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JAN FLEISCHHAUER<br />

Der schwarze Kanal<br />

Das Glücks-<br />

Gefälle<br />

Es hat viele Vorteile, konservativ zu sein.<br />

Konservative sind glücklicher als Linke.<br />

Sie sind optimistischer, was gut für die<br />

Gesundheit ist, und den besseren Sex haben<br />

sie auch. Kein Wunder, dass man links der<br />

Mitte so miesepetrig dreinschaut<br />

Die Welt der Ängste ist eine vielfältige<br />

Welt. Manche Menschen fürchten sich<br />

vor zu engen Räumen, andere vor<br />

zu großen. Es gibt Menschen, die<br />

eine Furcht vor Blumen (Antophobie),<br />

Schnee (Chionophobie) oder Wind<br />

(Anemophobie) entwickelt haben.<br />

Einige erleiden eine Angstattacke, wenn ihnen jemand<br />

die Hand entgegenstreckt.<br />

Eine Freundin von mir kann über keine Brücke fahren.<br />

Jedes Mal, wenn sie es versucht hat, bekam sie solches<br />

Herzklopfen, dass sie sofort anhalten musste. Das macht<br />

das Leben nicht einfacher. Versuchen Sie mal einen Weg<br />

von Hamburg nach München zu finden, der garantiert<br />

brückenlos ist, das ist eine echte Herausforderung.<br />

Bahnfahren scheidet bei ihr leider als Alternative aus,<br />

weil sie in Tunneln ebenfalls Beklemmungen bekommt.<br />

Außerdem führen auch viele Bahnstrecken über Brücken.<br />

Das Besteigen eines Flugzeugs wiederum<br />

scheitert daran, dass Flugzeuge<br />

so schnell den Bodenkontakt<br />

verlieren.<br />

Das Thema ist mir nicht fremd,<br />

wie Sie sehen. Aber selbst ich<br />

war überrascht, als ich über eine<br />

neue Form der Phobie las, die vor<br />

allem unter jungen Menschen<br />

grassiert und die als „Speisekartenangst“<br />

Einzug in die Liste kollektiver<br />

Zwangsvorstellungen gefunden hat.<br />

Viele Vertreter der Generation Z<br />

setzt es offenbar unter enormen<br />

Stress, wenn sie in einem Restaurant<br />

unter den angebotenen Speisen<br />

auswählen sollen.<br />

»<br />

Je weiter jemand<br />

nach links tendiert,<br />

desto höher die<br />

Wahrscheinlichkeit,<br />

dass er an<br />

Ängsten leidet<br />

«<br />

Es ist nicht ganz klar, was die Panikreaktion auslöst. Ist<br />

es der Druck, sich entscheiden zu müssen, während jemand<br />

neben einem steht und auf eine Antwort wartet? Manche<br />

spekulieren, dass die Gen Z so sehr daran gewöhnt ist, alles<br />

im Netz zu mustern und zu bewerten, dass es die jungen<br />

Menschen total überfordert, wenn sie plötzlich eine Wahl<br />

treffen sollen, die nicht mehr revidierbar ist.<br />

Eine weitere Vermutung lautet, dass sie mit der<br />

sozialen Situation an sich nicht zurechtkommen.<br />

Statt unbeobachtet eine Bestellung aufzugeben,<br />

sollen sie plötzlich einem Kellner von Angesicht<br />

zu Angesicht ihre bevorzugte Menüauswahl mitteilen:<br />

Wie furchtbar! Fürs Dating und spätere Familiengründungen<br />

lässt das nichts Gutes erahnen.<br />

Das Interessante an Phobien ist, dass es einen politischen<br />

Bezug gibt. Je weiter jemand nach links tendiert,<br />

desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie an<br />

Ängsten leidet. Das habe ich mir nicht ausgedacht, das<br />

lässt sich belegen.<br />

Das Verhältnis zwischen allgemeinem Wohlbefinden<br />

und politischer Ausrichtung ist gut erforscht, und das<br />

Ergebnis ist eindeutig. Konservative sind glücklicher als<br />

Linke. Ich bin das erste Mal vor zehn Jahren in einem<br />

Artikel in der „New York Times“ auf diesen „Happiness<br />

Gap“ gestoßen. Der Autor, der Glücksforscher Arthur C.<br />

Brooks, ging darin der Frage nach, weshalb konservativ<br />

eingestellte Menschen in der Regel zufriedener mit ihrem<br />

Leben sind als Leute, die nach links tendieren.<br />

Die naheliegende Erklärung ist, dass sich Konservative<br />

leichter tun, weil sie der Zustand der Welt nicht so bekümmert<br />

wie Linke. Das wäre die „Selig sind die Unwissenden“-These.<br />

Wer sich nicht dafür interessiert, wie<br />

es anderen geht, schreitet unbesorgter durchs Leben.<br />

Die Forschung allerdings hat einige<br />

Löcher in diese These geschossen.<br />

Dass die Gesellschaft ungerecht<br />

eingerichtet sei, ist schließlich<br />

keine Tatsache, sondern selbst eine<br />

Annahme, die vor allem von Linken<br />

geteilt wird. Auch Konservative interessieren<br />

sich für den Zustand der<br />

Welt. Ihnen sind nur andere Dinge<br />

wichtig. Wäre ihnen alles egal, würden<br />

sie alles mit der Gelassenheit<br />

eines Buddha betrachten. Dem ist<br />

aber erkennbar nicht so.<br />

Eine andere Erklärung stellt auf<br />

die Lebensumstände ab. Konservative<br />

Menschen neigen eher zu dauerhaften<br />

Beziehungen. Wer verhei-<br />

Foto: Markus C. Hurek für <strong>FOCUS</strong>-Magazin<br />

6 <strong>FOCUS</strong> 3/<strong>2024</strong>

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