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Es war wie der Weltuntergang

Vor 60 Jahren wurde Obwalden von einer unheimlichen Erdbeben-serie heimgesucht. Auch wenn die grosse Katastrophe ausblieb, lebten die Menschen während Wochen in ständiger Angst.

Vor 60 Jahren wurde Obwalden von einer unheimlichen Erdbeben-serie heimgesucht. Auch wenn die grosse Katastrophe ausblieb, lebten die Menschen während Wochen in ständiger Angst.

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IM ARCHIV<br />

«<strong>Es</strong> <strong>war</strong> <strong>wie</strong> <strong>der</strong> <strong>Weltuntergang</strong>»<br />

Vor 60 Jahren wurde Obwalden von einer unheimlichen Erdbebenserie<br />

heimgesucht. Auch wenn die grosse Katastrophe ausblieb,<br />

lebten die Menschen während Wochen in ständiger Angst.<br />

«Das stärkste Beben vom 14.3.64 <strong>war</strong> so geräuschvoll,<br />

dass man hätte annehmen können,<br />

Sarnen werde bombardiert.»<br />

Mit diesen Worten rapportierte Hans Heuberger,<br />

Verwalter des Sarner Zeughauses,<br />

die Vorkommnisse in Obwalden. Neun Tage<br />

<strong>war</strong>en seit dem stärksten Beben vergangen,<br />

und man hätte viele verängstigte Obwaldner<br />

beruhigen können mit den Worten: <strong>Es</strong><br />

ist vorbei. Nur konnte damals niemand wissen,<br />

dass das Schlimmste vorüber <strong>war</strong>. Um<br />

die 300 Erdstösse hatte man in den Wochen<br />

zuvor verzeichnet. Fachleute sprechen von<br />

einem Erdbebensch<strong>war</strong>m. Ein erstes Beben<br />

mit Epizentrum Region Flüeli-Ranft ereignete<br />

sich am Montag, 17. Februar, um 13.40 Uhr.<br />

Danach vergingen kaum Tage und Nächte,<br />

an denen sich <strong>der</strong> Untergrund nicht bemerkbar<br />

machte. Ein zweites, leichteres Beben<br />

folgte am Mittwoch, 11. März, um 20.19 Uhr.<br />

Schlafmangel und Nervosität<br />

Das dritte und stärkste Beben mit Epizentrum<br />

Sarnen ereignete sich mitten in <strong>der</strong><br />

Nacht und dauerte etwa fünf Sekunden:<br />

Samstag, 14. März, 3.39 Uhr. Viele Menschen<br />

lagen bereits wach, weil sie knapp zwei Stunden<br />

zuvor einen kräftigen Stoss verspürt<br />

hatten. Die Bevölkerung reagierte blitzartig,<br />

<strong>wie</strong> Zeughaus-Verwalter Walter Heuberger<br />

weiter rapportierte:<br />

«Alles verliess die Häuser und verbrachte<br />

den grösseren Teil <strong>der</strong> Nacht auf <strong>der</strong> Strasse.<br />

Viele Autobesitzer fuhren mit ihren Angehörigen<br />

stundenlang herum. Auch die<br />

Schüler des grossen Kollegiums mussten<br />

auf die Strasse geschickt werden, da man<br />

ja nicht wusste, ob weitere starke Erdstösse<br />

folgen werden. Von dieser Samstagnacht<br />

weg <strong>war</strong> die Ruhe in den Dörfern Sarnen und<br />

Kerns gewichen. Wer stärker gefährdete Gebäude<br />

bewohnte und es einrichten konnte,<br />

schlief auswärts. Sehr viele Kin<strong>der</strong> wurden<br />

bei Verwandten platziert, da die Schulen<br />

sofort geschlossen wurden. Bei denjenigen<br />

Leuten, die zu Hause schliefen, machte sich<br />

ein wachsen<strong>der</strong> Schlafmangel und damit<br />

verbunden eine gewisse Nervosität bemerkbar,<br />

da man die folgenden Nächte schon<br />

beim schwächsten Beben erwachte und nur<br />

schwer <strong>wie</strong><strong>der</strong> einschlief.»<br />

Ein weiterer Augenzeuge schil<strong>der</strong>te seine<br />

Eindrücke in <strong>der</strong> Zeitung «Der Unterwaldner»<br />

folgen<strong>der</strong>massen:<br />

«<strong>Es</strong> <strong>war</strong> die fürchterlichste Nacht, die ich in<br />

meinem ganzen Leben mitgemacht habe.<br />

Kaum <strong>war</strong> ich wach, durchzitterte ein heftiges<br />

Schütteln das ganze Haus. Gleichzeitig<br />

wurde die Gegend von Blitzen taghell erleuchtet.<br />

Das <strong>war</strong>en die Drähte von Hochspannungsleitungen,<br />

die zusammenstiessen<br />

und Kurzschluss machten. <strong>Es</strong> <strong>war</strong> <strong>wie</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Weltuntergang</strong>.»<br />

Das Beben vom 14. März – spürbar bis<br />

ins nahe Ausland – verursachte im Raum<br />

Sarnen, Kerns und Alpnach teils beträchtli-<br />

Schäden an Mauern und Fassaden und vereinzelte Steinschläge im Raum Sarnen. (Bil<strong>der</strong>: Claudio Abächerli)<br />

che Gebäudeschäden. Betroffen <strong>war</strong>en vor<br />

allem ältere und gemauerte Bauten, wo sich<br />

tiefe Risse zeigten. Holzhäuser, die materialbedingt<br />

eine gewisse «Elastizität» auf<strong>wie</strong>sen,<br />

blieben weitgehend verschont, allerdings<br />

brachen auch dort Gipsverkleidungen<br />

von den Wänden. Die Zeitung «Vaterland»<br />

lieferte am darauffolgenden Montag folgenden<br />

Stimmungseindruck aus Sarnen:<br />

«Im Dorf Sarnen füllten sich innert kurzer Zeit<br />

die Strassen mit beunruhigten und aufgeregten<br />

Menschen. (...) Einzelne wollten Feuer<br />

gesehen haben, aber es stellte sich dann<br />

heraus, dass dies Funken an elektrischen<br />

Freileitungen gewesen <strong>war</strong>en, <strong>der</strong>en Drähte<br />

durch das Beben aneinan<strong>der</strong>geraten <strong>war</strong>en.<br />

An vielen Orten lagen Ziegel o<strong>der</strong> Teile von<br />

Kaminen am Boden. Mehrere Schaufenster<br />

<strong>war</strong>en zertrümmert worden o<strong>der</strong> <strong>wie</strong>sen Risse<br />

auf. Auf dem Trottoir bei <strong>der</strong> Dorfkapelle<br />

lagen 30 cm lange, über 5 kg schwere Mauerstücke,<br />

die vom Turm herabgefallen <strong>war</strong>en.<br />

(...) Unter den vielen Fussgängern auf den<br />

nächtlichen Strassen von Sarnen <strong>war</strong>en auffallend<br />

viele Italiener zu sehen, die teils mit<br />

‹Kind und Kegel› auf die Strasse gegangen<br />

<strong>war</strong>en. Am Samstagvormittag mussten auf<br />

dem Büro <strong>der</strong> Fremdenpolizei im Rathaus<br />

massenweise Pässe herausgegeben werden,<br />

und am Mittag bevölkerten ausser den


Verhalten bei Erdstössen<br />

Auszug aus dem Merkblatt «Wegleitung<br />

über das Verhalten bei Erdbeben» des<br />

Kantons Obwalden vom 18. März 1964:<br />

1. Bei stärkeren Erdbeben sofort in die<br />

Zimmertür stehen. Nicht unüberlegt<br />

zum Haus hinaus rennen, weil unmittelbar<br />

nach dem Erdstoss Gebäudeteile<br />

herunterfallen können.<br />

2. Nach stärkeren Erdstössen sich nicht<br />

in unmittelbarer Nähe von Gebäuden<br />

aufhalten o<strong>der</strong> bewegen. Einen Abstand<br />

von mindestens halber Höhe <strong>der</strong> Gebäude<br />

einhalten.<br />

3. Bei Feuerausbruch zuerst Feuerwehr<br />

(Tel. 18) alarmieren und nachher mit<br />

Löschen beginnen. Wenn Telephon unterbrochen,<br />

Meldung durch Läufer an Feuerwehrkommandant<br />

o<strong>der</strong> Feuerwehroffizier.<br />

4. Auf die Benützung des Telephons für<br />

Privatgespräche verzichten, damit das<br />

Telephon für amtliche Gespräche für die<br />

Organisation von Hilfeleistungen zur Verfügung<br />

steht.<br />

Dokument im Staatsarchiv Obwalden<br />

vielen Studenten mit Koffern massenweise<br />

aufgeschreckte Italiener das Bahnhofareal<br />

von Sarnen.»<br />

Gottesdienste in <strong>der</strong> Turnhalle<br />

Stark in Mitleidenschaft gezogen wurden vor<br />

allem Kirchen und Kapellen. Bei <strong>der</strong> Sarner<br />

Pfarrkirche, die alters- und lagebedingt ohnehin<br />

schon einige Risse im Mauerwerk auf<strong>wie</strong>s,<br />

zeigten sich gefährliche Furchen an <strong>der</strong><br />

Fassade. Die Gotteshäuser wurden wegen<br />

Sicherheitsbedenken geschlossen, sodass<br />

sich die Gläubigen zur Predigt in <strong>der</strong> Turnhalle<br />

versammelten. Beson<strong>der</strong>s hart traf es die<br />

Kapelle St. Antonius an <strong>der</strong> Kernserstrasse<br />

(Bild Vor<strong>der</strong>seite). Auch die Kernser Burgfluh<br />

– damaliges Domizil <strong>der</strong> Dominikanerinnen<br />

von Bethanien – wurde mächtig durchgeschüttelt.<br />

Eine Schwester beschrieb ihre Eindrücke<br />

gegenüber <strong>der</strong> Presse <strong>wie</strong> folgt:<br />

«Die Nacht von Freitag auf den Samstag wird<br />

unvergessen bleiben. Sie <strong>war</strong> schrecklich<br />

und schien kein Ende zu nehmen. Schon <strong>der</strong><br />

Stoss von 23 Uhr hatte uns unheildrohend geweckt.<br />

Die meisten schliefen nicht mehr ein.<br />

Um 3.39 Uhr erschütterte ein betäuben<strong>der</strong><br />

Donnerschlag das Haus. Blendendes Licht<br />

durchblitzte die Zimmer, das ganze Gebäude<br />

erbebte in den Grundfesten; es schien auseinan<strong>der</strong>zubrechen.<br />

Das Getöse <strong>war</strong> so, dass<br />

wir nur einen Gedanken hatten: ‹Jetzt ist alles<br />

aus – das Haus stürzt ein!›»<br />

Die Erbeben in Obwalden von 1964 <strong>war</strong>en<br />

für die Bevölkerung zweifellos höchst<br />

beunruhigend und richteten viele Sachschäden<br />

an. Allerdings schlugen einige Medien,<br />

unablässig auf <strong>der</strong> Suche nach Sensation,<br />

massiv über die Stränge. «Sarnen – ein<br />

neues Skopje?», <strong>war</strong> etwa zu lesen. Der Vergleich<br />

zum verheerenden Erdbeben in <strong>der</strong><br />

Hauptstadt Nordmazedoniens, wo im Juli<br />

1963 mehr als tausend Menschen ihr Leben<br />

verloren, <strong>war</strong> jedoch fehl am Platz. Das<br />

März-Beben in Obwalden erreichte auf <strong>der</strong><br />

damals gebräuchlichen Mercalli-Skala einen<br />

Wert von 8 bis 9. Heute würde man von ei-<br />

Mit Holzbalken und Stämmen werden Mauerrisse an Gebäuden stabilisiert. (Bil<strong>der</strong>: Claudio Abächerli)<br />

Im Kollegium wird eine Beobachtungsstation (Oszilloskript) <strong>der</strong> Schweizer Erdbeben<strong>war</strong>te eingerichtet.


Gottesdienst in <strong>der</strong> Turnhalle, beschädigter Hochkamin in Alpnachstad. (NZZ vom 16. März 1963/Staatsarchiv)<br />

Das «Vaterland» berichtete am 16. März auf mehreren Seiten über das Erdbeben. (Staatsarchiv Obwalden)<br />

ner Magnitude von 5,3 sprechen, also von<br />

einem mittelstarken Erdbeben. «Die meisten<br />

Schäden richteten die Beben in den Gemeinden<br />

Sarnen und Kerns an, wo kaum ein<br />

Haus verschont blieb», heisst es in einem<br />

Bericht des schweizerischen Erdbebendienstes<br />

<strong>der</strong> ETH Zürich. «Dies liegt daran,<br />

dass <strong>der</strong> geologische Untergrund bei Sarnen<br />

aus See- und Flussablagerungen und<br />

bei Kerns aus Sedimenten besteht. Diese<br />

Untergrundtypen neigen dazu, seismische<br />

Wellen zu verstärken.»<br />

Aufräumen nach dem starken Beben<br />

Zu den vielen Obwaldnern, die das Erdbeben<br />

noch in guter Erinnerung haben, gehört Doris<br />

von Wyl-Fanger. Als 25-Jährige wurde sie im<br />

Elternhaus in Kägiswil jäh aus dem Schlaf<br />

gerissen. «<strong>Es</strong> rumpelte gewaltig. Beson<strong>der</strong>s<br />

im Keller herrschte danach ein Chaos, weil<br />

alle Flaschen auf den Boden fielen.» Auch im<br />

elterlichen Betrieb in Sarnen, in <strong>der</strong> Molkerei<br />

Fanger, musste man sich tags darauf ans<br />

Aufräumen machen, weil es alle Waren aus<br />

den Gestellen geworfen hatte. «Vor allem erinnere<br />

ich mich an die gewaltigen Risse an<br />

einigen Kirchen und Kapellen», erzählt sie.<br />

Der ehemalige Landschreiber Urs Wallimann<br />

aus Sarnen erlebte die Erdbebenserie als<br />

knapp 18-jähriger Handelsschüler am Kollegium<br />

Sarnen. Beim ersten grösseren Beben<br />

vom 17. Februar sass die Klasse im Schulzimmer.<br />

«Kaum hatte die Deutschstunde bei<br />

Pater Sigisbert begonnen, ging ein dumpfes<br />

Grollen durch die Bänke. Das alte Gymnasium<br />

erzitterte.» Leichte Nachbeben hätten<br />

von da an eine latente Spannung wachgehalten.<br />

Das grosse Beben vom 13. März<br />

schreckte Urs Wallimann und seine Familie<br />

aus dem Schlaf. Das laute Knarren im Gebälk<br />

und das ordentliche Schütteln erinnerten ihn<br />

an Horrorszenen aus einem Film. «<strong>Es</strong> blitzte,<br />

weil die offenen Stromleitungen hinter dem<br />

Haus zusammenschlugen.» Verängstigt,<br />

aber ohne Panik sei die Familie schlaftrunken<br />

in <strong>der</strong> Wohnung zusammengekommen.<br />

«Ich lief neugierig auf die Strasse. Da lagen<br />

Kamintrümmer, dort Dachziegel. Nach und<br />

nach strömten viele Nachtschwärmer im<br />

Dorf zusammen, tauschten sich über das<br />

Erlebte aus und nahmen einen Augenschein<br />

von den Schäden.» Im alten Holzhaus <strong>der</strong><br />

Familie Wallimann <strong>war</strong> die Bruchsteinmauer<br />

im Keller ausgebrochen. «Die Decke musste


notdürftig mit einem Balken gestützt werden.»<br />

Das Ausmass <strong>der</strong> Schäden bei Tag betrachtet,<br />

die Medienberichte und die Nachbeben<br />

am Wochenende trugen zur allgemeinen<br />

Verunsicherung bei. «Unsere Familie nahm<br />

ein Angebot an, während gut einer Woche<br />

bei einer Familie in Lungern zu übernachten.»<br />

Kommandostab für den Notfall<br />

Ernsthaft verletzt wurde in Obwalden beim<br />

starken nächtlichen Beben niemand. Doch<br />

da man nicht wissen konnte, dass das<br />

Schlimmste überstanden <strong>war</strong>, wurden nach<br />

dem Erdbeben vom 14. März sämtliche Hebel<br />

in Bewegung gesetzt, um für den Ernstfall<br />

gewappnet zu sein. In Sarnen wurden<br />

die Schulen geschlossen, Regierung, Gemeindebehörden<br />

und Notfallorganisationen<br />

trafen sich zu Krisensitzungen.<br />

Der Regierungsrat mit Militärdirektor Eduard<br />

Infanger setzte einen Kommandostab<br />

für die Erdbebenhilfe ein und schuf eine Sanitätsorganisation.<br />

Die Gesamtorganisation<br />

<strong>der</strong> Präventionsmassnahmen lag bei Zivilschutzchef<br />

Hermann von Ah. Auf dem Flugplatz<br />

Kägiswil wurde ein Kommandoposten<br />

mit zwei Funkstationen eingerichtet für den<br />

Fall, dass das Telefonnetz ausfiel. Eine Funkstation<br />

diente zur Kontaktaufnahme mit den<br />

Gemeinden, wo jeweils eine Schlüsselperson<br />

mit einem Funkgerät ausgerüstet wurde. Die<br />

zweite Funkstation <strong>war</strong> für die Kontaktaufnahme<br />

mit Behörden in Stans bestimmt, falls<br />

ein noch schwereres Erdbeben den Kanton<br />

Obwalden von <strong>der</strong> Umwelt abschneiden würde.<br />

In Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz<br />

wurden Hun<strong>der</strong>te Notbetten und Wolldecken<br />

organisiert, beim Sarner Zeughaus stellte die<br />

Armee sechs Ambulanzfahrzeuge für den<br />

sofortigen Einsatz bereit, auf den Flugplätzen<br />

Dübendorf und Alpnach standen mehrere<br />

Helikopter, die eigens für einen Ernstfall in<br />

Obwalden reserviert wurden. Sogar einheimische<br />

Car unternehmen <strong>wie</strong> die Dillier AG<br />

in Sarnen stellten Busse in Bereitschaft, um<br />

Menschen evakuieren zu können. Ein beson<strong>der</strong>es<br />

Augenmerk galt dem Spital und dem<br />

Bürgerheim (heutige Psychiatrie). Auch hierzu<br />

finden sich im Staatsarchiv detaillierte Pläne,<br />

<strong>wie</strong> kranke und bettlägerige Menschen im<br />

Notfall abtransportiert werden können.<br />

Rund 4 Millionen Franken Schäden<br />

In lebhafter Erinnerung ist die Zeit nach dem<br />

Erdbeben vor allem rund 400 Kollegi-Schülern.<br />

Das Kollegium verlegte nämlich nach<br />

den Osterferien für den Rest des Schuljahrs<br />

den gesamten Schul- und Internatsbetrieb<br />

ins Melchtal. Miterlebt hat diese Zeit <strong>der</strong> ehemalige<br />

Kantonsgerichtspräsident und heutige<br />

Kantonsrat Guido Cotter. «Als mühsam<br />

habe ich diese Schulverlegung nicht empfunden»,<br />

erzählt er. «Da meine Familie in Giswil<br />

wohnte und ich nicht jeden Tag mit dem<br />

Bus hin- und zurückfahren wollte, schlief ich<br />

nachts – <strong>wie</strong> die an<strong>der</strong>en internen Schüler<br />

– in den Melchtaler Militärbaracken.» Sein<br />

älterer Bru<strong>der</strong> René Cotter habe sogar im<br />

Melchtal die Matura abgelegt. «Für die Patres<br />

<strong>war</strong> es natürlich eine gewaltige logistische<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung.» Die Massnahme diente<br />

vor allem dazu, einen ruhigen und sicheren<br />

Schulbetrieb zu gewährleisten, denn auch<br />

das alte Gymnasium hatte durch die Erdbeben<br />

gravierende Gebäudeschäden erlitten.<br />

Eine Hochrechnung ergab im Sommer<br />

1964 eine Schadensumme von insgesamt<br />

rund 5 Millionen Franken. Fast die Hälfte<br />

davon betraf Kirchen und Kapellen. «Die<br />

Schadensumme würde nach heutigem<br />

Wert 16 Millionen Franken betragen», hält<br />

<strong>der</strong> Schweizerische Erdbebendienst dazu<br />

fest. Bei den privaten Geschädigten kam<br />

<strong>der</strong> Schweizerische Fonds für nicht versicherbare<br />

Elementarschäden zum Einsatz.<br />

Gleichwohl kamen viele nicht drumherum,<br />

einen Teil <strong>der</strong> Schäden selbst zu bezahlen.<br />

Damals <strong>wie</strong> heute werden Erdbebenschäden<br />

– an<strong>der</strong>s als beispielsweise Hochwasserschäden<br />

– von <strong>der</strong> obligatorischen<br />

Feuer- und Elementarschadenversicherung<br />

nicht übernommen. (ve)<br />

Brief an das Bistum Chur mit einer Zusammenstellung <strong>der</strong> Schäden an Kirchen und Kapellen. (Staatsarchiv)

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