Goethe
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BERND BRÄUER
Goethe 1749 – 1832
GOETHE
1
MINIATUREN
1749 bis 1832
Bild Rückseite: Goethe-Portrait, Gemälde von Franz von Kügelgen, 1809 / 1810
Impressum:
Texte und Photos: Dr. Bernd Bräuer, Gelenau
www.berndbraeuerverlag.de
Technische Erstellung: Steffi Graupner, Daniel Meyer
Druck: Druckerei Gebrüder Schütze GbR, Wolkenstein
www.druckerei-schuetze.de
Goethe 1749 – 1832
Goethe im Rheingau
3
GOETHE IM RHEINGAU
1772 | 1814 | 1815
Schloss Johannisberg, Geisenheim
Schloss Vollrads, Oestrich-Winkel
LORCH | ASSMANNSHAUSEN | RÜDESHEIM | BINGEN
JOHANNISBERG | ÖSTRICH | WINKEL
4 Goethe im Rheingau
Goethe 1749 – 1832
Der Rheingau, eine der schönsten Natur-
und Kulturlandschaften Deutschlands,
ist auch ein vortreffliches Weinanbaugebiet.
Vor allem wegen seiner
weltberühmten Riesling-Weine, die
hier wachsen, reifen und gekeltert
werden.
Nicht wenige Künstler, Maler und
Dichter hat diese Landschaft entzückt
und zu bedeutenden Werken inspiriert.
Johann Wolfgang von Goethe
gehört dazu. Der gleichermaßen große
Dichter wie Weinliebhaber weilte
nicht nur mehrmals im Rheingau und
trank die hiesigen Weine mit großem
Genuss, sondern er schrieb auch über
den Rheingau – vor allem in seinen
Schriften Aus meinem Leben.
Dichtung und Wahrheit und Aus einer
Reise am Rhein, Main und Neckar.
Aber auch in seinen Tagebüchern,
die Goethe fast sein gesamtes Leben
hindurch führte, hat er seine Reisen in
den Rheingau anschaulich dargestellt.
Gleichsam auf Goethes Spuren habe
ich, beschäftigt seit langem mit Leben
und Wirken Goethes, über einen längeren
Zeitraum Orte und Städte seiner
Rheingau-Reisen gründlich erkundet
und neu entdeckt. Goethe im Rheingau
– eine Spurensuche in Text und
Bild ist dabei herausgekommen.
Goethe reist im September 1772 auf dem Rhein von Ehrenbreitstein in Richtung Mainz,
... vorbei an Lorch im Rheingau, ... vorbei an der Burg Rheinstein unweit von Bingen.
Goethe 1749 – 1832
Im September 1772 wandert Goethe,
aus Wetzlar kommend, wo er nahezu
fluchtartig seine geliebte Charlotte
Buff verlassen hat, durch das Lahntal.
Auf dem rechten Lahn-Ufer, diesen
schönen, durch seine Krümmungen
lieblichen, in seinen Ufern so mannigfaltigen
Fluß hinunter bis Bad Ems, von
wo aus er auf einem Kahne den Fluß
hinabwärts fährt.
Vorbei an Oberlahnstein, wo die Lahn
in den Rhein mündet, bis nach Ehrenbreitstein.
Freundlich wird er hier als
Gast der Familie von La Roche, vor allem
von der berühmten Schriftstellerin
1772
Goethe als Jüngling um 1765
Goethe im Rheingau
5
Sophie von La Roche, empfangen und
sogleich als Mitglied der Familie, in
der ein eleganter Ton der großen Welt
herrscht (Richard Friedenthal), aufgenommen.
Die gleichermaßen liebreizende
wie geistreiche 16-jährige Tochter
der Schriftstellerin, Maximiliane,
entzückt den seelisch leidenden Goethe.
Die jungen Leute verbringen viel
Zeit miteinander, in der Natur, im angeregten
Gespräch. Sie gestehen sich
wohl ihre Zuneigung ein. Jahrzehnte
später hat Goethe in Dichtung und
Wahrheit dieser Begegnung ein rührendes
lyrisches Denkmal gesetzt, die
Blick auf Bad Ems an der Lahn, Mitte des 19. Jahrhunderts
Goethe weilt 1772 bei der Familie von La Roche in Ehrenbreitstein (heute zu Koblenz gehörend) und bestaunt die barocke Festung
Ehrenbreitstein hoch über dem Rhein.
6 Goethe im Rheingau
Goethe 1749 – 1832
Die Reise auf dem Rhein führt an Assmannshausen mit dem steilen Weinberg Assmannshäuser Höllenberg vorbei (Sven Arndt, Gemälde 2008).
Von der Jacht aus bestaunt Goethe die Brömserburg in Rüdesheim und das hoch im Weinberg stehende Benediktinerinnen Kloster in Eibingen.
Goethe 1749 – 1832
Goethe im Rheingau
7
eine seiner wichtigen Lebensmaximen
beschreibt: Es ist eine sehr angenehme
Empfindung, wenn sich eine neue
Leidenschaft in uns zu regen anfängt,
ehe die alte noch ganz verklungen ist.
So sieht man bei untergehender Sonne
gern auf der entgegengesetzten
Seite den Mond aufgehn und erfreut
sich an dem Doppelglanze der beiden
Himmelslichter. Doch das Liebesglück
der beiden Sonnenkinder währt nicht
lange. Die Max, wie Goethe sie nennt,
heiratet kurz nach dieser glücklichen
Begegnung den Frankfurter Kaufmann
Peter Anton Brentano, dessen Familie
ein großes Anwesen in Winkel im
Rheingau besitzt, auf dem Goethe viele
Jahre später zu Gast sein wird. Zu
Wen du nicht verlässest, Genius,
Nicht der Regen, nicht der Sturm
Haucht ihm Schauer übers Herz.
Wen du nicht verlässest, Genius,
Wird dem Regengewölk,
Wird dem Schlossensturm
Entgegen singen,
Wie die Lerche,
Du da droben.
Goethe, aus:
Wandrers Sturmlied, 1772
dieser Zeit wird Maximiliane Brentano
allerdings bereits lange tot sein.
Doch zurück in den September des
Jahres 1772. Nach einigen Tagen des
geselligen Aufenthaltes und der vielfältigsten
Vergnügungen in Ehrenbreitstein
reist Goethe mit seinem Freund
Johann Heinrich Merck und dessen
Familie auf einer Jacht den Rhein aufwärts
in Richtung Mainz und sieht
zum ersten Mal in seinem Leben den
Rheingau. Vorbei an den reifenden
Weinbergen von Lorch, Assmannshausen,
Rüdesheim, Bingen, Johannisberg,
Winkel, Elfeld (Eltville), Biberich
(Biebrich). Der Schiffer wird ersucht,
obwohl die Fahrt schon sehr langsam
geht, sich ja nicht zu übereilen.
Maximiliane Brentano, geborene von La Roche (1756 bis 1793)
ist die Tochter der Schriftstellerin Sophie von La Roche. Im Elternhaus in Ehrenbreitstein wird sie weltoffen gebildet
und frei erzogen. Sie interessiert sich für Literatur; sie zeichnet vorzüglich. Ihre körperliche Schönheit, die schwärzesten
Augen und eine Gesichtsfarbe, die nicht reiner und blühender sein konnte, wie Goethe später schreibt, machen
sie begehrenswert. Natürlich auch wegen ihrer hohen Herkunft. 1774 wird sie mit dem über 20 Jahre älteren reichen
Kaufmann Peter Anton Brentano (1735 bis 1797) vermählt. Zwölf Kinder bringt sie zur Welt. Ihr Sohn Clemens und
ihre Tochter Bettine, beide mit Goethe persönlich bekannt, erlangen schriftstellerischen Ruhm.
Maximiliane Brentano stirbt jung im Frankfurter Domizil der Brentanos.
Johann Heinrich Merck (1741 bis 1791)
ist Schriftsteller, Jurist und Unternehmer. Seit 1771 ist er Goethes gebildeter und welterfahrener Jugendfreund. Merck
hat Goethe in literarischen Fragen beraten. Gemeinsam haben sie auf Reisen gezeichnet und gemalt – wohl auch
1772 während ihrer Fahrt auf dem Rhein.
Nach der Rückkehr Goethes aus Italien 1788 entfremden sich die einstigen Jugendfreunde. Merck scheidet durch
Selbstmord 50-jährig aus dem Leben.
Goethe nennt Merck wegen dessen produktiven und zugleich zerstörerischen Kräfte Mephistopheles Merck.
Das Wetter ist herrlich, die abwechslungsreiche
Rheingau-Landschaft wird
genossen, bestaunt und von Goethe in
ihrer tausendfältigen Abwechslung gezeichnet.
Diese Reise trägt wohl dazu
bei, dass Goethe passioniert die Natur
in der Kunst sucht – vor allem bei
den Niederländern in den Frankfurter
Sammlungen – und er einfache Stilleben
nach dem Wirklichen malt.
Der werdende Dichter, 1772 zurückgekehrt
ins Elternhaus in Frankfurt, beginnt
schon bald seinen ihm Weltruhm
verschaffenden Briefroman Die Leiden
des jungen Werther zu schreiben (Erst-
Veröffentlichung 1774 zur Leipziger
Buchmesse mit zierlichen Vignetten
des Leipziger Malers Friedrich Oeser)
– seine künstlerische Auseinandersetzung
mit seiner Liebe zu Charlotte Buff
und Maximiliane, die ihn gleichsam
von seelischer Pein befreit. Später, in
Torquato Tasso und in der Marienbader
Elegie hat er es selbst großartig auf
den Punkt gebracht: Und wenn der
Mensch in seiner Qual verstummt, gab
mir ein Gott zu sagen, was ich leide.
42 Jahre vergehen bis Goethe den
Rheingau wieder sieht.
8 Goethe im Rheingau
Goethe 1749 – 1832
1814
Zu des Rheins gestreckten Hügeln
Goethe weilt im August 1814 zu
einer Badekur in Wiesbaden.
Von hier aus fährt er am 15. August in
Begleitung von vertrauten geselligen
Freunden in den Rheingau. Herrlich
Wetter und Weg – so steht es in seinem
Tagebuch über diesen Tag. Auf
der Höhe über Biberich erschaut(e)
man das weite, prächtige Flusstal mit
allen Ansiedlungen innerhalb der
fruchtbarsten Gauen … In der weitesten
Ferne glänzt(e) dann vor allem
das Kloster Johannisberg. Schierstein,
Walluf, Elfeld (Eltville), das er auf
Grund der Türme einer alten Burg sowie
der Kirche als eine größere Landstadt
deutet, werden erreicht. Darüber
nachzudenken, weshalb sich die Menschen
einst hier angesiedelt haben,
hält er für ein angenehmes Geschäft.
Bald ist es ein Bach, der von der Höhe
nach dem Rhein fließt, bald günstige
Lage zum Landen und Ausladen, bald
sonst irgendeine örtliche Bequemlichkeit
– so sinniert Goethe darüber. Bestaunt
werden die Rebhügel, die – von
starken Mauern getragen – bis an den
Weg heranreichen und der Weinbau
selbst auf flachem, wenig abhängigem
Boden.
In Erbach rastet die Gesellschaft und
erquickt sich an einem reichlich quellenden
Röhrwasser, das aus dem
Marktbrunnen fließt. Weiter geht es
durch Hattenheim, Reichartshausen,
Östrich – sehr anmutig in einiger Entfernung
vom Rhein gelegen, da hinter
dem Ort die Weinhügel bis an den
Fluss hinabreichen – bis Mittelheim,
wo sich der Rhein in herrlicher Breite
zeigt. Weiter dann über Langenwinkel
und Geisenheim bis nach Rüdesheim,
wo Quartier bezogen wird. Flussaufwärts
sieht man … die bewachsenen
Auen … Unterwärts am gegenseitigen
Ufer Bingen … Von Bingen heraufwärts
erstreckt sich nahe am Strom
ein Hügel gegen das obere flache
Goethe weilt 1815 zur Badekur in Wiesbaden. Im Kursaal feiert er seinen 65. Geburtstag.
Goethe 1749 – 1832
Goethe im Rheingau
9
Land … An seinem östlichen Ende
sieht man eine Kapelle, dem heiligen
Rochus gewidmet. Am frühen Abend
des 15. August besuchen Goethe und
seine Freunde in Rüdesheim noch die
Brömserburg. Man hält sie für ein römisches
Kastell, tatsächlich stammt
sie aber aus dem 12. Jahrhundert. Man
tritt in einen brunnenartigen Hof, der
Raum ist eng, hohe schwarze Mauern
steigen in die Höhe. Über neu angelegte
Stufen steigt man durch finstere
Mauerspalten hindurch und hinauf,
findet zuletzt, auf turmartigen Zinnen,
die herrlichste Aussicht. Rüdesheim
liegt im Abendlicht vor und unter der
kleinen Gesellschaft. Die Aussicht
(ist) reizend über die unschätzbaren
Weinberge … Was aber auch sonst
noch von geistlichen und weltlichen
Gebäuden dem Auge begegnen mag,
der Johannisberg herrscht über alles
(siehe Seite 3).
Goethe und seine Freunde besichtigen die Brömserburg in Rüdesheim.
Und: Am Abend werden Goethe und
seine geselligen Freunde sicher dem
Jahrhundertwein von 1811 – dem Eilfer
wie Goethe ihn nennt – genüsslich
zugesprochen haben. Denn: Er ist zugleich
köstlich und reichlich.
Blick über Weinberge auf den Weinort Rüdesheim und die Rheinebene
10 Goethe im Rheingau
Goethe 1749 – 1832
Reiner Sonnenaufgang. Auf die Rochus-Kapelle. Große Wallfahrt
Das vermerkt Goethe in seinem
Tagebuch für den 16. August
1814. Ein frischer Wind bläst, die
Schiffer auf dem Rhein sind rege und
beschäftigt, um die vielen Menschen,
die Wallfahrer, die zum Sankt-Rochus-
Fest gekommen sind, über den Rhein
nach Bingen zu setzen. Auch Goethe
setzt mit seinen Freunden über. Den
steilsten, zickzack über Felsen springenden
Stieg erklimmen sie – öfters
rastend und scherzend. Auf dem Berge
angekommen wird sogleich die
Rochus- Kapelle besichtigt. Der innere
Raum, ein beinah gleiches Viereck
… Der Hauptaltar steigt hoch in die
Höhe, und die Kapelle … hat ein recht
freies Ansehen.
Nach der Besichtigung ergreift das Gewühl
die kleine Gesellschaft. Tausend
und aber tausend Gestalten streiten
sich um die Aufmerksamkeit auch von
Goethe und seinen Freunden, die sich
in dieses bunte Treiben hineinziehen
lassen. Eine Reihe von Buden, wie ein
Kirchweihfest sie fordert, stehen unfern
der Kapelle. Vorn geordnet sieht
man Kerzen … Gebetbücher folgen,
… aber auch für Wecken, Semmeln,
Pfeffernüsse und mancherlei Buttergebackenes
(ist) gesorgt…
Dann geht eine große Aufregung
durch die Menge, da die Hauptprozession
von Bingen bergauf kommt.
Man eilt den Hügelrücken hin, ihr
entgegen. Man ist erstaunt über den
schönen … Landschaftsblick. Die
Stadt … am Ende eines wichtigen Tales,
wo die Nahe herauskommt. Und
… der Rhein, der Mäuseturm, die Ehrenburg!
Die Prozession in ihrer Vielfalt
wird bestaunt, die weite Aussicht
auf den Rhein freudig genossen. Es
wird an einem geschirmten, langen
Tisch in liebenswürdiger Gesellschaft
kräftig gespeist und Wein, der auch
den Hauptgegenstand aller Gespräche
bildet, reichlich getrunken. Über
den Vorzug verschiedener Gewächse
wird gestritten. Die Magnaten –
Hochheimer, Johannisberger, Rüdesheimer
– lassen einander gelten, nur
unter den Göttern mindern Ranges
herrscht Eifersucht und Neid. Bauernregeln
und sprichwörtliche Wetterprophezeiungen,
die Goethe in sein
Taschenbuch aufschreibt, kommen
zur Sprache. Schließlich sehnt sich die
kleine Gesellschaft um Goethe aus
dem Wirrwarr heraus. Man steigt den
Berg hinab. Ein Kahn bringt die heitere
Gesellschaft flussabwärts. Bis Elfeld
(Eltville), in der Rose abgetreten – hält
Goethe kurz und knapp in seinem Tagebuch
fest.
Das Gemälde Der Heilige Rochus ist von Goethe entworfen und von Louise Seidler (1786
bis 1866) gemalt. Der Dichter hat es 1816 der Rochus-Kapelle in Bingen geschenkt. Dort
kann es heute noch besichtigt werden.
Rochus-Kapelle im frühen Abendlicht.
Goethe 1749 – 1832
Goethe im Rheingau
11
Das Rochusfest zu Bingen wird zu Ehren des Heiligen Rochus alljährlich im August begangen.
Weinort Eltville, Aquarell von Tatiana Metternich
12 Goethe im Rheingau
Goethe 1749 – 1832
Am Rhein! Am Rhein! Da wachsen unsre Reben!
Goethe kehrt am 17. August nach Wiesbaden zurück
und setzt seine Badekur fort. Er arbeitet am Schema
des Rochus-Festes, er arrangiert und redigiert. Am 28. August
feiert er im Kursaal von Wiesbaden seinen 65. Geburtstag.
Von den Brentanos erhält er als Geburtstagsgeschenk
nicht nur vorzügliche Weine, sondern auch eine gütige Einladung
in deren Landgut nach Winkel im Rheingau. Goethe
bedankt sich sofort, nimmt freudig und scherzhaft die Einladung
an – Ergeben Sie sich also drein dass ich noch vor
Ende der Woche meinen Dank persönlich abtrage … – und
reist schon am ersten September, früh 7 Uhr aus Wiesbaden
nach Winkel. Die Lage des Landhauses – es steht an der
Landstraße, der dazu gehörende Garten reicht damals fast
bis an das Ufer des Rheins – findet er vorzüglich, es lässt
nach allen Seiten die Blicke frei. Zu Wagen, Fuß und Schiff
erreicht man auf beiden Ufern … die herrlichsten Standpunkte.
Schon am ersten Tag fährt er mit den Brentanos
auf Eibingen, herab auf Rüdesheim, wo man unter anderem
die Stadtkirche besichtigt. Am nächsten Tag besucht man
Schloss Vollrads, das den Gast mit sichtbarstem Verfall empfängt
und sich durch die Napoleonischen Kriege in einem
verwilderten Zustand befindet. So ist Goethe froh, diese
traurigen Umgebungen wieder verlassen und in die reiche
frohe Natur eilen zu können. Vorbei an Weinbergen und
frisch geackerten Feldern, hinauf zum Johannisberg geht
es (Titelbild). Gleichermaßen überrascht wie entzückt ist
Goethe von der Aussicht, die sich von hier oben auf den
Rheingau eröffnet. Denn von Biberich bis Bingen … ist alles
sichtbar. Der Rhein mit den daran gegürteten Ortschaften,
mit Inselauen, jenseitigen Ufern und ansteigenden Gefilden.
Das Schloss selbst steht leer, ohne Hausgerät, aber
Zu des Rheins gestreckten Hügeln,
Hochgesegneten Gebreiten,
Auen, die den Fluß bespiegeln,
Weingeschmückten Landesweiten,
Möget, mit Gedankenflügeln,
Ihr den treuen Freund begleiten.
Goethe über den Rheingau, aus:
Sankt-Rochus-Fest zu Bingen
nicht verdorben. Am dritten Tag seines Aufenthaltes geht
es über Geisenheim aufwärts nach Niederwald. Vom Jagdschloss
aus sieht man in einer ungeheuren Schlucht den
Rhein abwärts fließen. Lorch, Dreieckshausen, Bacharach
sind zu sehen – der völlige Abschluss des Rheingaus. Von
da gelangt man auf einem Spaziergang zu einem auf einer
Felskuppe des Vorgebirges liegenden Altan. Die erneut
Goethe ist im September 1814 zu Gast im Landgut der berühmten Kaufmannsfamilie Brentano im Weinort Winkel,
Federzeichnung von Heinrich Landgrebe.
Goethe 1749 – 1832
Goethe im Rheingau
13
Goethe wandert mit den Brentanos durch reifende Weinberge zu Schloss Vollrads, das den Gast mit sichtbarstem Verfall empfängt –
bedingt durch die Napoleonischen Kriege.
1775 verspätet sich der reitende Kurier mit der Genehmigung des Fürstabts von Fulda zur Weinlese. Die Trauben werden überreif und sind
von Fäulnis befallen als die Weinlese durch die Mönche endlich beginnen darf. Der Wein, der aus diesen Trauben hergestellt wird, erweist sich
dann aber von außerordentlich hoher Qualität. Die Spätlese ist entdeckt. Das Denkmal, das den reitenden Boten darstellt und im Innenhof des
Schlosses Johannisberg steht, erinnert an dieses denkwürdige Weinlese-Ereignis.
14 Goethe im Rheingau
Goethe 1749 – 1832
großartige Aussicht wird genossen: die Strömung des Binger
Lochs, der Mäuseturm, die Nahe, durch die Brücke von Bingen
herfließend, der Bergrücken der Rochuskapelle, das verfallene
Schloß Ehrenfels. Über den steilen Fußpfad geht es
durch die herrlichsten Weinberge nach Rüdesheim hinunter.
Die nächsten Tage besucht Goethe Weinheim, Bingen mit
einem Spaziergang am Ufer und durch die Stadt, wieder
hinauf zur Rochus-Kapelle, die besichtigt wird. Später wird
ein Weinhaus zum Bechern aufgesucht, einen weißen Eilfer
lässt man sich wohl schmecken. Am sechsten September
zeigt man Goethe Ort und Stelle am Rhein, unweit vom
Weinort Winkel, wo Karoline von Günderode, die Dichterin
und Freundin von Bettine von Arnim (ehemals Brentano),
sich entleibt hat. Kein angenehmes Gefühl, was ein
tragisches Lokal jederzeit erregt. Später: Über Weinbau in
Winkel erkundigt sich der Dichter. Vorteile, Gewinn, Verlust
... Die Güte des Weins hängt von der Lage ab, aber
auch von der spätern Lese. Und: über das Verschließen der
Weinberge einige Zeit vor der Lese.
Goethes Schreibzimmer bei den Brentanos ist im Originalzustand
erhalten.
Jeden Morgen zog er ... seinen weißen flanelleten Schlafrock an, legte die
Hände auf den Rücken und wanderte den langen Bogengang, der fast bis an den Rhein
reichte, auf und ab. Während diesem Gange war er nicht gerne gestört und gab
kaum Antwort ... Von unserem Rheinweine konnte er ... ganz fürchterlich
viel trinken, besonders von dem 11er, und mein Mann machte ihm oft eine große
Freude mit dem Geschenk eines Fäßchens Wein.
Aus: Goethes Briefwechsel mit Antonie Brentano 1814 bis 1821, Weimar 1896
So Antonie Brentano (1780 bis 1869) über Goethes mehrwöchigen Besuch 1814 auf dem Landgut der
Brentanos in Winkel am Rhein.
Rüdesheim mit Blick ins Binger Loch, Aquarell von William Turner, 1817
Goethe 1749 – 1832
Goethe im Rheingau
15
Im späten Frühling des Jahres 1815
reist Goethe erneut nach Wiesbaden
zur Badekur. Fast fünf Monate bleibt
er von Weimar entfernt. Er weilt in
Nassau, Köln, Bonn, Koblenz, Frankfurt
am Main, Darmstadt, Heidelberg.
Er diktiert in dieser Zeit die Italienische
Reise, arbeitet am West-östlichen
Divan. Boisserée und die Willemers
besucht er. Geheimnisvolle Liebes-Beziehungen
zu Marianne von Willemer
– widergespiegelt im West-östlichen
Divan: Du nennst mich, Liebchen,
deine Sonne; Komm süßer Mond,
umklammre mich! Gleichermaßen Inspiration
wie Lebenslust. Seinen 66.
Geburtstag feiert er bei und mit den
1815
Der Rheingau ist werth viele Gedanken zu absorbieren
Willemers in deren romantisch gelegenen
Gerbermühle bei Frankfurt am
Main. Ein Wein aus seinem Geburtsjahr
1749 wird kredenzt. Goethe liest
Trunken müssen wir alle sein!
Jugend ist Trunkenheit ohne Wein;
Trinkt sich das Alter wieder zu Jugend,
So ist es wundervolle Tugend.
Für Sorgen sorgt das liebe Leben,
Und Sorgenbrecher sind die Reben.
Goethe, aus: West-östlicher Divan,
Schenkenbuch. 1819.
aus dem Westöstlichen Divan. Hochehrwürdige
Gäste: Riese, Schlosser
sen., Boisserée, Seebeck – schreibt er
in sein Tagebuch. Und: Herrlich Wetter.
Eine Fahrt in den Rheingau: zur
Übergabe des Schlosses Johannisberg
an die Krone von Österreich – im Ergebnis
des Sieges über Napoleon und
des Wiener Kongresses. Den Brentanos
in Winkel hat er keinen Besuch
mehr abgestattet, aber mit ihnen – vor
allem mit Antonie Brentano – viele
Jahre noch Briefe gewechselt und sich
gegenseitig durch Geschenke erfreut.
Goethe, der 1832 in Weimar stirbt,
hat den Rheingau nach 1815 – trotz
Wunsch und Wille – nicht wiedergesehen.
Marianne von Willemer (1784 bis 1860),
Pastellbild von Johann Jakob de Lose, 1809.
Goethe nennt sie im West-östlichen Divan
Suleika. Beide empfinden eine tiefe Zuneigung
zueinander. Die Willemer antwortet
auf Goethes Liebesgedichte mit eigenen
leidenschaftlichen Versen.
Blick auf Frankfurt am Main von der Gerbermühle aus (Tuschezeichnung von Anton Radl),
wo Goethe 1815 mit den Willemers seinen 66. Geburtstag feiert.
Goethe ist bei der Übergabe des Schlosses Johannisberg an die Krone von Österreich dabei – ein Ergebnis des Wiener Kongresses.
1816 schenkt es der österreichische Kaiser dem Fürsten von Metternich.
16 Festmahl zu Goethes Geburtstag
Goethe 1749 – 1832
Goethe 1749 – 1832
Festmahl zu Goethes Geburtstag
17
GOETHE-
WEIN
zu FISCH
Zum Fisch
reichen wir Ihnen
GOETHE-WEIN.
Ein Riesling, Kabinett,
trocken, 2015
vom VDP-Weingut
Schloss Vollrads,
Oestrich-Winkel
im Rheingau.
Zutaten
zum Fisch-Mahl
Fisch (beispielsweise Wolfsbarsch)
Kartoffeln
Pastinaken
Karotten, Rosenkohl
Blumenkohl, Erbsen
Zwiebeln
Butter, Sahne, Eier
Zitronen
Orangenschalen-Abrieb
Rosmarin, Knoblauch
Goethe-Weißwein
Mehl, Wasser
Salz, Pfeffer, Muskat
Es liegen im Wein allerdings
produktiv machende Kräfte
sehr bedeutender Art ...
Goethe
Johann Wolfgang von Goethe besichtigt auf seiner
Reise durch den Rheingau am
02. September 1814 Schloss Vollrads.
18 Goethe 1749 – 1832
GROSSER DICHTER – GROSSER WEINLIEBHABER
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
Johann Wolfgang von Goethe (1749
– 1832) war ein Weltstar im Dichten
und im Denken und ein vortrefflicher
Lebenskünstler. Wohl keine Seite seiner
Werke und seines Lebens sind unerforscht.
Die Bibliotheken, die Buchhandlungen,
die Bücherschränke sind
voll davon. Auch darüber, was, wie
und wann Goethe speiste. Und was
er trank – offensichtlich viel und oft:
Wein.
Der Wein spielt aber nicht nur in Goethes
Lebensführung eine wichtige Rolle,
sondern durchaus auch in seinem
Schaffensprozess und seinem Werk.
In seiner ersten Tagebuch-Eintragung
von 1775 heißt es: Ohne Wein kan´s
uns auf Erden / Nimmer wie dreyhundert
werden/ Ohne Wein u. ohne
Weiber/ Hol der Teufel unsre Leiber,
woraus er wohl eine von den beglückendsten
Maximen seines Lebens
formt: Die Liebe zum Wein. Zu den
Frauen sowieso. Von Frau von Stein
über Christiane Vulpius und Marianne
von Willemer bis hin zu Ulrike von
Levetzow (1804 – 1899), um deren
Hand Goethe noch im hohen Alter
von 74 Jahren anhält. (Daraus ist zwar
nichts geworden, aber Goethe dichtet
in diesem Schmerz die Marienbader
Elegie und die Levetzow verbringt
ihr Leben unverheiratet und stirbt als
hochbetagtes Stiftsfräulein.)
Ohne Wein kan´s uns auf Erden,
nimmer wie dreyhundert werden.
Ohne Wein und ohne Weiber
Hohl der Teufel unsre Leiber.
Schweiz, 15. Juni 1775,
Goethe Tagebuch
Zurück zum Wein. Goethe ist ein
großer Liebhaber des Rebensaftes.
Gelegt ist ihm das schon in die Wiege.
Seine Großeltern betreiben eine
florierende Gastwirtschaft. Er wächst
in einer Weingegend auf – in Frankfurt
am Main, wo es einst hieß, dass
mehr Wein in den Kellern als Wasser
in den Brunnen sei. Seine Eltern besitzen
einen Weinberg, der von Goethes
Vater selbst bewirtschaftet wird, und
tiefe Weinkeller, die stets voll angefüllt
sind mit wertvollen Weinen. Da mag
Goethe schon als Heranwachsender
Die Dornburger Schlösser, hier Renaissanceschloss, ein Lieblingsort Goethes
probiert haben und auf den Wein-Geschmack
gekommen sein. In Dichtung
und Wahrheit beschreibt er die Weinlese
als das Lustigste und am meisten
Erwünschte im Jahresverlauf und das
Keltern als heitere Beschäftigung.
Schon als 16-Jähriger trinkt Goethe
in seiner Leipziger Studien-Zeit (1765
– 1768) mit seinen Kumpanen viel
Wein. Im Faust, Erster Teil, in der berühmten
Szene Auerbachs Keller in
Leipzig, der schon seit 1525 als Wein-
Ausschank genutzt wird, hat er dies
mit dichterischer Freiheit und Phantasie
nachgestaltet. Seine erste Liebe,
Kätchen Schönkopf, lernt er in Leipzig
beim Wein kennen.
Als Goethe 1775 nach Weimar übersiedelt,
treibt er die erste Zeit gemeinsam
mit Herzog Karl August, seinem
Arbeitgeber, nicht nur derbe Scherze,
sondern man bechert wohl auch
kräftig zusammen. Welch nächtliches
Gelag am Fuß der Felsenwand?... Sie
scherzen laut, indessen, bald geleeret,
Die Flasche frisch im Kreise wiederkehret
– formuliert es Goethe behutsam
im Gedicht Ilmenau.
Sein Tageskonsum an Wein pendelt
sich später bei einer bis anderthalb
Flaschen ein. Manchmal wird es auch
mehr. Besonders wenn Gäste kommen
– und das geschieht häufig. Er
bewirtet sie nicht nur vorzüglich mit
guten Weinen, sondern empfiehlt ihnen
auch, reichlich davon zur Brust
zu nehmen – befördert durch seine
geistreichen Trinksprüche wie: Nie
Mangel des Gefühls und nie Gefühl
des Mangels! Sehr zum Wohle! Goethe
verträgt den Wein offensichtlich
sehr gut. Begründet ist das wohl vor
allem darin, dass er stets dazu gut
speist und nur die besten Weine trinkt.
Sein Lieblingswein ist der Würzburger.
An Christiane schreibt er: Kein anderer
Wein will mir schmecken, und
ich bin verdriesslich, wenn mir mein
Lieblingswein abgeht. Hoch auf der
Beliebtheitsskala stehen aber auch die
Weißweine von Rhein und Mosel und
Goethe 1749 – 1832
19
Goethe pflanzte Weinreben unterhalb der Dornburger Schlösser
die Rotweine aus Burgund und Bordeaux.
Goethe gibt bedeutende Summen
dafür aus, wie sein Tranksteuerbuch
deutlich belegt. Fast von selbst
versteht es sich, dass sein Weinkeller
nicht nur stets gut gefüllt ist, sondern
auch seiner edlen Tropfen wegen gerühmt
wird: auserlesen, köstlich, von
trefflicher Güte – lauten die Urteile.
So ist auch nicht verwunderlich, dass
Goethes Gäste nicht selten einen köstlichen
Wein als Gastgeschenk mitbringen
oder – wenn sie nicht selbst nach
Weimar kommen – ihm eine köstliche
Sendung zukommen lassen. Erfreut
hat ihn das wohl immer, zumal er
auch gern neue Weine probiert und
prüft.
Goethe bezieht seine Weine von
Weinhändlern seines Vertrauens, wie
die Gebrüder Ramann (Erfurt), Zapf
(Suhl), Kraeger (Eisenach) oder Valckenberg
(Worms). Zu den Lieferanten
gehört aber auch die (groß)herzögliche
Hofkellerei in Weimar. Nicht
zuletzt belegt die Korrespondenz,
die Goethe mit seinen Weinhändlern
führt, wie wichtig ihm der Wein für
seine alltägliche Lebensführung, für
sein Wohlbefinden ist.
Goethe schätzt den Wein nicht nur
als excellente Würze der Mahlzeit und
der ihm zugesprochenen Heilkräfte,
sondern schreibt ihm auch produktivmachende
Kräfte sehr bedeutender
Art, eine die Geselligkeit befördernde
Wirkung und die Erhöhung des Lebensgefühls
zu – der Wein erfreut des
Menschen Herz, und die Freudigkeit
ist die Mutter aller Tugenden. Wenn
Ihr Wein getrunken habt, seid Ihr alles
doppelt, was Ihr sein sollt, noch einmal
so leicht denkend, noch einmal
so unternehmend, noch einmal so
schnell ausführend.
Goethe trinkt aber nicht nur den
Wein, er beschreibt und bedichtet ihn
auch (beispielsweise den Eilfer, den
vortrefflichen Jahrgangswein 1811).
Weinbauernhaus im Rheingau,
Zeichnung von Goethe, Sommer 1815
Er fabuliert über den Weinbau und
führt Weingespräche. Goethe zeichnet
Winzerhäuser und die Weinreben.
Auch in Goethes Lyrik ist der
Wein präsent: Trunken müssen wir
alle sein! Jugend ist Trunkenheit ohne
Wein; Trinkt sich das Alter wieder zur
Jugend, So ist es wundervolle Tugend.
Mit dem Gedicht Der Sänger, der vom
König für seinen Gesang durch eine
goldene Kette belohnt werden soll,
hat Goethe dem Wein ein Denkmal
gebaut: Die goldene Kette gib mir
nicht. Die Kette gib den Rittern... Ich
singe, wie der Vogel singt, der in den
Zweigen wohnet. Das Lied, das aus
der Kehle dringt ist Lohn, der reichlich
lohnet. Doch darf ich bitten, bitt
ich eins, lass mir den besten Becher
Weins in purem Golde reichen. Er
setzt´ ihn an, er trank ihn aus: O Trank
voll süßer Labe!
Goethe, Johann Wolfgang, Berliner Ausgabe,
22 Bände. Berlin 1976 bis 1986.
Goethe, Johann Wolfgang, Tagebücher.
Gedenkausgabe 28. August 1949. Zürich
1964. Goethe
20 Goethe 1749 – 1832
Ganymed, Sohn des Gründers von
Troja, ist eine mythologische
Gestalt der Antike mit einem überaus
freudvollen Schicksal. Beschrieben
als ein besonders schöner Knabe
oder Jüngling, geliebt und geraubt
vom Göttervater Zeus in Gestalt eines
mächtigen Adlers, steigt er im Olymp
nicht nur zum vertrauenswürdigen
Mundschenk der unsterblichen Götter
auf, sondern wird selbst unsterblich
und mit ewiger Jugend von Zeus beschenkt.
Die Ganymed-Gestalt, sein Schicksal
finden sich in der Geschichte der
Kunst, der Malerei und der Dichtung
von Anfang an. Davon zeugen Darstellungen
auf griechischen Vasen, auf
römischen Reliefs, auf Wandbildern in
GANYMED
bei Malern, Bildhauern, Dichtern
Pompeji. In den Dichtungen von Homer
und Ovid.
In Renaissance und Barock sind es vor
allem große Maler, die sich der Ganymed-Thematik
in unterschiedlichen
Facetten zuwenden – wie Michelangelo,
Rubens und Rembrandt. Dazu
zählt auch Antonio Allegri Correggio
(1489 bis 1534) mit seinem um 1530
geschaffenen Ölgemälde Die Entführung
des Ganymed. Dargestellt ist der
Augenblick der gelungenen Entführung
– Adler und der zurückschauende,
durchaus nicht ängstlich wirkende,
sich nicht wehrende Ganymed schweben
bereits über der Erde dem Götter-
Himmel entgegen …
Ende des 18. Jahrhunderts ist es vor
allem Bertel Thorvaldsen (1770 bis
1844), der weltberühmte dänische
Bildhauer, der zahlreiche, in ihrem
Tun versunkene, glücklich wirkende
Ganymed-Figuren erschafft. Und:
Wahrscheinlich um 1774 ist es Johann
Wolfgang von Goethe, der in
seiner Sturm-und-Drang-Zeit sich mit
dem Ganymed-Stoff beschäftigt. Auf
eine eigenständige, ja den Ganymed-
Mythos umdeutende Interpretation in
seinem hymnischen Gedicht: GANY-
MED. Keine Entführung. Vielmehr ein
Angerufen werden von Gott in Gestalt
des Frühlings, der Natur überhaupt.
Eine sehnende Liebe, eine erstrebte
Vereinigung mit der Gottheit. Umfangend
umfangen. Das ist Goethes Ganymed.
Übrigens von Franz Schubert
1817 kongenial vertont.
Antonio Allegri Correggio, Die Entführung des Ganymed, Detail, Öl auf Leinwand,
um 1530, KHM Wien
Goethe 1749 – 1832
21
GANYMED (1774)
Wie im Morgenglanze
Du rings mich anglühst,
Frühling, Geliebter!
Mit tausendfacher Liebeswonne
Sich an mein Herz drängt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendliche Schöne!
Dass ich Dich fassen möcht‘
In diesen Arm!
Ach, an deinem Busen
Lieg‘ ich, schmachte,
Und deine Blumen, dein Gras
Drängen sich an mein Herz.
Du kühlst den brennenden
Durst meines Busens,
Lieblicher Morgenwind!
Ruft drein die Nachtigall
Liebend nach mir aus dem Nebeltal.
Ich komm, ich komme!
Wohin? Ach, wohin?
Hinauf! Hinauf strebt‘s.
Es schweben die Wolken
Abwärts, die Wolken
Neigen sich der sehnenden Liebe.
Mir! Mir!
In euerm Schoße
Aufwärts!
Umfangend umfangen!
Aufwärts an deinem Busen,
Allliebender Vater!
Johann Wolfgang von Goethe
22 Goethe 1749 – 1832
ÜBER GOETHES REISEN DURCH DAS ERZGEBIRGE
Goethe. Was für ein Reisender!
Was für ein Wanderer! Zu Fuß,
zu Pferde, mit der Kutsche, mit dem
Schlitten, auf dem Schiff! Von Frankfurt
am Main nach Weimar 1775, auf
Einladung des jungen Herzogs Carl
August von Sachsen-Weimar-Erfurt,
in dessen Landauer. (Goethe bleibt
bis März 1832.) Auf dem Pferd durch
Thüringen, durch den Harz, allein
oder in Begleitung. Die großen Reisen
in der Kutsche. Schweiz, Frankreich,
Italien … Zur Erfüllung seiner vielfältigen
Ministerpflichten; zur Erkundung
von Landschaften und Leuten; zum
Schreiben und Dichten; zum Besuch
von Berühmtheiten seiner Zeit; nicht
zuletzt aus Liebe und zur Gesundung.
Goethe hat vieles davon in seinen Tagebüchern
und Briefen festgehalten,
in seinen Werken, wie beispielsweise
Harzreise im Winter oder Italienische
Reise, dichterisch verarbeitet und gestaltet.
Nachfolgende Generationen
Auch durch Gelenau in der Kutsche?
haben dies alles analysiert, bewertet
und lesenswerte Bücher daraus produziert.
Einiges auch über die Reisen
Goethes ins Erzgebirge. Deren Ziele
sind zunächst genau bestimmt. Goethe
wird 1776, nicht viel länger als ein
halbes Jahr in Weimar, schon Beamter
im Weimarischen Staatsdienst, Minister
für vielfältige, verantwortungsvolle
Aufgaben. Die Wiederbelebung des
einstigen Bergbaus in Ilmenau gilt
als sein größter praktischer Plan (Richard
Friedenthal), dem er sich mit
Leidenschaft verschreibt. Wohl auch
in der Hoffnung, damit die ständigen
Finanzprobleme des Herzogtums zu
lösen. Dafür benötigt er, der Begeisterte,
aber Unerfahrene, grundlegende
praktische und wissenschaftliche
Unterstützung. Vor allem von hochgebildeten
Bergbau-Fachleuten. Die
vermutet und gewinnt Goethe unter
anderem im Bergbauland Erzgebirge
– nicht zuletzt auch wegen der seit
1765 bestehenden Bergakademie in
Freiberg. Also: Auf in die Kutsche! Hinaus
ins Erzgebirge!
Bedeutende Bergbau-Fachleute kommen
da ins Spiel. Zwei seien genannt:
Zum einen ist da der in Marienberg
emsig tätige Bergmeister, später in
Freiberg Oberberghauptmann Friedrich
Wilhelm Heinrich von Trebra;
als Gutachter empfiehlt er, den Bergbau
in Ilmenau wieder aufzunehmen.
Im Juni 1776 kommt es zur ersten
persönliche Begegnung mit Goethe
– daraus erwächst eine lebenslange
Freundschaft, eine wissenschaftlich
anregender Korrespondenz vor allem
zur Stein- und Gebirgskunde. Zum
anderen ist da Johann Gottlob Gläser,
ebenfalls ein Bergmeister, geboren
1721 in Gelenau, der, wie Goethes Tagebuch
von 1777 vermerkt, mit Goethe
mehrmals zusammentrifft. Und da
sind seine verbrieften Bildungs-Rei-
Goethe-Denkmal in Marienbad wo er viele Sommer kurte
Goethe 1749 – 1832
23
sen, um den erfolgreichen Bergbau im
Erzgebirge gründlich in Augenschein
zu nehmen. Beispielsweise: Freiberg
1790 und 1810: Goethe trifft sich
mit den Vornehmsten des Bergwesens;
besichtigt Bergwerke, besucht
seinen Freund Trebra. Schneeberg
1785: Er begutachtet das umfangreiche
Gesteinskabinett des Bergmeisters
Adolph Beyer; 1786: Er fährt in
die Bergwerke ein, wandert durch die
Bergstadt, besichtigt den Filzteich …
In seinen Schneeberger Reiseblättern
schreibt er ausführlich über diese Erkundungen
im August.
Annaberg, Zschopau, Wolkenstein,
Geyer, Ehrenfriedersorf, Thum, um
nur einige Orte nahe Gelenaus zu
nennen, die Goethe möglicherweise
auch besucht hat. Nicht zuletzt um
seine umfangreiche Stein-Sammlung
aus dem Erzgebirge zu vervollkommnen;
diese Lokalitäten sind zumindest
im Verzeichnis dieser Sammlung ausdrücklich
benannt. Und Gelenau?
Was für ein schönes Bild: Goethe
fährt in seiner prachtvollen Reise-
Chaise, langsam und achtsam, durch
unser Dorf, verweilt am prächtigen
Rittergut, plaudert mit dessen Pächter,
erhält ein Gelenauer Gestein für
seine Sammlung, bedankt sich, winkt
einigen neugierigen Dorfbewohnern
zu und reist schon bald weiter nach
Zschopau … So könnte es gewesen
sein; Goethe hat es nur leider nicht
aufgeschrieben …
Goethe um 1775, Gemälde von Georg Melchior Kraus
ner Korrespondenz (leider) so gut wie
nichts zu lesen.
Dass Goethe Gelenau aber durch
seinen zweitägigen Aufenthalt in
Chemnitz 1810, um das beginnende
Maschinen- und Industrie-Zeitalter
zu besichtigen, erneut räumlich sehr
nahe kommt, ist vorzüglich aufbereitet
(Siegfried Arlt). Aber dies ist bereits
eine andere Erzählung …
Mehr dazu:
Biedermann, Woldemar Freiherr von,
Goethe und das sächsische Erzgebirge.
1877. 2013.
Goethe, Tagebücher 1775 bis 1832.
Ergänzungsband. 1964.
Bleibt ein Trost: Damit müssen auch
andere Erzgebirgsorte leben. Denn:
Von 1775 bis 1823 reist Goethe in
siebzehn Sommern in die böhmischen
Bäder, vor allem nach Karlsbad und
Marienbad – durch das sächsische
Erzgebirge hindurch. Dass er auf diesen
Reisen so manchen Erzgebirgsort
besichtigt, in Gasthöfen rastet, übernachtet,
die nahe Umgebung erwandert,
mit Einheimischen sich angeregt
unterhält, Persönlichkeiten trifft …, all
das ist sehr wahrscheinlich. Man reist
ja nicht, um anzukommen … Auch
darüber ist in seinen Tagebüchern, sei-
Goethes-Reisekutsche, Goethe-Museum in Weimar
24 Goethe 1749 – 1832
AUS GOETHES TAGEBUCH 1823
Ein Krisenjahr ist 1823. Im Februar erkrankt
Goethe lebensbedrohlich am Herzen.
Das sonst so nüchterne Tagebuch nimmt
einen ängstlichen Ton an. Tägliche Besuche
der großherzoglichen Herrschaften
spiegeln die Sorge von außen.
Nach der Genesung im März wird Torquato
Tasso gespielt. Im Herbst wiederholt
sich die Krise in nur leicht abgeschwächter
Form:
Tief beunruhigte Freunde wie Zelter und
Wilhelm von Humboldt sitzen an Goethes
Krankenbett.
Sie lesen schon die Frucht des Sommers,
jene Elegie, in der Goethe seinen Abschied
von der Liebe, womöglich von der
lyrischen Dichtung einleitet. Zwischen
den beiden Gesundheitskrisen lagen Monate
hektischer Arbeit, die vor allem der
autobiographischen Dokumentensicherung
galten, und strahlende Sommerwochen
in Böhmen.
Dort erlebt Goethe seine letzte Liebe, für
das junge Mädchen Ulrike von Levetzow.
Goethe wird wieder jung, „hupft und galoppirt“
auf Tanztees.
Umso trostloser, sehnsüchtiger gerät der
Abschied im Gedicht.
Dass ein neues Lebenszeitalter beginnt,
erweist sich am Erscheinen eines neuen
Mitarbeiters:
Johann Peter Eckermann. Er wird Goethe,
er wird uns fortan begleiten.
Freies Deutsche Hochstift, Frankfurt am Main
Goethes Tagebücher,
erschienen 1887
bis 1903, Weimar,
13 Bände.
Herausgegeben im Auftrage
der Großherzogin
Sophie von Sachsen.
Band 9, über die Jahre
1823 bis 1824,
erschienen 1897.
01. Januar 1823
Einige Briefe mundirt. Sendung an
Ihro Hoheit mit Mocca-Caffee.
Neue Aktenstücke für´s laufende Jahr.
Scenarium von Phaethon …
Mittags zu sechsen. Nach Tische die
lithographischen Bilder numerirt.
Abends Kanzler von Müller, Hofrath
Meyer und Oberbaudirektor Coudray
…
06. Januar 1823
Geschichte des Jahrs 1809. … Wegen
großer Kälte wöhnliche Anstalten gemacht.
Einige
Zeit mit Walther beschäftigt.
JANUAR
18. Januar 1823
Bibliotheksrechnung von Jena. …
Abends mit John verschiedene Briefconcepte.
… Herrn Professor Zelter
die Bände Morphologie und Naturforschung
nach Berlin.
Goethes Großkinder Walther und Wolfgang,
Zeichnung Bernhard von Arnswald, 1838
23. Januar 1823
Nach Tische Gespräch mit Ottilien,
besonders über unmittelbare Einwirkung
der Personalitäten. Abends für
mich. Betrachtungen über das Jahr
1808.
Ottilie von Goethe, Goethes Schwiegertochter, Malerin Luise Seidler, um 1845,
Klassik Stiftung Weimar
30. Januar 1823
Die meteorologischen Expeditionen
für Jena begonnen. …
Die Ballkleidungen gaben den Töchtern
viel Geschäft. Einige leichte pädagogische
Mißhelligigkeit mit Walther.
Goethe 1749 – 1832
25
FEBRUAR
08. Februar 1823
Mantagna´s Triumpfzug fortgesetzt.
… Mittag zu fünfen. Nach Tische die
Stielerischen Landkarten. …
Nachts mein Sohn, eine schematische
Darstellung vorweisend.
August von Goethe,
Ölgemälde von Caroline Bardua, 1807
10. Februar 1823
Mantegna in´s Mundum gebracht. …
Abends für mich.
11. Februar 1823
Mundum des Triumphzugs durch
John. Frau Großherzogin um 1/2 11
Uhr. Wurden die nachgeahmten Edelsteine
vorgewiesen.
16. Februar 1823
Glückwunsch an Frau Erbgroßherzogin
mit dem böhmischen Gedichte. …
Gegen Abend ins Bette.
19. Februar 1823
Fortdauernder, zwar etwas geminderter
Schmerz. Um 9 Uhr Blutigel gelegt.
… Abends heftigeres Fieber, sehr
unruhige … Nacht.
23. Februar 1823
Das Fieber etwas geringer; jedoch
wieder heftige Schmerzen in der linken
Brust. Zweimaliger Besuch des
geh. Hofraths Huschke.
26. Februar 1823
Früh wie gewöhnlich Marienbader
Wasser und hierauf eine Tasse Tee
getrunken. … Früh Besuch Ihro K. H.
Großherzogs.
28. Februar 1823
Zustand besser wie gestern. Der Tag
frey von Schmerzen und Fieber. Gegen
2 Uhr Besuch des Großherzogs.
… Hofrath Rehbein sehr oft, bis noch
spät am Abend. Ruhige Nacht.
Großherzog Carl August von Sachsen-
Weimar-Eisenach, Gemälde von Heinrich
Christoph Kolbe, 1822
Goethe in Weimar. Historische Postkarte
03. März 1823
Blieb dem Tag über im Sessel. Erhielt
von Carus eine Sendung.
09. März 1823
Las die Memoiren der Madame Campan.
MÄRZ
13. März 1823
Wohl geschlafen. …
Herr Geh. Referendar Helbig, wegen
meteorologischer Angelegenheiten.
14. März 1823
Mantegna gänzlich abgeschlossen.
16. März 1823
Mittags ward etwas Musik gemacht.
Weber Memoiren.
20. März 1823
Die Registrande besorgt. Ferner zu
Kunst und Alterthum Aufsatz über
Naturdichter mit Beispielen.
22. März 1823
Herr Soret mit einem Reisenden von
Petersburg. …
Zeigte russische lithographirte Ansich-
Carl Gustav Carus, Maler und Arzt,
schenkte Goethe mehrere Gemälde.
26 Goethe 1749 – 1832
ten von Petersburg und Kostüm verschiedener
Nationen vor.
23. März 1823
Anfang einer gewissen Ordnung in
den Büchern meines Zimmers. …
Regisseur Durand; Unterhaltung über
die gestrige Aufführung des Tasso und
sonstiges auf das Theater Bezug habendes.
27. März 1823
Von deutscher Baukunst 1823, Mundum.
31. März 1823
… Sendung von Breslau. Büsching ein
Exemplar des Schlosses von Marienburg
an Serenissimum.
24. März 1823
Büschungs deutsche Baukunst. Erster
Anfang des Auffsatzes über deutsche
Baukunst zu Kunst und Alterthum.
Mittag zu fünfen.
Breslau, Opernhaus und Rathaus, Detail. Goethe weilte mehrmals in Breslau.
APRIL
01. April 1823
Mancherlei expedirt, geheftet und
sonst vorbereitet. Bemerkungen zu
Heinroths Anthropologie. … Um 1
Uhr spazieren gefahren. … Abends
Hofrath Meyer und Soret. Ball im
Stadthause.
02. April 1823
Betrachtungen und Scherze über die
inneren und äußeren neusten Politica.
Alexander von Humboldt. Portrait-Gemälde
von F. G. Weitsch.
Goethe und die Humboldt-Brüder pflegten
persönlichen Kontakt.
03. April 1823
Mein Sohn fuhr früh nach Jena, die
oberaufsichtlichen Geschäfte zu expedieren.
Einige Worte über Humboldts
Vulkane.
07. April 1823
Behandlung von Hennings Einleitung
zur Farbenlehre. … Über die modernen
Spaltungen in Religionsangelegenheiten
und Ihre stete Wiederkehr
unter wenig veränderter Form.
08. April 1823
Briefe mundirt. Meinem Sohn die Bibliotheksangelegenheit
übertragen. …
Viel Verhandlung über die Liebhabercomödie,
welche Abends aufgeführt
wurde.
11. April 1823
Excerpte zur Naturwissenschaft, Munda.
Meteorologica.
13. April 1823
Herr Staatsminister von Stein ganz
früh. Expeditionen in oberaufsichtlichen
Geschäften.
15. April 1823
Manuscript von Kunst und Alterthum
durchgesehen. Um 1 Uhr spaziergefahren
mit Walther. Mittags zu fünfen.
… Man besah die englischen Porträte
zu Walther Scotts Werken.
22. April 1823
Früh Herr von Cotta auf seiner Durchreise
nach Leipzig; eigene und fremde
Angelegenheiten mit ihm durchgesprochen.
Neue Sendung der Boisseréeschen
Steindrücke durch ihn erhalten
…
23. April 1823
Hofrath Meyer wegen Prellers Reise
nach Dresden. Briefe für morgen.
Mittag zu fünfen. Nach Tische Tempel
zu Puzzuol.
Friedrich Preller d. Ä, Eisfahrt auf den
Schwanseewiesen, Schlossmuseum Weimar.
Goethe war ein begeisterter Schrittschuhläufer.
Goethe 1749 – 1832
27
27. April 1823
Nebenstehenden Brief: Herrn Staatsminister
Grafen Bülow nach Berlin. …
In den Geschäften manches geordnet
und vorbereitet. … Abends Professor
Riemer. Mit ihm den puzzuolischen
Tempel durchgegangen.
01. Mai 1823
Berliner Musterbilder. Serenissimus
und Hofrath Rehbein. … Nach Tische
Chromatisches vorgenommen.
02. Mai 1823
Nach Tische prosaische Übersetzung
von Hermann und Dorothea.
28. April 1823
Reinschriften verschiedener erster
Concepte. Drey Kaufleute aus Berlin
auf der Durchreise … Sendungen von
Berlin, Bonn, Darmstadt. Mit Betrachtungen
darüber beschäftigt. Abends
Hofrath Meyer.
MAI
15. Mai 1823
Gedichte mundirt. Herr von Cotta. …
Drey Herren aus dem Gefolge des Königs
von Bayern.
17. Mai 1823
Abends Tasso. Für mich die Meyerische
Sendung und das Sonntagsblatt
Goethe in seinem Arbeitszimmer,
Bleistiftzeichnung von Goethe
durchdenkend.
20. Mai 1823
Starker Regen mit wenig Donner. Die
Kinder waren in Tiefurth.
22. Mai 1823
Abschluß des Heftes zur Naturwissenschaft
an Riemer. … Sendung des 11.
Bogens Kunst und Alterthum von Jena.
25. Mai 1823
Zelters Briefe rangirt. … Zelters Briefe
von 1805 und 6.
27. Mai 1823
Mit Heften der Zelterischen Briefe zugebracht.
Goethes Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe, 40 Bände,
Hrsg. Eduard von der Hellen, 1902 bis 1912
04. Mai 1823
Den Abschluß von Kunst und Althertum
besorgt. … Coudray Zeichnungen
zu Grabmälern vorweisend.
30. Mai 1823
Schillers Briefe aus den Heften gesammelt
von 1801 – 5 complett.
09. Mai 1823
Spazieren gefahren gegen Belvedere.
Mittag zu fünfen.
11. Mai 1823
Teilweise Illumination der Stadt.
12. Mai 1823
Zur Kenntniß von Böhmen. Schema
und einige Puncte weiter ausgeführt. …
Mittag mit Walther allein. … Die neuen
Zürcher antiquarischen Bemühungen.
13. Mai 1823
Einige Büchersendungen. … Nach Tische
die Paralipomena fortgefahren zu
sortiren.
Der Weimarer Musenhof. Schiller liest (stehend), Goethe lauscht (stehend).
Gemälde von Theobald von Oer
28 Goethe 1749 – 1832
JUNI
01. Juni 1823
Schillersche Briefe ausgeschnitten. Absendungen
vorbereitet.
Frau von Schiller und von Wolzogen.
02. Juni 1823
Schillersche Briefe ausgesondert.
03. Juni 1823
Eckermanns Aphorismen gelesen. …
Der Seiltänzer stieg vom Fürstenplatz
auf den Schloßthurm.
06. Juni 1823
Serenissimus wegen der Marienbader
Reise. …
Abends für mich.
08. Juni 1823
Berichtlicher Vortrag meines Sohnes
über seine letzte Expedition in Jena.
Charlotte von Schiller,
Gemälde von Ludovike Simanowiz
09. Juni 1823
Eckermann von Hannover meldete
sich. Ward auf morgen bestellt.
10. Juni 1823
Um 12 Uhr Eckermann von Hannover.
11. Juni 1823
Herrn von Stein die Radirungen auf
einer Rolle, Breslau. …
Um 12 Uhr Eckermann. Um 1 Uhr der
Erbgroßherzog.
13. Juni 1823
Die Mayerischen Mineralien ausgepackt
und angesehen.
16. Juni 1823
Der junge Eckermann; ich übergab
ihm die Frankfurter Recensionen.
18. Juni 1823
Eckermann, Nachrichten von seinen
bisherigen Arbeiten und Betrachtungen,
und gemachten Bekanntschaften.
23. Juni 1823
Manches auf die Abreise vorbereitet
(nach Marienbad – Anm. Red.)
Gedicht an Lord Byron
Johann Peter Eckermann, Goethes Vertrauter
seit 1823. Gemälde von Joseph Schmeller
24. Juni 1823
Vorbereitungen zur Abreise.
25. Juni 1823
Maler Scherer zeigte mir die Vorstellung
des Kreuzbrunnens. …
Nach Tische fortgesetztes Einpacken.
26. Juni 1823
Wegfahren nach 8 Uhr mit meinem
Sohn von Jena, …
27. Juni 1823
Gegen 10 Uhr in Raschhausen. Halb 1
Uhr in Pösneck. … 11 Uhr in Schleiz.
…
Abends 7 Uhr in Hof.
29. Juni 1823
6 Uhr von Hof. … Asch 12 Uhr. … Ein
Gedicht ward mir von einem hiesigen
Naturdichter … überreicht, … Halb 3
Uhr ab von Asch. … Nach 5 Uhr in
Franzensbrunn. … Um 6 Uhr Abends
in Eger. … Rath Grüner besuchte mich
sogleich.
30. Juni 1823
Der junge Fikentscher sprach bey mir
ein im Vorbeigehn, da er seinen Vater
in Marienbad abzuholen gedenkt. …
Früh an der Lebenschronik von 1799.
Am vergangenen Tagebuch. …
Nachts Bote von Marienbad, …
JULI
01. Juli 1823
Ich dictirte die Lebenschronik bis 1804
incl. Verbreitete mich Weiter über das
Ganze, vollendete das Schema von
1822.
02. Juli 1823
… Abfahrt, welche halb 3 Uhr erfolgte.
Halb 7 in Sandau. Um 8 Uhr in Marienbad.
03. Juli 1823
Um 5 Uhr aufgestanden. Am Biographischen
fortgefahren.
04. Juli 1823
Um 5 Uhr aufgestanden, Brunnen getrunken.
Das Jahr 1822 bis zu Ende geführt.
… Ich ging spazieren …
Eine große Gesellschaft war auf dem
Hammer-Hof … und zog Abends mit
Musik in Prozession herein.
07. Juli 1823
Halb 6 Uhr aufgestanden … Dictirt am
Jahre 1821. Stadelmann holte Gestein.
… Tagebuch und Gedichte des jungen
Wieners gelesen. Abends zu Hause.
10. Juli 1823
Großherzog und Gesellschaft fuhren
Goethe 1749 – 1832
29
nach Tepl. Speiste für mich. … Ein Barometer
ward in´s Haus gebracht.
11. Juli 1823
War Frau von Levetzow und Töchter
angekommen.
13. Juli 1823
Um 11 Uhr zeichnete der russische
Maler mein Porträt.
15. Juli 1823
Las in von Hoffs Geschichte der Erdoberfläche.
16. Juli 1823
Abschrift des Tagebuchs für August.
17. Juli 1823
Chronik von 1815 und 16 in´s Reinere.
… Abends Ball von Serenissimo …
Blieb man bis 12 Uhr.
18. Juli 1823
Frau von Levetzow erzählte die Abenteuer
vor und nach der Leipziger Schlacht.
19. Juli 1823
Ausführung des Jahres 1815. Den ganzen
Vormittag damit beschäftigt.
22. Juli 1823
Wie der gestrige ein sehr schöner Tag,
bei sinkendem Barometer. Das Jahr
1816 durchgeführt. … Brief an Professor
Zelter dictirt.
Marienbad, Prachtbau, unweit vom Goethe-Museum
23. Juli 1823
1817 nochmals schematisirt. … Später
bey Concert und Ball nur kurze Zeit.
Abends zu Hause.
26. Juli 1823
Das Jahr 1817 nochmals schematisirt.
27. Juli 1823
Die prosaische Übersetzung von Homer
gelesen. … Abends auf dem Ball.
Um 10 Uhr nach Hause. Einige Gedichte.
28. Juli 1823
Mit Rehbein an den Ferdinandsbrunnen.
… Abends kleine Spiele und
Tanz.
Ferdinandsbrunnen in Marienbad,
kolorierte historische Postkarte
30. Juli 1823
Wolff und Hensel, letzterer zeichnete.
Graf Stroganoff, Minister Bülow später.
… Erbgroßherzog und von Beulwitz.
31. Juli 1823
Maler Hensel, vorher Wolff über theatralische
und eigene Angelegenheiten.
Erinnerung voriger Jahre. Werthschätzung
derselben.
Goethe wohnte in Marienbad 1823 in diesem Haus. Heute befindet sich darin das Goethe-
Museum.
Goethe-Denkmal in Marienbad
30 Goethe 1749 – 1832
AUGUST
01. August 1823
Früh aufgestanden; in die Promenade.
Der Herzog und Prinz Gustav von
Mecklenburg. … Mit den Schwestern
(die Levetzows – Anm. Red.) spazieren
gegen die Mühle.
02. August 1823
Zu des Großherzogs Frühstück. …
Sendung von Eckermann. …
Catalog der Wolsburg-Mineralien.
03. August 1823
Catalog der Wolfsburg-Mineralien. …
Mundirt den zweiten Gesang der Ilias.
… In heißer Sonne auf die Garten-
Terrasse.
04. August 1823
Briefe concipirt. Stadelmann war auf
Sangerberg gefahren. …
Bei Baron von Greiffenclau, Abschied
zu nehmen. …
Die Sterne und die Milchstraße zeigten
sich hell. … Der Mann von 50 Jahren.
Abschriften fortgesetzt.
08. August 1823
Befand mich nicht wohl. … An meinen
Sohn, Tagebücher, mit Brief an
meine Schwiegertochter.
09. August 1823
Frau von Levetzow (Mutter von Ulrike
L., Goethes große Liebe – Anm. Red.)
war krank.
10. August 1823
Dictirt am Mann von 50 Jahren. …
Briefe dictirt. Abends an den Brunnen.
13. August 1823
John schrieb die Jahre 1795 und 96 …
John schrieb an der Chronik fort. Brief
von Eckermann. Mit der Familie nach
der Flaschenfabrik. … Plan auf Carlsbad
zu gehen.
14. August 1823
Zu Madame Szymanowska (berühmte
polnische Pianistin – Anm. Red.),
welche in einem benachbarten Hause
auf dem Flügel spielte, ein Stück von
Hummel, eins von sich und noch zwei
andere, ganz herrlich.
Mit ihr spazieren gegen die Mühle.
16. August 1823
Gedicht für Madame Szymanowska.
Maria Szymanowska, polnisch Pianistin,
Gemälde von Aleksander Kokular
18. August 1823
Nachmittag briefliche Expeditionen:
An das Museum der vaterländischen
Gesellschaft in Böhmen nach Prag …
20. August 1823
Ruhige Nacht. Conziliante Träume.
Fortgesetztes Aufräumen und Einpacken.
… Abgefahren gegen Drey …
(nach Carlsbad – Anm. Red.).
22. August 1823
Briefe dictiert und mundirt. … Eine
Fahrt auf morgen nach Albenreuth
beschlossen.
24. August 1823
Nach um 4 Uhr kam Hofrath Meyer.
Besprachen Carlsbader Angelegenheiten,
besonders Kunst betreffen. …
25. August 1823
Meldung bei Frau von Levetzow. Über
ihr im 2. Stock vom Goldenen Strauß
eingezogen. Schönes Quartier, schöne
Aussicht.
28. August 1823
(Goethes 74. Geburtstag -Anm. Red.)
Früh aufgestanden. … Man eilte, um 7
Uhr fortfahren zu können.
Gegen 9 Uhr kamen wir in Ellbogen
an. … Im weißen Roß eingekehrt …
Großer Spaziergang erst am rechten
Ufer der Eger …
Glasbecher mit den drey Namen und
dem Datum (von den Levetzows –
Anm. Red.).
Die Marienbader Geschichten recapitulirt
und andere.
Trinkglas, Das holde
Glas, Geburtstagsgeschenk
für Goethe
1823 von den
Levetzows
29. August 1823
Brief an meinen Sohn. … Besuch bei
Fürsten Hohenzollern-Sigmaringen. …
Brief von Herrn Rath Grüner, Glückwunsch
zum gestrigen Tage. …
Unter uns Geschichten der Marienbader
Verhältnisse.
31. August 1823
Frau von Levetzow erzählte die Geschichte
ihres Zusammentreffens mit
Frau von Staël (berühmte französische
Schriftstellerin – Anm. Red.) in Genf.
… Blieb mit Frau von Levetzow und
Ulricken in vielfachen Erinnerungen.
Madame de
Staël besucht
Goethe 1803/
1804 in
Weimar
Goethe 1749 – 1832
31
SEPTEMBER
01. September 1823
Früh am Brunnen, wenig Gäste. Gefrühstückt
auf der Wiese. …Frau von Levetzow
und Ullriken zum Schilde begleitet.
Ulrike und Bertha von Levetzow,
Aquarell von Marie Krafft
02. September 1823
Herrlichstes Wetter. … An dem Neubrunnen.
… Pferde zu Spazierfahren
und auf Hartenberg bestellt. … Archivrat
Kestner von Hannover. Dr.
Mitterbacher, sprach über Staatsrath
Hufelands allzukurzes Verweilen.
03. September 1823
Abschrift der Tagebücher. Gegen den
Brunnen zu gegangen. Auf der Wiese
Goethe und Ulrike von Levetzow,
Denkmal in Marienbad
gefrühstückt. … John schrieb die Weimarischen
Gedichte ab. Sie waren mit
sehr erfreulichen Briefen angekommen
…
04. September 1823
Später aufgestanden. Papiere zusammen
gepackt. … Madame Szymanowska
(die polnische Pianistin
– Anm. Red.) und Schwester überraschte
mich. … Angeschaffte Trinkgläser.
… Zu Tische Scherz mit den
Gläsern.
05. September 1823
Früh alles gepackt. Kam Rath Grüners
Wagen, dem die sämmtlichen Steine
aufgeladen wurden … Abgefahren
nach 9 Uhr. … Abschrift eines Gedichtes.
Nach 5 Uhr in Hartenberg.
06. September 1823
An dem Gedichte redigirt (Marienbader
Elegie – Anm. Red.).
07. September 1823
Sonntag das Gedicht fortgesetzt. …
Abfahrt mit 2 Chaisen über Gossengrün
und andere Dörfer. … In Eger
gegen 1 Uhr. … Gleich nach der Ankunft
Abschrift der neusten Strophen.
… Fand den gestickten Teller von Madame
Szymanowska.
11. September 1823
Das völlige Einpacken verspätete uns
… Aus Eger 9 Uhr, in Asch ½ 1 Uhr
… Hof ½ 8 Uhr.
In Asch den Naturdichter gesprochen,
von demselben ein Gedicht erhalten
12. September 1823
Um 6 Uhr ab von Hof. … Um 12 Uhr
in Schleitz. Um ½ 7 Uhr in Pösneck.
… In Schleitz zu Mittag gespeist. …
Das Gedicht abermals unterwegs
durchgegangen …
13. September 1823
Nach 6 Uhr ab von Pösneck. … Um
10 Uhr in Kahla. … Um ¾ Uhr in Jena.
Bey Herrn Major von Knebel zu Tische,
wo ich meinen Sohn fand.
15. September 1823
Früh mit Eckermann die Recensionen,
sowohl die älteren als die jenaischen,
durchgegangen.
17. September 1823
Gegen 1 Uhr in Weimar.
Freundlicher Empfang. … Angekommene
Briefe und Packete eröffnet. Die
Abschrift des Gedichtes angefangen.
19. September 1823
Die Abschrift des Gedichts vollendet.
20. September 1823
Bücher von der Bibliothek. … In Belvedere
bei Ihro Hoheit.
26. September 1823
Maler Preller meldete seine Ankunft
und zeigte verschiedene Arbeiten vor.
Friedrich Preller d. Ä.,
Selbstbildnis,
Bleistiftzeichnung
Das Atelier Friedrich Prellers d. Ä.,
Gemälde von Friedrich Preller d. J.
27. September 1823
Verhandlungen wegen Eckermann. …
Nach Tische Musik.
29. September 1823
Auffsatz wegen des Hopfens. … Um
1 Uhr Eckermann. Im Bibliotheksturm,
auf die Bibliothek.
30. September 1823
Rafaels Zeit und Folge wieder zurecht
gelegt. Walther (Goethes Enkel, sicherte
dessen Erbe – Anm. d. Red.)
sah zu und sang.
32 Goethe 1749 – 1832
OKTOBER
01. Oktober 1823
Einige Briefconcepte. … Demoiselle
Seidler von Rom kommend (Louise
Seidler, Malerin – Anm. Red.)
05. Oktober 1823
Die Tante, Roman von Madame Schopenhauer.
07. Oktober 1823
Mit Graf Reinhard nach längerem vertrauten
Gespräch Belvedere besucht.
… Büste der Juno Ludovisi.
Goethes Wohnhaus in Weimar,
Gemälde von Samuel Rösler
Die Wolzogenschen Kinder,
Gemälde von Luise Seidler
02. Oktober 1823
Gestern concipirte Briefe durchgesehen.
Berlinische Theaternotizen vom
July und August. … Eckermann verschiedene
Manuscripte bringend.
03. Oktober 1823
Graf Reinhard und Frauenzimmer
speisen in Belvedere.
04. Oktober 1823
Zeichnungen zu Faust von Retzsch
(Moritz Retzsch, Zeichner, Maler –
Anm. Red.).
Zeichnung zu Goethes Faust, Zeichner,
Maler Moritz Retsch
Juno Ludovisi, Marmor-Kopf der Göttin Juno,
Original einst in Rom, Villa Ludovisi
09. Oktober 1823
Über den Schopenhauerschen Roman
gesprochen.
10. Oktober 1823
Mit Ottilien spazieren gefahren …
Mittag für uns. … Erzählung der Sündfluth
von Lord Byron.
11. Oktober 1823
Abends Canzler von Müller, die Reise
nach Gotha, Schnepfenthal, Reinhardsbrunn
… erzählend. Später Cain
von Lord Byron.
12. Oktober 1823
Landschaftsmaler Rösel (Samuel Rösel,
auch Professor – Anm. Red.). …
Maler Rösel zu Tische mit Professor
Riemer, beides Landsleute und Schulfreunde.
14. Oktober 1823
Unterhaltung über die Engländer, ihre
Absichten, Leidenschaften und Grillen.
15. Oktober 1823
Abschriften der serbischen Lieder
durch John. … Mit meinem Sohn Öffentliches
und Häusliches besprochen.
17. Oktober 1823
Silberbergwerk zu Sangerberg mundirt.
18. Oktober 1823
Gedicht zu Eckermanns Schrift. Lafontainische
Fabeln gelesen …
19. Oktober 1823
Eckermann zu Tische. Über englische
Sprachlehre und sonstige hiesige Lehranstalten.
20. Oktober 1823
Nebenstehende Expeditionen: Herrn
Geheime Rath von Willemer nach
Frankfurt a. M., das Eckermannische
Büchlein.
21. Oktober 1823
Schema von 1819 durchgeführt. …
Nach Tische verschiedene Jahre der
Lebenschronik durchgegangen.
22. Oktober 1823
Briefe von Zelter und Cotta. Summarien
der Jahre von 1807 bis den heutigen
Tag. Abends für mich.
23. Oktober 1823
Sendung von Carus in Dresden. …
Gegen Abend Frau Hofrath Schopenhauer
und Adele.
Goethe 1749 – 1832
33
24. Oktober 1823
Stiftungstag der Loge (Freimaurer,
Gründungsjahr 1808 – Anm. Red.)
… Gemeldet Madame Szymanowska
von Dresden und Leipzig kommend.
25. Oktober 1823
Die Sangerbergischen Mineralien in
Ordnung gebracht. … Madame Szymanowska
zu Tische.
26. Oktober 1823
Die gestrige Übersetzung durchgesehen,
ingleichen die Abschrift von
Meyers Kunstrecensionen. … Nach
Tische spanische Gedichte.
27. Oktober 1823
Übersetzung von Hermann und Dorothea
in´s Griechische. … Madame
Szymanowska spielte. Madame Eberwein
sang, von Saiten- und Blasinstrumenten
accompagnirt.
31. Oktober 1823
Aufgeräumt. … Munda von Briefen.
Ottiliens Geburtstag. … Für das wissenschaftliche
Heft manches anrrangiert,
aufgesucht und geordent. … Mineralien
von Soret kamen an. Zinn aus
Frankreich. Canzler von Müller, theils
die neuen Concertgeschichten … erzählend.
Luise Seidler, Malerin, Goethes Vertraute,
Portrait von Christian Vogel von Vogelstein
NOVEMBER
01. November 1823
Ankunft der Palmen von Martius mit
einer trefflich geschriebenen Einleitung
(C. F. Ph. von Martius, deutscher
Naturforscher, als Vater der Palmen
bekannt – Anm. Red.) … Mittag Madame
Szymanowska …
02. November 1823
Betrachtungen über Kunst und Alterthum
fortgesetzt … Aus dem Büschingischen
( J. G. Gottlieb Büsching,
deutscher Archäologe, Germanist –
Anm. Red.)
Briefe aufgeschrieben die Stelle über
Marienburg. Schema über Martius
Palmen. …
Mittag Madame Szymanowska und
Geschwister. Nach Tische Pianospiel.
C. F. Philipp von Martius, deutscher Botaniker,
Stich von J. Kuhn
04. November 1823
Einiges in der Campagne von 1792
(autobiographische Schrift – Anm.
Red.) gelesen.
05. November 1823
Abschrift des Zelterischen Diariums
gefördert. … Das Schwesternpaar
(Madame Szymanowska – Anm. Red.)
nahm Abschied. … Zeitig zu Bette.
06. November 1823
Vier Porträte von Kügelgen (Gerhard
von Kügelgen, deutscher Portrait-
Maler – Anm. Red.). Meines, Schiller,
Wieland, Herder, in Deutschland und
Italien gestochen …
07. November 1823
Abschrift von Zelters Tagebuch geendigt.
08. November 1823
Die Bürgerische Angelegenheit durchdacht.
Ingleichen die Ghaselen von
Grafen von Platen.
09. November 1823
Bei schlechtem Befinden soviel als
möglich die Arbeiten gefördert.
11. November 1823
Demoiselle Seidler Thorwaldsens Bild
(Bertel Thorwaldsen, dänischer Bildhauer
– Anmerkung der Red.) und einen
alten Plan von Rom bringend.
12. November 1823
Dictirt am Bibliotheksberichte. …
34 Goethe 1749 – 1832
Bertel Thorvaldsen, Detail,
berühmter dänischer Bildhauer,
Gemälde von Horace Vernet
Nach Tische Herr Staatsminister von
Humboldt. Mit Ihm den Nachmittag
unter mancherley Gesprächen zugebracht.
13. November 1823
Schillers Briefe an Humboldt zu lesen
angefangen.
15. November 1823
Kamen die Enkel mich besuchend und
waren sehr artig.
18. November 1823
Die Abschrift von der Reise von 1797
fortgesetzt.
19. November 1823
Genius Jesaias gelesen. … Später Ihro
Königl. Hoheit der Großherzog.
Um 1 Uhr beide nach Belvedere.
23. November 1823
Kein besseres Befinden. Tausend und
eine Nacht gelesen. … Herr Professor
Zelter kam an.
25. November 1823
Mittags mit Zelter zu Tische. … Nachts
im Sessel zugebracht.
26. November 1823
Frühe Herr Professor Zelter nach Jena
zum Besuch. … War Eckermann, Hofrath
Meyer da.
27. November 1823
An der Schweizerreise von 1797 fortgefahren.
… Meyerische Kunstgeschichte
weiter gelesen.
29. November 1823
Meyers Kunstgeschichte zu Ende gelesen.
… Mit Zelter über Berlinische Verhältnisse.
… Zelter war in der Oper:
Die heimliche Heyrath, sodann bey
Schopenhauers gewesen.
30. November 1823
Briefe revidiert. Manches geordnet.
Unterhaltung mit Zelter. … Die Elegie
(Marienbader Elegie, Goethes Liebesgedicht
bezogen auf den Abschied
von Ulrike von Levetzow – Anm.
Red.) gelesen und wieder gelesen. …
Sodann mit Zelter die Elegie nochmals
gelesen.
20. November 1823
Mundirte John (Goethes Diener –
Anm. Red.) an Zelters Reise. Staatsminister
von Humboldt auf einige
Stunden.
Goethe in der Campagna, Detail, Gemälde von J. H. Wilhelm Tischbein
DEZEMBER
01. Dezember 1823
Mittags Professor Zelter und Eckermann
im Hinterzimmer mitspeisend.
Gegen Abend allein. … Zeitig zu Bette.
03. Dezember 1823
Mit Professor Zelter die Appianischen
Friesen durchgesehen. Sonstiges besprochen.
Mittag Zelter, die Frauenzimmer
und Walther (Enkelsohn Goethes,
Anm. Red.)
05. Dezember 1823
Mit Zelter Schillersche Briefe von Wilhelm
von Humboldt gelesen. … Mit
Zelter nachher die Schillerschen Briefe
fortgesetzt. Er ging zu Frau von Hegendorf.
Ich las Rettelbecks dritten Band, die
Belagerung von Colberg (1806 bis
1807 durch die Franzosen, Anm.
Red.). … Abends blieb mein Sohn
lange …
07. Dezember 1823
John (Goethes Sekretär, Anm. Red.)
arbeitete bei meinem Sohn. … Be-
Goethe 1749 – 1832
35
Carl Friedrich Zelter, Musiker, Komponist.
Goethes Duzfreund.
Gemälde von C. J. Begas
trachtungen eines von Demoiselle
Seidler (Louise Seidler, Malerin, Anm.
Red.) gesendeten Kunstwerkes … Lieber
(Carl Wilhelm Lieber, Bühnenmaler
– Anm. Red.) zeigte sein Gemälde
vom Freyschütz vor. Mittags für uns.
Carl Friedrich Lieber,
Gemälde zu Freischütz, Wolfsschluchszene
09. Dezember 1823
Kam Zelter herüber bey Zeiten. Weitere
Betrachtungen über das Gestein
vom Wolfsberg. … Nach Tische Fortsetzung
des Gesprächs.
10. Dezember 1823
Starker Schnee …
den Abschied von Ulrike von Levetzow,
Anm. Red.) nochmals gelesen.
12. Dezember 1823
Erhielt mich wach nach Tische. …
Abends Zelter, Canzler von Müller,
Hofrath Meyer.
13. Dezember 1823
Den Brief an Sulpiz Boisserée (Kunstund
Architekturhistoriker, Initiator
zur Vollendung des Kölner Doms,
Anm. Red.) abgeschlossen. … An der
Schweizerreise von 1797 … angefangen
zu mundiren. Um ½ 11 Uhr kam
Zelter, um Abschied zu nehmen.
14. Dezember 1823
Früh gebadet. … Vor Tische Eckermann.
… Fortgesetztes Lesen von St.
Helena.
16. Dezember 1823
John beschäftigt mit der Reise von
1797.
17. Dezember 1823
Gegen zwei Uhr Eckermann. Wir besprachen
das Vorliegende.
18. Dezember 1823
Quartalextract der Hauptkasse. Derselben
guter Bestand. …
Fortgesetztes Lesen der morgendlichen
Bücher und Schriften.
19. Dezember 1823
Frage wegen Erlernung des Englischen
diskutiert.
20. Dezember 1823
Einige Briefconcepte. … An der Reise
von 1797 abgeschrieben. … Kamen
an calligraphische Blätter von Schulgen;
ingleichen meine Porträte aus
England.
21. Dezember 1823
Mittag Eckermann. Sutors (Christoph
Erhard Sutor, Goethes Kammerdiener,
Anm. Red.) Tradition einer Himmelserscheinung.
… Canzler von Müller,
wegen meinen aus London gekommenen
Porträts.
23. Dezember 1823
Las die Elegie, sodann Schillers Briefe
an Humboldt.
25. Dezember 1823
Nach Tische St. Helena.
27. Dezember 1823
Spazieren gefahren mit Walther (Goethes
Enkelsohn, Anm. Red.).
Mittag Eckermann. … Kleines niederländisches
Bild durch Schmeller (Johann
Joseph Schmeller, Haus-Maler
Goethes, Goethe seinen Sekretär John
diktierend, Anm. Red.).
29. Dezember 1823
Herr Kochel, Münzmeister aus Mannheim,
von Dresden kommend, einen
Brief von Tieck (Ludwig Tieck, Dichter
der Romantik, Anm. Red.) bringend.
31. Dezember 1823
Mehrer Brief und Billete vorbereitet
… Die Kinder waren bei der Urgroßmutter.
Nach Tische Unterhaltung mit
meinem Sohn. Den indischen Missionarius
weiter gelesen. Mein Sohn zu
… Ball. Ich bedachte Schmellers Angelegenheit.
11. Dezember 1823
Mundum der Gewitterzüge vom Grafen
Sternberg. … Abends Zelter. Aus
der Chronik des Jahres 1809. Er hatte
früh die Elegie (Marienbader Elegie,
Goethes Liebesgedicht bezogen auf
Boisseriée, einst Wohnsitz der Kunstsammler Boisserée in Heidelberg. Goethe ist hier 1815 zu Gast.
36 Goethe 1749 – 1832
Goethe auf dem Kickelhahn, Gemälde von Woldemar Friedrich, um 1900.
Goethe 1749 – 1832
37
AUS DEN GOETHE-TAGEBÜCHERN 1776 UND 1831
22. Juli 1776
Früh nach Cammerberg gezeichnet
mit und Ohne Liebe.
Betrachtungen drüber, gegen Mittag
auf dem Herrmannstein. … in der
Höhle geschrieben. Auf dem Gickelhahn.
gezeichnet und zurück. Mit Eins
und dem Comm. R. in der Fülle mahlerischer
Empfindung geschwätzt. Mit
Eins. auf dem Berg vor der Stadt …
23. Juli 1776
Den Morgen das Gebürg Stück ausgezeichnet
…
26. Juli 1776
Gezeichnet früh.
Goethe, wie sein Tagebuch belegt, sitzt
am 22. Juli 1776 (wohl auch zeichnend)
auf dem Gipfel des Kickelhahns im Thüringer
Wald bei der Stadt Ilmenau. An
Charlotte von Stein schreibt er an diesem
Tag: Hoch auf einem weit rings sehenden
Berge. Im Regen sizz ich hinter
einem Schirm von Tannenreisen …
Die Thäler dampfen alle an den Fichtenwänden
herauf … Tags darauf entsteht
die Zeichnung Dampfende Täler
bei Ilmenau.
Red.) waren
munter und befriedigten
überall
ihre Neugierde.
27. August 1831
Ganz heiterer
Himmel … Früh
halb 5 Uhr aufgestanden.
…
Sodann Rentamtmann
Mahr.
Dampfende Täler bei Ilmenau, Goethe Zeichnung, 1776
Friedrich (Goethes
Diener – Anm. d. Red.) ging mit
den Kindern durch die Gebirge auf
den Gickelhahn. Ich fuhr mit Herrn
Mahr auch dahin. Die alte Inschrift
ward recognoscirt: Über allen Gipfeln
ist Ruh pp.
Im August 1831 weilt Goethe mit seinen
Großkindern Walther und Wolfgang
erneut in Ilmenau. Am 27. August 1831,
am Vortag seines Geburtstages, fährt er,
in einer leichten Chaise, hinauf auf den
Kickelhahn, begleitet vom Remtamtmann
Christian Mahr. Goethe geht das letzte
Wegstück zu Fuß hinauf zur Jagd- und
Schutzhütte, überwältigt von Erinnerungen
aus vergangenen Zeiten. Später
schreibt sein Begleiter Mahr über diesen
Augenblick: Goethe überlas diese
wenigen Verse und Thränen flossen
über seine Wangen. Ganz langsam
zog er sein schneeweißes Taschentuch
aus seinem dunkelbraunen Tuchrock,
trocknete sich die Thränen und
sprach in sanftem, wehmüthigem Ton:
Ja warte nur balde ruhest du auch,
schwieg eine halbe Minute, sah nochmals
durch das Fenster in den düstern
Fichtenwald, und wendete sich darauf
zu mir, mit den Worten: Nun wollen
wir wieder gehen.
Im September 1780 steht Goethe erneut
hoch auf dem Kickelhahn. Sein berühmtes
Gedicht Über allen Gipfeln ist
Ruh entsteht hier; er schreibt es an die
Bretter-Wand der Jagd- und Schütz-Hütte,
wo er einst auch übernachtete. Nichts davon
hält er in seinem Tagebuch fest.
24. August 1831
Brachte mit Vorbereitungen zur Abreise
zu.
25. August 1831
Alles Nöthige zusammen gepackt.
26. August 1831
Früh halb Sieben aus Weimar. Nach
12 Uhr in Stadtilm. Daselbst zu Mittage.
Um 3 Uhr ab, nach Sechs in Ilmenau.
Die Kinder (Goethes Großkinder
Walther und Wolfgang – Anm. der
Auf dem Kickelhahn, einst Jagd- und Schutzhütte, heute Museum für Goethes berühmtes
Gedicht
38 Goethe 1749 – 1832
ÜBER DIE REISEN VON HANS CHRISTIAN ANDERSEN
WEIMAR
Wer kennt sie nicht, die weltberühmten Märchen des dänischen Dichters Hans Christian Andersen (1805 bis 1875) wie:
Das Feuerzeug, Die Prinzessin auf der Erbse, Die kleine Seejungfrau, Des Kaisers neue Kleider, Die Schneekönigin, die
in mehr als 150 Sprachen übersetzt sind. Dass Andersens literarisches Gesamtwerk allerdings viel umfassender ist, dürfte
heute wohl nur noch unter Literaturfreunden bekannt sein. Dazu gehören auch seine meisterhaft geschriebenen Reisebücher,
die von der unablässigen Reisetätigkeit des Dichters (und des bildenden Künstlers) durch sein Heimatland und
Europa künden. Seine erste Auslandsreise führt ihn 1831 nach Deutschland, das er dann bis zu seiner letzten Reise 1872
mehrmals für längere Zeit besucht.
Bereits auf seiner ersten Deutschlandreise
1831 ist es Hans Christian
Andersens innigster Wunsch,
Goethe und Weimar zu besuchen.
Er verzichtet aber darauf, da er befürchtet,
als ein in Deutschland noch
kaum bekannter Dichter, vom hochbetagten
Geheimrat nicht empfangen
zu werden. Erst dann, so beschließt
Andersen, wenn seine Werke auch
in Deutschland bekannt sind, will er
nach Weimar reisen, in die Stadt von
der so viel Licht über die Welt ausgeströmt
ist.
Am 24. Juni 1844 ist es dann soweit.
Zwar ist Goethe da bereits tot. Aber
nicht nur bei Goethes Nachfahren,
vor allem bei dessen Enkel Walter,
sondern auch am Weimarer Hof
wird Andersen als ein großer Dichter
geschätzt, werden seine Werke begeistert
aufgenommen und gelesen.
Schon am ersten Tag in Weimar besucht
er den Kanzler Müller (Friedrich
von Müller, 1779 bis 1849, Unterhaltungen
mit Goethe); auch Johann Peter
Eckermann (1792 bis 1854, Gespräche
mit Goethe), Goethes Assistent
seit 1823.
Andersens innigster
Wunsch ist es, Goethe und
Weimar zu besuchen
Beide engste Vertraute des Geheimrates,
die dem dänischen Dichter
Goethes Alltags- und Dichterleben
lebendig aufrollen. Man steht vor
Goethes Wohnhaus am Frauenplan.
Die Wohnräume können nicht besichtigt
werden, aber der Garten hinterm
Haus. Mit seinen neuen Freunden
spaziert Andersen durch Ort und
Zum 26. Geburtstag von Erbgroßherzog,
später Großherzog Carl Alexander
trifft Andersen in Weimar ein.
Auf Schloss Ettersburg beginnt die lebenslange Freundschaft Andersens mit dem Erbgroßherzog Carl Alexander.
Goethe 1749 – 1832
39
Andersen ist in Belvedere Gast des herrschenden Großherzogs Carl Friedrich und der Großherzogin Maria Pawlowna.
Schlossgarten, zur Ilm und vielleicht
bis zu Goethes Gartenhaus. Am frühen
Abend weilt er im Haus von Schiller.
Danach geht‘s zum Opernbesuch
ins Theater. Anwesend ist auch der
junge, seinen Geburtstag feiernde
Erbgroßherzog Carl Alexander (1818
bis 1901), der als Knabe und Heranwachsender
viel Zeit mit Goethe und
dessen Enkeln im Haus am Frauenplan
verbracht hat. Herzlich empfangen
wird Andersen vom regierenden
Großherzog Carl Friedrich und der
kunstsinnigen Großherzogin Maria
Pawlowna, die den greisen Goethe
bis zu dessen Tod allwöchentlich besucht.
Tief beeindruckt zeigt sich Andersen
vom Herrscherpaar. Auch von
der Einladung des Erbgroßherzogs und
seiner Gemahlin Sophie ins Jagd- und
Sommerschloss Ettersburg, das sich
wieder zum Mittelpunkt eines geistigliterarischen
und geselligen Lebens
entfaltet. Eine schicksalshafte Begegnung:
Carl Alexander, der Erbgroßherzog
und Hans Christian Andersen, der
Dichter empfinden sofort tiefe Zuneigung
füreinander; sind schon bald wie
gute Freunde miteinander vertraut.
Ein langer gemeinsamer Spaziergang
durch den Park; ernsthafte Gespräche
– über Goethe in Ettersburg, über die
weitgespannten Pläne des Erbgroßherzogs
mit Weimar und dem Schloss,
vielleicht eine erste Bitte, ein erstes
Angebot: der Dichter möge länger in
Weimar bleiben. Andersen liest im
Schloss aus seinen Werken, wird dafür
bewundert. Man trinkt Rheinwein und
Champagner …
Andersens Spaziergang durch den Schloss-Park führt auch zu Goethes Gartenhaus.
Am 28. Juni zur Tafel beim Großherzog
auf Belvedere. Danach erneut nach
Ettersburg. Eine literarische Soirée zu
Ehren des Dänen. Lesezeit: Die Prinzessin
auf der Erbse. Des Kaisers neue
Kleider. Carl Alexander liest eine Novelle,
wahrscheinlich von ihm selbst …
Rührender Abschied. Andersens erste
Weimar-Reise endet am 2. Juli 1844.
Von Weimar aus ist Sonnenschein in
mein Herz geströmt, so schreibt er,
so fühlt er es. Weitere erlebnisreiche
Besuche folgen. So bereits im Januar/
Februar 1846 – viele herzliche, bewegende
Begegnungen mit Carl Alexander,
der den Dichter erneut bittet,
für immer nach Weimar zu kommen.
Dann 1856 und 1857 zur Einweihung
des Goethe-Schiller-Denkmals. Reger
Briefwechsel Andersens mit Carl
Alexander, der seit 1853 regierender
Großherzog von Sachsen-Weimar-
Eisenach ist. Letztmalig ist der Dichter
1873 in Deutschland. Er schafft es, von
schwerer Krankheit bereits gezeichnet,
nur bis Eisenach. Er besichtigt
die Wartburg, die von seinem verehrtem
Lebensfreund Carl Alexander vor
dem Zerfall bewahrt worden ist. Nach
Weimar schafft es der Dichter nicht
mehr, lässt jedoch die Herrscherfamilie
durch einen Boten herzlich grüßen.
Fast ein märchenhaftes Ende seiner
Besuche und Begegnungen in Weimar.
Mein Leben ist ein hübsches Märchen,
so reich und glücklich. So sieht Hans
Christian Andersen sein Leben. Wohl
auch seine Zeit in Weimar.