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Standpunkt 563, 11. August 2023

Eine Publikation der Wirtschaftskammer Baselland

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6 | <strong>Standpunkt</strong> der Wirtschaft ARBEITGEBER BASELLAND <strong>11.</strong> <strong>August</strong> <strong>2023</strong><br />

EDITORIAL<br />

Brauchen Lernende<br />

einen Mindestlohn?<br />

INITIATIVE – Die Gewerkschaft Unia hat ihre Initiative für einen Mindestlohn im Kanton Basel-Landschaft<br />

eingereicht. Sie fordert 22 Franken pro Stunde. Vieles spricht gegen ein Lohndiktat. Im bürgerlich<br />

geprägten Baselbiet dürften die Gegenargumente verfangen.<br />

Mindestlohn: Klarer Fall?<br />

Dominik Rieder,<br />

Leiter Politik<br />

Arbeitgeber Baselland<br />

In der ganzen Schweiz haben viele neue Lernende<br />

ihre Berufslehre begonnen. Auch bei<br />

uns im Haus haben sie ihre Plätze bezogen<br />

und konnten erste Eindrücke von der Berufswelt<br />

sammeln. Der Start der Berufslehren haben<br />

die Jungsozialisten (Juso) medienwirksam<br />

genutzt und – Trommelwirbel – einen Mindestlohn<br />

für Lernende gefordert. Dieser soll für<br />

alle Lernenden und unabhängig von der Branche<br />

1000 Franken betragen.<br />

Die Lernenden seien durch einen tieferen<br />

Lohn auf die finanzielle Unterstützung durch<br />

die Eltern angewiesen, was nicht für alle möglich<br />

sei. So könnten es sich manche gar nicht<br />

leisten, eine Ausbildung zu machen, weiss der<br />

Juso-Präsident. Die SP hat sich der Forderung<br />

postwendend angeschlossen.<br />

Zunächst freut es, dass sich die Juso Gedanken<br />

dazu machen, wie die Berufslehre attraktiver<br />

gemacht werden kann. Der vorgeschlagene<br />

Weg ist freilich falsch. Die Argumente<br />

gegen einen Mindestlohn sind wohl bekannt<br />

und in dieser Zeitung – unter anderem auch<br />

gleich auf dieser Seite – schon mehrfach besprochen<br />

worden. Bei den Lernenden wären<br />

die Auswirkungen wohl noch deutlich verheerender.<br />

Vorab: Das vorgebrachte Argument, wonach<br />

Lernende ohne Lohn von mindestens 1000<br />

Franken auf die Unterstützung der Eltern angewiesen<br />

seien, ist sinnfrei. Als ob Jugendliche,<br />

die eine weiterführende Schule machen,<br />

nicht auch auf finanzielle Unterstützung angewiesen<br />

sind. Ebenso sinnfrei ist die Forderung<br />

eines branchenübergreifenden Mindestlohns.<br />

Bei Lernenden kommt verschärfend das Risiko<br />

hinzu, dass Betriebe weniger oder gar keine<br />

Ausbildungsplätze mehr zur Verfügung stellen.<br />

Denn gerade im ersten Lehrjahr ist der Betreuungsaufwand<br />

in gewissen Branchen riesig. Die<br />

Betriebe orientieren sich an branchenspezifischen<br />

Lohnbändern, die auf Erfahrungswerten<br />

und auf aktuellen Entwicklungen auf dem<br />

Arbeitsmarkt beruhen. Dieser Weg ist richtig.<br />

Mit der Forderung nach einem branchenübergreifenden<br />

Mindestlohn das duale Bildungssystem<br />

– für welches die Schweiz weitherum<br />

bewundert wird – zu gefährden, ist töricht.<br />

Die grösste Jungpartei im Land würde<br />

sich lieber dafür einsetzen, dass in den Schulen<br />

die Berufslehre gefördert und ihre vielen<br />

Vorteile hervorgehoben werden.<br />

ARBEITGEBERVERBAND BASELLAND<br />

Arbeitgeber Baselland ist die Vereinigung<br />

aller der Wirtschaftskammer angeschlossenen<br />

Arbeitgeber. Die Angebote von Arbeitgeber Baselland<br />

stehen allen arbeitgebenden Mitgliedern<br />

der Wirtschaftskammer Baselland zur Verfügung.<br />

Was im Kanton Basel-Stadt seit dem<br />

1. Juli 2022 in Kraft ist, soll nun auch<br />

im Baselbiet eingeführt werden. Die<br />

Rede ist von einem Mindestlohn,<br />

über den die Stimmberechtigten voraussichtlich<br />

im nächsten Jahr befinden<br />

werden. Rund 2000 Unterschriften<br />

hat die Gewerkschaft Unia<br />

für die Volksinitiative Anfang Juli<br />

eingereicht.<br />

Der Mindestlohn in Basel land soll<br />

mit 22 Franken pro Stunde etwas<br />

höher sein als im Nachbarkanton,<br />

wo er momentan 21.45 Franken beträgt.<br />

Laut Unia verdienen im Kanton<br />

Basel-Landschaft etwa 12 000<br />

Personen, also knapp 4 Prozent der<br />

Bevölkerung, weniger als 22 Franken<br />

pro Stunde.<br />

Mindestlohn für alle Angestellten<br />

In den letzten Jahren haben, neben<br />

Basel-Stadt, auch andere Kantone<br />

gesetzliche Mindestlöhne eingeführt,<br />

so etwa Neuenburg (2017),<br />

Jura (2018), Genf (2020) und Tessin<br />

(2021). Zudem haben kürzlich die<br />

Städte Zürich und Winterthur der<br />

Einführung eines kommunalen<br />

Mindest lohns zugestimmt. Anders<br />

als in Basel-Stadt soll der Mindestlohn<br />

in Baselland gemäss Initiativtext<br />

für alle Angestellten gelten. Im<br />

Stadtkanton sind Arbeitnehmende<br />

von Branchen mit einem allgemeinverbindlichen<br />

Gesamtarbeitsvertrag<br />

von der Mindestlohnverpflichtung<br />

befreit.<br />

Während die Gewerkschaft nur die<br />

positiven Aspekte eines Mindestlohns<br />

hervorhebt – zum Beispiel gut<br />

für Arbeitnehmende in Tieflohnbranchen<br />

und Teilzeitangestellte,<br />

Entlastung der Staatskasse, da weniger<br />

Ergänzungsleistungen und Prämienverbilligungen<br />

ausbezahlt werden<br />

müssen –, spricht vieles gegen<br />

Die Festsetzung eines Mindestlohns käme einem Lohndiktat gleich.<br />

dessen Einführung. Ein kantonaler<br />

Mindestlohn schwächt unweigerlich<br />

den regionalen Arbeitsmarkt, denn<br />

es werden Stellen für niedrig Qualifizierte<br />

und Gelegenheitsjobs verloren<br />

gehen.<br />

Ein Lohndiktat bringt aber auch<br />

das ganze Lohngefüge in einem Betrieb<br />

durcheinander: Ein höherer<br />

Einstiegssockel drückt alle darüberliegenden<br />

Löhne eines Unternehmens<br />

nach oben, worunter die Wettbewerbsfähigkeit<br />

leidet. Eine weitere<br />

Verliererin dürfte die Berufsbildung<br />

sein, denn viele Jugendliche,<br />

die vor der Berufswahl stehen, wer-<br />

HOMEOFFICE – Ein neues Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich ermöglicht grenzüberschreitendes<br />

Homeoffice. Bis zur Genehmigung bleibt die 2022 getroffene Verständigungsvereinbarung in Kraft.<br />

Erleichterung für Grenzgänger<br />

In einem wegweisenden Schritt haben<br />

die Schweiz und Frankreich ein<br />

Zusatzabkommen zum bilateralen-<br />

Doppelbesteuerungsabkommen<br />

unterzeichnet. Die Schweizer Staatssekretärin<br />

Daniela Stoffel unterschrieb<br />

am 27. Juni in Paris das Dokument,<br />

das bahnbrechende Regelungen<br />

für Einkommen aus Tätigkeiten<br />

im Homeoffice einführt.<br />

Das Zusatzabkommen ist Teil<br />

einer Lösung, die Ende 2022 vereinbart<br />

wurde und sich mit dem Thema<br />

Homeoffice befasst. Sie ermöglicht<br />

Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden<br />

in der gesamten Schweiz, bis<br />

zu 40 Prozenz ihrer Arbeitszeit im<br />

Homeoffice grenzüberschreitend zu<br />

verbringen.<br />

ein automatischer Austausch von<br />

Lohndaten vorgesehen.<br />

Zusätzlich zu den Bestimmungen<br />

zum Homeoffice aktualisiert das Zusatzabkommen<br />

auch andere Aspekte<br />

des Doppelbesteuerungsabkommens<br />

zwischen der Schweiz und Frankreich.<br />

Insbesondere wird das Abkommen<br />

im Einklang mit den Ergebnisden<br />

sich, geblendet von einem Mindestlohn,<br />

eher gegen eine Lehre entscheiden.<br />

Sozialpartnerschaft gefährdet<br />

Bild: zVg<br />

Schliesslich gefährdet die Einführung<br />

von kantonalen Mindestlöhnen<br />

die bewährte Sozialpartnerschaft. In<br />

der Schweiz werden Löhne auf betrieblicher<br />

oder sozialpartnerschaftlicher<br />

Ebene festgelegt. Sollte die<br />

Initiative angenommen werden, verschiebt<br />

sich der Verhandlungsspielraum<br />

von den Sozialpartnern, die<br />

mit den besonderen Gegebenheiten<br />

vertraut sind, zur Politik. Deren Regulierungen<br />

schwächen jedoch den<br />

flexiblen, anpassungsfähigen<br />

Arbeitsmarkt.<br />

Im bürgerlich geprägten Baselbiet<br />

dürften diese Gegenargumente verfangen.<br />

Deshalb ist es mehr als fraglich,<br />

ob die Initiative angenommen<br />

wird. Ein Blick in die Vergangenheit<br />

belegt diese These: 2014 wurde die<br />

eidgenössische Volksinitiative «Für<br />

den Schutz fairer Löhne», die sogenannte<br />

Mindestlohninitiative, mit<br />

76,3 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt<br />

– im Kanton Basel-Landschaft<br />

sprachen sich gar 76,4 Prozent dagegen<br />

aus. Loris Vernarelli<br />

Haus der Wirtschaft<br />

Hardstrasse 1<br />

4133 Pratteln<br />

Telefon: +41 61 927 64 64<br />

E-Mails: info@arbeitgeber-bl.ch<br />

www.kmu.org/arbeitgeber-bl<br />

Vergütungen im Vertragsstaat<br />

Innerhalb dieser Grenzen legt das Abkommen<br />

fest, dass Vergütungen im<br />

Zusammenhang mit dem Homeoffice<br />

im Vertragsstaat besteuert werden<br />

sollen, in dem sich der Arbeitgeber<br />

befindet. Des Weiteren sieht die neue<br />

Vereinbarung vor, dass der Arbeitgeberstaat<br />

dem Wohnsitzstaat des<br />

Arbeitnehmers 40 Prozent der auf die<br />

Homeoffice-Vergütungen im Wohnsitzstaat<br />

erhobenen Steuern überweist.<br />

Um die Umsetzung dieser<br />

neuen Regeln zu gewährleisten, ist<br />

Homeoffice erspart Grenzgängerinnen und Grenzgängern die eine oder andere Fahrt über die Grenze. Das Bild<br />

zeigt die Zollstation Biel-Benken.<br />

Bild: Archiv<br />

sen der OECD-Arbeiten zur Bekämpfung<br />

von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung<br />

(Base Erosion and<br />

Profit Shifting, BEPS) gebracht.<br />

Die Kantone und die interessierten<br />

Wirtschaftskreise haben die Unterzeichnung<br />

des Zusatzabkommens<br />

begrüsst. Bevor es in Kraft treten<br />

kann, muss es von den Gesetzgebern<br />

beider Länder genehmigt werden.<br />

Bis dahin haben sich die Schweiz<br />

und Frankreich darauf geeinigt, die<br />

Bestimmungen des Zusatzabkommens<br />

grundsätzlich bis zum 31. Dezember<br />

2024 anzuwenden, basierend<br />

auf der vorläufigen Verständigungsvereinbarung<br />

vom 22. Dezember<br />

2022.<br />

Pascal Blatter

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