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Klassiker zum<br />
Wiederentdecken<br />
Oder fünf Bücher, die nie in Vergessenheit geraten,<br />
immer wieder neu entdeckt werden und in Sachen<br />
Grenzerfahrungen, starken Beziehungen und<br />
das Leben in unterschiedlichen Welten aufzeigen.<br />
Text von Urs Heinz Aerni<br />
Wir schreiben das Jahr 1922, eine Zeit, in der Frauen<br />
weder offen über ihre Gefühle reden noch sich<br />
literarisch äussern durften. In diesem Jahr, an einer<br />
Party, lernte Virginia Woolf die Aristokratin Vita<br />
Sackville-West kennen. Was seit dieser Begegnung<br />
entstanden ist, ist nicht nur eine Freundschaft, eine<br />
Verbundenheit, sondern auch eine Leidenschaft.<br />
Dieses Buch macht mit ausgewählten Briefen und<br />
Tagebuchnotizen eine intensive Beziehung sichtbar,<br />
zwischen zwei Frauen, die litten. Litten ob den gesellschaftlichen<br />
Zwängen und den emotionalen Wahrheiten<br />
in ihren Seelen und Herzen. Die Autorin und<br />
Gartengestalterin Sackville-West verstarb 1962 in<br />
Sissinghurst Castle, England. Woolf nahm sich 1941<br />
das Leben. Diese Beziehung wurde dann auch zum<br />
Stoff des Romans «Orlando» von Virginia Woolf.<br />
Viele vermissen ihn im «Literaturclub» auf<br />
SRF als Gastkritiker: Rüdiger Safranski<br />
mit seinen faszinierenden Analysen zu<br />
Büchern. Der 1945 geborene Philosoph,<br />
Germanist und Historiker schrieb wunderbare<br />
Bücher zu Themen wie Romantik,<br />
Zeit, Goethe, Nietzsche oder das Böse. Jetzt<br />
liegt sein Werk über Franz Kafka vor, über<br />
einen Schriftsteller, der 1883 in Prag geboren<br />
wurde und 1924 im österreichischen<br />
Kierling verstarb und ein Werk hinterliess,<br />
das erst nach seinem Tod das Interesse<br />
der Öffentlichkeit geweckt hat. Safranski<br />
leuchtet die Grenzerfahrungen, die Kafka<br />
umtrieben, neu aus und zeigt, wie Kafka<br />
immer wieder neu gelesen werden kann.<br />
Als würde er Kafka beim Schreiben beobachten.<br />
Als würden wir Augenblicke und<br />
Grenzerfahrungen mit Kafka miterleben,<br />
die dann zur Weltliteratur geworden sind.<br />
Kafka<br />
Rüdiger Safranski, Hanser, CHF 36.90<br />
Er ist alleinstehend, Bankbeamter und<br />
wird an seinem 30. Geburtstag verhaftet.<br />
Die Festnahme von Josef K. wird zu einem<br />
mysteriösen Fall. Im Schlafzimmer der<br />
Nachbarin verhören ihn geheimnisvolle<br />
«Wächter». Josef K. ist sich keines Fehlverhaltens<br />
bewusst. Und trotzdem steht er auf<br />
der Grundlage eines unbekannten Gesetzes<br />
vor einem anonymen Gericht. Wie reagieren?<br />
Zuerst greift er das Gericht an, er versucht,<br />
die Hintergründe herauszufinden,<br />
und holt sich einen Anwalt. Ein Geistlicher<br />
spricht von einer aussichtslosen Situation.<br />
Ein Prozess, der durch ein sinnloses Gesetz<br />
ausgelöst wird, vielleicht wie das Leben,<br />
das genauso sinnlos entstanden ist? Ob<br />
Josef K. seinen 31. Geburtstag erleben wird?<br />
Der Prozess<br />
Franz Kafka, Fischer Taschenbuch Verlag, CHF 24.90<br />
Seine Bücher wurden von den Nationalsozialisten<br />
verbrannt. Heute gehören die<br />
Werke von Franz Werfel zum Kulturerbe<br />
Europas und werden verdankenswerterweise<br />
wieder neu publiziert. Der 1890<br />
in Prag geborene und 1945 im Exil in Los<br />
Angeles verstorbene Schriftsteller widmet<br />
dem Komponisten Giuseppe Verdi einen<br />
Roman, der in einer Schaffenskrise steckte.<br />
Er lässt Verdi mit dem Superstar Richard<br />
Wagner begegnen, obwohl sich die beiden<br />
nie trafen, und setzt den Konkurrenzkonflikt<br />
kurz vor Wagners Tod an. Es ist<br />
Fiktion mit historischen Bezügen mit einer<br />
famosen Fabulierkunst. Werfel schrieb<br />
dazu, dass er die «Niederschrift immer<br />
wieder vertagt» habe, da «künstlerische<br />
Bedenken lähmend wirkten». Denn der<br />
Roman pendelt zwischen einer «erfabelten»<br />
und der wirklichen Welt.<br />
Verdi<br />
Franz Werfel, Hanser, CHF 39.90<br />
© Nico Bustos<br />
Die 1936 in Fiesole in der Toskana geborene Autorin<br />
engagierte sich literarisch gegen den Faschismus und<br />
Gewalt an Frauen, erfuhr, was Hunger ist, schrieb<br />
Drehbücher, gründete das Experimentelle Theater<br />
und wurde als die «Simone de Beauvoir Italiens» bezeichnet.<br />
Der Roman erschien zum ersten Mal 1961.<br />
Darin erzählt die damals 25 Jahre junge Autorin von<br />
den Sommerferien der 14-jährigen Anna 1943 in der<br />
Nähe von Rom. Während der Weltkrieg noch tobte,<br />
wollte es Anna mit dem Leben wissen. Dazu gehörten<br />
ihre sexuellen Erfahrungen, die Maraini für die<br />
damalige Zeit provokant beschrieb und damit für<br />
einen Skandal sorgte. Der Vater holt Anna und ihren<br />
jüngeren Bruder für den Urlaub in einem Badeort aus<br />
dem Nonneninternat ab. Es ist ein heisser Sommer,<br />
und Anna ist neugierig …<br />
Tage im August<br />
Dacia Maraini, Folio, CHF 37.90<br />
Love Letters<br />
Virginia Woolf, Vita Sackville-West,<br />
Unionsverlag, CHF 33.90<br />
Leidenschaftlicher<br />
Geschichtenerzähler,<br />
Ikone des zeitgenössischen Kinos,<br />
Magier des Schönen,<br />
Schrillen, Phantastischen<br />
14 <strong>Lesen</strong> <strong>Magazin</strong> Klassiker<br />
Pedro Almodóvar betritt die Welt der Literatur.