Grenzenlos 1-2023_Printausgabe Sommer
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nicht ganz die halbe Strecke zur Tuba – und er selbst<br />
spielt in der Kapelle, die er damals so bewundert hat.<br />
Sein Weg ins heimische Musikgeschehen unterscheidet<br />
sich damit in einem Punkt wesentlich von vielen<br />
anderen: Meist ist das Erlernen und Spielen eines<br />
Instruments, gerade in der Volksmusik, eine lange<br />
Fami lientradition. Geschwister, Eltern, Onkel, Tanten,<br />
Groß-, ja oft schon Urgroßeltern haben ihren Beitrag<br />
zum örtlichen Musikgeschehen geleistet und ihre<br />
Begeisterung für Dur und Moll, für Adagio und Presto<br />
an die nachfolgenden Generationen vererbt. Gerade in<br />
einem Ort wie Grainau ist solche Tradition ein nachhaltiger<br />
Beitrag zur gelebten Dorfkultur. Das spürt man am<br />
Heiligen Abend, wenn in der Dämmerung am Bergfriedhof<br />
die Musikkapelle Weihnachtslieder erklingen lässt,<br />
das spürt man bei den Platzkonzerten, die im <strong>Sommer</strong><br />
zwei Mal in der Woche eine Klangwolke zu den Bergen<br />
aufsteigen lassen – und das spürt man bei Festen, zu<br />
denen die heimischen Musikanten den „Soundtrack“<br />
liefern.<br />
Gleichberechtigung? Normalität!<br />
Schon lange, so viel sei gleich angemerkt, sind in der<br />
Grainauer Musikkapelle männliche und weibliche Instrumentalisten<br />
gleichermaßen vertreten. „Die Zeiten,<br />
in denen Frauen nur als Marketenderinnen die musizierenden<br />
Männer begleiten durften, sind ewig vorbei“,<br />
macht Gottwalt klar, der auch 2. Vorstand der Kapelle<br />
ist. „Ohne die Frauen hätten wir schon lange keine<br />
funktionierende Blasmusik mehr.“ Dadurch erhöht<br />
sich auch die Anziehungskraft auf den musizierenden<br />
Nachwuchs, es kommen immer wieder Junge nach,<br />
obwohl es zunehmend schwieriger werde, im Wettbewerb<br />
um die freie Zeit zu bestehen.<br />
Und trotzdem: „Dass hier viele Altersgruppen<br />
gemeinsam musizieren, tut uns allen gut. Die Älteren<br />
können ihre Erfahrung teilen, die Jüngeren neue Ideen<br />
einbringen – und alle zusammen entwickeln eine Verbindung<br />
untereinander, bekommen ein Gespür fürs<br />
Team.“ Das sei der Lohn für die viele Freizeit, die für<br />
Proben und Aufführungen geopfert wird – und manchmal<br />
auch das Familienleben einschränkt. Wobei sich<br />
grundsätzlich der Zusammenhalt als gute Sache<br />
erweise: „Die Musikkapelle ist bei uns ins ganze Ortsgeschehen<br />
involviert. Es gibt unzählige Anknüpfungspunkte<br />
in den Vereinen und zwischen den Menschen.“<br />
Aus Gottwalts Sicht ist dieses entspannte Zusammenspiel<br />
der Generationen einerseits sowie die Einbindung<br />
in den Alltag eine klassische Eigenschaft der<br />
Volksmusik schon seit Jahrhunderten: das Bewahren<br />
überlieferten Kulturguts und das Anreichern mit dem,<br />
was die Gegenwart mit sich bringt. Für ihn selbst spielt<br />
daher das manchmal betriebene Abgrenzen zwischen<br />
Volks- und volkstümlicher Musik keine Rolle: „Wenn es<br />
dem Volk Freude macht und das Volk aus dieser Freude<br />
heraus mitmacht, dann ist es Volksmusik.“<br />
„Musik ist eine universelle Sprache“<br />
Seine Trompete lässt er – „ich mag einfach die Vielfalt“<br />
– daher auch nicht nur in der Kapelle erklingen,<br />
sondern auch in anderen Ensembles. So ist er bei einer<br />
„Tanzlmusi“ dabei und an zwei Quintetten beteiligt,<br />
eines für Jazz, eines für kirchliche Stücke, die zum Beispiel<br />
bei Festgottesdiensten erklingen. „Musik ist eine<br />
universelle Sprache“, so der Trompeter. „Mit ihr kann<br />
ich mich mit Menschen aus aller Welt verständigen,<br />
kann mich in jedem Stil, jeder Epoche mit meinem<br />
Können beteiligen. Und ich könnte, wenn mir danach<br />
ist, auch mal am Morgen auf den Berg hinaufgehen und<br />
die Sonne mit einem Solo begrüßen.“<br />
Musik nicht nur live zu spielen, sondern auch auf<br />
eine CD aufzunehmen, hat für Alex Gottwalt zusätzlichen<br />
Charme. „So wird unsere Musik über den Tag<br />
hinaus erhalten. Man kann sie sich später noch einmal<br />
anhören, an die Zeit erinnern, in der wir sie gespielt<br />
haben“, macht er deutlich. „Und man kann sie mit<br />
noch mehr Menschen teilen, nicht nur mit dem unmittelbaren<br />
Publikum.“ Er denkt dabei an Feriengäste, die<br />
bei einem der öffentlichen Konzerte dabei sind und sie<br />
dann mit nach Hause nehmen wollen, um dort dem<br />
„Klang von Urlaub, dem Sound von Grainau“ zu lauschen.<br />
„Das ist für mich eine schöne Vorstellung.“ <br />
GRENZENLOS · SOMMER <strong>2023</strong>