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Lesen Magazin 04/2023

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18<br />

20<br />

Kunst kommt<br />

von Nicht-anders-<br />

Können.<br />

Text von Milena Moser<br />

19<br />

Der jüdisch-amerikanische Veteran<br />

18<br />

George Bromfield stirbt auf verdächtige<br />

Weise. Hatte seine zweite Ehefrau<br />

ihre Hand im Spiel? Beim Versuch, die mysteriösen<br />

Todesumstände aufzudecken,<br />

graben Tochter und Sohn immer tiefer in<br />

der geheimnisvollen Vergangenheit ihres<br />

Vaters. Über seine Zeit im Zweiten Weltkrieg,<br />

Kollaboration und Komplizenschaft<br />

wurde in der Familie nie gesprochen. In<br />

München und New York gehen die Geschwister<br />

auf Spurensuche, um herauszufinden,<br />

warum ihr Vater nach Kriegsende<br />

nach Bayern zurückgekehrt war und<br />

wie das mit seiner Freundschaft mit einem<br />

Porträtmaler und Nazikollaborateur<br />

zusammenhing. Familiendrama, Spionagegeschichte<br />

und Zeitdokument in einem:<br />

Diese 320 Seiten der Schweizer Autorin<br />

Elisabeth Bronfen lesen sich im Nu!<br />

Händler der Geheimnisse<br />

Elisabeth Bronfen, Limmat-Verlag, CHF 33.90<br />

Mit einer meisterhaften Mischung<br />

19<br />

aus Spannung, Intrigen und gut<br />

gezeichneten Charakteren entführt uns<br />

der Autor Phillip Gurt in die 1940erund<br />

1950er-Jahre zum Calanda, einem Gebirgsmassiv<br />

in der Schweiz. Dort liegt der<br />

Hirt der Altsäss, einer Alp hoch auf dem<br />

Calanda, tot und erschlagen im Käsekessel.<br />

Und bald darauf wird die Leiche des Pfarrers<br />

unterhalb der Alp gefunden. Landjäger<br />

Caminada und sein bester Freund sollen<br />

die Morde aufklären, doch die Ermittlungen<br />

gestalten sich schwierig. Und dann<br />

wird auch noch ein drittes Opfer gefunden!<br />

Philipp Gurt versteht es meisterhaft, die<br />

Spannung mit gut platzierten Wendungen<br />

und überraschenden Enthüllungen aufrechtzuerhalten.<br />

Das Motto des Buches:<br />

Schicke keine Schafe, um den Wolf zu jagen!<br />

Graubündner Totentanz<br />

Philipp Gurt, Kampa-Verlag, CHF 26.90<br />

«Der Traum vom Fliegen», der<br />

20<br />

neueste Roman von Milena Moser,<br />

ist eine Geschichte, die tief in die Welt der<br />

Selbstakzeptanz und Freundschaft eintaucht.<br />

Sofia, die Hauptfigur, wird von<br />

ihren Vätern in die Privatklinik Los Pajaritos<br />

an der Nordwestküste der Vereinigten<br />

Staaten gebracht, ohne zu ahnen, wie sehr<br />

sich ihr Leben dort verändern wird. Ihr<br />

Kampf mit dem Übergewicht und ihre<br />

ambivalente Beziehung dazu stehen im<br />

Zentrum der 384 Seiten. Doch Sofia denkt<br />

gar nicht daran, Gewicht zu verlieren;<br />

schliesslich hat sie nicht ohne Grund so<br />

viel zugenommen. Sie will um jeden<br />

Preis verhindern, ihre Bodenhaftung zu<br />

verlieren. Ihr Übergewicht gibt ihr Halt.<br />

Doch das wahre Gewicht, das wir tragen,<br />

liegt oft in unseren Herzen und unseren<br />

Beziehungen!<br />

Der Traum vom Fliegen<br />

Milena Moser, Klett-Cotta, CHF 29.90<br />

21<br />

Der Roman «Hinter der Hecke die<br />

21<br />

Welt» besticht durch sprachliche<br />

Brillanz und humorvolle Genauigkeit.<br />

Lobo und Pina sind zwei Kinder in einem<br />

Dorf mit einer Hecke. Die Hecke wächst.<br />

Das Aufregendste, was in diesem Dorf<br />

geschieht, ist das Wachsen der Pflanzen.<br />

Pinas Mutter Dora ist zeitgleich in der<br />

Arktis umgeben von Stille, Eis und Schnee.<br />

Das Eis schmilzt, der Eisberg schrumpft.<br />

Scheinbar nebenbei baut Gianna Molinari<br />

zwei komplexe Welten auf – gekonnt mit<br />

Worten, Witz und Werten. Sie erzählt vom<br />

Schrumpfen und Wachsen in der Welt.<br />

Nebenbei erfahren wir, dass Elche erst bei<br />

minus 40 Grad frieren. Es ist ein seltenes<br />

Glück, wenn man schon nach wenigen<br />

Zeilen weiss: Das ist besondere Literatur –<br />

eine Perle!<br />

Hinter der Hecke die Welt<br />

Gianna Molinari, Aufbau, CHF 33.90<br />

Isolde Schaad, eine namhafte Schweizer<br />

Autorin der 1968er-Generation,<br />

22<br />

hat im Lauf ihrer Karriere bereits eine beeindruckende<br />

Liste von Veröffentlichungen<br />

vorzuweisen, die sich mit verschiedenen<br />

Aspekten der Gesellschaft, der Kunst und<br />

des Feminismus befassen. Ihr neuestes<br />

Werk ist keine Ausnahme! «Das Schweigen<br />

der Agenda» sind Erzählungen, die die<br />

kritische Gesellschaftsbetrachtung in den<br />

Mittelpunkt stellen. Die Autorin wirft<br />

dabei auch einen Blick auf ihre eigene Ge-<br />

22<br />

23<br />

neration; sie nimmt diese mit einem satirischen<br />

Auge und mit menschenfreundlicher<br />

Ironie unter die Lupe. Die einzigartige<br />

erfrischende Art, Geschichten zu erzählen<br />

und gleichzeitig subtile gesellschaftliche<br />

Kommentare abzugeben, macht dieses<br />

Buch zu einer lohnenden Lektüre für alle,<br />

die intelligente und humorvolle Gedanken<br />

schätzen!<br />

Das Schweigen der Agenda<br />

Isolde Schaad, Limmat-Verlag, CHF 31.90<br />

Wer hat’s gewusst? Im Schicksalsjahr<br />

1945 wurde der Nobelpreis für<br />

23<br />

Literatur der chilenischen Dichterin<br />

Gabriela Mistral (1889–1957) verliehen.<br />

Ihr Lebensweg war das wahr gewordene<br />

Märchen einer Dorfschülerin aus ärmlichen<br />

Verhältnissen, die es zu einer gefeierten<br />

Dichterin und Diplomatin brachte.<br />

Das Buch «Dichten gegen das Vergessen»<br />

berichtet über zwölf Dichterinnen aus<br />

unterschiedlichen Zeiten und Weltregionen,<br />

die sich für ihre künstlerische<br />

Berufung gegen zahlreiche Widerstände<br />

und Hindernisse durchsetzen mussten.<br />

Alle zwölf Dichterinnen sind durch die<br />

Ungewöhnlichkeit ihrer Biografien miteinander<br />

verbunden. Eine Gedichtauswahl<br />

im Anhang rundet das Werk über diese<br />

poetischen Meisterinnen ab!<br />

Dichterinnen gegen das Vergessen<br />

Denise Buser, Zytglogge AG, CHF 33.90<br />

Victor malt. Er hat das Kopfende<br />

des Bettes aufgerichtet und den<br />

Klapptisch herangerollt. Vor ihm<br />

liegen ein Skizzenbuch, ein kleiner<br />

Malkasten und ein reisetauglicher<br />

Wassertankpinsel. Das ist seine<br />

Grundausrüstung für jeden Arztbesuch<br />

und jeden Krankenhausaufenthalt.<br />

Selbst im panischen<br />

Aufbruch zur Notaufnahme steckt<br />

er sie noch ein. Gerade hat er eine<br />

Herzoperation überstanden, einen<br />

Sauerstoffschlauch in der Nase und<br />

eine Drainage in der Seite, die offenbar<br />

recht schmerzhaft ist. Aber<br />

jetzt merkt er das nicht. Jetzt malt<br />

er. Er malt sich aus diesem Zimmer<br />

hinaus in die Landschaft seiner<br />

Kindheit, an den Fuss des heiligen<br />

Berges, des Popocatépetl. Ich sitze<br />

am Bettrand, die Beine angezogen,<br />

den Laptop auf den Knien und versuche,<br />

ihm zu folgen. Aus dem Krankenhaus hinaus und in meine Welt. Dorthin,<br />

wo ich zu Hause bin: in meinem Schreiben.<br />

© Theresa Cross<br />

Neulich sass ich bei einem Abendessen neben einem lauten, jungen Mann, der<br />

sich als Künstler vorgestellt hatte. Dann stellte sich aber heraus, dass er als<br />

Grafikdesigner für einen Internetriesen arbeitet. Ich sagte nichts, aber mein Gesichtsausdruck<br />

musste mich verraten haben. «Ich bin aber trotzdem Künstler!»,<br />

verteidigte er sich. «Die Firma ist sozusagen mein Galerist. Oder mein Sammler!»<br />

Dann begann er mir vorzurechnen, wie viel er verdiente, mehr als seine beiden<br />

Brüder, beides Anwälte, zusammen. Ich nickte und schenkte mir unauffällig<br />

Wein nach. Dabei dachte ich an meinen Freund Paul, einen Musiker, der Erfolge<br />

und Durststrecken kennt, der für einen Grammy nominiert worden war und dann<br />

jahrelang seine Songs in der Waschküche aufnehmen musste, mit dem Handy.<br />

Aber aufhören zu musizieren? Da könnte er auch gleich aufhören zu atmen.<br />

«Kunst misst man nicht mit Geld», unterbreche ich endlich den Redeschwall. Der<br />

Mann verschluckt sich fast. «Aber ... woran dann?» Gute Frage.<br />

Als Victor sieben Jahre alt war, nahm ihn seine Patentante mit ins Museum.<br />

«Wer hat diese Bilder gemalt?», fragte er. «Na, der Künstler.» «Künstler? Ist das<br />

ein Beruf?» Von diesem Moment an wusste Victor, was er mit seinem Leben<br />

anfangen würde. Über ein Jahr sparte er für seinen ersten Malkasten, am Ende<br />

beteiligte sich die halbe Nachbarschaft an der Investition. Er malte nachts, wenn<br />

seine Eltern und Geschwister schliefen, und versteckte seine Bilder unter der<br />

Matratze. Wenn seine Mutter sie fand, zerriss sie sie. «Was bildest du dir ein!<br />

Einer wie du wird nicht Künstler.» Nein. Er wurde es nicht, er war es bereits. So<br />

wie Paul Musiker ist. So wie ich Schriftstellerin war, lange bevor ich mein erstes<br />

Buch veröffentlichte. Wir können nicht anders ...<br />

8 <strong>Lesen</strong> <strong>Magazin</strong> Buchneuheiten<br />

<strong>Lesen</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Kolumne<br />

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