie ein schillerndes Juwel mit schnellen Flügelschlägen dicht über der<br />
Wasseroberfläche fliegt und sich in einiger Entfernung auf einem<br />
Weidenast am gegenüberliegenden Ufer niederlässt. „So ein Eisvogel<br />
sieht wirklich exotisch aus <strong>–</strong> als gehöre er in die Tropen und gar nicht<br />
hierher“, findet Willy.<br />
„Übrigens: Das hier ist Ziems Brück, auf Hochdeutsch: Ziemens Brücke,<br />
über die man von Moisburg auf dem Herrgottweg über die Este<br />
nach Nindorf gelangt“, weiß der ortskundige Wanderer. „Über diese<br />
Brücke ist der Herrgott gegangen, als er eines Sonntagmorgens durch<br />
das schöne Estetal von Moisburg nach Buxtehude wanderte“, erklärt<br />
der gebürtige Moisburger. So erzählt es wenigstens der plattdeutsche<br />
Im Estetal gibt es zahlreiche Fischteiche, die ältesten wurden bereits im<br />
Mittelalter angelegt.<br />
Heimbruch ist ein geschichtsträchtiges, wenn auch kleines, malerisches<br />
Dorf.<br />
58 Frühjahr 2021
Dichter Johann Dietrich Bellmann (1930 <strong>–</strong> 2006) aus Nindorf in<br />
seiner Geschichte „Uns Herrgott sien Daglöhner “ <strong>–</strong> und so steht es<br />
auch auf einer Info-Tafel, vor der die Wanderfreunde stehenbleiben.<br />
Mit Witz und Tiefgang beschreibt der Heimatschriftsteller, wie der<br />
liebe Herrgott nach einem Besuch beim Moisburger Pastor auf seiner<br />
Wanderung durch das Estetal bei Ziems Brück eine Pause einlegte.<br />
Eigentlich wollte er auf der Moisburger Seite weiter nach Buxtehude<br />
gehen, aber als er auf der Nindorfer Seite der Este bei den Ziegelteichen<br />
den Plaggenhauer Luuden Alldag bei der Arbeit erblickte, überquerte<br />
er entschlossen den Fluss, um von dem Tagelöhner mehr über<br />
Land und Leute zu erfahren. Zwischen den beiden entspann sich ein<br />
langes Gespräch über Gott und die Welt. Am Ende war Luuden Alldag<br />
tief berührt von dem Gedankenaustausch, und er bat den Herrgott,<br />
mit in den Himmel kommen zu dürfen. Übrigens: Die Geschichte „Uns<br />
Herrgott sien Daglöhner“ ist zusammen mit anderen Erzählungen in<br />
dem gleichnamigen Buch beim Heimatverein Buxtehude erschienen<br />
(ISBN: 3-981061-2-4).<br />
„Über diese Brücke ist der Herrgott gegangen,<br />
als er eines Sonntagmorgens durch das schöne<br />
Estetal von Moisburg nach Buxtehude wanderte.“<br />
Die beiden Männer gehen von Ziemens-Brücke zurück auf den Wanderweg<br />
nach Buxtehude und folgen der gelben Wegmarkierung Richtung<br />
Daensen. Nach wenigen Metern wandern die beiden Männer bereits<br />
auf Buxtehuder Stadtgebiet. Kurz hinter Moisburg verläuft auch die<br />
Kreisgrenze: „Daensen gehört schon zu Buxtehude, also zum Landkreis<br />
Stade“, erfährt Willy von seinem Wanderfreund. Auf dem Waldweg<br />
treffen die beiden Wanderer auf den Landwirt Peter Bösch aus Daensen,<br />
der ihnen mit seinem Trecker entgegenkommt. Freudig begrüßt<br />
der Treckerfahrer die Wanderer, den gebürtigen Moisburger mit seinem<br />
Namen. „Dass du mich auch mit dickem Bauch und wenigen Haaren<br />
nach so langer Zeit noch erkannt hast, freut mich doch sehr“, sagt<br />
Willys Wanderfreund. Nach einer kurzen Plauderei verabschiedet sich<br />
der Landwirt und fährt mit seinem Trecker auf dem Waldweg in Richtung<br />
einer Waldwiese davon. „Das ist ein ganz Netter. Seine Frau<br />
Gisela war vor ihrer Hochzeit früher in Moisburg unsere Nachbarin“,<br />
erfährt Willy von seinem Kumpel. Sein weiser Kommentar: „Ja, die<br />
Welt ist klein <strong>–</strong> und die Zeit läuft.“<br />
„Apropos: Zu meiner Zeit hat sich die Moisburger Dorfjugend gern in<br />
Daensen zum Feiern und Kartenspielen im „Landhaus am Estetal“<br />
getroffen“, erzählt Willys genussfreudiger Wanderfreund. Gastwirt<br />
Hermann Marquardt hatte nach dem Tod seiner Frau Ende der<br />
1990-Jahre den Gastronomiebetrieb eingestellt. Lange stand die ehemals<br />
florierende Gaststätte leer. Im Dezember 2018 brannte das reetgedeckte<br />
Gebäude lichterloh. 2019 wurde das ehemalige „Landhaus<br />
am Estetal“ endgültig abgerissen. „Ich werde immer noch ein bisschen<br />
wehmütig, wenn ich daran vorbeikomme“, sagt der gebürtige Moisburger,<br />
der „bei Hermann“ schon seine Konfirmation gefeiert hatte.<br />
Obwohl ihre Wanderung gerade erst begonnen hat, verspürt Willys<br />
Bild oben: Reetgedeckte Fachwerkhäuser bestimmen das Ortsbild in<br />
Heimbruch.<br />
Bild Mitte: Auf der Holzbrücke in Heimbruch überqueren die Wanderfreunde<br />
die Este.<br />
Bild unten: Der Estewanderweg verläuft in der Nähe der Überreste<br />
einer mittelalterlichen Burgwallanlage.<br />
Frühjahr 2021 59
Kumpel <strong>–</strong> der eigentlich immer essen könnte <strong>–</strong> schon wieder Appetit.<br />
In Daensen gibt es einen Golfclub mit Gastronomie, aber zu dieser<br />
frühen Stunde ist dort noch kein Betrieb. Außerdem hätte Willy nach<br />
einer so kurzen Wegstrecke garantiert sein Veto gegen eine Einkehr<br />
eingelegt. Also muss sich sein schwergewichtiger Wanderfreund noch<br />
gedulden, bis er wieder etwas zwischen die Zähne bekommt. „Hier ist<br />
der Hof von Familie Bösch“, sagt der gebürtige Moisburger als sie an<br />
einem repräsentativen Fachwerkhaus vorbeikommen. Im Daenser<br />
Ortskern biegt der Estewanderweg nach links ab. Weiter geht es für die<br />
beiden Wanderer am Rand des malerischen Estetals. Stellenweise<br />
gleicht der Weg einem Trampelpfad, der sich über Baumwurzeln, Stock<br />
und Stein rauf und runter schlängelt. In einiger Entfernung ist der<br />
Fluss immer wieder zwischen Bäumen zu sehen. Ab und an stehen<br />
Bänke an besonders schönen Aussichtspunkten. „Hier ist ein prima<br />
Platz für eine Pause“, sagt Willy an einer dieser Bänke und sein Kumpel<br />
zeigt sich hoch erfreut über diesen Vorschlag. Die Männer setzen<br />
ihre Rucksäcke ab, packen Getränkeflaschen und Brotdosen aus und<br />
genießen den herrlichen Ausblick in die Landschaft.<br />
„Na, jetzt ist dein Rucksack schon viel leichter. Da werden wir<br />
bestimmt schneller vorankommen“, ulkt Willy, als sein Kumpel nach<br />
der Pause ein wenig umständlich versucht, den Rucksack wieder aufzusetzen.<br />
„Warte, ich helfe dir“, sagt Willy und streift dem fülligen<br />
Freund den Trageriemen über die Schulter <strong>–</strong> und weiter geht’s. Frisch<br />
gestärkt kommen die Wanderer nun tatsächlich flott voran. Der Weg<br />
verläuft zunächst noch parallel zum Fluss, führt dann an Fischteichen<br />
und einer Rinderweide vorbei ein wenig von der Este weg und weiter in<br />
den Ort Heimbruch. „Hier sollen die edlen Herren von Heimbruch<br />
einst auf der gegenüberliegenden Seite der Este ihre Stammburg<br />
gebaut haben“, weiß Willys Wanderfreund. Der Name von Heimbruch<br />
ist den beiden Männern nicht fremd: Sie engagieren sich als freiwillige<br />
Müller an der Wassermühle in Karoxbostel. Die erste urkundliche<br />
Die Este<br />
Die Este entspringt am Westrand des Naturschutzgebietes<br />
Lüneburger Heide unweit der B 3 bei Wintermoor an der Chaussee,<br />
einem Ortsteil von Schneverdingen. Ständig Wasser führt<br />
die Este aber erst ab Cordshagen (Gemeinde Welle). Sie fließt<br />
auf einer Länge von rund 62 Kilometern in Süd-Nord-Richtung<br />
durch die Nordheide und das Alte Land zur Elbe. Dabei durchquert<br />
sie die Ortschaften Welle, Kakenstorf, Hollenstedt, Moisburg,<br />
Buxtehude, Estebrügge und Cranz. Dem Oberlauf der Este<br />
fließen viele kleinere Bäche zu, wie zum Beispiel der Staersbach<br />
und der Goldbeck. Ab Buxtehude ist die Este tideabhängig und<br />
eingedeicht. In der Vergangenheit war der Fluss ab Buxtehude<br />
eine wichtige Wasserstraße, an der auch viele Schiffswerften<br />
Wassermühle in Moisburg.<br />
lagen. Heute gibt es nur noch die Sietas-Werft in Hamburg-Neuenfelde.<br />
Auf der Este herrschte einst reger Gütertransport,<br />
besonders zwischen 1910 und 1939, zeitweise aber auch<br />
noch nach dem Zweiten Weltkrieg. In Buxtehude waren zahlreiche<br />
Industriebetriebe ansässig, die von dort aus ihre Waren<br />
verschifften. Insbesondere die Erzeugnisse der Mühlen und<br />
Ziegeleien wurden auf dem Wasserwege transportiert, ebenso<br />
das Obst der Altländer Bauern. Die Stadt Buxtehude gehörte<br />
nachweislich seit 1363 zur Hanse, seit dem 17. Jahrhundert<br />
betrieben Reeder an der Este Hochseeschifffahrt. Viele Schiffseigner<br />
ankerten ihr Schiff direkt hinter ihrem Wohnhaus an<br />
der Este. Auch heute noch haben in Buxtehude und in den Altländer<br />
Ortschaften entlang der Este zahlreiche Reedereien ihren<br />
Stammsitz. Rund zwei Kilometer hinter der Landesgrenze vom<br />
Hamburg mündet die Este bei Cranz in die Elbe (Mühlenberger<br />
Loch). Übrigens: Nur wenige Kilometer von der Este-Quelle entfernt<br />
entspringt auch die Wümme, die allerdings über die Lesum<br />
in die Weser mündet.<br />
Pferdezucht spielt in der Region seit Jahrhunderten eine<br />
wichtige Rolle.<br />
60<br />
Frühjahr 2021
Bild links: In Buxtehude verläuft<br />
der Estewanderweg auch am<br />
Hafen entlang.<br />
Bild rechts: Am Rande der Fußgängerzone<br />
steht ein Brunnendenkmal<br />
für den wohltätigen<br />
Buxtehuder Bürger Gerhard<br />
Halepaghe (1420 bis 1485).<br />
Erwähnung der Mühle stammt aus dem Jahr 1438. Damals war die<br />
Karoxbosteler Mühle im Eigentum der Herren von Heimbruch. In der<br />
Karoxbosteler Mühle hängt ein Nachdruck der Ersterwähnungsurkunde.<br />
Das bedeutende Adelsgeschlecht hatte im 13. Jahrhundert seine<br />
Burg an der Este aufgegeben und siedelte wieder in der Gegend von<br />
Hittfeld. Warum? Als im Jahre 1236 der Erzbischof von Bremen und<br />
der neue Herzog von Braunschweig-Lüneburg den hundertjährigen<br />
Streit wegen der Grafschaft Stade beendeten, wurde im Vergleich die<br />
Este die Landesgrenze. Nun mussten die Heimbruchs sich entscheiden,<br />
welcher Herrschaft sie angehören wollten. Ihre meisten Besitzungen<br />
lagen um Hittfeld. Da es Grundsatz der Bremer Kirche war, dass kein<br />
fremder Vasall seinen Stammsitz im Erzbistum haben durfte, gaben die<br />
Heimbruchs ihre Burg an der Este wieder auf und siedelten in der<br />
Gegend von Hittfeld. Wer mehr über dieses bedeutende Adelsgeschlecht<br />
erfahren will, kann dessen spannende Geschichte in dem 1882<br />
von Hermann Grotefend herausgegebenen Urkundenbuch der Familie<br />
von Heimbruch 1142 <strong>–</strong> 1500 nachlesen.<br />
Die Burg bei Heimbruch verödete, aber noch heute sind Spuren der<br />
Anlage und die Fischteiche im Gelände zu erkennen.<br />
Spuren der Burganlage sind noch<br />
heute im Gelände zu erkennen.<br />
Die Überreste des Burgwalls liegen ein wenig abseits des eigentlichen<br />
Estewanderweges gegenüber von Heimbruch in einem lichten Waldstück<br />
auf einem Sandrücken, der in das Tal der Este hineinragt. „Tatsächlich<br />
ist überhaupt nicht klar, wer diese Burganlage einmal errichtet<br />
hat“, sagt der gebürtige Moisburger. Der Moisburger Heimatforscher<br />
Artur Conrad Förste (1917 bis 1995) hatte in den 1980er-Jahren gute<br />
Argumente dafür geliefert, dass der Burgwall zwischen Heimbruch und<br />
Ottensen keine Gründung der Adelsfamilie von Heimbruch ist, sondern<br />
vermutlich bereits in altsächsischer Zeit als Fluchtburg nahe einem<br />
bronzezeitlichen Hügelgrab, dem sogenannten Maiglöckchenhügel,<br />
errichtet wurde. Wie dem auch sei, auf jeden Fall ist Heimbruch ein<br />
geschichtsträchtiges, wenn auch kleines, hübsches Dorf mit einigen<br />
pittoresken Fachwerkhäusern. Am Ortsrand führt der Estewanderweg<br />
zwischen einem dieser gepflegten Bauernhäuser und einer Scheune<br />
hindurch direkt an die Este. Die Wanderfreunde folgen dem gut ausgeschilderten<br />
Weg auf einer Holzbrücke über den Fluss. Von dort geht<br />
es zunächst durch einen Bruchwald aus Erlen, Weiden und einigen<br />
Pappeln. Kaum 200 Meter vom Wanderweg entfernt liegen die Reste<br />
des Burgwalls in einem Waldstück. Der Abstecher lohnt sich, obwohl es<br />
schon ein wenig Fantasie braucht, um sich vorzustellen, wie die Burganlage<br />
einmal ausgesehen haben mag. Bald darauf marschieren die<br />
Männer wieder auf dem Geestkamm durch die sanft-hügelige Landschaft.<br />
Der Sandweg verläuft an sattgrünen Wiesen, Pferdeweiden und<br />
malerischen Fischteichen vorbei.<br />
An einer Kreuzung müssen sich die Männer entscheiden: „Wir können<br />
an der Este entlang zum Buxtehuder Mühlenteich wandern oder etwas<br />
weiter westlich nach Ottensen und von da aus in die Buxtehuder Altstadt“,<br />
sagt Willys Wanderfreund. „In Ottensen war ich noch nie“, sagt<br />
Willy. Damit ist entschieden, dass die Männer den längeren Weg über<br />
Ottensen wählen. „Von Ottensen nach Buxtehude ist es nur noch ein<br />
Katzensprung und in Buxtehude gibt es mehrere gute Eisdielen“, sagt<br />
Willy. Er weiß, wie er seinen Kumpel motiviert. Der mit „WV“ und<br />
gelben Dreiecken markierte Wanderweg führt durch die Estewiesen<br />
nach Ottensen, einem südwestlich gelegenen Ortsteil von Buxtehude.<br />
Zahlreiche Neubauten zeugen vom schnellen Wachstum des Ortes. Die<br />
Wanderfreunde kommen am Feuerwehrgerätehaus vorbei und marschieren<br />
mitten durch Ottensen, ohne darauf zu achten, wo der Wanderweg<br />
verläuft. „Wir gehen einfach weiter nach Buxtehude, am Krankenhaus<br />
vorbei und unter den Bahngleisen am Bahnhof durch an der<br />
Westviver entlang direkt in die Altstadt und zum Hafen“, schlägt Willys<br />
Kumpel vor. In Buxtehude kennt er sich gut aus. Allerdings bleibt<br />
für die Besichtigung der unbedingt sehenswerten Hase-und-Igel-Stadt<br />
nicht viel Zeit: Die Wanderer wollen es heute noch bis Estebrügge<br />
schaffen, wo der zweite Abschnitt des Estewanderweges endet. Trotzdem<br />
besteht Willys Wanderfreund auf eine Pause <strong>–</strong> und auf das ver-<br />
Frühjahr 2021 61
sprochene Eis. Nach der kühlen Erfrischung geht es vom Buxtehuder<br />
Hafen aus weiter auf dem Wanderweg W1 in Richtung Estebrügge.<br />
Von der Buxtehuder Hafenschleuse bis zur Mündung in die Elbe bei<br />
Cranz ist die Este tideabhängig und eingedeicht. „Ab Buxtehude ist die<br />
Este eine Bundeswasserstraße, auf der die Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung<br />
gilt“, weiß Willy, der Inhaber sämtlicher Sportbootführerscheine<br />
ist. „Ab hier kann sich auch niemand mehr verlaufen“, sagt sein Kumpel.<br />
Der Estewanderweg führt die ganze Zeit auf dem Deich auf der<br />
östlichen Seite direkt am Fluss entlang. Das Gehen auf dem grasbewachsenen<br />
Deich ist äußert angenehm. Die Wanderer kommen an<br />
einigen Bracks vorbei, stumme Zeugen von Deichbrüchen der Vergangenheit.<br />
Das Wetter ist herrlich. Die Wanderfreunde unterhalten sich<br />
angeregt und die Zeit vergeht wie im Flug. Plötzlich stehen sie vor der<br />
Baustelle der Autobahn A26. „Viele hoffen ja, dass die A 26 die B 73,<br />
das Umland und die Anwohner entlasten wird“, sagt Willy angesichts<br />
des riesigen Brückenbauwerks. „Das ist schon ein Riesen-Projekt mit<br />
Folgen für die ganze Region <strong>–</strong> und auch für die Natur“, meint sein<br />
Kumpel. „Eine bessere Anbindung des Süderelberaums an die A 1 und<br />
A 7 wäre schon gut <strong>–</strong> auch viele Pendler wünschen sich das“, sagt<br />
Willy. Die Männer diskutieren noch ein bisschen über das Für und<br />
Wider der neuen Autobahn. Ein paar hundert Meter hinter der<br />
A26-Baustelle beginnt das Alte Land: Entlang der wenig befahrenen<br />
Straße, die parallel zum Deich verläuft, reihen sich schmucke Obsthöfe<br />
mit den dazugehörigen Plantagen wie Perlen an einer Kette. Moorende,<br />
ein Ortsteil von Jork, erstreckt sich kilometerweit am Deich entlang.<br />
„Wilde“ Natur wie auf dem Abschnitt zwischen Moisburg und<br />
Buxtehude fehlt rund um den Estedeich <strong>–</strong> schließlich ist der Wanderer<br />
im größten Obstanbaugebiet Deutschlands unterwegs. Was hier<br />
wächst, zeigt sich kultiviert: Apfelbäume stehen ordentlich in Reih und<br />
Glied. Die Plantagen sind von schnurgeraden Wettern durchzogen. Die<br />
Hausgärten sind ebenfalls akkurat gepflegt. Das Alte Land punktet mit<br />
prächtigen Fachwerkhäusern und Prunkpforten.<br />
Schmucke Obsthöfe mit dazugehörigen<br />
Plantagenreihen sich wie Perlen an einer<br />
Kette am Deich entlang.<br />
Das Brack am Estedeich kurz hinter Buxtehude ist stummer Zeuge<br />
eines Deichbruchs.<br />
Die Esteburg in Moorende ist ein rund 400 Jahre altes Herrenhaus, das seit Jahrhunderten<br />
„Schloss“ oder „Burg“ genannt wird. Auf dem Gelände befindet sich<br />
die Obstbauversuchsanstalt Jork.<br />
Die lebensgroße Bronze-Skulptur De ole Schipper (1989) des Bildhauers Carsten<br />
Eggers (* 1957) ist eine der Sehenswürdigkeiten von Estebrügge. Der alte Fahrensmann<br />
hat es sich auf einer Bank vor der Sparkasse im Ortskern gemütlich<br />
gemacht.<br />
Willy und sein Kumpel genießen die Wanderung auf der ebenen, weichen<br />
Deichkrone. Über ihren Köpfen setzt ein riesiges Transportflugzeug,<br />
eine Airbus Beluga XL, zum Landeanflug in Finkenwerder an.<br />
Die Männer kommen an der markanten Esteburg in Moorende vorbei.<br />
Das rund 400 Jahre alte Herrenhaus, das seit Jahrhunderten „Schloss“<br />
oder „Burg“ genannt wird, befindet sich im Privatbesitz der Familie<br />
Ehlers und ist nicht zu besichtigen. Auf dem Gelände des einstigen<br />
Hofs befindet sich die Obstbauversuchsanstalt Jork, deren Mitarbeiter<br />
wissenschaftliche Versuche durchführen und Landwirte in Fragen des<br />
Obstbaus beraten.<br />
Von der Esteburg bis zur Estebrücke in Estebrügge sind es nur noch ein<br />
paar Gehminuten. In Estebrügge überqueren die Wanderfreunde den<br />
Fluss auf der weiß-blau gestrichenen Drehbrücke für einen kurzen<br />
62<br />
Frühjahr 2021
Abstecher zur St.-Martins-Kirche. „Schon im Mittelalter gab es hier<br />
eine Brücke, die dem Ort auch ihren Namen gab. Bis ins 19. Jahrhundert<br />
war die Brücke in Estebrügge die einzige Überquerungsmöglichkeit<br />
am Unterlauf der Este“, weiß Willy. Der Weg von der Brücke zur<br />
Kirche ist nicht weit. Die Kirche aus Backstein wurde laut Inschrift<br />
über dem Nordportal im Jahre 1700 gebaut. Gottesdienstbesucher<br />
erfreuen sich am Klang der Arp-Schnittger-Orgel, die auf der oberen<br />
Empore steht. Auf dem Rückweg zur Estebrücke erblicken die Wanderer<br />
noch eine weitere Sehenswürdigkeit von Estebrügge: die lebensgroße<br />
Bronze-Skulptur De ole Schipper (1989) des Bildhauers Carsten<br />
Eggers (* 1957). Der alte Fahrensmann hat es sich auf einer Bank vor<br />
der Sparkasse im Ortskern gemütlich gemacht. „Ich freue mich auch<br />
schon auf mein Sofa“, sagt Willys Wanderfreund. Dann geht es zurück<br />
über die Brücke und die Wanderer marschieren weiter auf dem Deich<br />
an der Este entlang in Richtung Cranz. Doch bis zum große Estesperrwerk<br />
an der Mündung in die Elbe werden die Wanderfreunde heute<br />
nicht mehr kommen: An der nächsten Estebrücke, die im Verlauf des<br />
Obstmarschenweges die Jorker Ortsteile Klein Hove und Königreich<br />
verbindet, werden sie von einer treusorgenden Ehefrau mit dem Auto<br />
abgeholt <strong>–</strong> genau so, wie verabredet. „Die letzten 3,5 Kilometer bis zur<br />
Elbe hätten wir auch noch geschafft“, sagt Willy. Er fühlt sich immer<br />
noch fit wie ein Turnschuh, aber sein Kumpel ist froh, dass er jetzt im<br />
Auto neben seiner Liebsten sitzen darf.<br />
www.wandern-in-buxtehude.de<br />
Ab Buxtehude verläuft der Estewanderweg bis zur Flussmündung<br />
auf Hamburger Stadtgebiet auf dem Deich.<br />
Die Este <strong>–</strong> Das Buch<br />
Wer mehr über die Este und die Menschen am Fluss wissen will,<br />
dem sei die Lektüre des Buches „Die Este, von der Quelle bis zur<br />
Mündung“ ans Herz gelegt. Das Buch ist ein Schatz an Bildern<br />
und Geschichten über Natur, Geschichte, Kunst und Kultur entlang<br />
der Este. Marlis und Hans-Joachim Dammann aus Buxtehude<br />
haben das bebilderte Lesebuch im Wanderführerformat herausgegeben.<br />
Ihr Este-Buch ist ein wunderbares Stück Heimatgeschichte<br />
und eine einzigartige Liebeserklärung an den Fluss,<br />
der sich seit der Eiszeit seinen Weg zur Elbe bahnt und dabei die<br />
Landschaft formt. Über 40 Autoren beteiligen sich mit Beiträgen<br />
zu ganz unterschiedlichen Themen, die jedoch alle einen Bezug<br />
zur Este haben. Beschrieben werden nicht nur die verschiedenen<br />
Stationen, die der Fluss auf seinem 62 Kilometer langen Weg von<br />
der Quelle bis zur Mündung in die Elbe passiert, sondern auch<br />
besondere Menschen, die am und mit dem Fluss leben.<br />
Gebundene <strong>Ausgabe</strong>: 328 Seiten. Verlag: Atelier im Bauernhaus;<br />
Auflage: 1 (Oktober 2012)<br />
ISBN-13: 978-3881323550, Größe: 24,6 x 14,2 x 2,6 cm,<br />
Preis: 19,80 Euro.<br />
Frühjahr 2021 63
„enn’s „enn’s itta itta<br />
vom urme urme scol scol …“<br />
von Katrin Lembke<br />
Weule-Turmuhren aus dem Harzvorland und der<br />
Gang der Zeit in der Nordheide.<br />
Eine Weule Uhr von 1908<br />
zeigt den Toppenstedtern<br />
vom Turm des Spritzenhauses<br />
seit über 100 Jahren die<br />
exakte Uhrzeit.<br />
Fotos: Katrin Lembke<br />
Wer musste nicht das berühmte Gedicht „Herr von Ribbeck auf Ribbeck<br />
im Havelland“ in der Schule im Deutschunterricht auswendig<br />
lernen, verfasst 1889 von dem berühmten Schriftsteller Theodor Fontane<br />
(1819 <strong>–</strong> 1898)? „Wenn’s Mittag vom Turme scholl“, stopfte sich<br />
Herr von Ribbeck die Taschen voll. Er füllte sie mit Birnen, die er an<br />
vorbeikommende Kinder verschenkte.<br />
Nicht nur dem alten Herrn von Ribbeck (gemeint ist übrigens Hans-<br />
Georg von Ribbeck 1689-1759) und den Menschen in seinem Ort<br />
strukturierte die örtliche Turmuhr durch ihren stündlichen Schlag den<br />
Tagesablauf. Auch in der Nordheide, in Deutschland und weltweit war<br />
es ebenso. Während heutzutage die exakte Uhrzeit besonders durch die<br />
zuverlässige Anzeige auf Smartphones und Quarzuhren keine Frage<br />
mehr ist, sah es vor über 100 Jahren noch ganz anders aus. Wand- oder<br />
Standuhren waren ein Luxus in den Stuben wohlhabender Bauern oder<br />
Bürger, von denen manch einer auch stolz auf seine Taschenuhr war.<br />
Diese zog er an einer Kette aus der Westentasche, um die Zeit abzulesen.<br />
Die Mehrzahl der damaligen Bevölkerung kannte so einen seltenen<br />
Luxus nicht und konnte die Uhrzeit anhand von Sonnen-, Sand- oder<br />
Wasseruhren nur ungenau schätzen. Da die Menschen aber trotzdem<br />
pünktlich zur Schule, Arbeit oder Eisenbahn gelangen mussten, ergab<br />
sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine große Nachfrage nach<br />
zuverlässigen Turmuhren. Ihren Platz fanden sie üblicherweise am<br />
höchsten Punkt des Ortes, damit die Zifferblätter möglichst weit sichtbar<br />
und der Klang der Glocke über große Entfernungen zu hören war.<br />
Die Kenntnis der genauen Uhrzeit, nach der sich die Bauern auf dem<br />
Feld, die Schulkinder und die Bahnfahrenden richteten, wurde so vom<br />
Privileg Einzelner zu einem Allgemeingut für alle.<br />
Auch wenn elektrischer Strom am Ende des 19. Jahrhunderts schon<br />
verfügbar war, wurden fast alle öffentlichen Großuhren durch mechanische<br />
Uhrwerke angetrieben, die mit einer Kurbel durch Muskelkraft<br />
aufgezogen wurden. Die an Seilen befestigten, in die Höhe gezogenen<br />
Gewichte sorgen beim Absinken durch ihre Schwerkraft dafür, dass sich<br />
die Zahnräder des Uhrwerkes in Bewegung setzen. Das typische Ticken<br />
wird durch die Bewegung am Ankerrad durch den Anker erzeugt. Die<br />
Zeiger drehen sich auf dem Zifferblatt, so dass zuverlässig die Uhrzeit<br />
abgelesen werden kann. Die zur vollen Stunde (manchmal auch zur<br />
Halben- oder Viertelstunde) angeschlagenen Glocken geben zusätzlich<br />
64 Frühjahr 2021
ein akustisches Signal. Zu der Zeit, als<br />
Kaiser Wilhelm II. (1859 <strong>–</strong> 1941) Deutschland<br />
regierte, waren Turmuhren aus der<br />
Fabrik der Familie Weule in Bockenem am<br />
Harz weltweit Marktführer. Bereits am 20.<br />
Oktober 1836 hatte der Uhrmacher Johann<br />
Friedrich Weule (1811 <strong>–</strong> 1897) das Unternehmen<br />
gegründet und lieferte nach acht<br />
Monaten Arbeit im selben Jahr seine erste<br />
Turmuhr an die Marktkirche in Goslar aus.<br />
Dass sie noch heute einwandfrei funktioniert,<br />
beweist ihre Langlebigkeit und Qualität.<br />
Auch wenn die Firma Weule eine Garantie<br />
von 5 <strong>–</strong> 20 Jahren gewährte, wurden die<br />
Uhren durch ihre unverwüstliche Konstruktion<br />
für die Ewigkeit gebaut. Im Gegensatz<br />
zu Vorgänger- und Konkurrenzmodellen<br />
waren sie auch für Laien leicht zu bedienen<br />
und mussten nur einmal wöchentlich mit<br />
einer Handkurbel aufgezogen werden, ein<br />
damals nicht zu vernachlässigender Aspekt.<br />
Es war nämlich nicht nur anstrengend, das<br />
in luftigen Höhen auf Dachböden oder in<br />
Türmen aufgestellte Uhrwerk über oft<br />
wackelige Leitern zu erreichen, sondern<br />
auch das Aufziehen ein schweißtreibender<br />
Kraftakt, auch wenn Johann Friedrich<br />
Weule 1890 in seinem Preis-Verzeichnis<br />
schrieb „sämtliche Uhren sind derartig<br />
eingerichtet, dass das Aufziehen der Gewichte<br />
auch von einem weniger kräftigen Manne<br />
mühelos bewirkt werden kann“. Waren im<br />
Turm keine passenden Glocken zum Anschlagen<br />
vorhanden, wurden diese ebenfalls von<br />
Weule gegossen und gleich mitgeliefert.<br />
Offenbar fanden nur beste Materialien bei<br />
der Herstellung der Uhrwerke Verwendung,<br />
Gusseisen für die Gestelle und Bronze für die<br />
Zahnräder. Bei so viel Fortschrittlichkeit<br />
und effizienten Produktionsmethoden war es<br />
kein Wunder, dass Weule-Turmuhren im Jahr<br />
1890 auf 16 Messen und Weltausstellungen,<br />
wie z. B. 1879 in Sydney, ausgezeichnet<br />
worden waren und es im norddeutschen<br />
Raum bald kaum eine Großuhr gab, die<br />
nicht aus Bockenem stammte <strong>–</strong> sogar die<br />
Hamburger Rathausuhr zählt dazu.<br />
Im Bereich des heutigen Landkreises Harburg<br />
wurden laut dem Lieferverzeichnis der<br />
Firma Weule zwischen 1882 und 1925 offi-<br />
Bild oben: St. Jakobi in Hanstedt, Turmuhr von 1882,<br />
inzwischen elektrisch unterstützt.<br />
Bild rechts: Mit 36 Metern Höhe ist der Kirchturm mit<br />
Zifferblättern der 1882 erbauten St. Jakobi-Kirche<br />
in Hanstedt nicht zu übersehen.<br />
Bild unten links: Ein mittlerweile stillgelegtes Weule-<br />
Uhrwerk diente als Antrieb für das Zeigerwerk auf<br />
einem heute abmontierten kunstvollen Zifferblatt.<br />
Einst zierte es die 1909 erbaute Villa Schnede<br />
bei Vierhöfen des Hamburger Kaufmanns und<br />
argentinischen Konsul Wiedenbrück.<br />
Bild unten rechts: Das hundertjährige Schulhaus in<br />
Nindorf wird heute privat genutzt. Die alte Schuluhr<br />
wurde durch ein sogenanntes Plantagenuhrwerk<br />
angetrieben, welches eigentlich für den Export<br />
nach Übersee konzipiert worden war.<br />
Frühjahr 2021 65
Ein Betglockenwerk (links) ergänzt das mächtige Uhrwerk von 1911 in<br />
der St- Nicolai-Kirche in Elstorf.<br />
Wie tickt die Uhr? Ankerrad und Anker erzeugen nicht nur den<br />
regelmäßigen Gang, sondern sorgen auch für auch das typische Ticken.<br />
ziell 20 Turmuhren geliefert, von denen die Hälfte Kirchenuhren sind<br />
und ein Großteil noch mechanisch angetrieben wird. Es handelt sich<br />
um die evangelischen Kirchen in Egestorf (1910), Elstorf (1911),<br />
Hanstedt (1882), Hittfeld (1891), Nenndorf (1925), Pattensen<br />
(1906), Ramelsloh (1889), Salzhausen, Sinstorf (1887) und Undeloh<br />
(1920). Kleinere Modelle wurden an Schulen in Orten ohne Kirche<br />
geliefert, und zwar an die Dorfschulen in Maschen (1904), Nindorf<br />
(um 1921) und Helmstorf (Baujahr unbekannt). Auf dem Gut Schnede<br />
bei Salzhausen gab es gleich zwei Weule-Uhren: Eine wurde 1908 im<br />
Herrenhaus aufgestellt und die andere 1912 auf dem dazugehörigen<br />
Reiterhof. Auch in Döhle befindet sich noch heute eine Turmuhr auf<br />
einem Gut. Spritzenhäuser waren durch die Höhe ihrer Schlauchtürme<br />
beliebte Aufstellungsorte, nämlich in Wulfsen (1925), Scharmbeck<br />
(1928) und Toppenstedt (1913). Das Winsener Rathaus weist eine<br />
Besonderheit auf: Eine Weule-Turmuhr mit gläsernem Zifferblatt.<br />
Die Kunden hatten bei der Kaufentscheidung die Wahl aus einer Vielfalt<br />
an Modellen und Zubehör. War eine Uhr für einen Dom, ein Rathaus,<br />
eine Fabrik, Schule oder einen Gutshof vorgesehen? Für jede<br />
Anforderung und jeden Geldbeutel gab es Angebote in verschiedensten<br />
Größen, Varianten und Ausstattungen, was auch für die unterschiedlichen<br />
Zifferblätter und Zeiger galt. Es waren 53 Arbeiter, die um 1890<br />
etwa 150 Uhrenanlagen in für damalige Verhältnisse hochmodernen<br />
Produktionsanlagen mit Dampfbetrieb, Eisen- und Metallgießerei<br />
jährlich bauten. War das technische Meisterwerk fertig, reisten Weule-<br />
Monteure persönlich mit ihrer wertvollen Fracht per Schiff oder Bahn<br />
zu den Kunden. Sie lieferten und montierten die Uhren nicht nur in<br />
Deutschland auf Dächern und Dachböden, sondern auch in Europa<br />
und weltweit. Insgesamt wurden ca. 14.000 Uhren während 120 Jahren<br />
Dietmar Pauw erweckte in seiner Winsener Werkstatt schon viele defekte<br />
Turmuhren zu neuem <strong>Leben</strong>.<br />
Das gediegene Gründerzeit-Büro der Weule-Firmenlenker in<br />
Bockenem <strong>–</strong> Zentrale eines weltweiten Handels-Netzwerkes<br />
(Rekonstruktion).<br />
66 Frühjahr 2021
Der hölzerne Pattensener Glockenturm<br />
von 1633 (renov. 1850) wird durch drei<br />
Weule-Zifferblätter geschmückt.<br />
Christel Meyer zeigt vollen Körpereinsatz beim Gewichte-<br />
Aufziehen des Pattensener Uhrwerkes.<br />
Normalerweise nicht wahrnehmbar: Das Größenverhältnis<br />
von Zifferblatt zum Uhrwerk,<br />
gezeigt im Turmuhrenmuseum Bockenem.<br />
Firmengeschichte in Bockenem produziert, damit sich auch in China,<br />
Lateinamerika und Afrika die Menschen an einer exakten Uhrzeit<br />
orientieren konnten. Ein berühmtes Beispiel ist die große Turmuhr mit<br />
Glockenspiel in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, die noch<br />
heute perfekt funktioniert. Obwohl Weule-Turmuhren noch an vielen<br />
Orten präsent sind, verloren sie mit der Verbreitung der Armbanduhr<br />
allgemein an Beachtung und gerieten schrittweise in Vergessenheit. Es<br />
gibt aber trotzdem Menschen, die aus ganz verschiedenen Blickwinkeln<br />
intensive Erfahrungen mit ihnen gemacht haben und sich noch heute<br />
für die technischen Wunderwerke vergangener Tage begeistern, wie die<br />
folgenden Beispiele zeigen:<br />
Dietmar Pauw aus Winsen <strong>–</strong><br />
Ostfriesischer Turmuhrenretter aus Leidenschaft.<br />
Schon als Schüler jobbte Dietmar Pauw (68) in seiner Heimatstadt<br />
Aurich begeistert bei einem Uhrmacher und entdeckte seine Vorliebe<br />
für mechanische Zeitmesser, aus der sich Anfang der 1990 Jahre eine<br />
intensive Sammelleidenschaft entwickelte. Es waren nicht etwa Armbanduhren,<br />
die es ihm angetan hatten, sondern antike Turmuhren, die<br />
er fachgerecht restaurierte. Sogar ein eigenes Turmuhrenmuseum mit<br />
50 Turmuhren eröffnete er in der ostfriesischen Stadt Norden zu einem<br />
Zeitpunkt, als er 121 Uhren sein Eigen nannte.<br />
Nach Beendigung seiner Tätigkeit als Leiter der Sendetechnik bei<br />
Norddeich Radio zog es Dietmar Pauw 1997 nach Winsen an der Luhe<br />
und da ihm dort der benötigte Platz fehlte, musste er seine riesige<br />
Turmuhrensammlung mit einem Gewicht von 44 t notgedrungen auf<br />
50 Exemplare reduzieren. Auch wenn Dietmar Pauw seine größte Weule-Uhr<br />
an das Turmuhrenmuseum Bockenem gegeben hat, so besitzt er<br />
neben anderen Fabrikaten auch noch fünf Weule Uhren mittlerer Größe,<br />
wie sie auf Gutshöfen gern eingesetzt wurden, und wartet auch<br />
regelmäßig verschiedene Turmuhren im norddeutschen Raum. Momentan<br />
restauriert er das 60 cm große Weule-Uhrwerk der alten Maschener<br />
Volksschule, welches 1904 gebaut und den Dorfbewohnern bis in die<br />
Mitte der 1960er Jahre zuverlässig die Zeit angezeigt hatte, bevor es<br />
ausgemustert viele Jahrzehnte unbeachtet im Keller des Dorfhauses ein<br />
trauriges Dasein in einer Ecke fristete. Ein Teil der alten Anlage wurde<br />
jedoch vor 25 Jahren reaktiviert, als eins von zwei Zifferblättern und<br />
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Frühjahr 2021 67
eine Glocke mit elektrischem Antrieb in einem Türmchen auf dem<br />
Dorfhausdach installiert wurden. Zu dem eigentlichen mechanischen<br />
„Herz“ diagnostiziert Dietmar Pauw: „Auch wenn das Werk immer gut<br />
geölt wurde und wenig Verschleiß aufweist, so wurde der Rahmen<br />
damals durch den Hersteller mit Teer gestrichen und hat im Laufe der<br />
Zeit Rost angesetzt,“ und ergänzt „diese Schichten musste ich erst<br />
einmal mühselig entfernen und nun erhält der Rahmen einen eleganten<br />
matten, schwarzen Anstrich.“<br />
Auch wenn Weule-Uhren bei richtiger Pflege ewig laufen, so war das<br />
Aufziehen vielen Küstern lästig, weshalb etwa 50 % der von Weule<br />
gebauten Turmuhren in den 1960er Jahren einfach vom Turm geworfen<br />
wurden, damit der Standort „besenrein“ zum Einbau wartungsarmer,<br />
elektrischer Uhrwerke übergeben werden konnte. Mit Grausen erinnert<br />
sich Dietmar Pauw daran und an die Schrotthändler, die schon auf<br />
reiche Beute lauerten, um die eisernen Riesen unentgeltlich mitzunehmen.<br />
Dietmar Pauw ist ein Uhrenretter, der aus manch einer defekten<br />
oder zerstörten Großuhr ein glänzendes und gleichmäßig tickendes<br />
Prachtstück gemacht hat. Und was ist, wenn mal ein Teil fehlt? „Dann<br />
baue ich einfach eins nach“, verrät der erfahrene Experte schmunzelnd.<br />
Christel Meyer dreht regelmäßig am Rad<br />
der großen Pattenser Kirchturmuhr von 1908.<br />
„Nachdem die dänischen Truppen 1627 während des Dreißigjährigen<br />
Krieges die Kirche St. Gertrud in Pattensen bei Winsen (Luhe) und den<br />
dazugehörigen Glockenturm vernichtet hatten, dauerte es bis 1633, bis<br />
das Ensemble vollständig wiedererrichtet werden konnte,“ erinnert<br />
sich Peter Dederke, der die Pattensener Ortsgeschichte gründlich<br />
erforschte und 2004 als erfolgreiches Buch publizierte. Der Turmbau<br />
war solide, denn erst 1850 mussten Renovierungsarbeiten vorgenommen<br />
werden. Die alte Stundenglocke, die im Jahr 1700 angeschafft<br />
worden war, hatte noch steinerne Gewichte und wurde täglich aufgezogen.<br />
Als sie 1906 nicht mehr repariert werden konnte, wurde eine<br />
zügige Neuanschaffung nötig. Die Wahl fiel schnell auf ein großes<br />
Modell der Firma Weule aus Bockenem. Zusätzlich wurde der Beschluss<br />
gefasst, gleich drei große Zifferblätter im Glockenturm einzubauen,<br />
damit die Uhrzeit von allen Seiten für jeden sichtbar war. 1.800 Mark<br />
kostete das Prachtstück damals, welches durch einen mitgelieferten<br />
schwarz-goldenen Uhrschrank vor Staub, Spinnen und Fledermäusen<br />
geschützt auf der ersten Turmetage aufgestellt wurde. Anstatt die Uhr<br />
täglich aufzuziehen, war dieser Vorgang nun nur noch alle acht Tage<br />
nötig.<br />
Nach 114 Jahren steht das technische Wunderwerk aus Pattensen noch<br />
unverändert an derselben Stelle und wird seit 2004 durch die Küsterin<br />
Christel Meyer (59) aus Wulfsen und einige technisch versierte Freiwillige<br />
betreut und aufgezogen. „Zuerst hatten die Uhr und ich manchmal<br />
Meinungsverschiedenheiten, wenn sie beispielsweise „3 Uhr“ anzeigte<br />
und viermal schlug,“ lacht Christel Meyer, „mittlerweile haben sich<br />
diese Startschwierigkeiten jedoch gelegt und die Uhr ist für mich wie<br />
ein kleines Lebewesen. Im Sommer geht sie schneller, dass ich sie<br />
manchmal bremsen muss und im Winter tickt sie langsamer.“<br />
Wenn die Uhr komplett abgelaufen ist, dauert es 15 Minuten, um sie<br />
Kunstvolle Zifferblätter sind für jeden Turm eine Zier und verdeutlichen den Lauf der Zeit. Hier in Ramelsloh (St. Sixtus und Sinnitus), Winsen (Rathaus),<br />
Elstorf (St. Nicolai) und Hittfeld (St. Mauritius).<br />
68<br />
Frühjahr 2021
Bild links: Uhrmacher<br />
Johann Friedrich Weule<br />
(1811 <strong>–</strong> 1897), Gründer einer<br />
ehemaligen Weltfirma.<br />
Bild rechts: Turmuhrenproduktion<br />
in der Bockenemer<br />
Fabrik um 1912.<br />
wieder aufzuziehen, weshalb Christel Meyer lieber zweimal wöchentlich<br />
die Handkurbel dreht. Alles muss bei diesem Modell einzeln aufgezogen<br />
werden, d. h. die mittelschwere Stundenanzeige, die leichtgängige<br />
Minutenanzeige (dauert dafür länger) und separat die Betglocke, auch<br />
„Vater-Unser-Glocke“ genannt. Während die Uhr zur halben und<br />
ganzen Stunde schlägt, so erklingt die Betglocke um 8, 12 und 18 Uhr.<br />
Sie schlägt dreimal drei Schläge mit kleinen Pausen dazwischen. In<br />
diesem Rhythmus ist es möglich, ein „Vater-Unser“ zu beten. Eine<br />
mechanische Turmuhr aufzuziehen ist besonders an heißen Sommertagen<br />
anstrengend, weshalb sich Frau Meyer auch darüber freut, wenn<br />
Jugendliche diese Aufgabe manchmal mit Begeisterung übernehmen.<br />
Hat sie schon einmal darüber nachgedacht, die Uhr auf elektrischen<br />
Betrieb umstellen zu lassen? „Nein, solange ich körperlich dazu in der<br />
Lage bin, möchte ich immer weitermachen. Eine Umstellung ist für uns<br />
in Pattensen keine Option,“ sagt Christel Meyer entschieden, streicht<br />
liebevoll über das glänzende Eisengestell und verschließt den erhaben<br />
tickenden Riesen bis zum nächsten Aufziehen wieder in seinem Uhrschrank<br />
im Pattensener Glockenturm.<br />
Dem Erbe verpflichtet <strong>–</strong><br />
Das Bockenemer „Museum der Zeit“.<br />
Auch wenn die J. F. Weule-Turmuhrenfabrik zwei Weltkriege überstanden<br />
hatte, zogen in der Nachkriegszeit elektrische Turmuhren ihren<br />
Siegeszug an, so dass das Unternehmen 1952 nach über 100 Jahren<br />
Firmengeschichte und drei Inhabergenerationen den Betrieb einstellen<br />
musste. Auch das alte Fabrikgelände wurde 1979 abgerissen und es ist<br />
nur noch ein Straßenname, der an den zeitweise größten Arbeitgeber<br />
Bockenems erinnert und das Grabmal des Firmengründers Johann<br />
Friedrich Weule auf dem örtlichen Friedhof. Um die Erinnerung<br />
aufrecht zu erhalten und das Erbe zu bewahren, verlagerte das 1970 am<br />
idyllischen Buchholzmarkt in einem alten Fachwerkhaus gegründete<br />
Die Fritzlaer Weule-Turmuhr von 1911 als Gaststar bei der Neuverfilmung<br />
des Kinderbuches „Das kleine Gespenst“ von Otfried Preußler<br />
im Jahr 2012.<br />
Die Inbetriebnahme und Bedienung einer Weule-Turmuhr ist kein<br />
Hexenwerk, musste für Laien aber trotzdem verständlich erläutert<br />
werden.<br />
Frühjahr 2021 69
Museumsleiter Hans-Jörg Drake und Günther Haars können Besucher<br />
für mechanische Großuhren vergangener Tage begeistern.<br />
Seitenansicht des Turmuhrenmuseums am Bockenemer Buchholzmarkt<br />
mit klingendem Weule-Glockenspiel, damals ein beliebtes Produkt.<br />
Heimatmuseum mittlerweile seinen thematischen Schwerpunkt und<br />
präsentiert liebevoll restaurierte Turmuhren aus allen Epochen der<br />
Firmengeschichte in diversen Größen und technischen Finessen. Als<br />
WILD AUF<br />
Vergleichsobjekte sind einige ältere Turmuhren und solche anderer Fabrikate<br />
zu bestaunen. Viele von ihnen hat der Museumsleiter Hans-Jörg<br />
Drake (80), der ein Technikstudium absolvierte und seit 2017 die<br />
WILDEICHE<br />
Geschicke des Hauses lenkt, selbst restauriert. Als gebürtiger Berliner<br />
kam er als Neunjähriger 1947 als sogenanntes „Luftbrückenkind“<br />
erstmals nach Bockenem. Nach einem Arbeitsleben It’s a tree in Berlin story. kehrte er<br />
nach seiner Pensionierung mit seiner aus Bockenem stammenden Frau<br />
in die malerische Stadt im Ambergau zurück. Mitreißend berichtet der<br />
technikbegeisterte Museumsleiter über die Zeit, als eine Museums-<br />
Turmuhr sogar zum Filmstar als Requisite des Films „Das kleine<br />
Gespenst“ wurde. Nachdem er die gigantische Fritzlaer Domuhr von<br />
1911 in mehreren hundert Arbeitsstunden restauriert hatte, erreichte<br />
ihn eine Anfrage aus München. Anlässlich des 90. Geburtstages des<br />
Kinderbuchautors Otfried Preußler sollte das berühmte Kinderbuch<br />
„Das kleine Gespenst“ 2012 neu verfilmt werden und eine große Turm-<br />
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Frühjahr 2021
uhr wurde dringend als Requisite benötigt. „Dazu haben wir die Uhr<br />
zerlegt, in die Münchener Eisbach-Studios transportiert und in die<br />
Kulisse eingefügt. Wohlbehalten kehrte sie nach sechs Wochen Drehzeit<br />
ins Museum zurück.“ Bedauerlich war es nur, dass Otfried Preußler<br />
kurz vor der Premiere 2013 verstarb und den Filmerfolg nicht miterleben<br />
durfte.<br />
Oft werden dem Museum ausgediente Turmuhren angeboten, die in den<br />
Kirchen aus Altersgründen niemand mehr aufziehen und weshalb man<br />
sich von ihnen trennen möchte. In der Ausstellung wird jeder Winkel<br />
für 60 ausgestellte Uhrwerke genutzt und die Kapazitäten sind vollständig<br />
ausgeschöpft. Deshalb rät Hans-Jörg Drake in solchen Fällen<br />
dazu, die Uhrwerke beispielsweise im Kirchenraum stillgelegt auf<br />
einem Ehrenplatz als Anschauungsobjekt zu präsentieren.<br />
Neben faszinierender Technik gibt es im Museum weitere Attraktionen<br />
zu bestaunen. Wechselnde Sonderausstellungen zu künstlerischen Themen<br />
werden ergänzt durch eine beeindruckende Dauerausstellung.<br />
Gemeinsam mit dem Ehepaar Doris (62) und Günther Haars (66)<br />
haben Hans-Jörg-Drake und seine Frau Erika nicht nur ein Original-<br />
Biedermeierzimmer rekonstruiert, sondern auch regionalgeschichtliche<br />
Themen herausgearbeitet. Eindrucksvoll ist die detailreich dargestellte,<br />
wechselvolle Geschichte der Firma Weule. Das nachempfundene<br />
Gründerzeit-Büro des Firmenlenkers Friedrich Weule ziert dessen<br />
Portrait in Öl und das Bildnis seiner Gattin Wilhelmine-Anna, Tochter<br />
des wohlhabenden Hildesheimer Tapetenfabrikanten Peine. Zeitgenössische<br />
Erinnerungsfotos und -stücke werden ergänzt um den weitverzweigten<br />
Stammbaum der Weule-Familie. Schnell tauchen die Besucherinnen<br />
und Besucher in die gute alte Zeit ein und ahnen wie es damals<br />
gewesen sein mag, als die Uhren noch langsamer tickten und die Menschen<br />
sich danach richteten, wenn es<br />
„Mittag vom Turme scholl“.<br />
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von Carsten Weede<br />
Carsten Recht bringt seine Passagiere mit der<br />
„Wilden Erika“ über den Jordan in bezaubernde<br />
„Böhmesche Dörfer“.<br />
Die Diesel-Lokomotive „Wilde Erika“ ist heute<br />
für die Böhmetalbahn <strong>–</strong> der einzigen Schmalspurbahn<br />
in der Lüneburger Heide <strong>–</strong> zwischen<br />
den Walsroder Ortschaften Hollige und Altenboitzen<br />
im Einsatz. Fotos: Böhmetalbahn<br />
Wer Eisenbahnromantik buchstäblich erfahren will, der ist bei Carsten<br />
Recht goldrichtig. Praktisch sein ganzes <strong>Leben</strong> lang hat sich der gebürtige<br />
Heidjer mit der Geschichte und der Technik von Kleinbahnen in<br />
Deutschland und dem europäischen Ausland befasst <strong>–</strong> als Autor, Verleger<br />
und Herausgeber von Fachliteratur ebenso wie als Ideengeber<br />
und Verwirklicher von Bahn-Projekten. Carsten Recht hat es sich zur<br />
<strong>Leben</strong>saufgabe gemacht, ein Stück Eisenbahngeschichte zu bewahren<br />
<strong>–</strong> dabei hängt sein Herz besonders an den kleinsten Lokomotiven und<br />
Waggons.<br />
Sogenannte Klein- oder Feldbahnen waren einst unverzichtbar für den<br />
Transport schwerer Lasten in der Landwirtschaft oder in Betrieben.<br />
Die Mini-Eisenbahnen mit Spurbreiten von 40 bis 100 Zentimetern<br />
waren bis in die 1950er-Jahre auch hierzulande noch weit verbreitet.<br />
Inzwischen sind die Kleinbahnen bis auf wenige Ausnahmen stillgelegt<br />
worden. Carsten Recht und seine Mitstreiter wollen retten, was noch zu<br />
retten ist. Sie bieten mit der Böhmetalbahn einen nostalgischen und<br />
authentischen Museumsbetrieb an und laden Menschen zur „Entschleunigung“<br />
ein: Bei einer Fahrt mit der Bimmelbahn durch die Heide<br />
entdecken viele die wohltuende Wirkung der Langsamkeit.<br />
Carsten Recht, 1946 in Holm-Seppensen geboren, ist nicht nur ein<br />
absoluter Eisenbahn-Enthusiast, sondern auch ein ausgewiesener<br />
„Macher“ in Sachen Museumsbahnen. Seit seiner Schulzeit engagiert<br />
sich der ausgebildete Verwaltungsfachangestellte, Journalist und Sachbuch-Autor<br />
für den Erhalt oder die Wiederbelebung von stillgelegten<br />
Bahnstrecken: „Schon 1962 versuchte ich, den Rückzug aus der Fläche<br />
der damaligen Deutschen Bundesbahn zumindest für meinen Heimatort<br />
Holm-Seppensen zu verhindern“, erinnert sich Carsten Recht. Der<br />
Jugendliche schrieb einen Brandbrief an den damaligen Bundesverkehrsminister<br />
Hans-Christoph Seebohm. „Geholfen hat das allerdings<br />
nichts“, räumt er ein. Doch Rückschläge haben den Eisenbahn-Aficionado<br />
nie komplett aus der Spur bringen können. Zwar hat er einige<br />
Projekte angeschoben, die dann nach mehr oder weniger langer Laufzeit<br />
wieder eingestellt wurden, aber entmutigen lässt sich der Heidjer<br />
davon nicht.<br />
74 Frühjahr 2021
Eines dieser Projekte war die „Wilde Erika“,<br />
die Feldbahn nahe Handeloh durch das<br />
Büsenbachtal. Die Bahn sollte nach den<br />
Planungen von Carsten Recht, damals<br />
Geschäftsführer der Feld- und Kleinbahn-<br />
Betriebs-GmbH (FKBG), ursprünglich vom<br />
DB-Haltepunkt Büsenbachtal der Heidebahn<br />
zum Demeter-Bauernhof Wörme<br />
führen und landwirtschaftlichen Zwecken<br />
dienen. Errichtet wurde allerdings nur ein<br />
Teilstück; der DB-Haltepunkt wurde nicht<br />
erreicht. Die Eröffnung des EXPO<br />
2000-Projekts fand 1999 statt. Doch wegen<br />
Anwohnerbeschwerden ließ die Gemeinde<br />
Handeloh den geplanten Weiterbau der<br />
Bahn nicht zu. Die letzte Fahrt für Passagiere<br />
erfolgte am 29. September 2002; danach<br />
wurde die Strecke abgebaut. „Warum so<br />
manches gute Projekt von mir wieder beendet<br />
worden ist? Ich lasse mich von nichts und<br />
niemanden zu etwas zwingen, was ich nicht<br />
will!“, sagt Carsten Recht rückblickend. Ich<br />
habe mich bemüht, immer den geraden Weg<br />
zu gehen, auch wenn es manchmal weh tat<br />
und zu meinem Nachteil war“, sagt Carsten<br />
Recht. Die Diesel-Lokomotive, die damals<br />
durch das Büsenbachtal rollte, ist heute als<br />
„Wilde Erika“ für die Böhmetalbahn zwischen<br />
den Walsroder Ortschaften Hollige<br />
und Altenboitzen im Einsatz. Bei der Böhmetalbahn<br />
<strong>–</strong> der einzigen Schmalspurbahn<br />
in der Lüneburger Heide <strong>–</strong> ist Carsten Recht<br />
heute nicht nur ehrenamtlicher Geschäftsführer<br />
der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft,<br />
sondern auch Lokführer, Schienenwärter,<br />
Fahrdienstleiter, Mechaniker,<br />
Gleisbauer, Streckenkontrolleur, Rostklopfer,<br />
Maler, Ansprechpartner für Medienvertreter,<br />
Experte für die rechtliche Situation<br />
von Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen<br />
und vieles mehr.<br />
Die „Wilde Erika“ rollte früher<br />
durch das Büsenbachtal.<br />
Bei den Fahrten durch die „Böhmeschen<br />
Dörfer“ und über den Jordan, so heißt<br />
tatsächlich ein Nebenfluss der Böhme, unterhält<br />
Carsten Recht die Passagiere auch mit<br />
interessanten Details aus der Eisenbahngeschichte.<br />
Wenn die Bimmelbahn Straßen<br />
quert, übernimmt der Chef der Böhmetalbahn<br />
<strong>–</strong> ausgestattet mit Signalweste und<br />
orange-weißer Warnflagge <strong>–</strong> persönlich die<br />
Absicherung. Die „Wilde Erika“ muss auf<br />
der relativ kurzen Strecke von Altenboitzen<br />
bis Hollige tatsächlich mehrere Straßen<br />
queren. In Hollige angekommen, wo Niedersachsens<br />
einziger <strong>–</strong> und mittlerweile sogar<br />
denkmalgeschützter <strong>–</strong> Wellblechbahnhof zu<br />
bewundern ist, muss rangiert werden: Weil<br />
es nur ein kurzes Nebengleis, aber kein<br />
Ausweichgleis gibt, wird die „Wilde Erika“<br />
kurzerhand abgekoppelt und ans andere<br />
Ende des Bahnhofs gefahren. Eine zweite<br />
Lok, die „Hermann Löns“, zieht den Zug an<br />
der „Wilden Erika“ vorbei, so dass diese sich<br />
wieder in Fahrtrichtung davor setzen kann.<br />
Nach dem Rangiermanöver geht die Fahrt<br />
wieder zurück in Richtung Altenboizen. Die<br />
Lokomotive „Hermann Löns“ bleibt in<br />
Hollige Bahnhof. Dort gibt es für alle Fahrgäste<br />
eine Runde Apfelsaft oder eine Tasse<br />
leckeren Kaffee. Auf dem Weg nach Altenboitzen<br />
hält der Zug bei Bedarf erst einmal in<br />
„Hollige West“. „Wer will, kann dort auch<br />
den schönen Weg zur Böhme runter wandern“,<br />
sagt Carsten Recht.<br />
Weiter geht die Fahrt zunächst nach Altenboitzen<br />
Dorf, wo auch Kaffee und Kuchen<br />
angeboten wird. Weiter geht es zurück zum<br />
Startpunkt. Doch in Altenboitzen ist noch<br />
nicht Schluss, denn von dort geht es weiter<br />
nach Klein Eilstorf und von dort auch<br />
wieder zurück nach Altenboitzen Bahnhof.<br />
Insgesamt beträgt die Fahrtdauer auf diesem<br />
insgesamt sieben Kilometer langen<br />
Wer lieber aus eigener Kraft vorankommen möchte, kann mit der Draisine<br />
auf die Strecke gehen: Die Draisinen haben jeweils sechs Plätze,<br />
von denen zwei mit Fahrradsattel und Tretmechanismus versehen sind.<br />
2019 konnten die Eisenbahnfreunde von der Böhmetalbahn eine historische<br />
Dampflok erwerben, die 1927 für eine Zuckerfabrik in Argentinien gebaut<br />
wurde. Die Eisenbahnfreunde in Altenboitzen sind dabei, die Lok zu restaurieren.<br />
Frühjahr 2021 75
Bei einer Fahrt mit der Bimmelbahn durch die Lüneburger Heide entdecken<br />
viele Ausflügler die wohltuende Wirkung der Langsamkeit.<br />
Mit Muskelkraft durch die Heide <strong>–</strong> nicht nur zur Heideblüte ein ganz<br />
besonderes Vergnügen.<br />
Abschnitt der stillgelegten Bahnstrecke Verden <strong>–</strong> Walsrode Nord laut<br />
Fahrplan 1 Stunde und 30 Minuten. Gefahren wird in der Saison<br />
sonn- und feiertags von Ostern bis 31. Oktober jeweils um 11.15 Uhr<br />
und sonnabends um 13 Uhr <strong>–</strong> immer ab Altenboitzen Bahnhof.<br />
Wer lieber aus eigener Kraft vorankommen möchte, kann mit der<br />
Draisine auf die Strecke gehen: Heidetouristen und Ausflügler können<br />
in der Saison vom 1. Mai bis 3. Oktober täglich eine Draisine mieten<br />
und dann mit reiner Muskelkraft selbst für das Vorwärtskommen auf<br />
den Schienen sorgen. Die Draisinen starten täglich um 11 Uhr ab<br />
Altenboitzen und haben jeweils sechs Plätze, von denen zwei mit Fahrradsattel<br />
und Tretmechanismus versehen sind. „Wir haben insgesamt<br />
vier solche Fahrraddraisinen mit insgesamt 24 Plätzen. Acht Passagiere<br />
können also in die Pedale treten. Jugendliche ab zehn Jahren <strong>–</strong><br />
sofern sie sitzend an den Tretmechanismus herankommen <strong>–</strong> können<br />
mittreten“, erklärt Carsten Recht. Obwohl die Strecke wenig Steigung<br />
hat, muss der Fahrgast ordentlich in die Pedale treten, um auf der<br />
Schmalspurbahn mit 600 Millimetern Spurweite voranzukommen.<br />
„Bundesweit bietet die Böhmetalbahn als einzige Draisinen-Fahrten<br />
auf der 600 Millimeter-Spur an“, betont der Geschäftsführer.<br />
Wer nicht ganz so sportlich unterwegs ist und es lieber gemütlich hat,<br />
lässt sich eben am Wochenende mit der Bimmelbahn fahren. Startpunkt<br />
ist immer der alte Bahnhof in Altenboitzen. Die Fahrkarte für die rund<br />
eineinhalbstündige Tour kostet zehn Euro für Erwachsene und fünf<br />
Euro für Kinder. Es gibt ein Familienticket, und der Zug kann auch für<br />
Sonderfahrten mit Gruppen ab 15 Personen gebucht werden. Die<br />
„Wilde Erika“ kann maximal 100 Fahrgäste befördern <strong>–</strong> in geschlossenen<br />
und in offenen Waggons, die sogar für Rollstuhlfahrer geeignet<br />
sind. „Sonderzüge sind nach Absprache auch wochentags jederzeit<br />
Zwischendurch können die Passagiere der Böhmetalbahn auch mal<br />
aussteigen, um sich inmitten der reizvollen Landschaft die Beine zu vertreten.<br />
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat sich schon<br />
von Carsten Recht (rechts) mit der Bimmelbahn durch die Heide fahren<br />
lassen und die Tour genossen.<br />
76<br />
Frühjahr 2021
RZ-FaMi-Stempel_2019.pdf 1 04.07.19 09:15<br />
möglich. Für Schulen, Kindergärten und Behinderteneinrichtungen<br />
sowie ähnliche Einrichtungen gibt es besondere Konditionen“, sagt<br />
Carsten Recht.<br />
Die Schmalspurbahn hat 600 Millimeter Spurweite.<br />
Seit die Böhmetalbahn im Mai 2015 den Zugbetrieb aufgenommen hat,<br />
stehen dafür die Diesel-Lokomotiven „Wilde Erika“ und „Willem“ zur<br />
Verfügung. Beide Loks vom Typ Deutz OMZ 122 F waren ursprünglich<br />
in Schleswig-Holstein im Kieswerk Segrahner Berg im Einsatz. Für alle<br />
Technikintressierten hat Carsten Recht noch ein paar Extra-Infos<br />
parat: Die Bezeichnung der Lokomotiven leitet sich aus der Motorbezeichnung<br />
ab: OMZ 122 F bedeutet: Motorreihe O = Zweitakt-Dieselmotor<br />
Reihe O, M = wassergekühlt, Z = Zweizylindermotor, 1 =<br />
Entwicklungsstufe 1 des Motors, 22 = Kolbenhub des Motors in Zentimeter.<br />
„F“ steht für Feldbahn. „Gestartet wird der Original-Motor<br />
übrigens mit Pressluft“, erklärt Carsten Recht.<br />
Die „Wilde Erika“ und „Willem“ sind jeweils mit einem 36 PS-Rohölmotor<br />
ausgestattet. Die „Wilde Erika“ wiegt rund neun Tonnen, „Willem“<br />
etwa sieben Tonnen. Die Loks sind jeweils 3,80 Meter lang, 1,6<br />
Meter breit und 2,6 Meter hoch. Ihre Höchstgeschwindigkeit beträgt<br />
17,5 Stundenkilometer <strong>–</strong> 20 Stundenkilometer maximal dürfen Züge<br />
auf der 600 Millimeter-Schmalspurbahn, der kleinsten in Deutschland<br />
Klein- oder Feldbahnen mit Spurbreiten von 40 bis 100 Zentimetern<br />
waren einst unverzichtbar für den Transport schwerer Lasten in der<br />
Landwirtschaft oder in Betrieben. Inzwischen sind die Mini-Eisenbahnen<br />
bis auf wenige Ausnahmen stillgelegt worden.<br />
im öffentlichen Bahnverkehr jemals zugelassene Spurweite, auch nur<br />
fahren.<br />
Seit zwei Jahren ist die dritte Diesellok für die Böhmetalbahn im Einsatz:<br />
Anlässlich des 777-jährigen Bestehens von Altenboitzen wurde die<br />
Lokomotive mit großem Tamtam auf den Namen „Hermann Löns”<br />
getauft. Carsten Recht hatte dafür gesorgt, dass die Lok, der 1960 von<br />
der niederländischen Firma Spoorijzer in Deutz-Lizenz gebaut wurde,<br />
im Böhmetal eine neue Heimat bekommen hat. 2019 konnten die Eisen-<br />
Kompetenz mit Atmosphäre<br />
In unserem „Zentrum für Rehabilitation” (190 Betten bzw. Plätze) versorgen wir unsere<br />
Patienten durch etwa 400 Mitarbeiter in multiprofessionellen Teams.<br />
Unser Leistungsspektrum umfasst:<br />
Krankenhausbehandlung im Rahmen der Neurologischen Frührehabilitation Phase B<br />
Weiterführende neurologische und orthopädische Rehabilitation & Anschlussheilbehandlung<br />
Unsere Therapien, das Bewegungsbad (32°) und die Sauna sind auch ambulant nutzbar.<br />
www.waldklinik-jesteburg.de<br />
Frühjahr 2021 77
ahnfreunde von der Böhmetalbahn zudem auch noch eine historische<br />
Dampflok erwerben: „Die Lok wurde 1927 von Orenstein & Koppel für<br />
eine Zuckerfabrik in Argentinien gebaut. Sie kam 1992 nach England<br />
und ist 2019 von uns gekauft worden“, berichtet der ehrenamtliche<br />
Geschäftsführer der Böhmetalbahn. Die Dampflokomotive war für den<br />
Transport aus England in ihre Einzelteile zerlegt worden. Führerhaus,<br />
Kessel, Rahmen, Triebwerk und sonstige Teile werden nun von den<br />
Eisenbahnfreunden in Altenboitzen generalüberholt und wieder zusammengebaut.<br />
„Entwickelt wurde diese spezielle Bauart während des<br />
Ersten Weltkriegs für die scharfen Kurven auf der sogenannten Heeresfeldbahn“,<br />
erklärt Carsten Recht. Mit fünf Achsen, zwei Zylindern und<br />
90 PS sei die Dampflok damals die Leistungsstärkste ihrer Art gewesen.<br />
„Weltweit gibt es nur noch zwei betriebsfähige Lokomotiven dieser<br />
speziellen Bauart“, sagt der Geschäftsführer. Eine sei im Frankfurter<br />
Feldbahnmuseum im Einsatz, die Zweite werde voraussichtlich in zwei<br />
Jahren auf den Gleisen der Böhmetalbahn unterwegs sein. Carsten<br />
Recht: „Wir sind mit Hochdruck dabei, den Streckenabschnitt Hollige<br />
<strong>–</strong> Benzen Haltepunkt fertigzustellen und möchten zum Karfreitag den<br />
Abschnitt einweihen, wenn es die Pandemie erlaubt.“ Die restaurierte<br />
und voll funktionstüchtige Dampflok soll künftig auf der erweiterten<br />
Strecke eingesetzt werden. Anstatt wie mit den Dieselloks nur bis Hollige<br />
zu fahren, soll es mit der neuen Dampflokomotive auf den alten<br />
Gleisen in absehbarer Zeit bis nach Vorwalsrode gehen.<br />
Sobald die neue Lok im Einsatz ist, können auch mehr Passagiere auf<br />
der Strecke transportiert werden. „Die leistungsstärkere Dampflok<br />
kann sieben Wagen gleichzeitig ziehen <strong>–</strong> momentan sind es maximal<br />
fünf“, erklärt der Eisenbahn-Experte. Dampflokfans müssen sich nun<br />
erst einmal gedulden, bis die alte Lok repariert und fahrtüchtig ist. Bis<br />
dahin sollen die „Wilde Erika“, „Hermann Löns“ und „Willem“ aber<br />
weiter zwischen Altenboitzen und Benzen Haltepunkt unterwegs sein.<br />
Carsten Recht: „Und unsere Draisinen fahren selbstverständlich auch<br />
<strong>–</strong> allerdings geht das alles nur, wenn Corona es zulässt!“<br />
Übrigens: Die Böhmetal-Kleinbahn sucht Aktive, die Interesse an alter<br />
Technik haben. „Beim Gleisbau, in den Zügen und in den Bahnhöfen<br />
werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, die in ihrer Freizeit<br />
gern dazu beitragen möchten, dass der Betrieb der Kleinbahn reibungslos<br />
läuft“, sagt Carsten Recht. Nicht nur als Lokführer, sondern<br />
auch als Bremser, Bahnhofsaufsicht, Gleisbauer und Rangierer werde<br />
Nachwuchs gesucht. „Ab dem zehnten <strong>Leben</strong>sjahr kann bei der Böhmetalbahn<br />
zum Beispiel eine Amateurschaffner-Ausbildung absolviert<br />
werden“, sagt der Eisenbahn-Experte. Auch im Büro sei jede Hilfe<br />
willkommen.<br />
Wer Interesse hat, kann sich unter der Rufnummer 0152 21558560<br />
melden oder schreiben an: Böhmetalbahn gUG,<br />
Altenboitzen 47, 29664 Walsrode, oder per E-Mail an:<br />
boehmetalbahn@gmx.de.<br />
Die einzige Schmalspurbahn der Lüneburger Heide im Internet:<br />
www.böhmetal-kleinbahn.de<br />
Bild oben: Die „Wilde Erika“ kann maximal 100 Fahrgäste befördern <strong>–</strong><br />
in geschlossenen und in offenen Waggons, die sogar für Rollstuhlfahrer<br />
geeignet sind.<br />
Bild Mitte: Rundumblick an der frischen Luft im offenen Waggon.<br />
Bild unten: Wer ist wohl schneller, die Draisine oder die Diesellok?<br />
Egal, Hauptsache die Fahrt macht Spaß!<br />
78<br />
Frühjahr 2021
Infos, Tipps & Trends <strong>–</strong> für Sie entdeckt zwischen Elbestrand und Heidesand<br />
Ausflugsziele auf der Elbe <strong>–</strong> unterwegs in norddeutschen Gefilden<br />
Seit März 2021 ist Corona nun<br />
unser Begleiter und wird uns wohl<br />
auch noch etwas länger erhalten<br />
bleiben. Wir haben gelernt, damit<br />
und mit den einhergehenden<br />
nah? Wir haben unsere regionalen<br />
Ausflugsziele wieder für uns entdeckt:<br />
sei es der romantische<br />
Baggersee statt Mittelmeer,<br />
Schwarzwald statt Tirol, um nur<br />
Einschränkungen zu leben und<br />
viele von uns haben dabei etwas<br />
Wertvolles entdeckt: warum in die<br />
Ferne schweifen, wenn Gutes ist so<br />
einige Beispiele zu nennen; Ausflüge<br />
in die Natur sind wieder<br />
angesagt. Haben Sie unsere wunderschöne<br />
Region z. B. schon<br />
Schiffsausflüge mit dem Fahrgastschiff<br />
›LÜNEBURGER HEIDE‹ IN 2021<br />
Genießen Sie einen Tag auf dem Wasser mit bewährtem Hygienekonzept<br />
und hoffentlich wieder etwas mehr Normalität im Alltag<br />
und begleiten Sie uns auf einer unserer regelmäßigen Fahrten ab /<br />
bis Lauenburg; weitere Zustiegsmöglichkeiten bestehen entlang der<br />
Strecken.<br />
Idyllische Schifffahrt auf dem Elbe-Lübeck-Kanal nach Mölln.<br />
12.5., 26.5., 9.6., 23.6., 7.7., 21.7., 4.8., 18.8., 1.9., 15.9., 29.9.2021<br />
Schiffsausflug nach Hamburg inkl. Hafenrundfahrt<br />
13.5., 27.5., 10.6., 24.6., 8.7., 22.7., 3.8., 17.8., 2.9., 16.9., 30.9., 14.10.2021<br />
sowie sonntags am 13.6., 11.7., 8.8. und 5.9.<br />
Schiffsausflug in das Biosphärenreservat Elbtalaue<br />
20.5., 3.6., 17.6., 1.7., 15.7., 29.7., 12.8., 26.8., 9.9., 23.9., 7.10.2021<br />
Fahrt zum Schiffshebewerk Scharnebeck mit Durchfahrung<br />
21.4., 5.5., 19.5., 2.6., 16.6., 30.6., 16.7., 28.7., 11.8.,25.8., 8.9.,<br />
22.9., 6.10., 20.10.2021<br />
<br />
Außerdem, z. T. mit Abfahrten ab Hoopte: Fahrten mit lecker Buffets an<br />
Bord (Spargel, Matjes, Brunch, bayr. Buffet, Herbstspezialitäten, Grünkohl).<br />
Eine Sitzplatzreservierung im Salon, Erläuterungen zur Strecke<br />
sowie ein aufmerksamer Service an Bord sind selbstverständlich. Für<br />
Gruppen und geschlossene Gesellschaften bieten wir auch Sonderfahrten<br />
an.<br />
Sprechen Sie uns gerne an; wir freuen uns auf Sie!<br />
Personenschifffahrt Jürgen Wilcke<br />
21380 Artlenburg, Tel. 04139 <strong>–</strong> 62 85<br />
info@personenschifffahrt-wilcke.de<br />
einmal von der Wasserseite aus<br />
betrachtet? Ans Herz legen können<br />
wir Ihnen hierbei die Touren<br />
mit dem Fahrgastschiff LÜNE-<br />
BURGER HEIDE um das Team<br />
von Jürgen Wilcke, 50 km östlich<br />
von Hamburg. Angeboten werden<br />
Touren von Lauenburg aus, die<br />
unterschiedlicher nicht sein könnten;<br />
sei es bei der Fahrt auf der<br />
Elbe durch das Biosphärenreservat<br />
Elbtalaue bis hinauf nach Hitzacker,<br />
auf dem romantischen<br />
Elbe-Lübeck-Kanal in die Eulenspiegelstadt<br />
Mölln oder in den<br />
Hamburger Hafen, inklusive<br />
Schleusendurchfahrung Geesthacht.<br />
Radfahrer werden natürlich<br />
auch mitgenommen. Außerdem<br />
gibt es Fahrten zum Schiffshebewerk<br />
Scharnebeck und<br />
an ausgewählten<br />
Sonntagen werden<br />
auch wieder leckere<br />
Buffet-Touren angeboten:<br />
ob Spargel<br />
satt, Matjesvariationen,<br />
Brunch, bayrisches<br />
Buffet, Herbstspezialitäten<br />
oder<br />
Grünkohl, für jeden<br />
Geschmack ist etwas<br />
dabei. Natürlich<br />
wurde, damit sich die<br />
Gäste auch in Zeiten<br />
von Corona wohl und<br />
sicher fühlen können,<br />
auch ein stringentes<br />
Hygiene- und<br />
Abstandskonzept<br />
umgesetzt. Und um<br />
die Umwelt zu schützen,<br />
fährt die LÜNE-<br />
BURGER HEIDE seit Jahren<br />
zudem nicht mit herkömmlichem<br />
Marine Gasoil, sondern mit GTL<br />
Fuel, einem neu entwickelten,<br />
äußerst umweltfreundlichen,<br />
geruchs- und schadstoffarmen<br />
Treibstoff. Infos und Anmeldung<br />
unter der Rufnummer<br />
04139 <strong>–</strong> 62 85 oder:<br />
www.personenschifffahrt-wilcke.de<br />
Frühjahr 2021 79
utanen.<br />
utanen.<br />
ut ut holen.<br />
atur atur erleben!<br />
Im Schloss Bleckede ist noch bis Mitte Juni die<br />
Ausstellung „Wilder Wald am großen Fluss“ zu<br />
sehen. Zwei weitere Ausstellungen sind in Planung.<br />
Zwischen „Bäumen“ wandeln die Besucher in der aktuellen Sonderausstellung<br />
im Biosphaerium unter dem Motto „Wilder Wald am großen<br />
Fluss“. Beim „Waldspaziergang“ lassen sich in den Dioramen wie auch<br />
hinter Gucklöchern und Klappen seltene Tiere und Pflanzen, emporrankende<br />
Lianen und verschiedene <strong>Leben</strong>sräume der Flussaue entdecken.<br />
Sogar ein Blick ins Erdreich wird den Besuchern geboten.<br />
Zugleich erklingen anderswo das Flöten des Pirols und ein charakteristisches<br />
Laubfroschkonzert. Eine Bilder-Show zeigt stimmungsvolle<br />
Aufnahmen aus der Flussaue. Hier entdecken die Besucher die Besonderheiten<br />
der Hartholzaue, werden zum Waldforscher und erfahren die<br />
Bedeutung der Hartholzauwälder für das Hochwassermanagement und<br />
den Klimaschutz. Gerade einmal ein Prozent dieser Wälder sind bis<br />
heute an der Elbe erhalten geblieben. Mit Eichen und Flatterulmen,<br />
einem hohen Anteil an Alt- und Totholz sind Hartholz-Auenwälder<br />
<strong>Leben</strong>sraum für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren. Im dynamischen<br />
Wechsel zwischen Überschwemmung und Trockenheit fühlen sich Seeadler,<br />
Schwarzstorch und Fischotter hier ebenso zuhause wie der Große<br />
Mithilfe unterschiedlicher Informationssysteme erfahren die Besucher<br />
Frühlingsblüte am Schloss Bleckede.<br />
Wissenswertes zu der Ausstellung.<br />
80 Frühjahr 2021
Eichenbock. Mittel- und Schwarzspechte brüten in den Höhlen der<br />
Altbäume, und nicht selten richten Fledermäuse dort als Nachmieter<br />
ihr Quartier ein.<br />
Neben der <strong>Leben</strong>sraumfunktion sind Hartholz-Auenwälder von großem<br />
Nutzen für unsere Gesellschaft. Sie sind in der Lage, große Wassermengen<br />
besonders gut aufzunehmen. Wie ein Schwamm halten sie das<br />
Wasser zurück und beeinflussen dadurch das Abflussverhalten unserer<br />
Fließgewässer <strong>–</strong> eine wichtige Eigenschaft in Anbetracht der extremen<br />
Hochwasserereignisse der letzten Jahre an der Elbe. Hartholz-Auenwälder<br />
leisten auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz, denn<br />
sie binden große Mengen Kohlenstoff in Vegetation und im Boden.<br />
Zudem filtern sie Sedimente und Schadstoffe aus dem Wasser. Nicht<br />
umsonst werden Flussauen auch als Nieren unserer Landschaft bezeichnet.<br />
Und wer spaziert nicht gerne durch einen alten naturnahen Wald?<br />
Ein hoher Erholungswert kommt also obendrein noch hinzu.<br />
Werkschau von Carlos González Yañez.<br />
Im SchlossCafe Bleckede hängt bereits eine neue Ausstellung, die allerdings<br />
coronabedingt noch nicht eröffnet werden konnte. Sobald die<br />
Eröffnung erfolgt, können Besucher die Werkschau von Carlos González<br />
Yañez im Cafe betrachten. So vielfältig die Themen und Techni ken<br />
im Werk von Carlos González Yañez auch sind <strong>–</strong> es ist die Elbe, ihre<br />
nachhaltig nutzen lassen, erklärt die Wanderausstellung „Moor-,<br />
Klimaschutz und Paludikultur“ des Projekts MoKli (Greifswald Moor<br />
Centrum).<br />
Moore speichern Kohlenstoff, garantieren biologische Vielfalt, liefern<br />
Rohstoffe, bieten Erholung und vieles mehr. Um dies zu fördern, bietet<br />
sich die Wiedervernässung von Mooren und die nachhaltige Nutzung<br />
nasser Moorflächen an, genannt Paludikultur („palus“ <strong>–</strong> lat. Sumpf,<br />
Morast“).<br />
Die Ausstellung zeigt, was dadurch gewonnen werden kann. So ließe<br />
sich Biomasse von nassen Mooren umwelt- und klimaschonend ohne<br />
Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion verwerten, etwa als Futter<br />
oder Rohstoff für Baumaterialien, Verpackungen oder energetisch als<br />
Heizmaterial. Dadurch würde das Klima doppelt geschützt: Durch den<br />
Ersatz fossiler Rohstoffe und die Reduzierung von Treibhausgasemissionen.<br />
Moore haben eine große Bedeutung für die biologische Vielfalt:<br />
Moore bieten einzigartige <strong>Leben</strong>sräume für Arten, die sich an die<br />
feuchten und speziellen Bedingungen angepasst haben und sind oft die<br />
letzten Refugien für selten gewordene und bedrohte Arten. Die Ausstellung<br />
wurde erstellt im Rahmen von MoorDialog <strong>–</strong> einem Projekt der<br />
Nationalen Klimaschutzinitiative.<br />
Die Ausstellung zeigt die Problematik bisheriger Moornutzung und die<br />
Lösung zum Erhalt nasser Flächen in Texten, Bildern und einem<br />
Modell. Zu sehen sind Beispiele für die Nutzung von Rohrkolben als<br />
Dämmmaterial, von Seggen und Rohrglanzgras als<br />
Pellets und von Torfmoos als Torfersatz im Gartenbau.<br />
Landschaften und die Landsleute, die sich durch seine Bilder ziehen.<br />
Vor 96 Jahren wurde Carlos González Yañez in Valparaiso / Chile geboren.<br />
Er arbeitete von 1980 bis 1981 mit einem Stipendium in der<br />
Künstlerstätte Schloss Bleckede. Seit 1995 lebte und arbeitete Carlos<br />
González Yañez dauerhaft in Bleckede, wo er 2017 verstarb. Nach<br />
seiner Ar beit an Lithographien und Radie rungen entstanden Acrylbilder<br />
sowie Aquarelle und Zeichnungen, die nun unter dem Motto<br />
„Cafe & Kunst“ zu einer eindrucksvollen Entdeckungs reise ins Bleckeder<br />
SchlossCafe einla den. Ein guter Anlass, einen Einblick in das vielfältige<br />
Schaffen des Malers und Grafikers zu erhalten.<br />
mit<br />
2€<br />
dabei*<br />
Sonderausstellung naturkundlicher Art.<br />
Eine dritte Sonderausstellung, diesmal naturkundlicher Art, wird im<br />
Haupthaus ab April 2021 ausgestellt. Hier geht es um Klimaschutz und<br />
Paludikultur: Dass intakte Moore Klimaretter sind, und sich auch<br />
Frühjahr 2021 81
au au eree eree<br />
mi mi ae ae inne inne<br />
von Carsten Weede<br />
Mit Projektleiter Bernhard Vogt unterwegs im<br />
BUND-Naturerlebnisgarten, einer grünen Oase<br />
mitten in Wilhelmsburg.<br />
Bernhard Vogt ist ein kenntnisreicher Naturfreund und ein echter<br />
Abenteurer <strong>–</strong> und er lässt andere gern an seinen spannenden Erlebnissen<br />
teilhaben. Der 42-jährige Diplom-Biologe ist seit 2017 Projektleiter<br />
des BUND-Naturerlebnisgartens im Wilhelmsburger Inselpark auf<br />
einer halben Stelle. Dort kann jeder <strong>–</strong> Kinder, Jugendliche und<br />
Erwachsene <strong>–</strong> nach Herzenslust gärtnern und die Schönheit der Natur<br />
genießen.<br />
Auf einer Fläche von rund 5.000 Quadratmetern gibt es Wiesen und<br />
Apfelbäume, Hecken, Sträucher, Hochbeete, einen Teich, in den über<br />
ein Windrad Wasser gepumpt wird, ein Weidenlabyrinth, Insektenhotels,<br />
Bienenbeuten und vieles mehr. Ein Bauwagen dient wahlweise als<br />
Schlechtwetter-Klassenzimmer, Werkstatt oder Gruppenraum. Besucher<br />
des Naturerlebnisgartens können dort viel über nachhaltiges<br />
Gärtnern lernen und sich jede Menge Anregungen für den eigenen<br />
Garten oder den Balkon holen. Zu vielen Themen gibt es fantasievoll<br />
gestaltete Infotafeln und Mitmachstationen.<br />
Wenn der Betrieb in den Wintermonaten ruht, ist Bernhard Vogt als<br />
Reiseleiter in aller Herren Länder unterwegs. Der gebürtige Rheinländer<br />
kennt Südamerika und Afrika seit vielen Jahren durch verschiedene<br />
Das Licht der Abenddämmerung umgibt Windrad und Teich im<br />
BUND-Naturerlebnisgarten im Wilhelmsburger Inselpark mit einem<br />
besonderen Zauber. <br />
Foto: Bernhard Vogt<br />
Wer Lust hat, kann im Naturerlebnisgarten nach Herzenslust<br />
gärtnern. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
82 Frühjahr 2021
Margit Ricarda Rolf und Bernhard Vogt tauschen sich gern mit anderen<br />
Naturfreunden über Natur- und Gartenthemen aus.<br />
<br />
Foto: Carsten Weede<br />
Der Weidentunnel ist nicht nur für Kinder eine Attraktion.<br />
<br />
Foto: Carsten Weede<br />
Projekte, diverse Trekking-Touren und intensive Erlebnisreisen. Seit<br />
2007 leitet er Natur- und Trekking-Reisen in zahlreichen Ländern in<br />
Afrika, Amerika und Asien für den Dresdener Reiseanbieter DIAMIR<br />
Erlebnisreisen, der weltweit in über 120 Ländern Reisen anbietet.<br />
Aufgewachsen ist Bernhard Vogt in Koblenz. Nach dem Abitur absolvierte<br />
er seinen Zivildienst beim WWF- Auen-Institut in Rastatt,<br />
anschließend studierte er Biologie in Göttingen, Leipzig und Potsdam.<br />
Während des Studiums war er für mehrere Projekte im Ausland, unter<br />
anderem für seine Diplomarbeit in Chile, wo er über Kleinstlebewesen<br />
(Zooplankton) forschte, die Fischen als Nahrung dienen.<br />
Ob als Reise- oder als Projektleiter, Bernhard Vogt hat eine Mission: Er<br />
will andere Menschen für die Schönheit der Natur begeistern, ihre<br />
Augen öffnen für deren Geheimnisse und ihnen intensive Naturerlebnisse<br />
vermitteln, die Gefühle hervorrufen. „Es geht doch immer um<br />
Emotionen, um das Erleben mit allen Sinnen, um fühlen, schmecken,<br />
hören, tasten, riechen <strong>–</strong> und zwar draußen!“, sagt derLeiter des Wilhelmsburger<br />
Naturerlebnisgartens. Beim Bund für Umwelt und Naturschutz<br />
(BUND) stehen natürlich Naturschutz und Umweltbildung im<br />
Fokus. „Wir zeigen, wie viel Spaß das Lernen machen kann“, sagt<br />
Bernhard Vogt. Im Naturerlebnisgarten finden daher auch regelmäßig<br />
Veranstaltungen wie Wildkräuter-Kurse mit der zertifizierten Gartentherapeutin<br />
Esther Daenschel, Kanu-Touren, Fledermaus-Nächte,<br />
Garten-Rallyes oder Bienentage statt. Im aktuellen Programm werden<br />
unter anderem auch Kinderyoga und Bewegungsspiele, das musikalisch<br />
untermalte Solo-Theaterstück „Gröni der Wal“ von und mit Steff<br />
Mollenhauer sowie das Musiktheaterstück „Das Papperlapapp der<br />
Tiere“ angeboten. Für Jugendliche und Erwachsene gibt es ein Work-<br />
Camp, einen Aktions- und Mitmachtag unter dem Motto „Wi mook<br />
dat“, Kino-Abende mit tollen Naturfilmen, „Grünes Grillen“ ganz<br />
ohne Fleisch oder stimmungsvolle Lagerfeuer-Abende. Bei gemeinsamen<br />
Pflege-Aktionen am Wochenende werden Hecken geschnitten, die<br />
Wiesen gemäht, Zwiebelblumen gesteckt, Unkraut gejätet, weitere<br />
Der Bauwagen dient wahlweise als Schlechtwetter-Klassenzimmer,<br />
Werkstatt oder Gruppenraum. <br />
Foto: Bernhard Vogt<br />
Projektleiter Bernhard Vogt zeigt Besucher Jörg Wittwer den Teich, in<br />
dem Frösche, Molche, Libellenlarven, Gelbrandkäfer und viele andere<br />
Lebewesen leben. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
Frühjahr 2021 83
Hochbeete gebaut oder Äpfel gepflückt und daraus leckerer Apfelsaft<br />
gepresst. „Unsere Bildungsarbeit im Spannungsfeld zwischen „Gartenkultur“<br />
und „Wildnis“ soll den Menschen Freiraum zum Experimentieren,<br />
Spielen, Entdecken und Beobachten der Natur geben. Der<br />
Garten bietet Raum, um in Gemeinschaft zu gärtnern, voneinander zu<br />
lernen und sich mit anderen über Natur- und Umweltschutz auszutauschen“,<br />
sagt der Projektleiter.<br />
Egal, welche Altersgruppe er gerade vor sich hat, Bernhard Vogt versteht<br />
es meisterhaft, seinen Zuhörern Flora und Fauna näherzubringen<br />
und auch die ökologischen Zusammenhänge zu erklären. Dabei setzt er<br />
auf spielerisches Lernen ohne erhobenen Zeigefinger und auf praxisnahe<br />
Methoden: „Gerade für Kinder ist es wichtig, dass sie Natur<br />
direkt erfahren und diese Erfahrungen auch mit Gleichaltrigen austauschen<br />
können“, weiß der Projektleiter. Kindergartengruppen und<br />
Grundschulklassen widmet er sich stets mit großer Hingabe und mit<br />
Engelsgeduld. „Kinder brauchen die Berührung mit der Natur für eine<br />
gesunde und gedeihliche Entwicklung“, betont der Diplom-Biologe.<br />
Der frühe Kontakt mit Pflanzen und Tieren könne wichtige Weichen für<br />
das <strong>Leben</strong> eines Kindes stellen: „Eine tief empfundene Verbundenheit<br />
mit der Natur ist die Basis für ein positives Grundvertrauen in das<br />
<strong>Leben</strong> und weckt bei vielen den Wunsch, die Erde zu schützen und als<br />
Erwachsener nachhaltig zu leben.“<br />
Im Naturerlebnisgarten lernen Kinder Gemüse, Obstbäume, Beerenobststräucher,<br />
essbare Wildpflanzen und Gartenkräuter kennen, sammeln<br />
sie ein und bereiten daraus unter Anleitung gemeinsam leckere<br />
und gesunde Mahlzeiten. „Hier wachsen die verschiedenartigsten<br />
Kräuter. Viele von ihnen werden seit jeher als Medizin, Gewürz oder<br />
Genussmittel eingesetzt“, erklärt Bernhard Vogt.<br />
„Eine tief empfundene Verbundenheit zur<br />
Natur weckt den Wunsch, die Erde zu schützen<br />
und nachhaltig zu leben.“<br />
Die Kinder zerreiben Blätter zwischen ihren Fingern, schnuppern an<br />
den Pflanzen, betrachten sie konzentriert und fast alle probieren auch,<br />
wie eine Pflanze schmeckt, wenn Bernhard Vogt sie dazu ermutigt.<br />
„Gegen fast jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen“, sagt der Projektleiter,<br />
der Kindern auch über Wirkungen und Nebenwirkungen<br />
berichtet und ihnen „krautige Geschichten“ von uralten Bräuchen<br />
erzählt.<br />
Der Naturerlebnisgarten liegt in Wilhelmsburg, Europas größter<br />
Flussinsel, die komplett von der Elbe umschlossen ist. Auch im Naturerlebnisgarten<br />
gibt es einen Teich, in dem Kinder Frösche und Molche,<br />
Bild oben: Mit dem Windrad wird Wasser in den Teich des<br />
Naturerlebnisgartens gepumpt. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
Bild unten: Zu vielen Themen <strong>–</strong> wie hier zum Thema „Boden“ <strong>–</strong> gibt es<br />
fantasievoll gestaltete Infotafeln und Mitmachstationen.<br />
<br />
Foto: Carsten Weede<br />
84<br />
Frühjahr 2021
In den selbstgebauten<br />
Hochbeeten<br />
werden das ganze<br />
Jahr über Gemüse<br />
und Kräuter geerntet.<br />
Foto: Bernhard Vogt<br />
Libellenlarven, Gelbrandkäfer und viele andere Lebewesen beobachten<br />
können. Auch im unmittelbaren Umfeld des Gartens, im Inselpark, gibt<br />
es zahlreiche Wasserflächen. In Teichen und Tümpeln wimmelt es von<br />
verschiedenen Tieren und Pflanzen. „Für Kinder ist es spannend, beim<br />
Keschern herauszufinden, welche Tiere hier vorkommen, sie zu beobachten<br />
und auch zu lernen, wie sie diese Lebewesen sorgsam behandeln“,<br />
erklärt Bernhard Vogt.<br />
Das Eintauchen in die faszinierende Welt der Insekten ist für viele<br />
Mädchen und Jungen eine ganz besondere Erfahrung. „Viele haben<br />
Angst vor Wespen. Mücken mögen sie auch nicht“, weiß der Biologe.<br />
Doch je mehr die Kinder über die schier unendliche Vielfalt von Insekten<br />
erfahren, über Bienen, Hummeln, Wespen, Käfer, Wanzen und<br />
Schmetterlinge, ihre wichtige Rolle im Kreislauf der Natur und auch<br />
über ihre enorme Bedeutung für uns Menschen, desto achtsamer werde<br />
ihr Umgang mit den kleinen Lebewesen. „Wir suchen in den unterschiedlichsten<br />
<strong>Leben</strong>sräumen nach den dort vorkommenden Insekten<br />
und bestimmen anhand typischer Merkmale, um was für ein Exemplar<br />
es sich handelt“, erklärt Bernhard Vogt. Dabei kommen auch Lupe und<br />
Mikroskop zum Einsatz. Die Kinder sind als Naturdetektive unterwegs<br />
<strong>–</strong> für viele eine neue und spannende Erfahrung. Auch viele Erwachsene<br />
Wir sind gern für Sie da!<br />
Unsere Öffnungszeiten:<br />
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Montag bis Freitag von 9 <strong>–</strong> 18 Uhr<br />
und Samstag von 9 <strong>–</strong> 14 Uhr.<br />
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Frühjahr 2021 85
Wasser ist <strong>Leben</strong>. Im BUND-Naturerlebnisgarten auf der größten Flussinsel<br />
Europas gibt es verschiedene Feuchtbiotope. <br />
Foto: Bernhard Vogt<br />
Hecken sind wertvolle <strong>Leben</strong>sräume für Vögel, Kleinsäuger und<br />
Insekten. <br />
Foto: Bernhard Vogt<br />
kommen gern und oft in den BUND-Naturerlebnisgarten. „Die meisten<br />
Besucher kommen regelmäßig, um die Natur im Wechsel der Jahreszeiten<br />
zu erleben, um zu säen und zu pflanzen, Beete zu pflegen und die<br />
Früchte ihrer gärtnerischen Arbeit zu ernten <strong>–</strong> aber selbstverständlich<br />
kann man hier auch einfach nur die Ruhe in der Natur genießen“, sagt<br />
Bernhard Vogt. Besucher sollen sich im BUND-Naturerlebnisgarten<br />
einfach wohlfühlen. „Dieser wunderbare Garten bereitet mir ganz viel<br />
Freude“, bestätigt Margit Ricarda Rolf, die dort häufig unterwegs ist,<br />
um zu gärtnern und sich mit anderen Naturfreunden über Umweltund<br />
sonstige Themen auszutauschen. „Hier kann man Natur wirklich<br />
hautnah erleben und den ewigen Kreislauf aus Werden, Wachsen und<br />
Vergehen beobachten“, sagt Bundesfreiwilliger Julian Eckert. „Außerdem<br />
trifft man hier immer nette Menschen“, fügt Mischa Wölfl hinzu,<br />
der ebenfalls öfter im Naturerlebnisgarten anzutreffen ist.<br />
Engagierte Mitglieder der BUND-Gruppe Harburg <strong>–</strong> allen voran der<br />
langjährige BUND-Landesvorsitzende Harald Köpke aus Wilhelmsburg<br />
<strong>–</strong> haben den Naturerlebnisgarten vor gut zehn Jahren in Kooperation<br />
mit der Nelson-Mandela-Stadtteilschule aufgebaut. „Die Idee<br />
war, Schülerinnen und Schülern eine sinnliche und nachhaltige Erfahrung<br />
der Natur zu ermöglichen und Jugendliche für den Naturschutz<br />
zu begeistern“, erklärt der 73-jährige Harald Köpke. Der Garten<br />
wurde Bestandteil des Projektes GaLa-Schulnetzwerk Wilhelmsburg<br />
und war im Jahr 2013 ein „Erlebnisort“ im Rahmen der Internationalen<br />
Gartenschau (IGS). Die vielfältige Naturerlebnisfläche bietet beste<br />
Möglichkeiten, direkte „Begegnungen“ zwischen Menschen und Natur<br />
zu fördern. „Der BUND Hamburg hat deshalb den Garten vom<br />
Bezirksamt Mitte gepachtet und möchte ihn als Begegnungsstätte für<br />
die Menschen im Stadtteil öffnen. Dafür steht auch unser Veranstaltungsprogramm,<br />
mit dem wir Kinder, Jugendliche und Erwachsene<br />
sowie Menschen verschiedener Herkunft zusammenbringen wollen“,<br />
sagt Bernhard Vogt. Der engagierte Projektleiter lädt „alle Interessierten<br />
herzlich ein, den Garten gemeinschaftlich mit dem BUND weiter-<br />
Seit 2007 leitet Bernhard Vogt Naturerlebnis- und Trekking-Reisen in<br />
zahlreichen Ländern in Afrika, Amerika und Asien. <br />
Foto: Privat<br />
Auf seinem VW-Bus macht Bernhard Vogt Werbung für den Dresdener<br />
Reiseanbieter Diamir-Erlebnisreisen, der weltweit Reiseziele in über<br />
120 Ländern anbietet. Foto: Carsten Weede<br />
86<br />
Frühjahr 2021
H A R B U R G<br />
Besucher des Naturerlebnisgartens können dort viel über nachhaltiges<br />
Gärtnern lernen und sich jede Menge Anregungen für den eigenen Garten<br />
oder den Balkon holen. <br />
Foto: Bernhard Vogt<br />
Eine Wildblumenwiese bietet Nahrung für Wildbienen. Aufgrund des<br />
zurückgehenden <strong>Leben</strong>sraumes stehen bereits 52 % der Wildbienen<br />
auf der Roten Liste.<br />
Foto: Bernhard Vogt<br />
zuentwickeln“. Den BUND-Naturerlebnisgarten finden Sie im Inselpark<br />
in Hamburg-Wilhelmsburg gegenüber der Straße Hauland 83.<br />
Von der S-Bahn-Haltestelle Wilhelmsburg aus ist der Naturerlebnisgarten<br />
zu Fuß oder mit dem Fahrrad gut zu erreichen. Für Besucher<br />
geöffnet ist der Naturerlebnisgarten immer dienstags, von 9 und 17<br />
Uhr, oder nach Absprache mit Bernhard Vogt unter der Rufnummer<br />
0176 46133200.<br />
Der BUND-Naturerlebnisgarten und<br />
alle Veranstaltungstermine im Internet:<br />
www.bund-hamburg.de/naturerlebnisgarten<br />
Margit Ricarda Rolf bereitet ein abgeerntetes Hochbeet für die Neueinsaat<br />
vor. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
LOCAL<br />
SHOPPING<br />
Liebe Kunden,<br />
wir freuen uns sehr,<br />
Sie wieder in unseren Geschäften<br />
begrüßen zu dürfen!<br />
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Frühjahr 2021 87
Die schönsten Bad- & Sporterlebnisse zwischen Elbestrand und Heidesand<br />
Das Waldbad Alt Garge<br />
Das Waldbad Alt Garge bietet<br />
neben einem 50-Meter-Schwimmbecken<br />
und einem 5-Meter-<br />
Sprungturm eine sehr schön<br />
angelegte Grünanlage.Der Förderverein<br />
Waldbad Alt Garge hat<br />
ansprechend gestalteten Spielplatz<br />
mit einem beschatteten Kinderbecken.<br />
Der Spielplatz verfügt<br />
über ein Piratenschiff, eine Ringschaukel<br />
und eine normale Schaukel.<br />
In direkter Nähe gibt es eine<br />
schwimmer- und Eintauchbereich<br />
für den Sprungturm. Im abgetrennten<br />
Bereich für die Schwimmer<br />
können diese in Ruhe schwimmen,<br />
während die Kinder und<br />
Jugendlichen im Nichtschwim-<br />
das Angebot vom regelmäßigen<br />
Schwimmtraining des DLRG.<br />
Neben dem Sprungturm gibt es<br />
ein Beachvolleyballfeld, Tischtennis-Platten<br />
und den Basketballkorb.<br />
das Waldbad zu einer touristischen<br />
Attraktion in der Region<br />
gemacht. Für Kinder und Kleinkinder<br />
hat das Waldbad einen<br />
große Liegewiese mit Sonnenschirmen.<br />
Das große Schwimmbecken<br />
bietet neben einem<br />
Schwimmerbereich, einen Nicht-<br />
merbereich spielen. Regelmäßig<br />
finden im Waldbad auch Aqua<br />
Jogging-Kurse und Schwimmkurse<br />
für Kin der statt. Ergänzt wird<br />
Der Kiosk bietet eine große Auswahl<br />
an erfrischenden Getränken,<br />
Snacks und Mahlzeiten.<br />
www.waldbad-alt-garge.de<br />
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88<br />
Frühjahr 2021
Die schönsten Bad- & Sporterlebnisse zwischen Elbestrand und Heidesand<br />
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Frühjahr 2021 89
e e mi mi<br />
er er u<br />
u<br />
von Carsten Weede<br />
Eine Paddeltour auf dem idyllischen Heidefluss<br />
bietet viel Abwechslung: Meistens gleitet das<br />
Boot ruhig über das Wasser, aber es gibt auch<br />
Streckenabschnitte mit flotter Strömung.<br />
Bereits nach wenigen Minuten auf dem Fluss breitet sich<br />
beim Paddeln ein Gefühl von tiefer Entspannung aus.<br />
<br />
Foto: Emily Weede<br />
„Auf der Luhe hab’ ich meine Ruhe“, reimt der Moisburger René<br />
Hartig und packt sein aufblasbares Kanu auf den Pkw-Anhänger.<br />
Paddeln <strong>–</strong> insbesondere auf einem Fluss <strong>–</strong> ist für den 57-jährigen<br />
Zollbeamten immer noch eine besonders entspannte Art der Fortbewegung.<br />
„Es ist einfach immer wieder schön, im Boot quasi in Augenhöhe<br />
mit der Natur über das Wasser zu gleiten“, sagt der Zwei-Meter-Mann<br />
zu seinem Kumpel. Die beiden verheirateten Väter kennen sich seit<br />
ihrer Jugend und haben einige gemeinsame Reisen und Abenteuer auf<br />
verschiedenen Kontinenten hinter sich. „Ja, auf dem Fluss kann man<br />
sich sogar mal treiben lassen, und man kommt doch voran <strong>–</strong> und<br />
schließlich auch ans Ziel. Es ist wie eine Metapher für das <strong>Leben</strong>“,<br />
stimmt ihm sein poetisch veranlagter Kumpel zu, der ihn bei der Paddel-Tour<br />
auf der Luhe im Kajak begleiten will. Allerdings ist es schon<br />
einige Jahre her, dass der Kumpel zuletzt in seinem Einer-Kajak gesessen<br />
hatte. Da er in den vergangenen Jahren mächtig an Gewicht zugenommen<br />
hat, passt die alte Spritzdecke nicht mehr um den Bauch.<br />
Immerhin klappt es beim Probesitzen noch mit dem Einstieg ins Boot.<br />
Die Männer lassen sich von einer treusorgenden Ehefrau im Auto nach<br />
Wetzen (Gemeinde Oldendorf/Luhe) kutschieren. Die Boote sind sicher<br />
auf dem Anhänger verstaut. Die erste Einsetzstelle an der Luhe für<br />
Kanus befindet sich an der Straßenbrücke Im Krüß bei Wetzen. Vom<br />
Parkplatz auf einer Wiese in Ufernähe sind es nur ein paar Meter bis<br />
zum Holzsteg an der rechten Uferseite. Es ist ein warmer, sonniger Tag.<br />
Perfekt zum Paddeln auf der Luhe! Doch bevor es losgehen kann, muss<br />
noch schnell das aufblasbare Kanu aufgepumpt werden. Dank der<br />
modernen Fußpumpe ist diese Aufgabe in wenigen Minuten erledigt.<br />
An der Einsetzstelle steht eine große Info-Tafel mit Hinweisen auf<br />
Vögel, die am Wasser leben. Die Luhe ist auch <strong>Leben</strong>sraum für den sehr<br />
seltenen Fischotter. Ein stählernes Exemplar und eine Info-Tafel in<br />
Ufernähe weisen darauf hin, dass hier der Fischotter-Lehrpfad verläuft.<br />
Insgesamt zehn, jeweils mit einer Fischotter-Silhouette aus Stahl<br />
markierte Erlebnis-Stationen, wurden außerhalb der ökologisch sensiblen<br />
Bereiche entlang der Luhe zwischen Oldendorf (Landkreis<br />
Lüneburg) und Winsen (Landkreis Harburg) angelegt. Unter dem<br />
90 Frühjahr 2021
Motto „Natur erleben und Naturschutz<br />
erfahren“ werden Besucher zum Aufenthalt<br />
am Gewässerufer eingeladen, wo sie interessante<br />
Informations- und Aktivitätsangebote<br />
vorfinden.<br />
Vom Holzsteg aus ist der Einstieg ins Boot<br />
(gegen die Strömung) selbst für den übergewichtigen<br />
Kajakfahrer kein Problem <strong>–</strong><br />
zumal sein Kumpel das Kajak an der Spitze<br />
fest hält. Kurz darauf sitzt er ebenfalls<br />
sicher in seinem Kanu. Die Paddler verabschieden<br />
sich von ihrer Fahrerin, die noch<br />
einmal von der Brücke hinab winkt. „Das<br />
hat ja schon mal gut geklappt“, sagt René<br />
Hartig, der sein Paddel geschickt einsetzt,<br />
um sein aufblasbares Kanu dicht neben das<br />
Kajak seines Kameraden zu lenken. „Ist das<br />
nicht herrlich, endlich mal wieder auf dem<br />
Wasser zu sein?“, fragt er seinen alten Kumpel.<br />
Der nickt zustimmend. Bereits nach<br />
wenigen Minuten auf dem Fluss breitet sich<br />
beim Paddeln ein Gefühl von tiefer Entspannung<br />
aus. Es ist, als passe sich das Innere der<br />
äußeren Ruhe an. Sachte tauchen die Paddel<br />
in das Wasser ein. Nur ein leises Plätschern<br />
ist zu hören. Die Bäume am Ufer leuchten in<br />
saftigem Grün. Ihre Blätter spiegeln sich im<br />
Wasser. Einige gebogene Äste hängen tief<br />
hinab und berühren mit den Spitzen ihrer<br />
Zweige die Wasseroberfläche. René Hartig<br />
paddelt im Kanu vorweg, sein Kumpel im<br />
Kajak folgt mit einigem Abstand. Ein paar<br />
umgestürzte Bäume überspannen den Fluss<br />
von einem zum anderen Ufer wie eine schiefe<br />
Brücke. Die geübten Paddler steuern ihre<br />
Boote ohne Mühe darunter hindurch. Allerdings<br />
muss der vorausfahrende Zwei-Meter-<br />
Mann einige Male den Oberkörper tief<br />
beugen, um unbeschadet durch diesen<br />
„Dschungel“ zu kommen. Sein kleinerer<br />
Kumpel muss sich nicht ganz so tief ducken,<br />
es reicht wenn er Kopf und Schultern einzieht.<br />
Die Männer genießen die Stille. Ab und an<br />
wartet der Vorausfahrende bis der zweite<br />
Paddler aufgeschlossen hat, um ein paar<br />
Worte zu wechseln. Eine Gebirgsstelze fliegt<br />
ein Stück über das Wasser, verschwindet im<br />
Ufergebüsch. Einige Meter bevor das erste<br />
Boot die Stelle erreicht, fliegt der Vogel mit<br />
Bild oben: In seinem aufblasbaren Kanu genießt René Hartig die Ruhe auf der Luhe.<br />
<br />
Foto: Carsten Weede<br />
Bild Mitte: Die Luhe fließt durch wunderschöne, bewaldete Abschnitte. Malerische Brücken<br />
überspannen den Heidefluss.<br />
Foto: Heide-Kanu<br />
Bild unten: Nur an den offiziellen Stegen dürfen Paddler ihre Boote einsetzen.<br />
Foto: Carsten Weede<br />
Frühjahr 2021 91
Vor Beginn der Kanu-Tour gibt es eine ausführliche Einweisung. Auch<br />
für Ungeübte ist die Luhe bei Beachtung einiger Verhaltensregeln problemlos<br />
zu bewältigen. <br />
Foto: Heide-Kanu<br />
An einigen Stellen gibt es kleinere Stromschnellen <strong>–</strong> allerdings sind<br />
diese „Hindernisse“ für die meisten Paddler eher spannend als gefährlich.<br />
<br />
Foto: Carsten Weede<br />
dem leuchtend-gelben Bauch wieder davon, um sich abermals in einem<br />
Busch zu verstecken. Als der erste Paddler ihm wieder zu nahe kommt,<br />
fliegt er erneut davon. Das Spiel wiederholt sich noch ein paar Mal.<br />
Doch dann fliegt die Gebirgsstelze plötzlich stromaufwärts davon.<br />
Die Paddel-Freunde sind noch keine halbe Stunde unterwegs, da müssen<br />
sie die erste Staustufe durchfahren. Das macht Spaß und ist keinesfalls<br />
gefährlich <strong>–</strong> vorausgesetzt, die Boote halten ausreichend Abstand!<br />
Unterhalb der Staustufe fließt die Luhe munter zwischen zahlreichen<br />
Steinen hindurch. Kurz hinter diesem ersten „Wildwasserabschnitt“<br />
mahnen Hinweisschilder zum Ausstieg in Putensen, weil das Luhmühlener<br />
Wehr nicht zu umtragen sei. „Das stimmt nicht mehr. Die Schilder<br />
sind Relikte aus der Vergangenheit“, weiß René Hartig, der sich vor<br />
Beginn der Paddeltour im Internet schlau gemacht hat. Tatsächlich<br />
gibt es dieses Wehr bei Luhmühlen gar nicht mehr. Stattdessen befindet<br />
sich dort nach gut einer Stunde Paddelzeit ein rund 70 Meter langer<br />
Abschnitt mit Stromschnellen. Diesmal ist der Kajakfahrer als Erster<br />
dran. Er hebt das Paddel über den Kopf und überlässt es der schnellen<br />
Strömung, das Boot auf der Ideallinie sicher zwischen den Steinen<br />
hindurch zu manövrieren. Erst als er sieht, dass das Kajak hinter den<br />
Stromschnellen wieder in ruhigerem Fahrwasser ist, folgt René Hartig<br />
seinem Kumpel.<br />
Auch Stromschnellen durchfahren die Paddler.<br />
Er weiß, dass es ratsam ist, an solchen Stellen tunlichst ausreichend<br />
Abstand zwischen den Booten zu halten. Beim Paddeln ist es wie beim<br />
Autofahren: Bei erhöhter Geschwindigkeit muss der Sicherheitsabstand<br />
größer werden! Ansonsten kann es schon mal brenzlig werden,<br />
Die Anlegestelle an der Grillhütte Garstedt-Vierhöfen eignet sich hervorragend<br />
für eine längere Pause: Hier gibt es Sitzgelegenheiten mit<br />
Blick auf den Fluss, ausreichend Parkmöglichkeiten, eine Station am<br />
Fischotter-Lehrpfad und eine Dixi-Toilette. Foto: Heide-Kanu<br />
Die Luhe ist für Kanuwanderer zweifelsohne einer der schönsten Flüsse<br />
in der Region. <br />
Foto: Emily Weede<br />
92<br />
Frühjahr 2021
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Frühjahr 2021 93
denn wenn ein Kanu kentert, können nachfolgende Boote in der starken<br />
Strömung nicht einfach anhalten. Mit ausreichend Abstand <strong>–</strong> Kenner<br />
raten zu mindestens 50 Meter <strong>–</strong> ist das Befahren der Stromschnellen<br />
auf der Luhe ein pures Vergnügen.<br />
Kurz hinter den Stromschnellen erreichen die Männer Luhmühlen. Das<br />
malerische Dorf ist als Austragungsort vieler internationaler Reitturniere<br />
bekannt. Edle Pferde auf satten Weiden sehen die Paddler auch<br />
schon vom Wasser aus. „Luhmühlen ist auch ein beliebter Einstiegspunkt<br />
für eine Paddeltour auf der Luhe“, weiß René Hartig. „Ich<br />
finde, hier ist auch ein vortrefflicher Platz, um mal eine Pause zu<br />
machen“, erwidert sein Kumpel. Im nächsten Moment sieht er einen<br />
Holzsteg, perfekt zum Anlegen und Aussteigen. „Dahinten steht eine<br />
Bank <strong>–</strong> und es gibt da sogar ein Dixi Klo“, sagt er und steuert schnurstracks<br />
auf die Ausstiegsstelle zu. Das Aussteigen am Holzsteg ist kein<br />
Problem. Schnell sind Kajak und Kanu an Land gezogen und kurz<br />
darauf sitzen die Männer auch schon auf der Holzbank, genießen die<br />
wärmenden Sonnenstrahlen, ihre mitgebrachten Butterbrote und einen<br />
Becher Kaffee aus der Thermoskanne. „Könnte nicht schöner sein“,<br />
stellt René Hartig fest. Die Bank ist perfekt für zwei Männer. Auf der<br />
anderen Seite der Alten Dorfstraße gibt es eine Picknickwiese, die sich<br />
auch für größere Paddler-Gruppen sehr gut zum Rasten eignet.<br />
Idyllische Picknickwiesen laden zum Pausieren ein.<br />
Frisch gestärkt schieben die Paddler ihre Boote zurück ins Wasser.<br />
Auch der Einstieg klappt problemlos. Hinter Luhmühlen fließt die<br />
Luhe durch wunderschöne, bewaldete Abschnitte. Höhepunkt ist der<br />
Lobker Park mit seinem beeindruckenden, alten Baumbestand.<br />
Hinter dem Park schlängelt sich die Luhe durch Wiesen und Felder.<br />
Seit gut einer Stunde sitzen die Männer nach ihrer Pause in Luhmühlen<br />
nun wieder in ihren Booten. Inmitten der abwechslungsreichen Flusslandschaft<br />
vergeht die Zeit wie im Flug. Hinter jeder Flussschleife gibt<br />
es etwas Neues zu entdecken. Plötzlich taucht vor den Paddlern ein<br />
Wehr auf. „Dann müssen wir schon am Gut Schnede sein“, sagt René<br />
Hartig, der sich den Streckenverlauf gut eingeprägt hat und trotzdem<br />
von Zeit zu Zeit den aktuellen Standort auf seinem Smartphone überprüft.<br />
Die Männer fahren langsam an der im Jahr 2016 renovierten<br />
Wehranlage vorbei. Unmittelbar dahinter steigen sie an der rechten<br />
Uferseite aus. Das kalte Luhe-Wasser reicht nicht einmal bis an den<br />
Rand der knielangen Hose. Dass an dieser Stelle schon viele Paddler<br />
ausgestiegen sind, ist nicht zu übersehen: Die Uferböschung ist plattgetreten.<br />
Kurz hinter der Ausstiegsstelle verhindern zwei querliegende<br />
Bahnschwellen, dass Paddler versehentlich weiterfahren und in die<br />
Wehranlage geraten.<br />
„Wir müssen das Wehr umtragen, aber es sind nur ein paar Meter“,<br />
sagt der Moisburger. Gesagt, getan: Die Paddel-Freunde tragen Kanu<br />
und Kajak <strong>–</strong> jeweils einer vorne und einer hinten <strong>–</strong> etwa 20 Meter weit<br />
bis hinter die Wehranlage. Die Umtragestelle wäre auch sehr gut als<br />
Raststelle geeignet, aber die Paddelfreunde wollen weiter, um nicht zu<br />
spät am verabredeten Zielort anzukommen. Also lassen sie ihre Boote<br />
an der flachen Uferböschung gleich wieder zu Wasser. „Das war ja<br />
wirklich einfach“, sagt René Hartig, nachdem auch sein Kumpel wieder<br />
sicher im Boot sitzt. Und schon geht es weiter auf dem idyllischen<br />
Heidefluss.<br />
Die Luhe fließt an Gut Schnede vorbei. „Hier gab es früher die größte<br />
Forellenzucht Europas mit über 300 Teichen“, weiß der belesene Moisburger,<br />
der sich für Heimatgeschichte interessiert. 1908 hatte der<br />
Hamburger Kaufmann und südamerikanische Konsul Wiedenbrüg das<br />
Waldgebiet der Schnede und den Hof Weddermöde (Weizenmühle)<br />
zwischen Garstedt und Salzhausen gekauft. Die Kaufmannsfamilie<br />
Wiedenbrüg hatte ihr Vermögen mit Rinderzucht und Weinbau in<br />
Argentinien gemacht. Konsul Wiedenbrüg ließ Hof Weddermöde zu<br />
einem frühen Öko-Hof mit Mühle, Bäckerei, Vorzugsmilch, Forellenzucht<br />
und -verkauf sowie Wurstfabrikation ausbauen und erfüllte sich<br />
damit einen Jugendtraum. 1909 ließ der Konsul zudem ein prächtiges<br />
Gutshaus nach dem Vorbild einer südamerikanischem Villa errichten<br />
und mit zahlreichen Jugendstil-Elementen ausstatten. Heute betreibt<br />
der jetzige Besitzer <strong>–</strong> der muslimische Sufiorden Tariqa Burhaniya <strong>–</strong><br />
„Haus Schnede“ als gastfreundliches Seminar- und Tagungshaus, das<br />
auch gern für stilvolle Feiern genutzt wird. „Es ist wirklich schön da“,<br />
Große Bereiche des Flusses sind<br />
sehr naturnah und fließen in weiten<br />
Mäandern durch den Naturpark<br />
Lüneburger Heide.<br />
<br />
Fotos: Carsten Weede<br />
94
sagt René Hartig. Nach einer guten halben Stunde sehen die Paddler<br />
die ersten Menschen auf ihrer Tour: Am Ufer der Luhe, genau in Höhe<br />
einer Schwallstufe, sind zwei Frauen mit einer Handvoll Kinder unterwegs,<br />
vermutlich zwei befreundete Mütter mit ihrem Nachwuchs.<br />
„Guckt mal schnell! Gleich könnt ihr zwei Boote absaufen sehen“, ruft<br />
die eine Frau. „Wie bitte? Habe ich mich gerade verhört?“, entfährt es<br />
René Hartig. „Den Gefallen tun wir ihnen bestimmt nicht!“, sagt sein<br />
Kumpel. Er ist diesmal als Erster an der Reihe: Beim Einfahren in die<br />
Schwallstufe macht er noch extra ein paar kräftige Paddelschläge,<br />
dann reißt er das Paddel über den Kopf und überlässt das Boot mit<br />
einem Freudenschrei der Strömung. Die Zuschauer sollen ruhig sehen<br />
und hören, dass ihm das „Wildwasserfahren“ einen Heidenspaß macht<br />
<strong>–</strong> auch wenn dort ein guter Eimer voll Wasser in die Einstiegsöffnung<br />
schwappt. Anschließend durchfährt sein Kumpel mit lautem Juchhu die<br />
Schwallstufe. Auch in sein Boot schwappt eine ordentliche Welle. Die<br />
Kinder am Ufer kreischen vor Begeisterung. Ihre Mütter klatschen<br />
Beifall.<br />
„Gleich könnt ihr zwei Boote absaufen sehen.“<br />
Nach einer weiteren halben Paddelstunde sehen die Männer vor sich<br />
eine betongraue Straßenbrücke. Sie wissen, dass ihre Paddeltour gleich<br />
zu Ende geht, denn hier ist das Etappenziel für heute und der verabredete<br />
Treffpunkt, an dem die Freunde abgeholt werden sollen. Direkt<br />
hinter der Straßenbrücke befindet sich auf der linken Seite der Luhe<br />
die Anlegestelle an der Grillhütte Garstedt-Vierhöfen. Hier gibt es<br />
einige Sitzgelegenheiten mit Blick auf den Fluss, ausreichend Parkmöglichkeiten,<br />
eine Station am Fischotter-Lehrpfad und eine Dixi-Toilette.<br />
In der Grillhütte können sich die Männer geschützt vor neugierigen<br />
Blicken trockene Klamotten anziehen, die sie in wasserdichten<br />
Säcken mitgenommen hatten. „Nass werden gehört dazu. Eine Paddeltour,<br />
bei der man nicht nass wird, ist gar keine richtige Paddeltour“,<br />
sagt René Hartig. Trocken und zufrieden warten die Freunde noch<br />
gemütlich bei einer Tasse Kaffee auf ihre Abholerin. Nach ein paar<br />
Minuten rollt ihr Auto auf den Parkplatz, wo die Boote schon zum<br />
Bild oben: Auch für Gruppen eignet sich die Luhe hervorragend für<br />
Kanutouren von 1,5 bis 7 Stunden Dauer. Foto: Heide-Kanu<br />
Bild Mitte: Brücke an der Luhe. Der Heidefluss ist Teil einer über Jahrhunderte<br />
gewachsenen Kulturlandschaft <strong>–</strong> ein vielfältiges Mosaik aus<br />
Wasser, Wäldern, Feldern und Wiesen. Foto: Carsten Weede<br />
Bild unten: „Kanu-Kapitän“ Matthias Schrenk ist kompetenter<br />
Ansprechpartner in allen Paddel-Fragen. Foto: Carsten Weede<br />
Frühjahr 2021 95
Am Gut Schnede bei Salzhausen müssen Paddler ihre Boote aus dem<br />
Wasser holen und das alte Wehr einige Meter weit umtragen.<br />
<br />
Foto: Carsten Weede<br />
An der flachen Uferböschung hinter dem Wehr können Paddler ihre<br />
Boote leicht wieder zu Wasser lassen. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
Aufladen auf den Anhänger bereitliegen. Ein letzter Blick auf den<br />
Fluss, dann geht es nach einem wunderschönen Paddeltag auf der<br />
Luhe zurück nach Hause.<br />
Kanuwandern auf der Luhe.<br />
Die Luhe ist für Kanuwanderer zweifelsohne einer der schönsten Flüsse<br />
in der Region. Inmitten der Lüneburger Heide entspringt sie bei<br />
Bispingen und mündet nach 58 Kilometern kurz hinter Winsen bei<br />
Stöckte in die Ilmenau. Große Bereiche des Flusses sind sehr naturnah<br />
und fließen in weiten Mäandern durch den Naturpark Lüneburger<br />
Heide. An einigen Stellen hat der Mensch den Flusslauf verändert. Die<br />
Luhe ist damit Teil einer über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft<br />
<strong>–</strong> ein vielfältiges Mosaik aus Wasser, Wäldern, Feldern und<br />
Wiesen. Hier und da bietet der Heidefluss durch einige Stromschnellen<br />
auch ein bisschen Action. Die Luhe eignet sich hervorragend für Kanutouren<br />
von 1,5 <strong>–</strong> 7 Stunden Dauer. Für mehrtägige Touren ist die Luhe<br />
aufgrund fehlender Wasserwanderrastplätze nicht geeignet.<br />
Die erste Einsetzstelle für Kajaks befindet sich in Soderstorf direkt<br />
hinter der alten Mühle. Die Luhe darf hier wegen ihrer geringen Wassertiefe<br />
noch nicht mit Kanus befahren werden. Daher ist man hier oft<br />
auch an Wochenenden komplett allein unterwegs. Herrliche Flussabschnitte<br />
mit Kurven und Stromschnellen sind allerdings eher etwas für<br />
den geübteren Paddler. Umgestürzte Bäume werden hier nicht so oft<br />
vom Luheverband entfernt wie auf dem beliebteren Abschnitt ab Wetzen.<br />
Am Wehr in Soderstorf müssen Kajakfahrer einmal kurz umtragen.<br />
Kurz nachdem die Luhe und die Lopau sich vereinen, erreichen sie<br />
Oldendorf/Luhe. Für eine Weiterfahrt müssen Paddler ihre Kajaks dort<br />
an der Mühlenanlage etwa 400 Meter weit umtragen, bis sie an der<br />
Marxener Straße wieder einsetzen können. An der Marxener Straße<br />
befindet sich auch die Zentrale des Bootsverleihs „Heide-Kanu“ von<br />
Matthias Schrenk. Der Kanu-Kapitän ist kompetenter Ansprechpartner<br />
in allen Paddel-Fragen. An der Einsetzstelle geht´s weiter auf der<br />
Luhe bis nach Wetzen, wo sich an der Straßenbrücke Im Krüß die erste<br />
Einsetzstelle an der Luhe für Kanus befindet (siehe oben).<br />
Der Landkreis Harburg hat zum Schutz der Natur wichtige Befahrens-<br />
Holert<br />
BESTATTUNGEN SEIT 1919<br />
Bestattungsinstitut<br />
Emil Holert<br />
Inhaber Renate Ahrens e. K.<br />
Schwarzenbergstraße 38<br />
21073 Hamburg<br />
Tel.: 0 40 / 77 43 83 · Fax: 0 40 / 77 43 38<br />
holert-ahrens@t-online.de<br />
96<br />
Frühjahr 2021
Tipps zum Kanufahren<br />
Die Luhe ist auch <strong>Leben</strong>sraum für den sehr seltenen Fischotter. Ein<br />
stählernes Exemplar und eine Info-Tafel weisen auf den Fischotter-<br />
Lehrpfad hin. <br />
Foto: Carsten Weede<br />
• Denken Sie an Wechselkleidung, Sie werden garantiert nass.<br />
Bei warmem Wetter ist Badebekleidung sehr nützlich<br />
• Denken Sie an Sonnenschutz, Sie sind lange auf dem Fluss<br />
unterwegs,<br />
• Verpflegung sollte dabei sein<br />
• Brillenträger sollte ihre Brille durch ein Band sichern<br />
• Halten Sie den Fluss sauber, Abfälle müssen mitgenommen<br />
werden<br />
• Alkohol gehört nicht zu einer Kanutour<br />
• Halten Sie Abstand von bewachsenen Uferzonen,<br />
um keine Tiere aufzuschrecken<br />
• Bitte betreten Sie keine Privatgrundstücke am Fluss,<br />
nur an den offiziellen Stegen können Sie das Boot verlassen<br />
• Nichtschwimmer sollten keine Kanutour machen<br />
regeln verordnet. Bitte halten Sie sich unbedingt daran! Ansonsten<br />
müssen Sie mit empfindlichen Bußgeldern rechnen. Die Luhe darf erst<br />
ab der Einstiegsstelle Wetzen mit Kanus/Kanadiern befahren werden.<br />
Um die Tierwelt zu schonen, sind die Zeiten von 9 bis 18 Uhr begrenzt.<br />
An Himmelfahrt und am Pfingstwochenende (Samstag, Sonntag und<br />
Montag) ist das Befahren der Luhe erst ab Garstedt möglich. Das<br />
Anlegen ist nur an Ein- und Ausstiegstellen gestattet. Bitte halten Sie<br />
sich zudem aus Naturschutzgründen und zur eigenen Sicherheit freiwillig<br />
daran, während der Kanutour auf den Konsum von Alkohol zu<br />
verzichten, da es immer wieder zu „Entgleisungen“ alkoholisierter<br />
Paddler kommt.<br />
Von der ersten möglichen Einstiegsstelle für Kanus/Kanadier in Wetzen<br />
bis bis nach Winsen hat die Luhe eine Länge von rund 29 Kilometern.<br />
Der Heidefluss ist durchschnittlich sieben bis zwölf Meter breit.<br />
Die mittlere Strömung beträgt ungefähr vier Kilometer pro Stunde bei<br />
normalem Wasserstand. Auf einigen Abschnitten gibt es zahlreiche<br />
Windungen. „Die Luhe ist nach unserer ausführlichen Einweisung<br />
auch für Ungeübte problemlos zu bewältigen“, sagt Kanu-Kapitän<br />
Matthias Schrenk. Zwar gebe es hier und da einige Staustufen <strong>–</strong> vor<br />
allem im ersten Abschnitt <strong>–</strong> allerdings seien diese „Hindernisse“ für die<br />
meisten eher spannend als gefährlich. „Dennoch haben wir aus Sicherheitsgründen<br />
das Mindestalter für mitfahrende Kinder auf drei Jahre<br />
festgelegt“, betont der Kanu-Kapitän.<br />
Die Entfernungen von Anleger zu Anleger:<br />
Wetzen - Luhmühlen: 5,4 km, Luhmühlen <strong>–</strong> Garstedt: 9,8 km<br />
Garstedt <strong>–</strong> Bahlburg: 3 km, Bahlburg <strong>–</strong> Winsen (Luhe): 11 km<br />
Offizielle Ein- und Ausstiegsstellen:<br />
Wetzen, Luhmühlen, Garstedt, Bahlburg, Luhdorf, Winsen (Luhe)<br />
Umtragestellen:<br />
Gut Schnede, Luhdorf<br />
Die Kanusaison ist in der Regel von Ende März bis Anfang Oktober.<br />
Reservierungen für Gruppenreisen, Betriebsausflüge, Klassenreisen,<br />
eine Kanutour mit Freunden oder Familie auf der Luhe<br />
nehmen Kanu-Kapitän Matthias Schrenk und sein Team täglich<br />
in der Zeit von 9 bis 18 Uhr unter der Rufnummer 04132-933933<br />
oder unter der E-Mail-Adresse info@heide-kanu.de entgegen.<br />
Der Kanu-Kapitän im Interrnet: www.heide-kanu.de<br />
Frühjahr 2021 97
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98 Frühjahr 2021
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Frühjahr 2021 99
ocistorisc<br />
ocistorisc<br />
ileräe ileräe i i<br />
enlan<br />
enlan<br />
von Matthias Heining<br />
Weltweit einziges Stones-Fan-Museum in Lüchow<br />
feiert zehnjähriges Bestehen.<br />
Nicht London, New York oder Paris <strong>–</strong> nein, das Städtchen Lüchow im<br />
Wendland ist das Mekka der Rolling-Stones-Fans. Die kleine, von<br />
Fachwerkhäusern geprägte Kreisstadt beherbergt seit 2011 das weltweit<br />
einzige Fan-Museum zu der britischen Rockband, die bereits zu<br />
Lebzeiten Legendenstatus erreicht hat. Gründer des Museums ist<br />
Ulrich „Ulli“ Schröder, der schon als Schüler begann, alles nur<br />
Erdenkliche zu seiner „größten Band der Welt“ zusammenzutragen.<br />
Jahrzehnte später hatte ein besonderes Verhältnis zu dem Stones-Gitarristen<br />
Ron Wood seiner Sammlung zusätzlichen Schub gegeben und<br />
auch die Museumsidee beflügelt. In diesem Jahr nun begeht das Stones-<br />
Fan-Museum sein zehnjähriges Bestehen. Ob und wie dies in Corona-<br />
Zeiten gefeiert werden kann, war bei Redaktionsschluss noch offen.<br />
Seit der Gründung des Museums finden alljährlich mehrere Tausende<br />
Anhänger der Band aus aller Welt den Weg in den Landkreis Lüchow-<br />
Museumsgründer Ulli Schröder neben einem Werk des<br />
österreichischen Künstlers Christian Stellner, das Keith Richards<br />
darstellt, den Gitarristen der Rolling Stones.<br />
Das Stones-Fan-Museum, dessen Anstrich farblich an das Cover des<br />
Stones-Albums „Voodoo Lounge“ erinnert, liegt nicht weit vom<br />
alten Rathaus und dem Marktplatz Lüchows entfernt.<br />
100 Frühjahr 2021
Dannenberg im östlichsten Zipfel Niedersachsens.<br />
In einer Nebenstraße im alten<br />
Ortszentrums von Lüchow ist das rote Fachwerkgebäude<br />
kaum zu übersehen. Es erinnert<br />
im Farbdesign an ein Plattencover des<br />
Stones-Albums „Voodoo Lounge“. Drinnen<br />
verschlägt es dann manchem Erstbesucher<br />
unter den Rolling-Stones-Fans zunächst die<br />
Sprache angesichts der Fülle an Exponaten.<br />
Bis unter die hohe Decke hängen Plakate<br />
und Fotos aus allen Epochen der Band sowie<br />
auch Gemälde von Künstlern wie John<br />
Klinkenberg, Sebastian Krüger, Roland<br />
Muri oder Ole Ohlendorf an den Wänden.<br />
In zahlreichen Vitrinen werden besonders<br />
wertvolle Stücke wie handsignierte Gitarren,<br />
Dokumente, exklusive Bildbände sowie<br />
ausgewählte Memorabilien und Merchandising-Artikel<br />
präsentiert. Ebenso spannend<br />
wie die Exponate des Museums ist jedoch<br />
auch die Geschichte seiner Verwirklichung,<br />
die Ulli Schröder, inzwischen 71, interessierten<br />
Besuchern gern erzählt.<br />
Auch Hobby-Künstler<br />
stecken viel Arbeit<br />
und Freude am<br />
Detail in ihre Leidenschaft<br />
für die Rolling<br />
Stones. <br />
Foto: Natalia Kaiser<br />
Bild Mitte: In der Saison ist es in der Pausenecke des Museums selten so menschenleer wie auf diesem Bild aus der Winterpause.<br />
Bild unten: Im Saalbereich vor der Bühne (rechts), die nur für drei oder vier Livekonzerte im Jahr freigeräumt wird, hängen Plakate und Fotos bis unter<br />
die hohe Decke.<br />
Frühjahr 2021 101
Die Wurzeln des Stones-Fan-Museums reichen weit zurück in die frühen<br />
1960er-Jahre <strong>–</strong> und das nicht nur, weil Mick Jagger, Keith<br />
Richards und Brian Jones 1962 die Band „The Rolling Stones“ gründeten,<br />
zu der alsbald Bassist Bill Wyman und Schlagzeuger Charlie<br />
Watts hinzustießen. In dieser Zeit investierte auch Bauernsohn Ulrich<br />
Schröder sein Konfirmationsgeld in einen leistungsstarken Weltempfänger,<br />
an dem er in der tiefen Provinz des Zonenrandgebietes das<br />
Geschehen in der sprießenden Rockmusik international verfolgen<br />
konnte. Schnell wurden die „bösen“ Rolling Stones <strong>–</strong> stets wilder und<br />
anstößiger als die „braven“ Beatles <strong>–</strong> seine musikalischen Helden.<br />
Der September 1965 wurde für den damals 15-jährigen Fan unvergesslich:<br />
Die Rolling Stones traten erstmals in Deutschland auf. Für drei<br />
der vier Konzerte hatte er sich das Geld für Eintrittskarten und die<br />
Fahrten hart zusammengespart. Den Eltern war die Leidenschaft ihres<br />
Sohnes für die „Hottentottenmusik“ zwar suspekt, aber sie ließen den<br />
Filius ziehen. So war er in Essen und tags darauf in der Ernst-Merck-<br />
Halle in Hamburg (Ticketpreis: 8 DM !) dabei. Und auch das berüchtigte<br />
Gastspiel in Berlin, bei dem es zwischen Fans und Polizei heftig<br />
zur Sache ging und die Waldbühne hinterher Kleinholz war, trieb seine<br />
Begeisterung für die Rockrebellen weiter an. Bis heute hat er mehr als<br />
200 Stones-Konzerte rund um den Globus besucht.<br />
1965 traten die Rolling Stones<br />
erstmals in Deutschland auf.<br />
Von Jugend an trug Ulli Schröder alles Mögliche mit Bezug zu seinen<br />
Idolen zusammen: Plakate, Fotos, Zeitungsartikel, T-Shirts, Schallplatten<br />
und die aufkommenden Fanartikel. An dieser Leidenschaft<br />
änderte der Einstieg ins Berufsleben als Bankkaufmann nichts. Zunehmend<br />
fanden auch künstlerische Werke über die Stones und selbst<br />
Mobiliar aus den 50er- und 60er-Jahren sowie alte Radio- und Phonogeräte<br />
Eingang in seine Sammlung, die er auf dem elterlichen Bauernhof<br />
unterbrachte.<br />
Ohne es zu jener Zeit bereits zu ahnen, bekam das Jahr 1975 später<br />
auch für den Stones-Fan Ulli Schröder eine besondere Bedeutung.<br />
Ende 1974 hatte Gitarrist Mick Taylor die Band verlassen, nachdem er<br />
fünf Jahre lang den Part des 1969 gefeuerten und kurz danach verstorbenen<br />
Brian Jones bei den Rolling Stones übernommen hatte. Sein<br />
Nachfolger wurde Ron Wood, dessen Talente jedoch nicht nur auf<br />
Rockmusik beschränkt sind, sondern die ihm seit Kindertagen auch für<br />
die bildende Kunst attestiert wurden. Seine Gemälde, Zeichnungen und<br />
Grafiken, später auch Holzschnitte, Radierungen und Lithografien,<br />
fanden Anklang.<br />
Das „nebenberufliche“ Schaffen des Stones-Gitarristen, meist Porträts<br />
seiner Bandkollegen und anderer Musiker, aber auch Tier- und Landschaftsmotive,<br />
beeindruckte den kunstinteressierten Ulli Schröder. Als<br />
Zukunftsinvestition erwarb er, was er in die Finger kriegte. Später<br />
gelang es ihm, Kontakt zu dem Drucker zu bekommen, der für Ron<br />
Wood arbeitete, und besuchte ihn in Südengland. Die beiden verstanden<br />
sich gut und diskutierten angeregt über neue Wood-Werke, die der<br />
Drucker in der Schublade hatte. Von diesem Treffen erfuhr natürlich<br />
auch der Künstler und war erstaunt über das Interesse des „German“<br />
<strong>–</strong> und neugierig. Bald danach erhielt Ulli Schröder 1997 völlig überraschend<br />
eine Einladung zur Feier von Ron Woods 50. Geburtstag im<br />
irischen Dublin. Dort nahm der Stones-Gitarrist zu fortgeschrittener<br />
Stunde seinen Gast aus Deutschland zur Seite und fragte ihn, ob er<br />
ewig als Banker arbeiten wolle: „Oder kannst du dir vorstellen, bei mir<br />
Begehrtes Sammlerstück: Für Ron Wood von den Stones hat die hannoversche Gitarrenschmiede Duesenberg dieses wunderschöne Instrument gebaut<br />
und in einer Auflage von nur 100 Stück auf den Markt gebracht.<br />
102<br />
Frühjahr 2021
etwas Geld als mein Galerist zu machen?“ Das konnte Ulli Schröder<br />
sich gut vorstellen und schlug ein.<br />
Der Stones-Fan aus Lüchow gab den Bankjob auf und war fortan für<br />
Verkauf und Organisation von Ausstellungen der Arbeiten Ron Woods<br />
in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Österreich zuständig.<br />
Dank dieses engeren Kontaktes <strong>–</strong> er traf Ron Wood dutzende Male<br />
<strong>–</strong> erhielt Schröder bei Konzerten der Rolling Stones Zutritt zum Backstage-Bereich<br />
und lernte mit der Zeit so auch Mick Jagger, Keith<br />
Richards und Charlie Watts persönlich kennen.<br />
Die Anzahl der Wood-Arbeiten in Schröders Stones-Sammlung nahm<br />
zu, denn er ließ sich auch gern mit Werken des Künstlers für seine<br />
Dienste bezahlen. Heute besitzt er mit gut 250 Werken des Stones-<br />
Gitarristen wohl eine der größten Privatsammlungen der Welt. Parallel<br />
zu den Erfahrungen als Wood-Galerist wuchs in Ulli Schröder die<br />
Überzeugung, dass die Zeit reif für ein Rolling-Stones-Museum sei <strong>–</strong><br />
und seine Sammlung ein guter Grundstock.<br />
Museumschef Schröder besitzt mit gut 250 Werken<br />
des Stones-Gitarristen Wood eine der wohl größten<br />
Privatsammlungen der Welt.<br />
2008 kaufte er in Lüchow ein leer stehendes Gebäude, das zuletzt als<br />
Supermarkt gedient hatte, und baute es um. Die Kosten verschlangen<br />
ein Vermögen, und der Museumsdirektor in spe hielt einen Zuschuss der<br />
Stadt für angemessen. Schließlich werde das Museum auch Lüchow<br />
touristisch und wirtschaftlich zugutekommen. Lüchow-Dannenberg ist<br />
der am dünnsten besiedelte Landkreis der alten Bundesländer, strukturschwach<br />
und allenfalls durch das Atommülllager Gorleben weitläufiger<br />
bekannt. In einem 67-seitigen Gutachten stellte das Kultusministerium<br />
in Hannover fest, die Region könne eine kulturelle Attraktion<br />
gut gebrauchen. Daraufhin bewilligte die Stadt einen einmaligen<br />
Zuschuss von 100.000 Euro unter der Bedingung, das Museum mindestens<br />
zehn Jahre zu betreiben.<br />
Die nächste Hürde war die Firma Rolling Stones, zu der sich die Pläne<br />
herumgesprochen hatten. Sie ließ über ihre Plattenfirma Universal<br />
mitteilen, es müsse absolut klar werden, dass es kein offizielles Band-<br />
Museum sei, sondern dass es sich um ein Fanprojekt handele. Vor Ort<br />
erzielten der Universal-Vizepräsident samt Gefolge mit Ulli Schröder<br />
und Lüchows Bürgermeister schnell eine Einigung: Der Name „Stones-<br />
Fan-Museum“ erhielt grünes Licht. Markennamen und Logos dürften<br />
natürlich nicht genutzt werden. Tipp des Plattenbosses: Wenn Ulli<br />
Schröder sein Konterfei als Fan großformatig am Haus anbringe,<br />
werde Aufmerksamkeit mit eindeutiger Botschaft erzielt <strong>–</strong> und die<br />
Rechtsabteilung könne ruhig bleiben. Bekanntlich besteht die „Dienstkleidung“<br />
des Stones-Fans Ulli Schröder aus einem T-Shirt mit großem<br />
Logo der ausgestreckten Zunge und darüber einem schwarzen Frack, der<br />
ebenso mit Zungen-Logos sowie Stones-Buttons und -Aufnähern übersät<br />
ist wie der mit Federschmuck und Beleuchtung verzierte Zylinder.<br />
Bild oben: Zwei, die sich kennen und verstehen: Ulli Schröder trifft<br />
den Stones-Gitarristen Ron Wood bei einer Signierstunde in London.<br />
<br />
Quelle: Stones-Fan-Museum<br />
Bild Mitte: Kurz nach der Eröffnung des Museums empörten sich<br />
Feministinnen über die Urinale in der Herrentoilette. Viele Medien<br />
rund um den Globus griffen den „Pinkelstreit“ in Lüchow auf <strong>–</strong> tolle<br />
Werbung zum Nulltarif.<br />
Bild unten: Der irische Pub im Museum kommt bei Besuchern gut an,<br />
denn das Bestaunen aller Exponate braucht seine Zeit und macht<br />
manchen durstig.<br />
Frühjahr 2021 103
Darauf ist Ulli Schröder stolz: Die Vorstellung des Bildbandes zum<br />
50-jährigen Jubiläum der Rolling Stones hatte in seinem Museum Weltpremiere.<br />
Obendrein ist er darin auf einer Doppelseite abgebildet.<br />
Ein echtes Schwergewicht unter den Exponaten: 1,8 Tonnen wiegt der<br />
Snookertisch von Keith Richards, der lange mit den Rolling Stones zur<br />
Entspannung hinter der Bühne auf den Tourneen dabei war.<br />
Kurz nach dem Start brachte ein unerwarteter Medienhype das „Stones-Fan-Museum“<br />
in aller Munde. Steine des Anstoßes waren die Pinkelbecken<br />
auf der Herrentoilette <strong>–</strong> Entwürfe der niederländischen<br />
Designerin Meike van Schijndel mit dem Titel „Kisses!“. Die Urinale<br />
im Stil offener, geschminkter Münder und dem Zungen-Logo der Stones<br />
ähnlich, erachteten Feministinnen als frauenfeindlich. Forderungen<br />
nach ihrem Abbau, Aufrufe zur Stürmung des Museums, zertrümmerte<br />
Fensterscheiben und Polizeieinsätze gingen über die Medien werbewirksam<br />
um die Welt, erinnert sich Ulli Schröder. Als Hausherr hielt<br />
der nun hauptberufliche Stones-Fan aber an den Becken fest.<br />
Ein Jahr später waren es dann die Rolling Stones selbst, die Lüchow<br />
erneut in den Fokus der Öffentlichkeit schoben. Zu ihrem 50-jährigen<br />
Bestehen brachten die umtriebigen und geschäftstüchtigen Rockveteranen<br />
den Bildband „50“ heraus und ließen ihn vom Verlag am 6. Juli<br />
2012 im Museum weltweit erstmals vorstellen. In dem 352 Seiten<br />
starken Buch mit rund 1.000 Bildern bekannter Fotografen ist auf<br />
einer Doppelseite am Ende auch Ulli Schröder als einziger Fan abgebildet<br />
<strong>–</strong> in seiner <strong>Ausgabe</strong> handsigniert von allen Stones.<br />
Seine Stones-Sammlung umfasst weit mehr als 10.000 Stücke, Zeitungsausschnitte<br />
nicht mitgezählt. Platz findet davon im gelegentlichen<br />
Wechsel jeweils nur ein Teil auf den 1.000 Quadratmetern<br />
Ausstellungsfläche des Museums. Befragt nach den bedeutendsten<br />
Exponaten zuckt der Museumsgründer etwas hilflos mit den Schultern,<br />
lässt sich dann aber entlocken, dass er sich über den Snooker-<br />
Besonders empfindliche<br />
Exponate präsentiert das<br />
Museum in den zahlreichen<br />
Vitrinen des Ausstellungsbereichs.<br />
Die meisten<br />
Modestücke benötigen diesen<br />
Schutz hingegen nicht.<br />
104<br />
Frühjahr 2021
Die Eintrittskarten für seine ersten Rolling-Stones-Konzerte, wie am 13. September 1965 in Hamburg, zählen für den Museumschef persönlich zu<br />
seinen liebsten Exponaten.<br />
tisch von Keith Richards sehr gefreut habe. Das 1,8 Tonnen schwere<br />
Sportgerät, das bei mehr als 350 Stones-Konzerten in aller Welt<br />
hinter der Bühne für Partien zwischen den Gitarristen Richards und<br />
Wood aufgebaut war, wurde rechtzeitig zur Museumseröffnung <strong>–</strong> und<br />
mit Widmung der Band auf dem grünen Filztuch <strong>–</strong> nach Lüchow verfrachtet.<br />
Stolz sei er auch auf die beiden Mercedes-Luxuslimousinen,<br />
die Mick Jagger und der 1993 ausgestiegene Stones-Bassist Bill<br />
Wyman privat gefahren hätten. Und ebenso auf seine Ron-Wood-<br />
Sammlung, aus der gut drei Dutzend Werke im Museum hingen. „Für<br />
mich persönlich haben aber meine ersten Eintrittskarten für Stones-<br />
Konzerte die wichtigste Bedeutung“, sagt Ulli Schröder und zeigt<br />
auf einige angegilbte, kleine Kartonstreifen mit schlichtem Aufdruck.<br />
Ehefrau Birgit und Sohn Tim stehen Ulli Schröder im Museum tatkräftig<br />
zur Seite. Unterstützung erhält er auch durch einen etwa 180<br />
Mitglieder starken Freundeskreis des Museums. Ein harter Kern von<br />
etwa zehn Helfern aus der Umgebung bedient im Wechsel ehrenamtlich<br />
Gäste am Tresen des integrierten irischen Pubs oder steht an der<br />
Kasse, um Eintrittskarten und Stücke aus dem gut sortierten Fanartikelshop<br />
zu verkaufen. Dort werden auch mehrfach vorhandene<br />
Ausstellungsstücke angeboten. Andere helfen beim Katalogisieren<br />
und Beschriften, denn die Sammlung wächst stetig weiter.<br />
Viele Stones-Fans lassen dem Museum ihre Erinnerungsstücke für<br />
den guten Zweck zukommen. So hat zum Beispiel der frühere HSV-<br />
Fußballer Charly Dörfel seine Sammlung von 3000 Langspielplatten<br />
dem Museum geschenkt. Besonders sind die Freundeskreismitglieder<br />
auch bei den gelegentlichen Livekonzerten im Museum aktiv. Bis zu<br />
395 Zuhörer finden vor der Bühne Platz und haben hier schon manches<br />
Gastspiel namhafter Bands erlebt. So auch von Chris Jagger,<br />
dem jüngeren Bruder von Stones-Frontmann Mick, der hier mit<br />
seiner Band schon mehrfach auftrat. Alle hoffen, dass im Jubiläumsjahr<br />
des Museums die Corona-Regeln auch besondere Konzerte zulassen<br />
werden.<br />
Ulli Schröder steckt nach wie vor voller Ideen und Pläne. Sein „Art<br />
Rock Cafe“ hat er nahe des Museums an Lüchows zentraler Geschäftsstraße<br />
bereits eingerichtet. „Als Nächstes sollen ein paar Gästezimmer<br />
für angereiste Museumsbesucher folgen“, so der Museumschef. Auch ein<br />
Seniorenheim für Stones-Fans sei angedacht. Es gebe bereits einzugswillige<br />
Interessenten. Ans Aufhören denkt Schröder derweil ebenso<br />
wenig wie seine Idole. „29 Jahre mache ich noch hauptamtlich weiter“,<br />
sagt der 71-Jährige augenzwinkernd. „Danach lasse ich es ruhiger<br />
angehen, und mein Sohn Tim<br />
übernimmt die Nachfolge.“<br />
Ausflugstipp<br />
Stones-Fan-Museum<br />
Internet: www.stonesfanmuseum.de<br />
Dr. Lindemann-Straße 14 · 29439 Lüchow<br />
Telefon: Tel.: (0 58 41) 59 02<br />
E-Mail: info@stonesfanmuseum.de<br />
Öffnungszeiten: Ostersonntag bis 31. Oktober,<br />
Di. <strong>–</strong> So.: 12 <strong>–</strong> 18 Uhr<br />
Eintritt: 10,<strong>–</strong> Euro pro Person<br />
Frühjahr 2021 105
ein ein isc,<br />
isc,<br />
roße roße onun<br />
onun<br />
von Carsten Weede<br />
Die Bestände des Europäischen Aals sind<br />
überall in Europa seit Jahrzehnten erheblich<br />
zurückgegangen. Um gegenzusteuern, werden in<br />
der Elbe und ihren Nebenflüssen alljährlich<br />
Zigtausende Jungaale ausgesetzt.<br />
Sie messen etwa sechs bis sieben Zentimeter, sind nur 0,3 Gramm<br />
schwer und die große Hoffnung von Elbanrainern und Forschern: Mit<br />
Hilfe von Jungaalen soll der erheblich geschrumpfte Aalbestand in der<br />
Elbe wiederaufgebaut werden. Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer<br />
(LWK) Niedersachsen, Fischer, Fischereirechtsinhaber und Angler<br />
der Gemeinschaftsinitiative Elbefischerei setzen alljährlich im zeitigen<br />
Frühling in der Elbe sowie in vielen Nebengewässern zigtausende<br />
Jungfische <strong>–</strong> meist sogenannte Glasaale <strong>–</strong> aus.<br />
Die Gründe für den Rückgang der Population des Europäischen Aals<br />
(Anguilla anguilla) sind vielfältig. Forscher diskutieren unterschiedliche<br />
Ursachen, darunter klimatische Veränderungen, wie etwa die<br />
Verschiebung des Golfstromes oder gestiegene Temperaturen in der<br />
Sargassosee, dem Laichgebiet der Aale. Andere negative Faktoren<br />
können demnach das Ausbaggern von Schlamm, Überfischung, Parasi-<br />
Glasaale verdanken ihren Namen der Tatsache, dass ihr junger<br />
Körper noch durchsichtig ist. <br />
Foto: Stefan Feichtinger<br />
106<br />
Frühjahr 2021
ten und Turbinen von Wasserkraftwerken, in<br />
denen viele Aale verletzt werden, sein <strong>–</strong> um<br />
nur einige zu nennen. Hinzu kommt, dass<br />
Wanderhindernisse wie Wehre und Schleusen<br />
den aus dem Meer aufsteigenden Glasaalen<br />
in vielen Flüssen den Zugang zu weiten<br />
Teilen ihres natürlichen <strong>Leben</strong>sraumes im<br />
Binnenland versperren. Das enorme<br />
Anwachsen der Kormoranbestände wirkt<br />
sich ebenfalls erheblich auf den Aalbestand<br />
aus. Auch der massive Export von europäischen<br />
Glasaalen nach Asien, wo sie in Aalfarmen<br />
gemästet werden, kann nach Ansicht<br />
von Fischerei-Experten ein wesentlicher<br />
Grund für den Rückgang des Aalbestandes<br />
in Europa sein. Doch jetzt sieht es so aus, als<br />
sei eine Trendwende in Sicht: „Ein 2009<br />
durch die EU-Kommission verhängtes<br />
Exportverbot für Glasaale und umfangreiche<br />
Besatzmaßnahmen in Binnengewässern<br />
helfen dem Aal“, sagt LWK-Fischerei-<br />
Expertin Christina Hiegel. Die studierte<br />
Biologin und gelernte Fischwirtin leitet den<br />
Fachbereich Fischerei bei der Landwirtschaftskammer<br />
Niedersachsen und ist mit<br />
ihrem Team zuständig für alle fischereirelevanten<br />
Fragen.<br />
Mit der spannenden Welt der Aale hat sich<br />
die Fischerei-Expertin besonders intensiv<br />
befasst: „Auch in unserem Jahrhundert gibt<br />
die Biologie des Europäischen Aals noch<br />
viele ungelöste Rätsel auf“, sagt sie. Der Aal<br />
gelte traditionell als Brotfisch der Flussfischerei.<br />
„Europäische Forscher arbeiten<br />
verstärkt an der künstlichen Nachzucht des<br />
Aals, doch die kommerzielle Nutzung ist<br />
noch Zukunftsmusik. Der <strong>Leben</strong>szyklus des<br />
Aals ist sehr komplex“, berichtet Christina<br />
Hiegel. Eine modernere Wirtschaftsweise sei<br />
seine Aufzucht in Kreislaufanlagen. Doch<br />
aktuell ist der Europäische Aal zu einer<br />
geschützten Art geworden.<br />
Was für Konsequenzen dies für die Fischereitreibenden<br />
und Aalesser haben kann, wissen<br />
wohl die wenigsten. Der Europäische Aal,<br />
hierzulande seit jeher als Räucherfisch<br />
beliebt, gilt inzwischen als stark gefährdet.<br />
Jedes Exemplar, das in Deutschland gefangen<br />
wird und geräuchert auf dem Teller<br />
landet, hat eine tausende Kilometer lange,<br />
gefahrvolle Wanderung hinter sich.<br />
Der Europäische Aal gilt<br />
inzwischen als stark gefährdet.<br />
Die Weltnaturschutzunion (IUCN) listet die<br />
Art als „vom Aussterben bedroht“. Nach<br />
Einschätzung von Experten aus mehreren<br />
Ländern ist der Bestand des Europäischen<br />
Aals seit den 1970er-Jahren um mindestens<br />
90 Prozent zurückgegangen.<br />
Spannender Vortrag<br />
Ganz im Zeichen von „Schutz durch<br />
Nutzung“ bietet der Fachbereich<br />
Fischerei der Landwirtschaftskammer<br />
Niedersachsen einen spannenden<br />
und abwechslungsreichen<br />
Vortrag an mit dem Titel: „Soweit die<br />
Flossen tragen <strong>–</strong> Biologie, Fang und<br />
Bewirtschaftung des europäischen<br />
Aals im 21. Jahrhundert“, der auf<br />
Wunsch mit einem Fischessen in<br />
einem Fischereibetrieb kombiniert<br />
werden kann.<br />
Kontakt und Buchung unter der<br />
E-Mail:<br />
christina.hiegel@lwk-niedersachsen.de<br />
Die Vertragsstaaten des Washingtoner Artenschutzübereinkommens<br />
(CITES) haben<br />
daher 2007 die Aufnahme des Europäischen<br />
Aals in den Anhang II (schutzbedürftige<br />
Arten) des Übereinkommens beschlossen.<br />
Um den dramatischen Rückgang der Population<br />
zu stoppen und den Trend umzukehren,<br />
werden in einigen europäischen Ländern<br />
Glasaale in Mündungsbereichen großer<br />
Flüsse gefangen und in Binnengewässer<br />
Bild links: Mit dem Boot fahren die Helfer<br />
auf den Strom hinaus, um die jungen<br />
Aale in die Freiheit zu entlassen.<br />
<br />
Foto: Christina Hiegel<br />
Bild Mitte: Damit sich die Glasaale an<br />
die Temperatur der Elbe gewöhnen,<br />
werden sie in der Transportschale ins<br />
seichte Wasser gesetzt. <br />
<br />
Foto: Christina Hiegel<br />
Bild rechts: Die vor der französischen<br />
Küste gefangenen Glasaale werden<br />
per Lkw in Styroporkisten an die Elbe<br />
gebracht. <br />
Foto: Christina Hiegel<br />
Frühjahr 2021 107
Sicher verpackt in Styroporkisten<br />
wird ein Teil der Glasaale mit dem<br />
Boot zum Aussetzen auf die Elbe<br />
gebracht. Foto: Christina Hiegel<br />
Die Biologin und gelernte Fischwirtin<br />
Christina Hiegel leitet den Fachbereich<br />
Fischerei bei der Landwirtschaftskammer<br />
Niedersachsen. Foto: Wolfgang Ehrecke<br />
Christina Hiegel dokumentiert die Besatzaktion, während Volkmar<br />
Hinz eine Partie Glasaale in die Freiheit entlässt.<br />
<br />
Foto: Wolfgang Ehrecke<br />
Seit 20 Jahren ein starkes Team für die Elbe<br />
In diesem Jahr feiert die Gemeinschaftsinitiative<br />
Elbefischerei ihr 20-jähriges<br />
Bestehen. Sie ist bestrebt, Fischereirechtsinhaber,<br />
Erwerbs- und Angelfischerei<br />
aufeinander abzustimmen und<br />
auch die gastronomischen und touristischen<br />
Vermarktungsmöglichkeiten nutzbar<br />
zu machen. Bei der Gründung im<br />
August 2001 war die Gemeinschaftsinitiative<br />
kaum mehr als ein „loser Haufen<br />
von Fischereiinteressierten“, wie es ein<br />
Gründungsmitglied ausdrückt. Anders<br />
als sonst an Gewässern üblich, hatte es<br />
am ehemaligen Grenzfluss Elbe keine<br />
Fischereigenossenschaften oder andere<br />
übergeordnete Institutionen gegeben.<br />
Seit der Gründung kümmern sich die Mitglieder<br />
um die fischereilichen Belange an<br />
der Elbe und seit 16 Jahren werden auf<br />
freiwilliger Basis Gelder für Fischbesatzmaßnahmen,<br />
insbesondere für den Aal,<br />
gesammelt. Neben den wenigen Berufsfischern<br />
sind es vor allem die Angler und<br />
auch noch etwa 250 Inhaber von Fischereirechten,<br />
die über diesen Zusammenschluss<br />
ihre Interessen wahrnehmen<br />
wollen. Die Vertreter der Landesfischereiverbände<br />
und Elbfischer aus Niedersachsen,<br />
Hamburg, Schleswig-Holstein<br />
und Mecklenburg-Vorpommern setzen<br />
sich dafür ein, dass die Fischbestände<br />
in der Elbe erhalten bleiben, beziehungsweise<br />
sich wieder erholen.<br />
Dabei war der Start in die fischereiliche<br />
Gemeinschaftsarbeit an der Elbe nicht<br />
ganz einfach. Im Jahr 1999 hatte die<br />
Landwirtschaftskammer Hannover der<br />
damaligen Bezirksregierung Lüneburg<br />
ein Projekt zur „agrarstrukturellen Entwicklung<br />
der Niedersächsischen Elbetalaue“<br />
für die Fischerei vorgeschlagen. Ziel<br />
war dabei die Aufarbeitung der schwierigen<br />
Fischereisituation des gebeutelten<br />
Grenzflusses zur ehemaligen DDR<br />
sowie seiner vielfältigen, oft umstrittenen<br />
Fischereisituation, zum Beispiel<br />
im geplanten Naturschutzgroßgebiet.<br />
Bei einer Veranstaltung zum Abschluss<br />
des Projektes gelang den Experten der<br />
Landwirtschaftskammer am 11. August<br />
2001 ein ganz besonderer „Fischzug“:<br />
Die anwesenden Fischereirechtsbesitzer,<br />
Erwerbsfischer, Angelvereine und Fischereiverbände<br />
schlossen sich zur Gemeinschaftsinitiative<br />
Elbefischerei zusammen.<br />
Bis heute ist die Gemeinschaftsinitiative<br />
ein sehr erfolgreiches sowie<br />
effektives Arbeits- und Vertretungskonzept<br />
der vielfältigen Fischereibelange<br />
in einem länderübergreifenden Flussgebietssystem.<br />
Die Liste ihrer Aufgaben<br />
ist lang, erwähnt werden sollen hier nur<br />
die gemeinsamen Aalbesatzaktivitäten,<br />
die Öffentlichkeitsaktionen zum Freien<br />
Elbfischer sowie die Abstimmungen zur<br />
starken Vertretung der Fischereibelange<br />
in Naturschutz- und Wasserwirtschaftsgremien.<br />
Zwischen den verschiedenen<br />
Fischereigruppen gab es immer auch<br />
unterschiedliche und strittige Auffassungen.<br />
Diese konnten jedoch meistens<br />
mit ausreichender Fachinformation und<br />
interner Kommunikation beigelegt werden,<br />
was sicher auch eine wesentliche<br />
Basis der erfolgreichen Gemeinschaftsarbeit<br />
darstellt. Seit der Gründung ist<br />
Elbfischer Christian Köthke aus Gorleben<br />
ehrenamtlicher Sprecher der Initiative.<br />
Die Arbeitsgruppe, welche die Arbeit<br />
und Organisation der Gemeinschaftsinitiative<br />
Elbefischerei zentral abstimmt,<br />
besteht heute aus folgenden etablierten<br />
Vertreterorganisationen: Anglerverband<br />
Niedersachsen e.V., Landesfischereiverband<br />
Niedersachsen e.V., Landesanglerverband<br />
Mecklenburg e.V., Landessportfischerverband<br />
Schleswig-Holstein<br />
e.V., Zweckverband der Fischerei Bleckede,<br />
den Fischereirechtsvertretenden<br />
Gemeinden Elbtalaue und Amt Neuhaus,<br />
der Vereinigung für Fischerei und<br />
Gewässerschutz sowie dem Fachbereich<br />
Fischerei der Landwirtschaftskammer<br />
Niedersachsen mit geschäftserledigenden<br />
Aufgaben.<br />
108<br />
Frühjahr 2021
Bei Bildzeile der jährlichen Bildzeile Besatzaktion<br />
Bildzeile Bildzeile<br />
Bildzeile Zehntausende Bildzeile Glasaale Bildzeile in<br />
werden<br />
der Bildzeile Elbe ausgesetzt. Bildzeile Bi<br />
<br />
Foto: Christina Hiegel<br />
Christina Dohrmann setzt diesen großen Blankaal<br />
zurück in einen Bach, damit er seinen Weg in die<br />
Sargassosee fortsetzen kann. <br />
<br />
Foto: Carsten Weede<br />
Bereits am frühen Morgen setzen Helfer die Winzlinge in<br />
Ufernähe aus. <br />
Foto: Christina Hiegel<br />
eingesetzt. Die Elbe mit ihrer Vielzahl an Neben- und Auengewässern<br />
und den guten Röhricht- und Wurzelstrukturen gilt als vorzügliches<br />
Aufwuchsgewässer und eignet sich nach Ansicht von Fischerei-Experten<br />
besonders gut für den Aalbesatz. Weitere Pluspunkte: Die Wasserqualität<br />
hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten nach der Wiedervereingung<br />
ständig verbessert. Und mit dem Wehr in Geesthacht existiert auf<br />
dem Weg zum Meer nur ein Absperrbauwerk.<br />
Die Fischaufstiegsanlagen in Geesthacht und Rönne<br />
ermöglichen Wanderfischen den Aufstieg in die Obere<br />
Elbe und ihre Nebenflüsse.<br />
Am Stauwehr Geesthacht erleichtert zudem jeweils ein Fischpass an<br />
beiden Ufern Aalen den Weg in ihr Laichgebiet. Die 550 Meter lange<br />
Fischtreppe am Nordufer bei Geesthacht, eine der größten Fischaufstiegsanlagen<br />
in Europa, und die 216 Meter lange und elf Meter breite<br />
Fischausstiegshilfe auf der gegenüberliegenden Elbseite bei Rönne<br />
ermöglichen Wanderfischen auch den Aufstieg in die Obere Elbe und<br />
ihre Nebenflüsse.<br />
Während zahlreiche Fischarten zum Laichen elbaufwärts wandern,<br />
ziehen Aale am Ende ihres <strong>Leben</strong>s flussabwärts. „Aale sind sogenannte<br />
katadrome Wanderfische, die im Meer geboren werden, in Küsten- und<br />
Binnengewässer einwandern, dort aufwachsen und letztlich zur Fortpflanzung<br />
wieder ins offene Meer zurück wandern“, erklärt Christina<br />
Hiegel. Auf ihrem Weg aus den europäischen Flussgebieten wechseln<br />
Aale also vom Süß- ins Salzwasser. Nach Tausenden von Kilometern<br />
durch die Nordsee und quer über den Atlantik erreichen sie ihre Laichgründe<br />
in der Sargassosee, einem Meeresgebiet östlich von Florida und<br />
südlich der Bermuda-Inseln.<br />
„Wo genau die Aale sich dort paaren und die Larven schlüpfen, ist<br />
immer noch unbekannt“, sagt Dr. Markus Diekmann vom Landesamt<br />
für Verbraucherschutz und <strong>Leben</strong>smittelsicherheit (LAVES). Der promovierte<br />
Biologe ist im Dezernat Binnenfischerei unter anderem<br />
zuständig für die Umsetzung der Aalverordnung und der Aalmanagementpläne.<br />
Trotz wiederholter Forschungsreisen und modernster Technik<br />
sei es bis heute noch nie einem Menschen gelungen, die Fortpflanzung<br />
der Aale in freier Wildbahn zu beobachten und somit den genauen<br />
Ort der vermutlichen Vermehrung ausfindig zu machen. „Gleichwohl<br />
konnte die Wissenschaft zumindest einige Puzzleteile dieses Rätsels<br />
aufdecken und zusammenfügen“, sagt Dr. Markus Diekmann. So seien<br />
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Frühjahr 2021 109
eispielsweise schon im letzten Jahrhundert bei Expeditionen in der<br />
Sargassosee, die etwa so groß ist wie Mitteleuropa, winzige Aallarven<br />
gefunden worden. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass alle<br />
Europäischen Aale irgendwo in der Sargassosee laichen. „Während der<br />
langen Wanderung zu ihren Laichgründen nehmen die Fische keine<br />
Nahrung zu sich, sondern verbrauchen ihre Fettreserven. Nach der<br />
Paarung und dem Ablaichen sind auch die letzten Energiereserven<br />
verbraucht <strong>–</strong> die entkräfteten Aale sterben vermutlich“, er klärt Dr.<br />
Diekmann. Der Kreislauf des <strong>Leben</strong>s beginnt von vorn: Aus den<br />
befruchteten Eiern schlüpfen durchsichtige, weidenblattförmige Larven.<br />
Die Weidenblattlarven (Leptocephali) werden vom Golfstrom<br />
nach Osten verdriftet, was bis zu drei Jahre dauern kann. Im Bereich<br />
des Kontinentalschelfs wandeln sie sich zu Glasaalen um, als die sie die<br />
europäischen Küsten erreichen.<br />
Alle Europäischen Aale laichen in der Sargassosee.<br />
„Die Tiere werden als winzige, durchscheinende Glasaale an den Küsten<br />
und in den Flussmündungen Spaniens, Portugals, Frankreichs und<br />
Englands schonend gefangen“, erklärt Fischerei-Expertin Christina<br />
Hiegel. Traditionell startet die Glasaalsaison in den letzten Monaten<br />
des Jahres in Spanien und Portugal. Ein Teil geht direkt in den menschlichen<br />
Konsum als traditionelles Gericht in Nordspanien und Südfrankreich<br />
zu Weihnachten und zum Jahreswechsel. Von Januar bis<br />
März geht der Glasaalfang in Frankreich weiter, bis die Saison etwa im<br />
April/Mai in England endet.<br />
Laut der EU-Aalverordnung sind die Länder mit Glasaalfang dazu<br />
verpflichtet, 60 Prozent ihrer Fänge für Besatzmaßnahmen zur Verfügung<br />
zu stellen. Die anderen 40 Prozent können für den menschlichen<br />
Konsum beziehungsweise als Besatzmaterial für Aquakulturanlagen<br />
verwendet werden.<br />
Nach Angaben von Christina Hiegel stammen die Aale für die Besatzaktion<br />
in ihrem Zuständigkeitsbereich von der französischen Atlantikküste.<br />
Von dort reisen sie gekühlt und sicher verpackt in Styroporkisten<br />
im Fischtransporter an die Elbe, wo zahlreiche Helfer sie an den<br />
Verteil-Stationen in Empfang nehmen, um sie anschließend wieder<br />
entlang der Ufer an beiden Seiten der Elbe, in den Altarmen und in<br />
Nebengewässern wie Jeetzel und Krainke in die Freiheit entlassen.<br />
Gelingt es ihnen, die Flusssysteme hinaufzuziehen, werden die kleinen<br />
Glasaale durch Pigmentierung dunkel. Die Oberläufe der Flüsse sind<br />
ihre Aufwuchsgebiete, die sie nach meist sechs bis zwölf Jahren als<br />
erwachsene Blankaale verlassen, um wieder über die Nordsee und quer<br />
über den Atlantik zum Laichgebiet zu wandern.<br />
Im vergangenen Jahr setzten Elbfischer, Fischereirechtsinhaber, Angler<br />
und LWK-Mitarbeiter zwischen Bullenhausen und Schnackenburg an<br />
rund 80 Orten an der Elbe und ihren Nebengewässern 149 Kilogramm<br />
der gläsernen Jungfische aus. Insgesamt waren es rund 450.000 Tiere.<br />
Die Kosten der Besatz-Aktion lagen 2020 bei 43.000 Euro. Hiervon<br />
werden etwa 60 Prozent vom Europäischen Meeres- und Fischereifonds<br />
sowie vom Land Niedersachsen getragen. Den verbleibenden Eigenan-<br />
Die winzigen Glasaale messen jeweils etwa sechs bis sieben Zentimeter<br />
und sind nur 0,3 Gramm schwer.<br />
<br />
Foto: Christina Hiegel<br />
teil von 40 Prozent erbringen alle, die sich in der Gemeinschaftsinitiative<br />
Elbefischerei (GI-Elbe) zusammengeschlossen haben. Seit 2001<br />
kümmert sich die Gemeinschaftsinitiative Elbefischerei um die fischereilichen<br />
Belange an der Elbe (siehe Kasten). Nachdem ihr Kollege Volkmar<br />
Hinz in den Ruhestand verabschiedet worden war, hat Christina<br />
Hiegel 2020 die Leitung der Besatzaktion übernommen. In diesem<br />
Frühjahr koordiniert die LWK das Aussetzen der Glasaale bereits zum<br />
16. Mal.<br />
Die Europäische Union (EU) hat mit verschiedenen Maßnahmen versucht,<br />
den Aal zu schützen: „Im Jahr 2007 gab es den Beschluss, dass<br />
jeder Mitgliedstaat Managementpläne für seine Bestände entwickeln<br />
und umsetzen muss <strong>–</strong> mit dem Ziel, den Aalbestand zu stabilisieren und<br />
zu vergrößern“, erläutert LWK-Fachbereichsleiterin Christina Hiegel.<br />
Neben Niedersachsen führen auch andere Bundesländer im Einzugsbereich<br />
der Elbe <strong>–</strong> Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Berlin <strong>–</strong> Aalbesatzmaßnahmen<br />
durch.<br />
Die Ergebnisse aller Anstrengungen lassen sich nach Angaben des<br />
Vorsitzenden der Aalkommission des Deutschen Fischereiverbandes<br />
(DFV), Claus Ubl, frühestens in einigen Jahren abschätzen. Aber es<br />
gibt durchaus Hoffnung: „Aktuell ist ein positiver Trend erkennbar.<br />
Das Glasaalaufkommen steigt seit 2011, das Jahr mit dem niedrigsten<br />
Wert, wieder leicht an“, sagt der Vorsitzende der Aalkommission.<br />
Die Besatzaktion im Internet:<br />
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