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„Eigene Ressourcen<br />

kann ich aufbauen“<br />

Schnellere Prozesse und Fachkräftemangel führen zu mehr<br />

Stress, aber auch Resilienz ist als wichtiges Thema in der<br />

Arbeitswelt angekommen. Nora Johanna Schüth sagt im<br />

Interview, wie wir besser mit Belastungen umgehen können.<br />

Arbeitspsychologin M. Sc. Nora<br />

Johanna Schüth war im Fachbereich<br />

Arbeits- und Leistungsfähigkeit<br />

am ifaa – Institut für angewandte<br />

Arbeitswissenschaften e.V. an einer<br />

Studie zum Thema Resilienz beteiligt.<br />

FOTOS: iStock, AdobeStock, privat<br />

Ist die Arbeitswelt heute belastender als früher?<br />

Die Belastungen sind zum Teil sogar gesunken, weil Maschinen<br />

den Menschen schwere Lasten abnehmen oder Roboter<br />

die Arbeit erleichtern. Geht es jedoch um die Dynamik<br />

in der Arbeitswelt durch Veränderung von<br />

Prozessen und aufgrund der Digitalisierung,<br />

können wir von einer deutlichen Erhöhung<br />

der objektiv messbaren Belastung<br />

sprechen. Dazu kommt der Facharbeitermangel<br />

als besondere Belastung.<br />

Ist Resilienz ein Schlüssel dafür,<br />

mit Belastungen besser umzugehen?<br />

Belastungen an sich sind nichts Negatives,<br />

sondern eine objektive Größe. Wichtig<br />

ist die Unterscheidung zwischen Belastung<br />

und Beanspruchung. Ist mein Resilienz-Niveau<br />

niedrig und habe ich wenig persönliche Ressourcen<br />

wie Selbstwirksamkeit und Optimismus, kann eine Belastung<br />

negative Folgen haben. Diese äußern sich als Sorgen, Selbstzweifel,<br />

Kopfschmerzen, Verspannungen oder Erschöpfung.<br />

Mit welchen Strategien können wir uns für den Umgang<br />

mit Herausforderungen am Arbeitsplatz wappnen?<br />

Im Berufsleben sind resiliente Verhaltensweisen wie umfassendes<br />

Planen und die fokussierte Umsetzung von Aufgaben<br />

hilfreich: Priorisieren Sie wichtige, starten Sie dennoch mal<br />

mit der unangenehmsten, um sie hinter sich zu bringen,<br />

und zerlegen Sie andere in Teilschritte. Setzen Sie sich auch<br />

Fristen und halten Sie sie ein. Sehr viel bringt es, Störfaktoren<br />

und Ablenkungen zu widerstehen. Keiner muss ständig<br />

auf sein Handy schauen oder E-Mails checken. Und kennen<br />

Sie Ihre Hochs in Ihrem Biorhythmus? Das ist wichtig,<br />

denn in diesen Zeitfenstern sind Sie besonders<br />

leistungsfähig. Eigene Ressourcen kann ich<br />

generell aufbauen, indem ich alles fördere, was<br />

mir guttut – von mehr Sport über gesündere<br />

Ernährung bis zum Überprüfen der eigenen Wahrnehmung<br />

von Sachlagen, falls ich Dinge überwiegend negativ sehe.<br />

Wo sind die Grenzen der individuellen Resilienz,<br />

ab wann sollte man sich Hilfe holen?<br />

Resilienz heißt nicht, dass wir gegen alle<br />

Widrigkeiten eine Immunität entwickeln<br />

müssen. Wenn ein Problem zur Krise<br />

wird, sich eine Situation zuspitzt und<br />

die gewohnten Handlungsstrategien<br />

nicht mehr greifen, hilft Unterstützung<br />

von außen. Sie erkennen solche schwierigen<br />

Lagen an typischen Gefühlen:<br />

Angst, Panikattacken, dem Gefühl der<br />

Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit, Schlafstörungen,<br />

heftiger Müdigkeit und starken<br />

Verspannungen. Das muss keine:r aushalten.<br />

Was können wir bei mangelnder Wertschätzung tun?<br />

Idealerweise gibt es eine Führungskraft, die zuhört, Durchsetzungsvermögen<br />

hat und das negative Klima abstellen<br />

kann. Ist diese Person selbst das Problem, sollten Beschäftigte<br />

Schwierigkeiten ansprechen und aus ihrer Perspektive<br />

schildern. Oft sind es Missverständnisse, die aus der Welt<br />

geräumt werden können. Notfalls bleibt der Gang zu Vorgesetzten<br />

der Führungskraft oder zum Betriebsrat.<br />

Bleibt Resilienz ein Thema, wenn flexible Arbeitszeiten<br />

und eine achtsame Firmenkultur gängiger werden?<br />

In jedem Fall. Denn Herausforderungen wird es immer<br />

geben – sei es durch neue Technologien und Innovationen.<br />

Oder durch das Privatleben, in dem stressige Zeiten,<br />

Schicksalsschläge und Krisen leider dazugehören. «<br />

„Angst, Panik, das Gefühl der Hilflosigkeit<br />

… das muss keine:r aushalten.“<br />

MAGAZIN fürs LEBEN. <strong>03</strong>.<strong>23</strong><br />

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