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G+L 10/2023

Wettbewerbe

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20|<strong>10</strong><br />

23<br />

MAGAZIN FÜR LANDSCHAFTSARCHITEKTUR<br />

UND STADTPLANUNG<br />

WETTBEWERBE


EDITORIAL<br />

Nicht nur beim Sport, auch bei Planungswettbewerben<br />

gibt es eine*n Sieger*in<br />

sowie zweite und dritte Plätze – zumindest<br />

bei den in diesem Heft vorgestellten<br />

Wettbewerben. Mehr ab Seite 16.<br />

Stephan Lenzen,<br />

Josephine Facius, Ute<br />

Aufmkolk, Martin<br />

Rein-Cano, Timo<br />

Herrmann, Peter Zec,<br />

Irene Lohaus, Tobias<br />

Nowak, Lola Meyer<br />

und Theresa<br />

Keilhacker – danke<br />

Ihnen allen, dass Sie<br />

in diesem Heft<br />

Position bezogen<br />

haben.<br />

Gewinnen in unserem Wettbewerbswesen immer dieselben? – Ja,<br />

nein, jein. Eine Frage, drei Antworten. Wer genau was gesagt hat,<br />

das verrate ich hier nicht; nur, dass ich im Vorfeld dieses Heftes mit<br />

AW Faust (SINAI), Franz Reschke (FRL) und Martin Rein-Cano<br />

(Topotek 1) zum aktuellen Wettbewerbswesen in Deutschland<br />

gesprochen habe. Drei Büroinhaber, drei Perspektiven. Gleiches bei<br />

der Frage, ob junge Büros bei Wettbewerben heute eine Chance<br />

haben und ob die gerufenen Jurymitglieder tatsächlich unvoreingenommen<br />

agieren. Auch hier wieder: eine Frage, drei Antworten.<br />

Schönen Dank die Herren. Könnt ihr nicht eine Meinung vertreten?<br />

Leichter wär‘s.<br />

Aber um leicht geht es hier nicht. Um leicht kann es in diesem<br />

Heft nicht gehen. Denn: Wettbewerbe sind echt. Viel. Arbeit. Und<br />

anstrengend. Und komplex. Und manchmal nervig. Für alle Beteiligten.<br />

Ja, auch für die Kommunen. Und deswegen haben wir es uns<br />

mit der vorliegenden Ausgabe der <strong>G+L</strong> auch alles andere als leicht<br />

gemacht. In dieser feiern wir die herausragendsten Wettbewerbe<br />

der letzten zwölf Monate und diskutieren zugleich mit den mitunter<br />

namhaftesten Planer*innen dieses Landes intensiv und provokant<br />

sämtliche Fragen zum deutschen Wettbewerbswesen – für manch<br />

einen gar ein bisschen zu hitzig. Aber es ist eben ein brandaktuelles<br />

Thema – und so wichtig.<br />

Denn: Wettbewerbe sichern im besten Fall höchst demokratisch die<br />

Innovation und Qualität unserer Baukultur – und dennoch geht<br />

die Zahl ihrer Auslobungen immer weiter zurück. Und das ist „nur“<br />

die große Misere neben all den kleinen Miseren, wie der, dass nur<br />

noch eine gewisse Planungselite sämtliche Wettbewerbe für sich<br />

entscheidet, dass junge Büros konsequent von kommunalen Auslober*innen<br />

unterschätzt werden (bzw. dank bürokratischer Hürden<br />

überhaupt gar keine Chance haben) oder auch dass es viel zu<br />

wenige offene Verfahren gibt. Das alles kann doch nicht auf die<br />

Baukultur einzahlen.<br />

Berlins Wettbewerbskultur gehe weiter den Bach hinunter, sagte uns<br />

Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer im Interview.<br />

Tatsächlich müssen wir uns die Frage stellen, ob nicht die<br />

Wettbewerbskultur der kompletten Bundesrepublik den Bach runtergeht<br />

und wir hier dringend gegensteuern müssen. Was sagen Sie,<br />

liebe Leser*innen? Schreiben Sie es mir.<br />

Ob der Grüne Loop<br />

in Billwerder von<br />

Loidl oder die Neuen<br />

Ufer von relais – die<br />

wichtigsten<br />

Wettbewerbsentscheidungen<br />

der<br />

letzten zwölf Monate<br />

stellen wir in diesem<br />

Heft nochmal vor.<br />

Das Interview finden<br />

Sie ab Seite 56.<br />

Coverbild: Joshua Golde via Unsplash; Illustration: Laura Celine Heinemann<br />

THERESA RAMISCH<br />

CHEFREDAKTION<br />

t.ramisch@georg-media.de<br />

<strong>G+L</strong> 3


INHALT<br />

AKTUELLES<br />

06 SNAPSHOTS<br />

09 MOMENTAUFNAHME<br />

E-rdgeschraubt<br />

WETTBEWERBE<br />

<strong>10</strong> VOM FREIEN WETTBEWERB UND DEM FREIEN MARKT<br />

Über Divergenzen im Wettbewerbswesen und was sich dagegen tun ließe<br />

14 „WETTBEWERBE KANN MAN NICHT NEBENHER BEARBEITEN“<br />

bdla-Präsident Stephan Lenzen im Interview<br />

18 „FÜR FAIR HALTE ICH DAS WETTBEWERBSWESEN NICHT“<br />

Fünf Fragen an Josephine Facius von impuls Landschaftsarchitekten<br />

22 „MAN KANN UNSEREN BERUFSSTAND GAR NICHT GENUG FEIERN“<br />

Ute Aufmkolk aus der Jury des Deutschen Landschaftsarchitektur-Preises im Interview<br />

28 „ICH WÜNSCHE MIR INDIVIDUELLERE ENTWURFSHALTUNGEN“<br />

Martin Rein-Cano über anonyme Wettbewerbe und entwurflliche Handschriften<br />

32 „MIT DEN GANZEN VERFAHRENSBESCHRÄNKUNGEN IST<br />

KEINEM GEDIENT“<br />

bdla-Vizepräsident Timo Herrmann über Wettbewerbe als hohes Gut<br />

40 „GUTES DESIGN VEREINT VIER QUALITÄTEN“<br />

Fünf Fragen an Peter Zec, den Initiator und CEO von Red Dot<br />

44 „KEINE ANGST VOR JUNGEN PLANUNGSBÜROS“<br />

Landschaftsarchitektin Irene Lohaus im Interview<br />

48 „DIE VORHANDENEN REGULARIEN SIND NICHT DAS PROBLEM“<br />

Fünf Fragen an Landschaftsarchitekt und Stadtplaner Tobias Nowak<br />

52 „EIN MEHRWERT, DEN HERKÖMMLICHE VERFAHREN NICHT BIETEN“<br />

Geschäftsführerin Lola Meyer über die Aktualität des Wettbewerbs Europan<br />

56 „WIR SEHEN ABSOLUT KEINE BESSERUNG“<br />

Theresa Keilhacker zum Wettbewerbswesen und Verfahren in Berlin<br />

Auf den Seiten zwischen den Interviews stellen wir Ihnen Wettbewerbe aus <strong>2023</strong> vor.<br />

PRODUKTE<br />

Herausgeber:<br />

Deutsche Gesellschaft<br />

für Gartenkunst und<br />

Landschaftskultur e.V.<br />

(DGGL)<br />

Pariser Platz 6<br />

Allianz Forum<br />

<strong>10</strong>117 Berlin-Mitte<br />

www.dggl.org<br />

58 LÖSUNGEN<br />

Spezial: FSB <strong>2023</strong><br />

RUBRIKEN<br />

62 Impressum<br />

62 Lieferquellen<br />

63 Stellenmarkt<br />

64 DGGL<br />

66 Sichtachse<br />

66 Vorschau<br />

<strong>G+L</strong> 5


VOM<br />

FREIEN<br />

WETTBE-<br />

WERB UND<br />

DEM FREIEN<br />

MARKT<br />

Die Anzahl der offenen Wettbewerbe hat sich in Deutschland seit 2018 mehr als halbiert.<br />

Dabei gilt der freie Wettstreit doch als das Instrument, um attraktive Lösungen im Planungswesen<br />

zu finden. Andererseits bemängeln vor allem die Planenden selbst oft die unattraktiven<br />

Verfahrensbedingungen. Wie kommt es zu dieser Divergenz, und was lässt sich dagegen tun?<br />

Im Gespräch mit zwei Büroinhabern und Vertreter*innen aus der Stadtplanung suchen wir im<br />

Folgenden Antworten.<br />

JULIA TREICHEL<br />

<strong>10</strong> <strong>G+L</strong>


WETTBEWERBE<br />

VOM FREIEN WETTBEWERB UND DEM FREIEN MARKT<br />

AUTORIN<br />

Julia Treichel<br />

absolvierte an der<br />

TU München den<br />

Bachelor und Master<br />

in Landschaftsarchitektur<br />

und arbeitete<br />

in diversen Büros in<br />

München. Derzeit ist<br />

sie freiberuflich unter<br />

anderem im Kollektiv<br />

LaPensilina tätig und<br />

engagiert sich in<br />

Theorie und Praxis<br />

zu sozialen und<br />

gestalterischen<br />

Fragen der Umwelt.<br />

„Offene Verfahren sind tatsächlich maximal<br />

uninteressant und eigentlich auch<br />

volkswirtschaftlicher Irrsinn. Hier werden<br />

Unmengen an Zeit, Geld und Kreativität<br />

verbrannt.“ So radikal drückt es Felix<br />

Metzler, Geschäftsführer des Landschaftsarchitektur-<br />

und Stadtplanungsbüros<br />

Toponauten, aus. Mit seiner Einschätzung<br />

ist der Landschaftsarchitekt nicht allein.<br />

Denn in den vergangenen Jahren zeigt sich<br />

ein fallender Trend in der Wettbewerbslandschaft.<br />

Die Plattform competitionline<br />

veröffentlich dazu jährlich eine ausführliche<br />

Statistik. Ihr Fazit für 2022 ist bedrückend.<br />

Der Wettbewerb nimmt als Planungswerkzeug<br />

an Bedeutung ab. In nüchternen<br />

Zahlen bedeutet dies, dass Bund, Länder<br />

und Kommunen 2022 insgesamt 397<br />

Planungswettbewerbe auslobten. Im<br />

Vergleich zum Vorjahr sind das rund<br />

2,5 Prozent weniger. Und bereits damals<br />

sprach der Vorstandsvorsitzende der<br />

Bundesstiftung Baukultur, Reiner Nagel,<br />

im Hinblick auf die Anzahl der Planungswettbewerbe<br />

von einem Armutszeugnis.<br />

QUALITÄT DURCH WETTBEWERB<br />

Gleichsam gilt der Architekturwettbewerb<br />

als Kür der Ideenfindung: „Kommunen<br />

profitieren von den hochwertigen<br />

Planungsergebnissen. Die Begleitung<br />

durch ein solches Verfahren und die<br />

Jurysitzungen im Rahmen der Verfahren<br />

liefern wertvolle Argumente für spezielle<br />

Planungsfragen“, betont Jonas Bellingrodt<br />

vom Amt für Stadtplanung, Umwelt und<br />

Klimaschutz der Stadt Freising. Daniel<br />

Lindemann, Geschäftsführer bei Gornik<br />

Denkel Landschaftsarchitektur, unterstützt<br />

diese Ansicht: „Gerade im Zusammenhang<br />

mit der Weitsicht im Städtebau<br />

entstehen so wichtige Impulse – auch für<br />

aktuelle Projekte.“ Neben der Chance für<br />

Kommunen sieht er außerdem einen hohen<br />

Stellenwert für die Planungsbüros selbst:<br />

„Alle unsere Wettbewerbe waren bedeutend<br />

und haben uns weitergebracht.“ Er<br />

bezieht dabei explizit auch jene Verfahren<br />

ein, in denen das Büro ohne Auszeichnung<br />

blieb. Denn aufgrund der vielfältigen<br />

Kooperationen mit anderen Disziplinen<br />

und der Bearbeitung von unterschiedlichsten,<br />

innovativen Aufgabenstellungen seien<br />

sie alle von Relevanz gewesen.<br />

Was die beiden unabhängigen Stimmen<br />

gleichsam zeigen: Der Wettbewerb kann<br />

durchaus als Instrument zur Qualitätssicherung<br />

und Innovation – sowohl für<br />

Kommunen als auch Planer*innen –<br />

dienen.<br />

ANZAHL DER WETTBEWERBE NIMMT<br />

WEITER AB<br />

Wie kommt es trotzdem zum bereits<br />

beschriebenen Negativtrend? Denn die<br />

Zahlen, die competitionline auflistet, sind<br />

ein unumstößlicher Fakt. Gerade im<br />

Objetkttyp Landschaft und Freiraum<br />

verzeichnetet die Statistik 2022 mit einem<br />

Minus von 23 Wettbewerbsauslobungen<br />

im Vergleich zum Vorjahr einen besonders<br />

starken Rückgang. Bei den städtebaulichen<br />

Projekten und im Wohnungsbau<br />

waren es jeweils 15 Wettbewerbsverfahren<br />

weniger. Und auch im Sektor Büround<br />

Verwaltungsbauten sank die Zahl der<br />

Auslobungen von 44 im Jahr 2021 auf<br />

37 ein Jahr später. Allein der Schulbau<br />

erlebte einen Aufwärtstrend mit einem<br />

Plus von 14 ausgeschriebenen Wettbewerbsverfahren.<br />

Dabei fällt auf, dass auch einst entwicklungsstarke<br />

Bundesländer von dem Trend<br />

betroffen sind. Baden-Württemberg etwa,<br />

das weithin als branchenstark im Bausektor<br />

gilt, verzeichnete im vergangenen Jahr<br />

laut competitionline einen Rückgang von<br />

acht Wettbewerben. Gemeinsam mit<br />

Hessen führt das südwestliche Bundesland<br />

damit die deutschlandweite Negativentwicklung<br />

an. Hoffnung schenken die<br />

Zahlen aus Sachsen und Bremen. Der<br />

Stadtstadt verzeichnete ein Plus von neun<br />

Wettbewerben und im Freistaat wurden<br />

2022 insgesamt 19 Verfahren ausgeschrieben,<br />

was gar ein Plus von 15<br />

bedeutet. Die Zunahme sieht Christian<br />

Steinborn, Vorsitzender des Ausschusses<br />

Wettbewerb und Vergabe der Architektenkammer<br />

Sachsen im Nachholeffekt<br />

nach der Corona-Pandemie begründet.<br />

2022 sei das erste Jahr gewesen, in<br />

dem Gremien und Gemeinden wieder<br />

weitgehend unbeeinflusst von Corona-<br />

Einschränkungen agieren konnten,<br />

äußerte er bei competitionline. Dementsprechend<br />

seien wieder vermehrt Wettbewerbe<br />

ausgeschrieben worden.<br />

Gleichzeitig beschreibt er eine zweite<br />

spannende Entwicklung. Denn nicht nur<br />

Leipzig tut sich als deutschlandweit<br />

wettbewerbsstärkste Kommune hervor.<br />

Vielmehr schreiben in Sachsen mittlerweile<br />

auch vermehrt kleinere Gemeinden<br />

Wettbewerbe aus.<br />

AUSLOBENDE STEHEN VOR HOHEM<br />

AUFWAND<br />

Diese Entwicklung ist dahingehend<br />

bemerkenswert, dass der allgemeine<br />

<strong>G+L</strong> 11


„FÜR FAIR HALTE ICH<br />

DAS WETTBEWERBS-<br />

WESEN NICHT“<br />

Das noch junge Büro impuls Landschaftsarchitekten gewann dieses Jahr, im Team mit weiteren<br />

Planer*innen, den ersten Preis beim Wettbewerb um das Modellvorhaben Erfurt Mitte Südost.<br />

Dass sich ein solches Vorhaben lohnt – auch weil sich dadurch weitere Anfragen ergeben –,<br />

bestätigt impuls-Mitbegründerin Josephine Facius. Wenn es darum geht, wie fair das deutsche<br />

Wettbewerbswesen für junge Büros ist, fällt ihre Antwort jedoch kritischer aus.<br />

FRAGEN: THERESA RAMISCH<br />

INTERVIEWEE<br />

Josephine Facius<br />

studierte Landschaftsarchitektur<br />

an der<br />

Fachhochschule<br />

Erfurt. Zusammen mit<br />

ihrem Ehepartner<br />

Philipp Facius und<br />

Holgar Ehrensberger<br />

gründete sie 2017<br />

das Büro impuls<br />

Landschaftsarchitektur<br />

in Jena.<br />

Josephine Facius, wie fair ist aus Ihrer<br />

Perspektive das deutsche Wettbewerbswesen<br />

für junge Büros, die noch nicht<br />

so viele Referenzprojekte vorweisen<br />

können?<br />

Beim Prüfen der verschiedenen Bewerbungsverfahren<br />

habe ich oft den Eindruck,<br />

bereits in den geforderten Voraussetzungen<br />

erkennen zu können, welche Art von<br />

Büro sich die Auftraggebenden wünschen<br />

bzw. wie viel Offenheit gegenüber dem<br />

Ergebnis besteht.<br />

Ich verstehe natürlich, dass Auftraggebende<br />

kein Risiko eingehen möchten bei einer<br />

großen Summe Geld, die sie investieren.<br />

Zu glauben, dass ein größeres, etabliertes<br />

Büro automatisch verlässlicher, erfahrener<br />

und deshalb sicherer sei als ein jüngeres<br />

Büro, halte ich jedoch nicht für die logische<br />

Schlussfolgerung.<br />

Insbesondere in wirtschaftlich angespannteren<br />

Zeiten erhärtet sich der Eindruck,<br />

dass Auftraggebende die Rahmenbedingungen<br />

verschärfen, um so mehr Sicherheit<br />

zu erhalten. In den Phasen des<br />

Baubooms erschienen uns die Forderungen<br />

offener; sowohl auf die Bewerbungen<br />

bezogen als auch auf die Planungsaufgaben<br />

selbst.<br />

Als vor einigen Jahren vermehrt die<br />

Kategorie „junges Büro“ einen vereinfach-<br />

ten Zugang zu Ausschreibungen erhielt, kam der Vorwurf der<br />

Altersdiskriminierung auf. Aktuell liegt für mich jedoch der<br />

Umkehrschluss nahe, der gezielte Ausschluss von jüngeren Büros.<br />

Wie soll ich beispielsweise jemals eine Gartenschau planen,<br />

wenn ich für den Wettbewerb zur Planung einer Gartenschau<br />

bereits eine geplante Gartenschau nachweisen muss? Kooperationsmodelle<br />

wie Bietergemeinschaften oder Eignungsleihe sind<br />

dafür zwar mögliche Optionen, aber bergen meiner Ansicht<br />

nach auch ein zu hohes Risiko für die jüngeren Büros, im Fahrwasser<br />

des etablierten Büros nicht angemessen gewürdigt zu<br />

werden. Das kommt aber natürlich auf die Partnerschaft an<br />

und ist kein pauschales Urteil.<br />

Für mich stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Abfrage von<br />

Referenzen überhaupt gerechtfertigt ist. Theoretisch betrachtet,<br />

ist man als Landschaftsarchitekt*in in den Architektenkammern<br />

gelistet. Hierfür ist unter anderem der Nachweis des Studiums<br />

und eine gewisse Arbeitserfahrung erforderlich. Ich bin daher<br />

offiziell dazu befähigt, jede Leistung in meinem Fachgebiet<br />

zu erbringen. Ist dies nicht eigentlich schon Referenz genug?<br />

Kurz gesagt: Nein, für fair halte ich das Wettbewerbswesen<br />

nicht.<br />

Welche Änderungen würden Sie sich wünschen?<br />

Losziehungen halte ich für ausreichend und ein unabhängiges<br />

Auswahlverfahren. Je nach Umfang der Planung noch<br />

ein Nachweis der Versicherung, dass diese das geplante<br />

Projekt abdeckt.<br />

Als Inhaber*in eines Unternehmens muss ich sowieso immer in<br />

der Lage sein, realistisch einzuschätzen, ob ich eine geforderte<br />

Leistung fachlich und wirtschaftlich erbringen kann – auch im<br />

Vorfeld eines Wettbewerbs. Für mich ist es daher eigentlich eine<br />

18 <strong>G+L</strong>


WETTBEWERBE<br />

INTERVIEW: JOSEPHINE FACIUS<br />

unternehmerische Fragestellung an mich<br />

selbst und weniger eine danach, ob ich<br />

jemand anderen erst davon überzeugen<br />

muss, dass ich die notwendigen Rahmenbedingungen<br />

erfülle.<br />

Ihr Büro impuls Landschaftsarchitekten<br />

hat dieses Jahr unter anderem gemeinsam<br />

mit Octagon Architekturkollektiv und<br />

team red den ersten Preis beim Modellvorhaben<br />

Erfurt Mitte Südost gewonnen.<br />

Herzlichen Glückwunsch nochmal. Lohnt<br />

sich ein Wettbewerb dieser Größenordnung<br />

aus finanzieller Perspektive?<br />

Grundsätzlich lohnt sich im Speziellen<br />

dieses Vorhaben finanziell, da bereits<br />

Fördermittel zu einigen Realisierungsbereichen<br />

in naher Zukunft bewilligt sind. Der<br />

Umfang allein wird für die kommenden<br />

Jahre eine gewisse Auslastung im Büro<br />

erzeugen und auch positive Nebeneffekte<br />

schaffen. Bereits jetzt ergeben sich weitere<br />

Anfragen nur aufgrund dieses Wettbewerbsgewinns.<br />

Angenommen Pierre de Meuron würde<br />

morgen bei Ihnen anklopfen, um mit<br />

Ihnen einen Wettbewerb zu machen.<br />

Würden Sie es machen?<br />

Auf jeden Fall! Ich würde mich zwar ein<br />

wenig über die Anfrage wundern, die<br />

Zusammenarbeit würde mich dennoch<br />

sehr interessieren. Ich befürchte aber,<br />

dass wir nicht die erforderlichen Referenzen<br />

hätten.<br />

Generell gehen wir Zusammenarbeiten<br />

sehr offen an und nutzen gerade bei<br />

Wettbewerben gern die Möglichkeit,<br />

unser Netzwerk zu erweitern und weitere<br />

Zusammenarbeiten zu etablieren. So sind<br />

viele unserer Kontakte zu Architekt*innen<br />

im Zusammenhang mit Wettbewerben<br />

entstanden; sei es durch die gemeinsame<br />

Arbeit oder weil wir durch eine Platzierung<br />

auf uns aufmerksam machten.<br />

Foto: Karina Bickel<br />

Ist es derzeit überhaupt möglich, als<br />

junges Wettbewerbsbüro in Deutschland<br />

gut zu überleben? Was sind Ihre größten<br />

Herausforderungen?<br />

Tatsächlich sehe ich in den Bewerbungsverfahren<br />

die größte Hürde, für junge<br />

Büros und auch uns, überhaupt an<br />

Wettbewerben teilnehmen zu können.<br />

Weiterhin habe ich zunehmend den<br />

Eindruck, dass die bestehenden Büros<br />

immer größer werden und kaum noch<br />

Interesse an der Selbstständigkeit bei<br />

jüngeren Menschen besteht. Auch, weil<br />

es schwieriger geworden ist, Projekte zu<br />

akquirieren? Vielleicht.<br />

Wir selbst hatten viel Glück damit, dass<br />

wir in unseren ersten Jahren, als damals<br />

noch dreiköpfiges Team, Unterstützung<br />

und Partner in Holgar Ehrensberger<br />

fanden. Mithilfe seiner Erfahrung, Netzwerk<br />

und Referenzen wurden Türen<br />

geöffnet, die wir im Alleingang nicht<br />

einmal hätten berühren können. In dieser<br />

Folge ist es auch heute für uns ein wenig<br />

einfacher, sich zu bewerben.<br />

Ich kann mir kaum vorstellen, wie es ohne<br />

den „etablierten Part“ überhaupt möglich<br />

ist, an Wettbewerben teilzunehmen. Denn<br />

selbst die weniger als zehn vermeintlich<br />

„offenen Wettbewerbe“ pro Jahr (<strong>2023</strong>,<br />

rein freiraumplanerisch) ziehen zum<br />

größten Teil ein Vergabeverfahren nach<br />

sich, welches dann doch wieder die<br />

hochklassigen Referenzen, Umsätze,<br />

Mitarbeitendenzahlen und jahrelangen<br />

Praxiserfahrungen fordert.<br />

Josephine Facius, Landschaftsarchitektin und Mitbegründerin des Büros<br />

impuls Landschaftsarchitektur, sieht bei Bewerbungsverfahren die größte<br />

Hürde für junge Büros darin, überhaupt an Wettbewerben teilnehmen<br />

zu können.<br />

<strong>G+L</strong> 19


„MIT DEN GANZEN<br />

VERFAHRENSBE-<br />

SCHRÄNKUNGEN IST<br />

KEINEM GEDIENT“<br />

Ein hohes Gut unserer Gesellschaft – als solches beschreibt Timo Herrmann das Wettbewerbswesen<br />

in Deutschland. In seinen Antworten bezieht der Landschaftsarchitekt und blda-<br />

Vizepräsident auch klar Stellung: Es braucht mehr Wettbewerbsverfahren, und zwar einfache,<br />

offene und transparente. Dabei beschreibt er auch, warum Beschränkungen weder den<br />

Teilnehmer*innen noch den Auslober*innen dienlich sind.<br />

FRAGEN: THERESA RAMISCH<br />

INTERVIEWEE<br />

Timo Herrmann ist<br />

Landschaftsarchitekt<br />

und Geschäftsführer<br />

von bbz landschaftsarchitekten<br />

in Berlin.<br />

Seit 2022 ist<br />

er Vizepräsident<br />

des bdla.<br />

Timo Herrmann, aktuell ist die Position<br />

des bdla-Fachsprechers „Wettbewerbswesen“<br />

vakant. Wieso? Ist die Rolle nicht<br />

wichtig genug?<br />

Der bdla, Bund Deutscher Landschaftsarchitekt:innen,<br />

wird als Berufsverband<br />

durch das ehrenamtliche Engagement<br />

seiner Mitglieder getragen. Die Arbeit<br />

der Fachgruppen stellt dabei den wesentlichen<br />

inhaltlichen Anteil der Verbandsarbeit<br />

und das inhaltliche Engagement<br />

des Verbands dar. Natürlich ist unbestritten,<br />

dass neben allen Fachgruppen<br />

gerade die Fachgruppe Wettbewerbswesen<br />

und somit ebenfalls die des<br />

Fachsprechers eine sehr wichtige ist.<br />

Aus diesem Grunde sind wir aktuell<br />

dabei, diese Position wieder neu zu<br />

besetzen. Und ich möchte nicht zu viel<br />

verraten, aber ich kann sagen, dass wir<br />

aus der Fachgruppe eine hochkarätige<br />

Persönlichkeit – mit viel Wettbewerbserfahrung<br />

auf allen Seiten – gewinnen<br />

konnten, die dieser Fachgruppe wieder<br />

vorstehen wird.<br />

Wie oft ist das deutsche Wettbewerbswesen<br />

Thema bei Ihnen im bdla-Präsidium?<br />

Worüber sprechen Sie dann? Was<br />

diskutieren Sie?<br />

Aufgrund der Wichtigkeit des Wettbewerbswesens<br />

als Tool der Auftragsbeschaffung<br />

bei unseren Mitgliedern ist dies<br />

sehr, sehr häufig Thema im Verband und<br />

unter den Mitgliedern.<br />

Die Themen sind die Stärkung des Wettbewerbswesens,<br />

sozusagen die Werbung<br />

bei potenziellen Bauherr*innen und<br />

Auftraggeber*innen zur Durchführung<br />

solcher Verfahren. Die Beteiligung bei<br />

Schulungen und der Qualifizierung bei<br />

der Durchführung von Verfahren auf<br />

Auftraggeber*innen- und Verfahrensbetreuer*innenseite.<br />

Die Qualifizierung<br />

unserer Mitglieder zu rechtlichen Aspekten<br />

und der Einbindung von Wettbewerben<br />

in die EU-Vergabeverordnung<br />

(Verhandlungsverfahren, VgV). Und nicht<br />

zuletzt der inhaltliche Austausch über<br />

Wettbewerbe mit dem kleinen, sehr<br />

beliebten Branchentreffen, den Entwerfer-<br />

32 <strong>G+L</strong>


WETTBEWERBE<br />

INTERVIEW: TIMO HERRMANN<br />

tagen, die Stephan Lenzen und Franz<br />

Reschke initiiert haben und die nun zum<br />

fünften Mal vom 13. bis 14. November<br />

<strong>2023</strong> in Berlin wieder mit hochkarätigen<br />

Referent*innen stattfinden.<br />

Wie fair sind Ihrer Meinung nach Wettbewerbsverfahren<br />

in Deutschland?<br />

Als Teilnehmer an und Preisrichter bei<br />

vielen Verfahren erlebte ich bisher fast<br />

ausschließlich sehr faire Verfahren. Das<br />

Wettbewerbswesen ist einer der ältesten<br />

demokratischen Prozesse in Deutschland<br />

und ein hohes Gut unserer Gesellschaft.<br />

Es ist immer wieder unglaublich und<br />

faszinierend, welche Ideenvielfalt auf<br />

Teilnehmer*innenseite, welches Ringen,<br />

welche Überzeugungs- und Kompromissbereitschaft<br />

im Auswahlprozess und<br />

daraus welche breite gesellschaftliche<br />

Basis ein Entwurf aus einem Wettbewerbsverfahren<br />

erhält. Es ist faszinierend,<br />

welche hohe Übereinkunft und Verbindlichkeit<br />

unter allen Verfahrensbeteiligten<br />

dadurch hergestellt wird.<br />

Ich kann mir kein anderes Vergabeverfahren<br />

in einer demokratischen Gesellschaft<br />

vorstellen, die dieses Verfahren zur<br />

Gestaltfindung bei öffentlichen Bauaufgaben<br />

ersetzt.<br />

Ich erachte es als ein sehr hohes Gut,<br />

dass sich unsere Gesellschaft dieses auf<br />

allen Seiten sehr aufwendige und teure<br />

Verfahren leistet. Ich selbst und wir als<br />

Verband haben den Eindruck, dass dies<br />

all unsere Mitglieder sehr schätzen,<br />

sich der Bedeutung bewusst sind und<br />

jede*r Einzelne in seinem Bereich auf<br />

Fairness achtet.<br />

eingeladenen oder ausgewählten Teil nehmer*innen<br />

keinen Beitrag ab, und der<br />

oder die Auslober*in hat am Ende weniger<br />

Ideen oder Konzepte zur Auswahl.<br />

Meine klare Meinung: Offene Verfahren<br />

– wer Zeit und Kapazitäten hat und<br />

Lust an der Aufgabe zeigt, nimmt am<br />

Wettbewerb teil.<br />

Aus rein betriebswirtschaftlicher Perspektive:<br />

Raten Sie jungen Büros dazu,<br />

an Wettbewerben teilzunehmen? Wie<br />

wahrscheinlich ist deren Erfolg?<br />

Ich kann jungen Büros absolut nur dazu<br />

raten, an Wettbewerbsverfahren teilzunehmen.<br />

Wir selbst haben unser Büro an<br />

den Standorten in Bern, Berlin und Freiburg<br />

mit der Teilnahme und dann dem<br />

Gewinn von Wettbewerben aufgebaut<br />

und etabliert. Das Wettbewerbswesen ist<br />

nach wie vor ein faires, transparentes und<br />

offenes System der Auftragsbeschaffung.<br />

Weder Herkunft, Sozialisierung, politische<br />

Gesinnung spielen in die Entscheidung<br />

hinein. Einzig der Entwurf zählt. Wo in<br />

der freien Wirtschaft gibt es das bitte<br />

sonst? Auf in den Ring – die beste Idee,<br />

das beste Konzept, der beste Entwurf<br />

möge gewinnen!<br />

Timo Herrmann,<br />

Landschaftsarchitekt,<br />

Geschäftsführer von<br />

bbz landschaftsarchitekten<br />

und Vizepräsident<br />

des bdla, spricht<br />

sich klar für mehr –<br />

und offene – Wettbewerbsverfahren<br />

aus.<br />

Foto: © Lichtschwärmer, Christo Libuda<br />

Brauchen wir Ihrer Meinung nach in<br />

Deutschland mehr Wettbewerbsverfahren<br />

oder weniger?<br />

Mit meinen Ausführungen habe ich ja<br />

schon gezeigt, wie wichtig wir als Verband<br />

und ich selbst Wettbewerbsverfahren<br />

in Deutschland und natürlich auch im<br />

Ausland sehen. Insofern fällt die Antwort<br />

sehr klar aus, wir brauchen mehr Wettbewerbsverfahren,<br />

und wir brauchen einfache,<br />

offene und transparente Verfahren.<br />

Mit den ganzen Verfahrensbeschränkungen<br />

ist doch keinem gedient: Die Auslober*innen<br />

haben zusätzlichen Aufwand<br />

mit der Auswahl von Teilnehmer*innen;<br />

die Teilnehmer*innen haben sehr viel<br />

Aufwand mit der Bewerbung auf die<br />

Verfahren und der zeitlichen Koordinierung<br />

der Bearbeitung; und somit, so<br />

zumindest die Entwicklung in der jüngsten<br />

Zeit, geben 20 bis 30 Prozent der<br />

<strong>G+L</strong> 33


„DIE VORHANDE-<br />

NEN REGULARIEN<br />

SIND NICHT DAS<br />

PROBLEM“<br />

Bereicherung des beruflichen Alltags durch Konkurrenz ist das eine. Wenig<br />

attraktive Preisgelder bei kleineren Aufgaben das andere. Beides führt Landschaftsarchitekt<br />

Tobias Nowak für Wettbewerbe an bei unserer Frage nach<br />

positiven wie negativen Seiten des aktuellen Systems. Und bei VgV-Verfahren<br />

erkennt er die Probleme weniger in den Regularien. Wen er stattdessen in der<br />

Pflicht sieht, welche Bedenken von Auftraggeberseite ihm begegnen und wie<br />

Verfahren seiner Meinung nach erleichtert werden könnten.<br />

FRAGEN: THERESA RAMISCH<br />

Wo ist aus Ihrer Perspektive das Gute im<br />

System? Womit hadern Sie?<br />

Wir sehen in Wettbewerben grundsätzlich<br />

eine tolle Möglichkeit der Akquise von<br />

neuen Auftraggebern – und zwar der<br />

Akquise über die „Idee“, also letztlich die<br />

Qualität des Entwurfs und damit des<br />

Endprodukts. Das gibt nach wie vor auch<br />

jungen oder neugegründeten Büros die<br />

Möglichkeit, sich am Markt zu etablieren.<br />

Die direkte Konkurrenz im Wettbewerbs-<br />

INTERVIEWEE<br />

Tobias Nowak ist<br />

Landschaftsarchitekt<br />

und Stadtplaner. Seit<br />

2002 ist er im büro<br />

raum + zeit<br />

Landschaftsarchitektur<br />

Stadtplanung<br />

(vormals Wartner &<br />

Zeitzler Landschaftsarchitekten)<br />

tätig; seit<br />

2019 führt er das<br />

Büro gemeinsam mit<br />

Yvonne Hammes.<br />

Tobias Nowak, Sie sind Mitglied der<br />

Beratergruppe Vergabe und Wettbewerb<br />

der ByAK. Wie fair ist das deutsche Wettbewerbswesen<br />

aus Ihrer Perspektive?<br />

In der Konzeption haben wir in Deutschland<br />

meiner Meinung nach ein sehr faires<br />

Verfahren, vor allem im Bereich des<br />

Teilnahmewettbewerbs. Die Registrierungspflicht<br />

bei den Kammern sorgt hier für<br />

ausgewogene Zugangsbedingungen bei<br />

Wettbewerben – und zusätzlich ist ja in<br />

Bayern noch die sogenannte Vergabeampel<br />

in Vorbereitung. Das wird für zusätzliche<br />

Anreize und Transparenz sorgen.<br />

verfahren und auch im VgV bereichert und<br />

belebt meiner Meinung das Geschäft und<br />

den beruflichen Alltag. Nicht zuletzt ist<br />

natürlich bei einem Wettbewerb die<br />

Begründung zur Auftragsvergabe transparent<br />

und nachvollziehbar – und vor<br />

allem erfolgt sie nicht rein über den Preis.<br />

Allerdings entsteht je nach Zusammensetzung<br />

der Jury hin und wieder das Gefühl,<br />

dass nicht der beste Entwurf prämiert,<br />

sondern der kleinste gemeinsame Nenner<br />

gesucht wurde.<br />

Bei kleineren Planungsaufgaben ist zudem<br />

das Preisgeld oder das Bearbeitungshonorar<br />

leider oft nicht attraktiv genug im<br />

Vergleich zum Aufwand und damit zum<br />

finanziellen Risiko der Teilnahme – was<br />

schade ist, weil eine kleine Aufgabe ja<br />

nicht weniger reizvoll sein muss!<br />

Im Bereich des VgV hingegen verschiebt<br />

sich der Schwerpunkt mittlerweile oft sehr<br />

stark auf technische oder überzogen<br />

projektspezifische Aspekte im Bereich der<br />

geforderten Referenzen. Das Vertrauen in<br />

die Fähigkeiten der Büros, Aufgaben zu<br />

bearbeiten und zur Zufriedenheit des<br />

48 <strong>G+L</strong>


WETTBEWERBE<br />

INTERVIEW: TOBIAS NOWAK<br />

Auftraggebers zu lösen, ist immer weniger<br />

zu erkennen. Große Büros werden durch<br />

hohe und sehr spezifische Anforderungen<br />

in den VgVs regelmäßig begünstigt.<br />

Die vorhandenen Regularien müssen<br />

sicher immer wieder an die veränderten<br />

Zeiten und Umstände angepasst werden,<br />

sind aber aus meiner Sicht gar nicht so<br />

das Problem. Ich sehe hier eher die<br />

Auftraggeber oder Verfahrensbetreuer in<br />

der Pflicht, die verfügbaren Werkzeuge<br />

sinnvoll anzuwenden und Schwerpunkte<br />

angemessen zu setzen.<br />

Die Entwicklungen im Wettbewerbsverfahren<br />

zum Münchner Gasteig zeigten:<br />

Planungswettbewerbe haben durchaus<br />

ihre Tücken. Wie nervös macht die Ausrichtungen<br />

von Wettbewerben private<br />

und öffentliche Auftraggeber?<br />

Die Schwierigkeiten in diesem Verfahren<br />

zeigen aus meiner Sicht vor allem, dass<br />

es faire und transparente Vergabebedingungen,<br />

Regeln und Entscheidungen<br />

braucht – es diese Regeln aber auch<br />

bereits gibt! Bei konsequenter Anwendung<br />

und gleichzeitiger Offenheit für das<br />

Ergebnis und ausreichendem Vertrauen in<br />

die fachliche Expertise der Jury sowie der<br />

Wettbewerbsteilnehmer bestünde also<br />

kaum Anlass zu Nervosität.<br />

dum zu führen – wobei hier der Auftraggeber<br />

idealerweise bereits in der Auslobung<br />

festlegt, dass erstmal nur mit dem<br />

1. Preisträger verhandelt wird. Diese<br />

Möglichkeit wird meiner Meinung nach<br />

noch viel zu wenig genutzt – das nachgeschaltete<br />

Verfahren wäre dadurch<br />

deutlich einfacher und schneller zu haben.<br />

Verzicht auf Präsenztermine im VgV,<br />

gerade nach einem Wettbewerb, könnten<br />

das Verfahren zusätzlich beschleunigen<br />

und erleichtern.<br />

Für die Zukunft hoffe ich natürlich nach<br />

Wegfall des § 3 Absatz 7 Satz 2 VgV<br />

auf eine deutliche Anhebung der Vergabeschwelle!<br />

Die neue Regelung wird aus<br />

meiner Sicht angesichts der enormen<br />

Anzahl an notwendigen Verfahren vermehrt<br />

zur Auslobung von Generalplanerleistungen<br />

führen, was voraussichtlich<br />

wieder die alteingesessenen und schlagkräftigen<br />

Büros begünstigen wird.<br />

Landschaftsarchitekt und Stadtplaner Tobias Nowak erkennt nicht in den<br />

Regularien das Problem – sondern sieht Auftrag geber*innen oder Verfahrensbetreuer*innen<br />

in der Pflicht, vorhandene Werkzeuge sinnvoll anzuwenden.<br />

Welche Themen tragen die Auftraggeber<br />

sonst an Sie heran? Was beschäftigt sie?<br />

Die Bedenken bezüglich der Durchführung<br />

von Wettbewerben, gerade bei<br />

unerfahrenen Auftraggebern, bestehen<br />

vor allem hinsichtlich der Dauer des<br />

Verfahrens, in Bezug auf vermutete,<br />

zusätzliche Kosten durch das Verfahren<br />

an sich und zuletzt in der Angst vor<br />

„g‘spinnerten Lösungen“, die mit noch<br />

mehr unkalkulierbaren Kosten verbunden<br />

sein könnten ... Irgendwie geht es also<br />

hauptsächlich ums Geld.<br />

Gleichzeitig werden aber erstaunlicherweise<br />

für die Vorbereitung und Durchführung<br />

von VgVs enorme Mittel ausgegeben.<br />

Hier stehen dann leider oft nur noch<br />

Rechtssicherheit und wieder die Kostenminimierung<br />

im Vordergrund.<br />

Foto: Peter Litvai<br />

Viele Büros kritisieren den Einsatz vom<br />

VgV-Verfahren im Wettbewerb. Die<br />

Kommunen sind an die Rechtsprechung<br />

gebunden. Sehen Sie irgendeine Möglichkeit,<br />

die Verfahren zu vereinfachen?<br />

Hier würden wir uns eine stärkere<br />

Gewichtung des Wettbewerbsergebnisses,<br />

also des 1. Preises, wünschen, um den<br />

Wettbewerb als solchen nicht ad absur-<br />

<strong>G+L</strong> 49


„WIR SEHEN<br />

ABSOLUT KEINE<br />

BESSERUNG“<br />

Seit 2021 analysiert die Architektenkammer Berlin in ihrem Vergabemonitoring die Wettbewerbe<br />

und Verfahren in Berlin. Die bisherigen Schlüsse daraus: Es sieht nicht gut aus, wenn es<br />

nach der Präsidentin der Architektenkammer Theresa Keilhacker geht. Wir haben bei ihr nachgefragt,<br />

warum es in Berlin mehr Wettbewerbe braucht und welche Änderungen sie sich im<br />

Vergabeverfahren wünschen würde.<br />

FRAGEN: THERESA RAMISCH<br />

INTERVIEWEE<br />

Theresa Keilhacker ist<br />

freischaffende<br />

Architektin in<br />

Bürogemeinschaft mit<br />

Boris Kazanski in<br />

Berlin. 2014 wurde<br />

sie in die Kommission<br />

für nachhaltiges<br />

Bauen (KNBau) am<br />

Umweltbundesamt<br />

berufen. Seit Mai<br />

2021 ist sie<br />

Präsidentin der<br />

Architektenkammer<br />

Berlin, seit 2022<br />

Mitglied im<br />

Klimaschutzrat Berlin<br />

und im Expert*innen-<br />

Rat des Climate<br />

Change Center (CCC).<br />

Theresa Keilhacker, in einer Pressemitteilung<br />

vom Dezember 2021 forderte die<br />

Architektenkammer Berlin von der neuen<br />

Regierung mehr Wettbewerbe – insbesondere<br />

in Berlin. Knappe zwei Jahre<br />

sind seitdem vergangen: Hat sich was<br />

verändert?<br />

Die Wettbewerbskultur unseres Berliner<br />

Senats ist leider weiter den Bach hinuntergegangen.<br />

Unser monatliches Vergabemonitoring<br />

hat ergeben, dass es in den<br />

letzten Jahren kaum einen Wettbewerb<br />

zum Thema Wohnungsbau gegeben hat.<br />

Gemessen daran, wie viel gebaut wird, ist<br />

das skandalös.<br />

Warum braucht besonders Berlin mehr<br />

Wettbewerbe?<br />

Weil unsere Stadt wächst und viele<br />

Bauvorhaben entstehen, aber eben nicht<br />

mit RPW-Verfahren und damit auch ohne<br />

die Kammer, die diese registrieren soll.<br />

Oft werden sogenannte Werkstatt- oder<br />

Gutachterverfahren umgesetzt, die sich<br />

bestenfalls in einem Graubereich befinden.<br />

Dies ist angesichts der Herausforderung,<br />

Klimaschutzbelange mit dem Bauen<br />

überhaupt vereinbar zu machen sowie in<br />

lebenden Nachbarschaften auch ein<br />

Mindestmaß an Beteiligung zu ermöglichen<br />

und eine neue Umbaukultur zu<br />

fördern, nicht angemessen.<br />

Der Präsidentin der Architektenkammer Berlin Theresa Keilhacker zufolge sind<br />

die Zugangshürden für kleinere Büros bei größeren Bauvorhaben zu hoch.<br />

Foto: Bettina Keller Fotografie<br />

56 <strong>G+L</strong>


WETTBEWERBE<br />

INTERVIEW: THERESA KEILHACKER<br />

In der Pressemitteilung von 2021 kritisierte<br />

die Architektenkammer zudem zu<br />

große Vergabepakete. Warum?<br />

Weil unser Berufsstand nach wie vor<br />

mittelständig geprägt ist, mit kleineren<br />

Büros, die sich für größere Bauvorhaben<br />

beispielsweise als ARGE zusammentun,<br />

aber oft persönlich engagieren und<br />

haften. Sie agieren sehr agil auf dem<br />

Markt, sind kreativ und innovativ<br />

unterwegs, bekommen aber keine<br />

Aufträge, weil die Zugangshürden zu<br />

hoch sind. Nur noch große Generalplanungsgesellschaften<br />

oder Generalübernehmer,<br />

mit Planungsbüros als Subunternehmen,<br />

erhalten den Zuschlag. Das<br />

fördert meistens weder Kreativität noch<br />

Innovation.<br />

Und letztlich kam auch das Thema der zu<br />

hohen Marktzugangshürden auf, die es<br />

kleinen bis mittleren Planungsbüro nahezu<br />

unmöglich mache, an Vergabeverfahren<br />

teilzunehmen. Sehen Sie Besserung?<br />

Wir sehen absolut keine Besserung, im<br />

Gegenteil. Unser Vergabemonitoring<br />

bestätigt den Eindruck, dass die Planungskultur<br />

in dieser Stadt weiter verlottert. Wir<br />

sehen beispielsweise bei den landeseigenen<br />

Wohnungsunternehmen bei fünf bis<br />

zehn Verfahren im Jahr Rahmenverträge<br />

mit jeweils 50 bis 500 Wohneinheiten,<br />

die teilweise Quartierscharakter, jedenfalls<br />

städtebaulichen Maßstab haben und<br />

ganze Stadtteile prägen werden, oder 20<br />

Stück Typenhochhäuser, die in einem<br />

Paket vergeben werden.<br />

Welche Änderungen wünschen Sie sich<br />

heute im Vergabeverfahren? Und welche<br />

Person der Bundesregierung bzw. in<br />

Berlin muss hier Ihrer Meinung nach<br />

Verantwortung übernehmen?<br />

Wir müssen die Planungs- und Prozesskultur<br />

wiederentdecken, indem wir die Auslobung<br />

von RPW-Wettbewerben verschlanken<br />

und die Verfahrenskultur weiterentwickeln<br />

und attraktiver machen, zum Beispiel mit<br />

der Etablierung eines Leitfadens für dialogorientierte<br />

Werkstattverfahren im Rahmen<br />

einer Mehrfachbeauftragung. Verantwortlich<br />

für solche Lösungsansätze und<br />

Mindeststandards sind in Berlin unser<br />

Senator für Stadtentwicklung, Bauen und<br />

Wohnen, Christian Gaebler, und seine<br />

Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt.<br />

Modellserie Urbanis – Auflage Murus<br />

Freiraumausstattung mit System<br />

Modellserie Urbanis<br />

Nims<br />

Vulkanring 7, D-54568 Gerolstein<br />

Telefon +49 (0) 65 91 - 16 400<br />

info@freiraumausstattung.de<br />

freiraumausstattung.de<br />

<strong>G+L</strong> 57


LÖSUNGEN<br />

Alle Produktinformationen<br />

laut Herstellerangaben.<br />

SPEZIAL: FSB <strong>2023</strong><br />

IM INNEREN GUT VERNETZT<br />

Die 5,6 Meter hohe Spielscheune<br />

„LaGrange“ der Berliner Seilfabrik kombiniert<br />

verschiedene Spielzellen, in denen<br />

Kinder das Innere erklettern können. Die<br />

Spielzellen reichen von verschiedenen Netzelementen<br />

wie Netztrichtern oder -tunnel<br />

über Gummi- und Hängematten bis hin zu<br />

anderen Seilelementen. Die offene Fassade<br />

lässt sich mit Bambuspaneelen, transparenten<br />

Gitterrahmen und bedruckbaren<br />

HDPE-Paneelen individuell anpassen. Zudem<br />

können Fassadenelemente um Playpanels<br />

ergänzt werden. Die Gitterrahmen der<br />

Spielscheune erfüllen die Anforderungen der<br />

DIN EN 1176: Aufgrund eines Stababstandes<br />

von 7,5 Millimetern entstehen keine Fingerfangstellen,<br />

und sie bieten keine Möglichkeit<br />

zum Beklettern. Die Rahmen können in RAL-<br />

Farbtönen pulverbeschichtet werden.<br />

berliner-seilfabrik.com<br />

ALLE KÖNNEN MITDREHEN<br />

Wie schnell und in welche Richtung sich dieses Karussell dreht, haben<br />

die Fahrenden selbst in der Hand. In Schwung bringen sie es mit dem<br />

mittigen Handrad. Das ebenerdige Inklusionskarussell des Herstellers<br />

ESF Emsland Spiel- und Freizeitgeräte ist für Menschen jeden Alters,<br />

mit oder ohne Mobilitätseinschränkung gedacht. Es ist eine kompaktere<br />

und leichtere Variante des Rollstuhlfahrerkarussells von EFS. Das<br />

Inklusionskarussell gibt es in zwei verschiedenen Typen, die sich im<br />

Sitzplatz, den Haltebügeln und einer gebogenen Doppel-Reling unterscheiden.<br />

Optional ist ein Spitzdach aus beschichtetem Stahlblech<br />

oder ein Planendach möglich. Auf der gesicherten Stehfläche können<br />

sich auch Rollstuhlfahrer*innen frei bewegen. Der Boden ist speziell<br />

verstärkt, um auch schwere Elektrorollstühle tragen zu können.<br />

emsland-spielgeraete.de<br />

Foto: Berliner Seilfabrik GmbH & Co.; Grafik: ESF Emsland Spiel- und Freizeitgeräte GmbH & Co. KG<br />

58 <strong>G+L</strong>


PRODUKTE<br />

LÖSUNGEN<br />

VOM KUNSTRASEN IN DIE FILTERRINNE<br />

Bei der Sanierung ihres Schul- und Vereinssportplatzes<br />

entschied sich die Stadt Bühl<br />

für einen Kunstrasenplatz. Von diesem<br />

sollen möglichst wenig Kunststoffpartikel in<br />

die Umgebung ausgetragen werden. Als<br />

Infillmaterial wählte man Kork. Dieses sowie<br />

abgebrochene Partikel des Kunstrasenbelags<br />

hält wiederum das Filterrinnensystem Sportfix<br />

Clean des Herstellers Hauraton zurück.<br />

Das System besteht aus Rinnenkörpern mit<br />

Abdeckungen, einem textilummantelten Drainagerohr<br />

sowie dem Filtersubstrat Carbotec<br />

60. In Bühl sind die Rinnen an den Längsrändern<br />

des Spielfelds eingebaut; über sie wird<br />

Wasser von der Oberfläche des Sportplatzes<br />

abgeleitet und gefiltert. Die Rinnenelemente<br />

von Sportfix Clean sind aus recyceltem Kunststoffmaterial<br />

sowie leicht, und das System hat<br />

lange Wartungsintervalle. Der Rinnenfilter ist<br />

trockenfallend und verhindert so Fäulnis und<br />

die Rücklösung von Schadstoffen.<br />

hauraton.com<br />

INKLUSIVES SCHAUKELN<br />

Fotos: HAURATON GmbH & Co. KG; HUCK Seiltechnik GmbH<br />

Mit der Schaukel „Sombrero“ hat der Hersteller HUCK Seiltechnik<br />

seine Vogelnest-Schaukel weiterentwickelt. Durch eine Erhöhung in<br />

der Mitte können sich Schaukelnde nicht nur in die Schaukel legen,<br />

hocken oder stellen, sondern sicher sitzen und sich zurücklehnen.<br />

Damit möchte Huck das Schaukeln noch inklusiver gestalten als<br />

bisher. Die Schaukel „Sombrero“ soll Raum und sicheren Halt bieten,<br />

beispielsweise für Menschen mit Beeinträchtigung, die nicht selbstständig<br />

aufrecht sitzen können.<br />

huck-seiltechnik.de<br />

<strong>G+L</strong> 59

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