Innsbruck Nature Film Festival: Festivalmagazin 2022
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
RAUS IN DIE PRAXIS
100 JAHRE TIROLER GENBANK
Die eigentliche Motivation
für das Jetzt und
die Zukunft liegt darin,
Leben zu erhalten.
Festival-Tipps
THE SEEDS OF VANDANA SHIVA
plus Science Glimpse mit Michael Traugott
Metropolkino, 15.10.2022, 21:00
Ausstellung im Foyer vom Metropol
15.-18.10.2022
Gen kennen wir, Bank auch - eine Genbank dagegen ist für
die meisten von uns etwas Neues. Dabei ist es gar nichts
Neues! Denn die Tiroler Genbank feiert 2022 ihr hundertjähriges
Bestehen! Wenn etwas 100 Jahre Bestand
hat, macht es neugierig, vor allem, wenn es aktiv und lebendig
ist. Was also ist die Tiroler Genbank?
Sie ist die Sammlung alter landwirtschaftlicher Nutzpflanzen
aus Tirol und dem Umland. Mit aktuell über 1.000 verschiedenen
Landsorten und etwa 35 verschiedenen Arten zeugt sie von
einer enormen Vielfalt.
Die Aufgaben der Genbank bestehen in der Sicherung und Erhaltung
dieser regionalen alten Landsorten und damit der Erhaltung
der Agro-Biodiversität im Land. Dafür braucht es die Beschreibung
der Landsorten samt Informationen. Letztere werden im sogenannten
„Memory banking“ erhoben und gespeichert. Hierbei
spielen Geschichte und Geschichten eine wichtige Rolle. Auch die
Vermehrung und die Materialabgabe gehören zu den Aufgaben.
Es gilt die Devise: Raus in die Praxis!
So wurden Landsorten wiedereingeführt wie beispielsweise der
Tiroler Sommerroggen, Steiners Roter Tiroler Dinkel und auch die
Fisser Imperialgerste für die Bier- und Whiskyproduktion.
Im Rahmen des „Gene-Save“-Projekts wurden im Bundesland
Tirol 400 verschiedene Apfelsorten erhoben. Seltene Sorten
werden veredelt und sind in Sortengärten an den Landwirtschaftlichen
Landeslehranstalten Imst und Rotholz erhalten.
Auch regionale Initiativen nutzen Saatgut aus der Genbank zur
Sicherung und Erhaltung der Landsorten. So wie das bei zahlreichen
Projekten geschieht, etwa in der Wirtschaft durch das
Agrar-Umweltprogramm, in der Forschung mit der Universität
Innsbruck, der Universität Bodenkultur Wien und der Bayerischen
Landesanstalt für Landwirtschaft Freising und in der Praxis mit
der Landesumweltanwaltschaft, den Bauern und Bäuerinnen.
Die Motivation, die Sorten zu sammeln, zu bestimmen und wiedereinzuführen
birgt eine bestimmte Nostalgie. Die eigentliche
Motivation für das Jetzt und die Zukunft liegt darin, Leben zu
erhalten. Wirtschaftliche Aspekte treten neben gesundheitliche.
Ernährung, Verträglichkeit, Anpassung an Umweltbedingungen
und Klimawandel – durch den sich zum Beispiel Reifezeiten ändern
– rücken in den Vordergrund. Die Tiroler Genbank steht für
Landsorten für den modernen Pflanzenbau. Sie trägt zur Erweiterung
der Nahrungspalette und zur Ernährungssicherheit bei
und gelangt so ganz schnell, ganz konkret und nachvollziehbar
in unseren Alltag.
Drei Fragen an DI Dr. Christian Partl,
begeisterter Leiter der Tiroler Genbank.
Haben Sie ein Paradebeispiel für den Wert
von Genbanken in Ihrem Repertoire?
„Steiners Roter Tiroler Dinkel“: Eine alte Landsorte, die schon
1909 an der Wiener Getreidebörse gehandelt wurde, ist seit
2016 als „Hochzuchtsorte“ in der österreichischen Sortenliste
Täglich aufgetischt:
aus dem Arten katalog
Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Emmer, Einkorn,
Dinkel, Triticale, Mais, Hirse, Kartoffel, Busch-,
Stangen-, Feuer-, Ackerbohnen, Erbsen, Mohn, Lein,
Buchweizen, Rüben, Kraut, Kohl, Brotklee, Tomaten,
Schnittlauch, Zwiebel, Kresse, Wicke, Kürbis, Lupine
Leitung beim Land Tirol
Prof. Dr. Erwin Mayr (1922 – 1964)
HR DI Leonhard Köck (1965 – 1989)
DI Kaspar Holaus (1990 – 2004)
DI Dr. Christian Partl (seit 2004)
eingetragen und damit gleichwertig mit den modernen Sorten.
Der Rote Tiroler ist besonders gesund, was gerade für die biologische
Landwirtschaft von großer Bedeutung ist.
Nimmt das Land Tirol in Sachen Genbank
eine Vorreiterrolle ein?
Prof. Dr. Erwin Mayr leistete als Urheber der ersten alpinen Getreidesammlungen
ab 1922 fundamentale Arbeit und war weltweit
einer der ersten, der in diesem Bereich tätig wurde. Mayr
beschrieb die gesammelten Herkünfte systematisch und erhielt
sie in der ursprünglichen Form.
Wie können wir uns heute dieses Nachforschen
vorstellen?
Die Arbeiten erfolgen im Büro, im Kontakt mit den Menschen,
von denen wir Material erhalten und Informationen sammeln,
draußen auf unseren Versuchsflächen und im Labor. Wir versuchen
– gemeinsam mit unseren Partnern – möglichst viele Informationen
zu den Landsorten zu erhalten. Es gibt gerade bei
den Beschreibungen Lücken, die wir im Rahmen verschiedener
Projekte schließen wollen. Dabei geht es darum, was die Landsorten
am Acker können, also um agronomische Eigenschaften.
Auch Inhaltsstoffe, Qualitätsmerkmale, Geschmack, Backeigenschaften,
Schwermetallgehalte und andere Parameter werden
untersucht.
24
100 JAHRE TIROLER GENBANK
100 JAHRE TIROLER GENBANK
25