100 Jahre Stadtmission in Annweiler - Evangelischer ...

Heuchelei dem lieben Gott äußerlich zu dienen und mit dem
Leben solches zu widerlegen; was Gott in ihm lebendig und
werktätig angezündet, dem könne er nicht mit seinen natürlichen
Affekten, die nichts taugen, entgegenstreiten� Gott werde
seine Ehre schon zu retten wissen und alle Lügen dämpfen�
Auch sein Pfarrer habe ihn ermuntert, sein kleines Licht
auch unter seinen Nebenmenschen leuchten zu lassen; er
habe zwei Dinge genugsam zu lernen, nämlich: „wie ich mich
und meinen Jesum mit allen seinen Wohltaten recht gründlich
erlernen möge“, er habe kein Ursache, auf spitzige Hügel der
Schrift zu steigen, um darnach einen schweren Fall zu tun�
Das letzte Aktenstück der Kirchenschaffnei Zweibrücken, das
uns über den Separatismus im Herzogtum Zweibrücken Aufschluss
gibt, stammt aus dem Jahre 1757� Der Vogt Koch
hatte den Separatisten von Annweiler wegen ihres unordentlichen
Betragens eine Strafe von 15 Gulden auferlegt und wollte
das Geld an die Almosenkasse der drei Konfessionen verteilen�
Dagegen protestierte Pfarrer Schreiner beim Konsistorium:
Die Katholiken haben keinen Anspruch, weil keine ihrer
Leute sich zu den Separatisten bekennen, die Reformierten
haben ein reiches Almosen und brauchen es nicht, also soll
man es den Lutheranern allein geben oder wenigstens die
Katholiken ausschließen�
Auch hier sehen wir, wie fruchtlos alle Bemühungen der geistlichen
und weltlichen Behörden waren, den Pietismus gewaltsam
zu unterdrücken� Die Verfolgung verschlimmerte nur die
Sache, machte die Leute zu Märtyrern und darum nur um so
hartnäckiger� Mit Sanftmut wäre man weiter gekommen� Man
hätte das Beispiel der württembergischen Regierung befolgen
sollen, auf das die Tübinger Theologen in ihrem Gutachten
hinwiesen�
Der Herzog Christian der II� von Zweibrücken, hatte von vier
Universitäten ein Gutachten eingefordert, das ihm eine Hilfe
zur Beurteilung der Inspirierten geben sollte und wie er dieser
Bewegung Herr werden könne� Alle 4 Gutachten stimmten in
ihren Grundsätzen überein� Das Tübinger Gutachten beinhaltet
unter anderem folgendes:
In Württemberg, wo es an solchen Exemplaren niemals gemangelt
habe, sei es nicht anders von der Obrigkeit gehalten
worden, dass man sich von allen gewaltsamen Mitteln enthalten
habe� Die sogenannten Separatisten seien bei ihrem
Bürgerrecht gelassen worden, besonders nachdem die ersten
harten Zuckungen und Bewegungen sich nach und nach
15
verloren und sie sich stille und ruhig aufzuführen gelernt hätten�
Die anderen pietistischen Privatversammlungen würden
aber durchgehends zugegeben und geduldet, solange keine
schädlichen Unruhen und Tumulte daraus entstünden�
Dekan Sturtz von Zweibrücken, den man ebenfalls um eine
Stellungnahme bat, schließt seine Darstellung mit den Worten:
„Doch scheinen die Separatisten auch nach und nach
ruhiger und stiller geworden zu sein und die Kirche habe
keinen Grund gehabt, gegen sie unduldsam zu sein,
oder es hat sich die Bewegung, nachdem sie in Folge
der Verfolgung hohe Wellen geschlagen hat, als diese
Wellen sich gelegt, im Sande verlaufen. In der Stadt
Zweibrücken ist jede Erinnerung an diese Bewegung
verschwunden.“
Hierzu muss jedoch folgendes eingeworfen werden:
Aus dem von Pfarrer Schollmayer herausgegebenen Lebensbild
des Peter Runtz von Annweiler ist zu ersehen, dass die
pietistische und separatistische Bewegung im Herzogtum
Zweibrücken noch lange fortdauerte und noch schärfere
Maßnahmen der Regierung hervorgerufen hat� Zu ihrer (der
Inspirierten) Unterdrückung schrieb Schollmayer, erließ nun
der damalige Herzog Christian von Zweibrücken einen höchst
seltsamen Befehl, den wir nach unserer heutigen Anschauung
nur mit Verwundern und Befremden vernehmen werden:
„Allen Inspirierten, sofern sie nicht vorzögen, in eine
der anerkannten lutherischen oder reformierten Kirchen
überzutreten, wurde nämlich ausdrücklich verboten, in
den Ehestand zu treten.“
Dadurch sollten sie nach und nach zum Aussterben verurteilt
werden� Die Familie Cornille, der die Mutter des Peter Runtz
entstammte, gehörte - wie bereits erwähnt - zu den Inspirierten�
Um heiraten zu können, war die Mutter in die reformierte
Kirche eingetreten� Andere Glieder der Familie Cornille wollten
jedoch den Inspirierten treu bleiben und wanderten, um
in den Ehestand treten zu können, nach Neuwied aus, wo
die Fürsten von Wied ihren Untertanen Gewissensfreiheit gewährten�
Bis heute treten in unserer pfälzischen Gemeinschaftsbewegung
vereinzelt kleinere Strömungen auf, die den Inspirierten
geistig verwandt sind� Meist werden sie von einzelnen Per-