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Lesen Magazin 04/2023

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Kunst in<br />

der Literatur<br />

Kunstwerke und das Leben von Künstlerinnen und<br />

Künstlern faszinieren. Tauchen Sie ein in exzentrische,<br />

dramatische, romantische und diebisch<br />

gute Geschichten über grosse Kunstwerke und<br />

beeindruckende Persönlichkeiten der Kunstwelt!<br />

Text von Lydia Zimmer<br />

Kunst bewegt, fasziniert, inspiriert oder regt auf – alles kann passieren, wenn man ein Gemälde<br />

oder eine Skulptur anschaut. Denn Kunst erzählt Geschichten und weckt Emotionen. «Ist das Kunst<br />

oder kann das weg?» wird sich der eine oder die andere schon mal beim Betrachten eines Kunstwerkes<br />

gefragt haben.<br />

In jedem Fall eröffnet Kunst neue Horizonte. Und genau das wollen auch unsere Buchtipps, die von<br />

einer Nacht im Louvre, sprechenden Kunstwerken, spektakulären Kunstrauben, verschollenen<br />

Gemälden und starken Künstlerinnen erzählen. Sie kennen Kunstcomedy noch nicht? Dann wird es<br />

höchste Zeit, denn «Kunst ist cool»!<br />

1 Historischer Roman zu spektakulärem Kunstraub<br />

Was haben der Maler Pablo Picasso, die Ausdruckstänzerin Isadora Duncan und der Musiker Igor<br />

Strawinsky gemeinsam? Sie alle waren in den Kunstraub der Mona Lisa im Jahr 1911 involviert – zumindest<br />

im neuen historischen Roman des Bestseller-Autors Tom Hillenbrand. «Alles in dem Buch<br />

ist tatsächlich genau so passiert, abgesehen von den Dingen, die ich mir ausgedacht habe», so der<br />

Autor im Vorwort. Aber der Reihe nach: Das berühmteste Gemälde der Welt, die Mona Lisa, wurde<br />

tatsächlich eines Nachts aus dem Louvre geraubt. Mehr als zwei Jahre lang wurde es in einem schäbigen<br />

Hotel nur drei Kilometer vom Louvre entfernt versteckt – vermutlich in einem Koffer.<br />

Der Dieb, ein Mitarbeiter einer Pariser Glaserei, die ausgerechnet Schutzscheiben für Kunstwerke<br />

im Museum anfertigte, handelte mit guten Absichten. Er wollte das auf Italienisch «La Gioconda»<br />

genannte Porträt des Malers Leonardo da Vinci wieder an seinen vermeintlich «rechtmässigen Ort»<br />

nach Italien zurückbringen. Dass das anders verlief als geplant, ist nur eine der wilden Geschichten<br />

in diesem Buch. Aus unterschiedlichen Erzählperspektiven heften sich die <strong>Lesen</strong>den an die Fersen<br />

des Kommissars Lenoir und weiterer Protagonisten, und eine atemberaubende Jagd durch das<br />

Paris der Belle Époque beginnt. Das Bild muss gefunden werden, denn ganz Europa schaut zu!<br />

Der Autor Tom Hillenbrand hat bereits etliche kulinarische Kriminalromane geschrieben. In<br />

seinem Buch «Der Kaffeedieb» entführt er ins Jahr 1683 und erzählt vom abenteuerlichen Plan<br />

eines Engländers, den Türken den Kaffee abzuluchsen. Mit «Die Erfindung des Lächelns»<br />

hat er nun wiederum einen spannenden und zugleich historischen Detektivroman geschrieben.<br />

Ein wahrer Pageturner!<br />

2 Porträt einer der grössten Künstlerinnen unserer Zeit<br />

Während 1911 in Paris die berühmteste Frau auf einem Bild verschwand, entdeckte eine später ebenfalls<br />

sehr berühmte Künstlerin dort das Licht der Welt: Louise Bourgeois. Ihre überlebensgrosse,<br />

neun Meter hohe Spinnenskulptur «Maman» aus Stahl und Bronze ist weltweit bekannt. Als dritte<br />

Tochter – der langersehnte Sohn folgte nach ihr – wurde sie paradoxerweise ausgerechnet nach<br />

ihrem Vater Louis benannt, der sie entweder nicht beachtete oder sie piesackte. «Louise», wie der<br />

Roman schlicht heisst, ist keine Biografie, sondern reine Fiktion. Allerdings hat sich die deutsche<br />

Autorin Ursel Bäumer in ihrem zweiten Buch an Lebensdaten und -orten der Künstlerin orientiert,<br />

Literatur und Quellen studiert und sich von ihnen inspirieren<br />

lassen. In 40 Kapiteln ist auf diese Weise ein Porträt entstanden,<br />

in dem Louise selbst erzählt: von ihrer schwerkranken Mutter, die<br />

sie bis zu ihrem Tod aufopferungsvoll pflegt; vom despotischen<br />

Vater, der die Mutter mit dem englischen Kindermädchen betrügt;<br />

von ihrer frühen Mitarbeit in der elterlichen Tapisserie-Werkstatt.<br />

Denn das Zeichentalent der erst 12-Jährigen ist unübersehbar.<br />

Das Buch endet mit der Schiffsüberfahrt nach Amerika im Jahr<br />

1938 – Louise Bourgeois hat sich befreit. Kurz zuvor heiratete sie<br />

zum Entsetzen ihres Vaters einen amerikanischen Kunsthistoriker.<br />

In New York schafft die Künstlerin (1911–2010) ein Werk, das sie<br />

weltberühmt werden lässt. In eindringlichem Ton erzählt die<br />

junge Louise Bourgeois von den traumatischen Erfahrungen ihrer<br />

Kindheit und Jugend. Doch sie kämpft und gewinnt. «Ich bin meine<br />

Kunst», sagt sie am Ende des Romans. Ein berührendes Buch über<br />

eine starke Frau!<br />

3 Deutsches Dichtergenie mit Schreibblockade<br />

Auch der Protagonist des nächsten Buches ist eindeutig mit seinem<br />

Werk verknüpft – Goethe. Der grosse Literat ist gerade von einer<br />

Reise in der Schweiz zurückgekehrt. Ausgerechnet jetzt hat er eine<br />

Schreibblockade. Goethe stockt bei seinem grossen Werk «Faust»:<br />

Er hat erst zehn Worte zu Papier gebracht, «die die Tinte nicht wert<br />

gewesen sind», und verzweifelt an seiner «gedanklichen Dürre».<br />

Zudem stapeln sich neue Schreibaufträge. Bei einem Spaziergang<br />

durch seine Heimatstadt Weimar heult er sich ausgerechnet bei<br />

seinem Dichterkollegen Schiller aus. Als dann auch noch sein<br />

Schwager Christian August Vulpius, ebenfalls Schriftsteller und<br />

von Goethe verachteter Viel- und Lohnschreiber, seine Hilfe anbietet,<br />

ist der Tiefpunkt vollends erreicht.<br />

Da nützt sogar das Schäferstündchen mit seiner Frau Christiane<br />

nichts, sosehr sie sich auch mit einem Striptease mit Mieder und<br />

Hüftkissen ins Zeug legt. «Minuziös recherchierte Fakten, versetzt<br />

mit fantasievollen Lügen, ergeben ein kleines Traktat über das<br />

Schreiben – und einen grossen Spass zum <strong>Lesen</strong>.» Was der Verlag<br />

so ankündigt, wird von der ersten bis zur letzten Seite vollends<br />

eingelöst.<br />

Der Schweizer Charles Lewinsky ist nicht ohne Grund ein international<br />

berühmter Schriftsteller, dessen Werke preisgekrönt und<br />

in 16 Sprachen übersetzt sind. Bekannt wurde er 2006 mit seinem<br />

Roman «Melnitz», einer Saga einer jüdischen Schweizer Familie<br />

zwischen 1871 und 1945. In seinem neusten literarischen Streich<br />

«Rauch und Schall» erzählt er fast slapstickartig und mit Sprachakrobatik<br />

von Goethes künstlerischen Nöten. Die Lektüre lässt einen<br />

so manches Mal laut auflachen. Hervorragend!<br />

4 Ein bunter Reigen Kunstgeschichte<br />

Ebenso hervorragend ist das neue Buch des deutschen Autors Florian<br />

Illies. Er stellt den berühmten Maler der Frühromantik Caspar<br />

David Friedrich (1774–1840) ins Zentrum. Immer wieder begleiten<br />

wir den Künstler, wie er mit Stift und Skizzenbuch durch die<br />

deutschen Küstenlandschaften streift. Illies, der Kunstgeschichte<br />

studiert hat und u.a. Mitgründer der Kunstzeitschrift «Monopol»<br />

ist, ist ein ausgewiesener Kunstkenner. In seinem neuen Buch<br />

bringt er dieses Wissen gekonnt zusammen. Er schreibt flott, ja<br />

plaudert fast aus dem Nähkästchen.<br />

Im Buch «Zauber der Stille» reiht Illies federleicht Anekdote<br />

an Anekdote. So erfahren wir beispielsweise, dass 1901 das Ge-<br />

20 <strong>Lesen</strong> <strong>Magazin</strong> Fokusthema<br />

Fokusthema<br />

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