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TV BOY (Leseprobe)

TV BOY – Das Buch Arianna Ghilardotti (Hrsg) 160 Seiten, Hardcover, Euro (D) 34.00 | Euro (A) 34.70 | CHF 39.00 ISBN 978-3-03876-295-9 (Midas Collection) TV BOY wurde 1980 als Salvatore Benintende in Palermo geboren und lebt in Barcelona. Er ist bekannt für seine Wandbilder, die Fußballer und aktuelle Themen darstellen, insbesondere George Floyd nach seiner Ermordung, Wladimir Putin nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 und Alexia Putellas nach dem Gewinn ihres ersten Ballon d‘Or Féminin. Er begann 1996 mit seiner Street Art und wurde immer wieder als »der italienische Banksy« bezeichnet. TV Boy stellt in seinen Werken oft aktuelle Themen dar - nach der russischen Invasion in der Ukraine hat er zahlreiche Wandbilder zur Unterstützung der Ukraine geschaffen, unter anderem in Kiew und in Barcelona.

TV BOY – Das Buch
Arianna Ghilardotti (Hrsg)
160 Seiten, Hardcover, Euro (D) 34.00 | Euro (A) 34.70 | CHF 39.00
ISBN 978-3-03876-295-9 (Midas Collection)

TV BOY wurde 1980 als Salvatore Benintende in Palermo geboren und lebt in Barcelona. Er ist bekannt für seine Wandbilder, die Fußballer und aktuelle Themen darstellen, insbesondere George Floyd nach seiner Ermordung, Wladimir Putin nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 und Alexia Putellas nach dem Gewinn ihres ersten Ballon d‘Or Féminin. Er begann 1996 mit seiner Street Art und wurde immer wieder als »der italienische Banksy« bezeichnet. TV Boy stellt in seinen Werken oft aktuelle Themen dar - nach der russischen Invasion in der Ukraine hat er zahlreiche Wandbilder zur Unterstützung der Ukraine geschaffen, unter anderem in Kiew und in Barcelona.

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Nicht an der Realität zugrunde gehen<br />

— 27<br />

Als die Sixtinische Kapelle erbaut und ausgemalt<br />

wurde, konnten nur sehr wenige<br />

Menschen die dortigen Kunstwerke sehen,<br />

nämlich diejenigen, die die Kapelle tatsächlich<br />

besuchten. Doch wie viele Menschen<br />

kennen heute Das Jüngste Gericht von<br />

Michelangelo, das die Wand hinter dem Altar<br />

ziert? Millionen, besser gesagt, Milliarden.<br />

Und obwohl die Vatikanischen Museen zu<br />

den meistbesuchten Kulturstätten der Welt<br />

gehören, können sie nicht all diese Menschen<br />

aufnehmen. Gleiches gilt auch für die Museen<br />

und Kirchen, in denen da Vincis Mona Lisa<br />

oder Das letzte Abendmahl, Picassos Guernica<br />

oder van Goghs Sternennacht untergebracht<br />

sind. Ähnliches gilt für die Frage: Wie viele<br />

Menschen haben Barack Obama oder den<br />

Papst persönlich getroffen? Nur sehr wenige.<br />

Dennoch kennen wir alle diese Kunstwerke<br />

und Personen und haben sie mithilfe von<br />

Reproduktionen »gesehen«: dank der Fotografie.<br />

<strong>TV</strong><strong>BOY</strong> hat erkannt, dass die Stärke der Kunst<br />

in ihrer Verbreitung liegt, und schuf daher<br />

eine Kunst, die zugleich einzigartig und<br />

unendlich ist, die sich vervielfältigen lässt<br />

und in Zeitungen, im Fernsehen und in sozialen<br />

Netzwerken publiziert werden kann.<br />

Sein visueller Code wird sofort zu einem<br />

Vehikel: Es ist, als hätte <strong>TV</strong><strong>BOY</strong> eine Botschaft<br />

erschaffen und sie auf Millionen von Flugblättern<br />

gedruckt, die aus einem ewig fliegenden<br />

Flugzeug in die Welt geworfen werden.<br />

Das ist der Sinn von Kunst, denn Galerien und<br />

Museen eignen sich nur für die erste Etappe.<br />

Später muss die Kunst jedoch hinaus auf die<br />

Straße. Sie bekommt nur dann einen Sinn,<br />

wenn sie wirklich öffentlich ist. Kunst, die<br />

nur bei ein paar reichen Sammlern an der<br />

Wand hängt, nennt man Marketing; sie ist<br />

ein Widerspruch in sich.<br />

<strong>TV</strong><strong>BOY</strong> wurde bekannt, weil er diese Mechanismen<br />

durchbricht. Dabei wird er zum<br />

Zeugen seiner Zeit und setzt sich mit den<br />

großen Fragen der Welt auseinander. Ich war<br />

immer der Meinung, dass jedes Kunstwerk<br />

eine aus Bildern gemachte politische Aktion<br />

sein sollte. <strong>TV</strong><strong>BOY</strong>s Symbole prangern eine<br />

bestimmte Machtform an, indem sie Beispiele<br />

davon darstellen, ohne dabei moralisch<br />

zu werden. Wir brauchen die Kunst, um<br />

nicht an der Realität zugrunde zu gehen und<br />

Dinge vorherzusehen. Die Werke in diesem<br />

Band zeigen genau, dass <strong>TV</strong><strong>BOY</strong> der Zeit voraus<br />

war und Bilder schuf, die nicht erst von<br />

der Geschichte abgesegnet werden mussten,<br />

um ikonisch zu werden.<br />

Durch all seine Werke weht ein ironischer<br />

Unterton. Damit bezieht er Stellung, manchmal<br />

vielleicht ganz unbewusst, wie viele<br />

große Künstler der Vergangenheit. Das ist die<br />

Aufgabe der Kunst: Sie entdeckt diese Gabe<br />

zwischen Herz und Hirn, die man Talent nennt.<br />

Die Kunst fördert die Fähigkeit, von der Realität<br />

zu abstrahieren, indem sie neue Sichtweisen<br />

anbietet und, wenn nötig, unsere Moral<br />

untergräbt. Wenn man dabei schnell und<br />

effektiv das Zeitgeschehen verarbeitet, begeht<br />

man allerdings vielleicht denselben Fehler,<br />

den auch ich gemacht habe, nämlich unwichtigen<br />

Persönlichkeiten wie Matteo Salvini oder<br />

Giorgia Meloni zu viel Beachtung zu schenken,<br />

anstatt sie lieber im künstlerischen Schaffen<br />

zu ignorieren. Denn von ihnen werden keine<br />

Spuren in der Geschichte zurückbleiben.<br />

<strong>TV</strong><strong>BOY</strong>, dessen Namen die Signatur einer<br />

Generation ist, nutzt geschickt die Massenkommunikation<br />

für sich und entfernt sich<br />

von einer Kunst, die sich zwar »zeitgenössisch«<br />

nennt, aber gleichzeitig alt wirkt,<br />

obwohl sie eigentlich den Hauch der Zukunft<br />

in sich tragen sollte.<br />

— Oliviero Toscani

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