geförderte publikationen im jahr 2006 - Gerda Henkel Stiftung
geförderte publikationen im jahr 2006 - Gerda Henkel Stiftung
geförderte publikationen im jahr 2006 - Gerda Henkel Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
34<br />
GLOBALISIERUNGSGESCHICHTE »VON UNTEN« –<br />
WELTWEITE ERKUNDUNGEN DER ARBEITS-<br />
VERHÄLTNISSE, 1500 –1650<br />
Chinesische Landarbeiter, 17. Jahrhundert<br />
LEITER Prof. Dr. Marcel van der Linden<br />
INSTITUTION International Institute of Social History, Amsterdam<br />
FÖRDERUNG Forschungsprojekt | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt das Projekt durch<br />
die Gewährung eines Forschungsstipendiums für die Projektkoordinatorin<br />
Dr. Christine Moll-Murata und hat Fördermittel zur Übernahme von Personalund<br />
Reisekosten zugesagt. | neu bewilligt<br />
Zu den wichtigen Bestandteilen der Globalisierung gehört die Tatsache, dass seit der<br />
Frühen Neuzeit ein wachsender Teil der Weltbevölkerung für seinen Lebensunterhalt<br />
der Lohnarbeit bedarf. Dies hat zum einen ökonomische Konsequenzen, da die Wirtschaft<br />
verstärkt von Arbeitsmotivation und -migration abhängig ist, zum anderen sozialpolitische<br />
Folgen, da die jeweiligen Arbeitsverhältnisse die gesellschaftliche<br />
Stellung und damit auch das politische Verhalten der Menschen wesentlich best<strong>im</strong>men.<br />
Arbeitsverhältnisse bilden also ein entscheidendes Element der »Bürgergesellschaft«<br />
(civil society), und ihre Entwicklungen lassen sich nur durch eine weltweite<br />
historische Untersuchung langfristiger Prozesse verstehen.<br />
Ziel eines Forschungsprojekts unter der Leitung von Prof. Dr. Marcel van der<br />
Linden ist es, die weltweiten Arbeitsverhältnisse <strong>im</strong> 16. und 17. Jahrhundert zu untersuchen,<br />
einem Zeitraum, in dem der <strong>im</strong>mer schon zu beobachtende Handel zwischen<br />
den großen Weltregionen ansatzweise durch Muster weltweiter Arbeitsteilung ersetzt<br />
wurde und sich allmählich die Konturen der heutigen Weltgesellschaft herausbildeten.<br />
Im Zeitraum zwischen 1500 und 1650 expandierte nicht nur der »Westen« nach<br />
Amerika, Afrika, Südasien und Südostasien, sondern auch das Osmanische Reich<br />
nach Westasien, Nordafrika und Südosteuropa sowie das Mogulreich nach Südasien.<br />
In allen diesen Fällen ging die Expansion mit einer aufwendigen Arbeitsmobilisierung<br />
in den neuen Gebieten einher. Zu denken ist dabei unter anderem an den »Dreieckshandel«<br />
zwischen Westeuropa, Westafrika und Südamerika, die indentured labourers,<br />
die massenhaft von den Britischen Inseln in die Karibik und später nach Nordamerika<br />
geschickt wurden, oder die »zweite Leibeigenschaft« in Mittel- und Osteuropa. Im<br />
Mittelpunkt des Forschungsprojekts stehen neun Makroregionen, die Handel mit anderen<br />
Regionen trieben oder über die aus unterschiedlichen Gründen bereits schriftlich<br />
berichtet wurde: Westeuropa, Osteuropa / Russland, das Osmanische Reich, das<br />
Mogulreich, Südostasien, das subsaharische Afrika, Lateinamerika und die Karibik /<br />
Nordamerika.<br />
Um den Prozess der Expansion und der sozialkulturellen Konfrontation in der<br />
Frühen Neuzeit verstehen zu können, sollen <strong>im</strong> Rahmen des Projekts einerseits mit<br />
quantitativen Methoden Querschnitte für die Jahre 1500 und 1650 erstellt werden,<br />
die Auskunft darüber geben, welche Formen von Arbeitsverhältnissen in verschiedenen<br />
Teilen der Welt vorkamen und wie häufig sie in etwa auftraten. Für jede behandelte<br />
Region wird dabei eine Schätzung des Auftretens best<strong>im</strong>mter Arbeitsverhältnisse<br />
vorgenommen, wobei pro Makroregion in drei Schritten vorgegangen wird: Zunächst<br />
erfolgt eine Einschätzung der gesamten Bevölkerung und der Erwerbsbevölkerung in<br />
beiden Stich<strong>jahr</strong>en. Danach wird geschätzt, welche marktorientierten Arbeitsverhältnisse<br />
in welcher Häufigkeit vorkamen. Schließlich wird untersucht, ob für den<br />
restlichen Teil der Erwerbsbevölkerung Informationen über die Art ihrer Subsistenzaktivitäten<br />
vorliegen. Auf der Grundlage der quantitativen Analyse erfolgt <strong>im</strong> zweiten<br />
Teil des Projekts die Untersuchung der vorherrschenden Arbeitsethiken, d. h. der<br />
Bewertungssysteme für Arbeitsformen, die von großen Teilen der Bevölkerung akzeptiert<br />
wurden bzw. denen nicht widersprochen wurde. Leitfragen betreffen die Verteilung<br />
von Arbeiten auf best<strong>im</strong>mte Schichten der Bevölkerung (Männer, Frauen, ethnische<br />
oder religiöse Gruppen), die zugelassenen Arten von Arbeitsverhältnissen (z. B. auch<br />
Sklaverei und Kinderarbeit), die Hierarchie bei der Bewertung von Arbeitsverhältnissen<br />
und -aufgaben sowie die Form der Entlohnung.