27.06.2023 Aufrufe

Grenzenlos 1-2023_Printausgabe Sommer

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

37<br />

nicht ganz die halbe Strecke zur Tuba – und er selbst<br />

spielt in der Kapelle, die er damals so bewundert hat.<br />

Sein Weg ins heimische Musikgeschehen unterscheidet<br />

sich damit in einem Punkt wesentlich von vielen<br />

anderen: Meist ist das Erlernen und Spielen eines<br />

Instruments, gerade in der Volksmusik, eine lange<br />

Fami lientradition. Geschwister, Eltern, Onkel, Tanten,<br />

Groß-, ja oft schon Urgroßeltern haben ihren Beitrag<br />

zum örtlichen Musikgeschehen geleistet und ihre<br />

Begeisterung für Dur und Moll, für Adagio und Presto<br />

an die nachfolgenden Generationen vererbt. Gerade in<br />

einem Ort wie Grainau ist solche Tradition ein nachhaltiger<br />

Beitrag zur gelebten Dorfkultur. Das spürt man am<br />

Heiligen Abend, wenn in der Dämmerung am Bergfriedhof<br />

die Musikkapelle Weihnachtslieder erklingen lässt,<br />

das spürt man bei den Platzkonzerten, die im <strong>Sommer</strong><br />

zwei Mal in der Woche eine Klangwolke zu den Bergen<br />

aufsteigen lassen – und das spürt man bei Festen, zu<br />

denen die heimischen Musikanten den „Soundtrack“<br />

liefern.<br />

Gleichberechtigung? Normalität!<br />

Schon lange, so viel sei gleich angemerkt, sind in der<br />

Grainauer Musikkapelle männliche und weibliche Instrumentalisten<br />

gleichermaßen vertreten. „Die Zeiten,<br />

in denen Frauen nur als Marketenderinnen die musizierenden<br />

Männer begleiten durften, sind ewig vorbei“,<br />

macht Gottwalt klar, der auch 2. Vorstand der Kapelle<br />

ist. „Ohne die Frauen hätten wir schon lange keine<br />

funktionierende Blasmusik mehr.“ Dadurch erhöht<br />

sich auch die Anziehungskraft auf den musizierenden<br />

Nachwuchs, es kommen immer wieder Junge nach,<br />

obwohl es zunehmend schwieriger werde, im Wettbewerb<br />

um die freie Zeit zu bestehen.<br />

Und trotzdem: „Dass hier viele Altersgruppen<br />

gemeinsam musizieren, tut uns allen gut. Die Älteren<br />

können ihre Erfahrung teilen, die Jüngeren neue Ideen<br />

einbringen – und alle zusammen entwickeln eine Verbindung<br />

untereinander, bekommen ein Gespür fürs<br />

Team.“ Das sei der Lohn für die viele Freizeit, die für<br />

Proben und Aufführungen geopfert wird – und manchmal<br />

auch das Familienleben einschränkt. Wobei sich<br />

grundsätzlich der Zusammenhalt als gute Sache<br />

erweise: „Die Musikkapelle ist bei uns ins ganze Ortsgeschehen<br />

involviert. Es gibt unzählige Anknüpfungspunkte<br />

in den Vereinen und zwischen den Menschen.“<br />

Aus Gottwalts Sicht ist dieses entspannte Zusammenspiel<br />

der Generationen einerseits sowie die Einbindung<br />

in den Alltag eine klassische Eigenschaft der<br />

Volksmusik schon seit Jahrhunderten: das Bewahren<br />

überlieferten Kulturguts und das Anreichern mit dem,<br />

was die Gegenwart mit sich bringt. Für ihn selbst spielt<br />

daher das manchmal betriebene Abgrenzen zwischen<br />

Volks- und volkstümlicher Musik keine Rolle: „Wenn es<br />

dem Volk Freude macht und das Volk aus dieser Freude<br />

heraus mitmacht, dann ist es Volksmusik.“<br />

„Musik ist eine universelle Sprache“<br />

Seine Trompete lässt er – „ich mag einfach die Vielfalt“<br />

– daher auch nicht nur in der Kapelle erklingen,<br />

sondern auch in anderen Ensembles. So ist er bei einer<br />

„Tanzlmusi“ dabei und an zwei Quintetten beteiligt,<br />

eines für Jazz, eines für kirchliche Stücke, die zum Beispiel<br />

bei Festgottesdiensten erklingen. „Musik ist eine<br />

universelle Sprache“, so der Trompeter. „Mit ihr kann<br />

ich mich mit Menschen aus aller Welt verständigen,<br />

kann mich in jedem Stil, jeder Epoche mit meinem<br />

Können beteiligen. Und ich könnte, wenn mir danach<br />

ist, auch mal am Morgen auf den Berg hinaufgehen und<br />

die Sonne mit einem Solo begrüßen.“<br />

Musik nicht nur live zu spielen, sondern auch auf<br />

eine CD aufzunehmen, hat für Alex Gottwalt zusätzlichen<br />

Charme. „So wird unsere Musik über den Tag<br />

hinaus erhalten. Man kann sie sich später noch einmal<br />

anhören, an die Zeit erinnern, in der wir sie gespielt<br />

haben“, macht er deutlich. „Und man kann sie mit<br />

noch mehr Menschen teilen, nicht nur mit dem unmittelbaren<br />

Publikum.“ Er denkt dabei an Feriengäste, die<br />

bei einem der öffentlichen Konzerte dabei sind und sie<br />

dann mit nach Hause nehmen wollen, um dort dem<br />

„Klang von Urlaub, dem Sound von Grainau“ zu lauschen.<br />

„Das ist für mich eine schöne Vorstellung.“ <br />

GRENZENLOS · SOMMER <strong>2023</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!