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Standpunkt 573, 16. Februar 2024

Eine Publikation der Wirtschaftskammer Baselland

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<strong>16.</strong> <strong>Februar</strong> <strong>2024</strong> LANDRAT <strong>Standpunkt</strong> der Wirtschaft | 5<br />

VERKEHR – Die Antwort des Baselbieter Regierungsrats auf die Interpellation «Schadstoffemissionen an nicht überholbaren Haltestellen»<br />

des freisinnigen Landrats Stefan Degen ist ein weiterer Beweis für die ideologische Verkehrspolitik, die im Kanton Basel-Landschaft<br />

praktiziert wird. Die Bürgerlichen wiesen im Parlament vehement auf diesen Missstand hin.<br />

«Der ÖV wird gegen Autos ausgespielt»<br />

Eigentlich wollte Landrat Stefan<br />

Degen (FDP) von der Regierung lediglich<br />

wissen, welchen Einfluss die<br />

«nicht überholbaren Bushalte stellen»<br />

auf die Schadstoffemissionen hätten.<br />

Die Antworten der Regierung gaben<br />

im Landrat allerdings Anlass zu einer<br />

intensiveren Debatte über die Verkehrspolitik.<br />

Der Reihe nach.<br />

Nach dem Ende des Pilotprojekts<br />

«Nicht überhol bare Haltestellen» in<br />

den Gemeinden Pratteln und Oberwil<br />

entschied der Regierungsrat im<br />

letzten Frühling, dass insgesamt fünf<br />

dieser Halte stellen aufgrund der<br />

«deutlichen Verbesserung für den<br />

öffentlichen Verkehr» bestehen bleiben.<br />

Überholen nicht mehr möglich<br />

Das bedeutet, dass Fahrzeuge einen<br />

Bus an diesen Haltestellen nicht<br />

mehr überholen können, wodurch<br />

ein künstlicher Stau erzeugt wird.<br />

Diese Tatsache nahm Stefan Degen<br />

zum Anlass, um in einer Interpellation<br />

mehr zu den Schadstoffemissionen,<br />

welche die Fahrzeuge verursachen,<br />

die hinter dem Bus warten<br />

müssen, zu erfahren (siehe auch<br />

Artikel auf der Frontseite).<br />

Auf die Fragen Degens ging die Direktion<br />

nicht gross ein. Jene zur ausgestossenen<br />

Schadstoffmenge von<br />

stehenden Autos könne sie «aufgrund<br />

verschiedener Faktoren» quantitativ<br />

nicht beantworten. Trotzdem ist sich<br />

die BUD sicher, dass «nicht überholbare<br />

Haltestellen» insgesamt zu keiner<br />

massgeblichen Veränderung beim<br />

Ausstoss von Schadstoffen führten.<br />

Denn «heute verfügen viele Fahrzeuge<br />

über eine sogenannte Start-Stopp-<br />

Automatik. Sobald das Fahrzeug<br />

steht, wird der Motor ausgeschaltet.<br />

Zudem nimmt der Anteil an emissionsfreien<br />

Elektro fahrzeugen stetig<br />

zu. Dadurch nimmt der Ausstoss von<br />

Schadstoffen kontinuierlich ab». In<br />

der Landratssitzung von letzter Wo­<br />

Die Mittelinsel bei der Prattler Haltestelle «Münchacker» in Richtung Liestal.<br />

che zeigte sich Stefan Degen ob der<br />

Antwort auf seinen Vorstoss konsterniert.<br />

Kernfrage nicht beantwortet<br />

Die Kernfrage sei gar nicht beantwortet<br />

worden, monierte er. Es seien<br />

zahlreiche positive Ideen im Zusammenhang<br />

mit dem öffent lichen<br />

Verkehr präsentiert worden. Doch es<br />

scheine, als wüsste die Regierung<br />

effektiv nicht, zu welchen Schadstoffemissionen<br />

die «nicht überholbaren<br />

Haltestellen» führen. Ebenso<br />

fehlen laut Degen die Ideen, um die<br />

zusätzlichen Emissionen von wartenden<br />

Autos zu reduzieren.<br />

Dann wurde auch der FDP-Vertreter<br />

grundsätzlich: «Immer wieder<br />

werden Fragen aus dem Landrat an<br />

die Regierung bezüglich des Stauaufkommens<br />

mit der lapidaren Bemerkung<br />

abgetan, dass Stau eigentlich<br />

kein ernsthaftes Problem sei.<br />

Die Behauptung lautet, höchstens<br />

müsse man während der Stosszeiten<br />

ein wenig länger warten.»<br />

Angesichts dieser Behauptung stelle<br />

sich die Frage, warum eine Massnahme<br />

ergriffen werde, die zwar<br />

möglicherweise während der Stosszeiten<br />

eine Verbesserung herbeiführt,<br />

aber den Rest des Tages eher nachteilig<br />

beeinflusst. Indem nämlich bei<br />

den «nicht überholbaren Haltestellen»<br />

ein künstlicher Stau erzeugt werde,<br />

betonte Degen und schloss mit<br />

der Bitte an die Regierung, sie solle<br />

auf seine Fragen eingehen und einige<br />

konkrete Fakten liefern.<br />

Individualverkehr gegen ÖV<br />

Bild: Loris Vernarelli<br />

Auch Parteikollegin Christine Frey,<br />

die mit einem Vorstoss den sofortigen<br />

Abbruch des Pilotprojekts gefordert<br />

hatte, zeigte sich ab der Antwort<br />

erstaunt. Man spiele den Individualverkehr<br />

gegen den öffentlichen<br />

Verkehr aus. Und schob nach:<br />

«Anstatt die Übung abzubrechen,<br />

weil der Bus an den ‹nicht überholbaren<br />

Haltestellen› nur wenige Sekunden<br />

gewinnt, was ja kaum zur<br />

Fahrplanstabilität beitragen dürfte,<br />

gibt die Regierung in der Interpellationsantwort<br />

an, dass sie die Einrichtung<br />

weiterer solcher Haltestellen<br />

plant.» Das schaffe unnötige Ärgernisse<br />

und Aggressionen auf den<br />

Strassen. Loris Vernarelli<br />

ENTSCHÄDIGUNGEN – Immer mehr KMU verlangen vom Kanton Schadenersatz, weil sie wegen langandauernden Baustellen<br />

Umsatzeinbussen verzeichnen. Politisch macht Christine Frey (FDP) mit einer erneuten Interpellation Druck auf die Regierung.<br />

Mass des Zumutbaren ist erreicht<br />

Strassensperrungen und endlose<br />

Baustellen versetzen Gewerbetreibende<br />

in Existenzängste. Erste fordern<br />

nun Schadenersatz vom Kanton,<br />

mit Entschädigungsforderungen<br />

von mehr als 100 000 Franken,<br />

wie in der letzten Ausgabe des<br />

«<strong>Standpunkt</strong>s der Wirtschaft» zu<br />

lesen war.<br />

Nur eine theoretische Möglichkeit<br />

Offiziell gestehen die Kantonsbehörden<br />

Gewerbetreibenden und<br />

KMU die Möglichkeit zu, in besonderen<br />

Fällen einen Antrag auf Entschädigungszahlungen<br />

zu stellen.<br />

Diese theoretische Möglichkeit<br />

wird jedoch nur dann in Betracht<br />

gezogen, wenn die Beeinträchtigungen<br />

durch Baustellen, Strassensperrungen<br />

oder Umleitungen die Geschäfte<br />

in unmittelbarer Nähe öffentlicher<br />

Werke, einschliesslich<br />

Strasseninfrastruktur, übermässig<br />

belasten.<br />

Was kompliziert klingt, bedeutet<br />

in der Praxis, dass KMU grundsätzlich<br />

vorübergehende Störungen, die<br />

sich aus Bauarbeiten ergeben, ohne<br />

Entschädigung hinnehmen müssen.<br />

Diese Tatsache geht auch aus der<br />

Beantwortung der Interpellation<br />

«Baustellen und Umsatzeinbussen:<br />

Entschädigung für Gewerbetreibende»<br />

hervor, die von FDP-Landrätin<br />

Christine Frey eingereicht wurde.<br />

Die Bau- und Umweltschutzdirektion<br />

bestätigt diese Praxis: «Eine geringfügige<br />

Beeinträchtigung durch<br />

Bauimmissionen wird nicht als übermässig<br />

angesehen und begründet<br />

von vornherein keinen Entschädigungsanspruch.»<br />

Neue Fragen an die Regierung<br />

Die unbefriedigende Antwort hat<br />

FDP-Landrätin Frey dazu veranlasst,<br />

vor der letzten Landratssitzung eine<br />

neue Interpellation einzureichen. In<br />

dieser möchte die Freisinnige von<br />

der Regierung unter anderem wissen,<br />

wie viele Gesuche um Entschädigungen<br />

wegen Baustellen oder<br />

Strassenprojekten im Kanton in den<br />

letzten fünf Jahren eingegangen sind<br />

und aus welchen Hauptgründen Anträge<br />

abgelehnt wurden. Zudem soll<br />

der Baselbieter Regierungsrat die<br />

Kriterien für eine Entschädigung<br />

nennen.<br />

Unabhängig von den Antworten<br />

der Regierung ist für viele KMU das<br />

Baustellen verursachen Umsatzeinbussen beim Gewerbe. Dieses wehrt sich nun mit<br />

Schadenersatzforderungen.<br />

Mass des Zumutbaren endgültig<br />

überschritten. Bereits vier Geschäfte<br />

und Betriebe haben aufgrund von<br />

Bild: zVg<br />

Baustellen und Strassenschliessungen<br />

beim Kanton Entschädigung beantragt.<br />

Weitere Anträge sind in Vorbereitung,<br />

wie beispielsweise jener<br />

des Freizeitcenters Sprisse in Pratteln.<br />

Loris Vernarelli

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