Nichtraucherschutz in Gastståtten und Diskotheken GG Art. 12, 14, 3
Nichtraucherschutz in Gastståtten und Diskotheken GG Art. 12, 14, 3
Nichtraucherschutz in Gastståtten und Diskotheken GG Art. 12, 14, 3
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2008_37<strong>14</strong>3_1 NJW 1<br />
& * <strong>Nichtraucherschutz</strong> <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Diskotheken</strong><br />
<strong>GG</strong> <strong>Art</strong>. <strong>12</strong>, <strong>14</strong>, 3; BadWçrttNRSG §§ 7 I 1, II 2; BerlNRSG<br />
§2INr.8<br />
1. Entscheidet sich der Gesetzgeber auf Gr<strong>und</strong> des ihm zukommenden<br />
E<strong>in</strong>schåtzungs-, Wertungs- <strong>und</strong> Gestaltungsspielraums<br />
fçr e<strong>in</strong> Konzept des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong>, das<br />
den Ges<strong>und</strong>heitsschutz im Ausgleich <strong>in</strong>sbesondere mit der Berufsfreiheit<br />
der <strong>Gastståtten</strong>betreiber verfolgt, so mçssen Ausnahmen<br />
vom Rauchverbot derart gestaltet se<strong>in</strong>, dass sie auch<br />
bestimmte Gruppen von <strong>Gastståtten</strong> ± hier: die getrånkegeprågte<br />
Kle<strong>in</strong>gastronomie ± miterfassen, um bei diesen besonders<br />
starke wirtschaftliche Belastungen zu vermeiden.<br />
2. Es stellt e<strong>in</strong>en gleichheitswidrigen Begçnstigungsausschluss<br />
dar, wenn gesetzlich <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> zugelassene Raucherråume<br />
<strong>in</strong> <strong>Diskotheken</strong> untersagt s<strong>in</strong>d.<br />
BVerfG, Urt. v. 30. 7. 2008 ± 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08,<br />
1 BvR 906/08<br />
Zum Sachverhalt: Die Bf. wenden sich als Betreiber von <strong>Gastståtten</strong><br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Diskothek <strong>in</strong> Baden-Wçrttemberg <strong>und</strong> Berl<strong>in</strong> gegen<br />
landesgesetzliche Vorschriften çber das Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong>.<br />
In Baden-Wçrttemberg wird durch das Landesnichtraucherschutzgesetz<br />
(BadWçrttNRSG) vom 25. 7. 2007 seit dem 1. 8. 2007 das Rauchen <strong>in</strong><br />
zahlreichen æffentlichen E<strong>in</strong>richtungen (§ 1 I BadWçrttNRSG), darunter<br />
auch <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> (§ 7 I BadWçrttNRSG), verboten. Die Regelungen<br />
dienen dem Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens, <strong>in</strong>sbesondere<br />
sollen K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche geschçtzt werden (§ 1 I 2 Bad-<br />
WçrttNRSG). § 7 BadWçrttNRSG lautet:<br />
§7.Rauchfreiheit <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong>. (1) In <strong>Gastståtten</strong> ist das Rauchen<br />
untersagt. <strong>Gastståtten</strong> im S<strong>in</strong>ne dieses Gesetzes s<strong>in</strong>d Betriebe, die Getrånke<br />
oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort <strong>und</strong> Stelle verabreichen,<br />
wenn der Betrieb jedermann oder bestimmten Personen zugånglich<br />
ist <strong>und</strong> den Vorschriften des <strong>Gastståtten</strong>gesetzes <strong>in</strong> der Fassung<br />
vom 20. 11. 1998 (BGBl I, 3419) unterliegt. Satz 1 gilt nicht fçr Bier-,<br />
We<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Festzelte sowie die Auûengastronomie <strong>und</strong> die im Reisegewerbe<br />
betriebenen <strong>Gastståtten</strong>.<br />
(2) Abweichend von Absatz 1 ist das Rauchen <strong>in</strong> vollståndig abgetrennten<br />
Nebenråumen zulåssig, wenn <strong>und</strong> soweit diese Råume <strong>in</strong> deutlich<br />
erkennbarer Weise als Raucherråume gekennzeichnet s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die Belange<br />
des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es dadurch nicht bee<strong>in</strong>tråchtigt werden.<br />
Satz 1 gilt nicht fçr <strong>Diskotheken</strong>.<br />
(3) Arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen bleiben unberçhrt.<br />
Gemåû § 8 II i. V. mit Absatz 1 BadWçrttNRSG s<strong>in</strong>d die <strong>Gastståtten</strong>betreiber<br />
fçr die E<strong>in</strong>haltung des Rauchverbots <strong>in</strong> ihrer Gastståtte verantwortlich.<br />
Soweit ihnen Verstæûe gegen das Rauchverbot bekannt<br />
werden, haben sie die erforderlichen Maûnahmen zu ergreifen, um<br />
weitere Verstæûe zu verh<strong>in</strong>dern (§ 8 I 3 BadWçrttNRSG). Der Verstoû<br />
gegen diese Verpflichtung ist allerd<strong>in</strong>gs nicht als Ordnungswidrigkeit<br />
sanktioniert; nach § 9 I Nr. 6 BadWçrttNRSG handelt nur ordnungswidrig,<br />
wer entgegen § 7 BadWçrttNRSG <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gastståtte raucht.<br />
Das Berl<strong>in</strong>er Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens<br />
<strong>in</strong> der Úffentlichkeit (<strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetz ± BerlNRSG) vom<br />
16. 11. 2007 nennt als Gesetzeszweck, die Bevælkerung vor den Ges<strong>und</strong>heitsgefahren<br />
durch Passivrauchen zu schçtzen. Nach § 2<br />
BerlNRSG ist das Tabakrauchen unter anderem <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> untersagt.<br />
Die Bestimmung, soweit hier von Interesse, lautet:<br />
§2.Rauchverbot. (1) Das Tabakrauchen ist nach Maûgabe des Absatzes<br />
2 <strong>und</strong> des § 4 <strong>in</strong> (. . .)<br />
1.-7. (. . .)<br />
8. <strong>Gastståtten</strong> i. S. des § 3 VII, e<strong>in</strong>schlieûlich Clubs <strong>und</strong> <strong>Diskotheken</strong><br />
<strong>und</strong><br />
9. (. . .)<br />
verboten.<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm i<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
2 NJW 2008_37<strong>14</strong>3_1<br />
(2) Das Rauchverbot gemåû Absatz 1 gilt <strong>in</strong> Gebåuden <strong>und</strong> sonstigen<br />
vollståndig umschlossenen Råumen.<br />
(3) (. . .).<br />
Zur Regelung der vom Rauchverbot erfassten <strong>Gastståtten</strong> verweist<br />
§ 3 VII BerlNRSG auf die ¹E<strong>in</strong>richtungen nach § 1 des <strong>Gastståtten</strong>gesetzes``.<br />
§ 4 III BerlNRSG gibt dem Betreiber der Gastståtte die Mæglichkeit,<br />
abgetrennte Nebenråume e<strong>in</strong>zurichten, <strong>in</strong> denen das Rauchen erlaubt<br />
ist. Die Bestimmung lautet:<br />
§4.Ausnahmeregelungen. (3) Abweichend von § 2 I <strong>und</strong> II kænnen die<br />
Betreiber<strong>in</strong> oder der Betreiber <strong>in</strong> der Gastståtte oder der Vere<strong>in</strong>sgastståtte<br />
<strong>in</strong> Sporte<strong>in</strong>richtungen abgetrennte Nebenråume e<strong>in</strong>richten, <strong>in</strong><br />
denen das Rauchen erlaubt ist, wenn vone<strong>in</strong>ander getrennte <strong>und</strong> abgeschlossene<br />
Råume sowohl fçr rauchende Gåste als auch fçr nicht rauchende<br />
Gåste zur Verfçgung stehen. Die Ausnahmen gelten nicht fçr<br />
<strong>Diskotheken</strong>, zu denen Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr<br />
Zutritt haben.<br />
(4) (. . .)<br />
(5) Ges<strong>und</strong>heitsgefahren durch Passivrauchen s<strong>in</strong>d bei allen Ausnahmeregelungen<br />
auszuschlieûen.<br />
Gemåû § 6 I Nr. 2 i. V. mit § 6 II BerlNRSG haben die Betreiber von<br />
<strong>Gastståtten</strong> bei e<strong>in</strong>em Verstoû gegen das Rauchverbot die notwendigen<br />
Maûnahmen zu ergreifen, um den Verstoû zu unterb<strong>in</strong>den <strong>und</strong> weitere<br />
Verstæûe zu verh<strong>in</strong>dern. Ordnungswidrig handelt, wer vorsåtzlich oder<br />
fahrlåssig entgegen § 2 BerlNRSG raucht (§ 7 I Nr. 1 BerlNRSG) oder<br />
als Betreiber e<strong>in</strong>er Gastståtte entgegen § 6 II BerlNRSG e<strong>in</strong>e notwendige<br />
Maûnahme nicht ergreift, um e<strong>in</strong>en Verstoû gegen das Rauchverbot<br />
zu unterb<strong>in</strong>den (§ 7 I Nr. 2 lit. b BerlNRSG). Gemåû § 8 I<br />
BerlNRSG trat das Gesetz am 1. 1. 2008 <strong>in</strong> Kraft; abweichend hiervon<br />
ist das Inkrafttreten der Bestimmungen çber Ordnungswidrigkeiten bis<br />
zum 1. 7. 2008 aufgeschoben (§ 8 II BerlNRSG).<br />
Die <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetze der çbrigen Lånder <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>es<br />
treffen Regelungen zum Schutz vor dem Passivrauchen <strong>in</strong> gr<strong>und</strong>såtzlich<br />
vergleichbarer Weise. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d im Bayerischen Gesetz zum Schutz<br />
der Ges<strong>und</strong>heit vom 20. <strong>12</strong>. 2007, das gem. <strong>Art</strong>. 2 Nr. 8 i. V. mit <strong>Art</strong>. 3<br />
das Rauchen <strong>in</strong> æffentlich zugånglichen <strong>Gastståtten</strong> verbietet, ke<strong>in</strong>e<br />
Ausnahmen fçr <strong>Gastståtten</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere auch nicht die E<strong>in</strong>richtung<br />
von Raucherråumen vorgesehen. Demgegençber gilt im Saarland<br />
nicht nur e<strong>in</strong>e Ausnahme vom Rauchverbot fçr abgeschlossene <strong>und</strong><br />
belçftete Nebenråume, sondern auch fçr <strong>in</strong>habergefçhrte <strong>Gastståtten</strong>,<br />
wenn neben dem Betreiber der Gastståtte ¹ke<strong>in</strong>e weiteren Personen als<br />
Beschåftigte i. S. des § 21 GaststG oder als Selbstståndige im laufenden<br />
Gastronomiebetrieb tåtig s<strong>in</strong>d, sofern es sich hierbei nicht lediglich um<br />
e<strong>in</strong>e gelegentliche Mithilfe von volljåhrigen Familienmitgliedern des<br />
Betreibers handelt`` (§ 3 III Nr. 2 SaarlNRSG).<br />
Der Bf. zu 1 betreibt seit September 1985 <strong>in</strong> <strong>in</strong>nerstådtischer Altstadtlage<br />
von T. e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Gastståtte. Das Lokal wurde bislang çberwiegend<br />
von Stammgåsten besucht, r<strong>und</strong> 70% von ihnen sollen Raucher<br />
se<strong>in</strong>. Die Gastståtte besteht aus lediglich e<strong>in</strong>em Gastraum, dessen<br />
Gr<strong>und</strong>flåche e<strong>in</strong>schlieûlich des Thekenbereichs 63 qm umfasst. E<strong>in</strong>e<br />
Aufteilung dieses Gastraums <strong>in</strong> verschiedene Råume ist aus baulichen<br />
Grçnden nicht mæglich. In der Gastståtte werden çberwiegend Getrånke<br />
ausgeschenkt; daneben werden nur kle<strong>in</strong>ere Gerichte angeboten,<br />
die etwa 3% bis 5% des Gesamtumsatzes ausmachen sollen. Fçr den<br />
Fall, dass das Angebot von Speisen e<strong>in</strong>er Ausnahme vom Rauchverbot<br />
entgegenstehen sollte, hat der Bf. erklårt, auf dieses Angebot kçnftig<br />
verzichten zu wollen. Nach Angaben des Bf. verfçgt se<strong>in</strong> Betrieb çber<br />
ke<strong>in</strong> fest angestelltes Personal, es werden allerd<strong>in</strong>gs zwischen fçnf <strong>und</strong><br />
zehn Personen als ± zumeist studentische ± Aushilfen beschåftigt. Nach<br />
den Angaben des Bf. hielten sich die rauchenden Stammgåste erheblich<br />
kçrzer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gastståtte auf <strong>und</strong> konsumierten entsprechend weniger,<br />
seit er nach Inkrafttreten des Landesnichtraucherschutzgesetzes Baden-<br />
Wçrttemberg e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Nichtrauchergastståtte fçhren mçsse, ohne<br />
e<strong>in</strong>en Raucherraum anbieten zu kænnen.<br />
Der Bf. rçgt die Verletzung se<strong>in</strong>er Gr<strong>und</strong>rechte aus <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>und</strong><br />
<strong>Art</strong>. <strong>14</strong> I <strong>GG</strong>. § 7 BadWçrttNRSG sei <strong>in</strong>soweit verfassungswidrig, als<br />
<strong>in</strong> E<strong>in</strong>raumgastståtten, bei denen ke<strong>in</strong>e Mæglichkeit der E<strong>in</strong>richtung<br />
e<strong>in</strong>es Raucherraums bestehe, das Rauchen untersagt sei.<br />
Die Bf. zu 2 ist Betreiber<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Gastståtte <strong>in</strong> B. Nach den<br />
Schilderungen der Bf. wende sich ihre Gastståtte als typische Berl<strong>in</strong>er<br />
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Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
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¹Eckkneipe`` <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nicht an Touristen, sondern sei Anziehungspunkt<br />
fçr die ortsansåssige Bevælkerung. Die Gastståtte verfçge çber 40<br />
Sitzplåtze, der Gastraum habe e<strong>in</strong>e Flåche von 36 qm. Ûber 80% der<br />
Besucher seien Stammgåste. Viele der Gåste kåmen e<strong>in</strong>mal oder æfter <strong>in</strong><br />
der Woche; die Gastståtte sei fçr sie e<strong>in</strong> soziales <strong>und</strong> kommunikatives<br />
Zentrum ihres Alltags. Die Gastståtte habe ab 20 Uhr geæffnet <strong>und</strong><br />
schlieûe, nachdem sie der letzte Gast verlassen habe. Die Bf. beschåftige<br />
ke<strong>in</strong>e Angestellten im Ausschank, im Falle ihrer Verh<strong>in</strong>derung helfe ihre<br />
erwachsene Tochter aus. In Urlaubs- <strong>und</strong> Krankheitszeiten bleibe die<br />
Gastståtte geschlossen. Es seien nur Getrånke im Angebot, Speisen<br />
wçrden nicht gereicht. Der Anteil der Raucher unter den Gåsten liege<br />
durchschnittlich bei 70%. Das Tabakrauchen stehe im Mittelpunkt der<br />
Bedçrfnisse der Gåste. Deshalb rechnet die Bf. fçr die Zeit nach Inkrafttreten<br />
der Buûgeldbewehrung des Rauchverbots mit Umsatze<strong>in</strong>buûen <strong>in</strong><br />
Hæhe von 30% bis 40%.<br />
Die Bf. rçgt die Verletzung ihrer Gr<strong>und</strong>rechte aus <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I, 3 I, 2 I, 1 I<br />
<strong>und</strong> <strong>Art</strong>. <strong>14</strong> I <strong>GG</strong>. § 2 I Nr. 8 i. V. mit § 4 III, § 6 II, § 7 II BerlNRSG<br />
seien verfassungswidrig, soweit auch <strong>in</strong> den <strong>in</strong>haberbetriebenen e<strong>in</strong>råumigen<br />
<strong>Gastståtten</strong> e<strong>in</strong> Rauchverbot gelte, wåhrend gleichzeitig <strong>in</strong> zweioder<br />
mehrråumigen <strong>Gastståtten</strong> die Bewirtung von rauchenden Gåsten<br />
unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen sei.<br />
Die Bf. zu 3 betreibt seit zwei Jahren <strong>in</strong> H. die Groûraumdiskothek.<br />
Diese im Gewerbegebiet gelegene Diskothek erstreckt sich çber zwei<br />
Geschosse <strong>und</strong> verfçgt çber e<strong>in</strong>e Gastflåche von 2250 qm, verteilt auf<br />
fçnf Råume, davon drei Tanzråume. Nach der råumlichen Situation<br />
kænnen ohne weiteres e<strong>in</strong> Raum oder mehrere Råume als Raucherbereich<br />
abgetrennt werden. Die Diskothek der Bf. soll çber e<strong>in</strong> effizientes<br />
Entlçftungssystem verfçgen, das die Innenraumluft im gesamten<br />
Innenbereich der Diskothek absauge <strong>und</strong> <strong>in</strong> jeder St<strong>und</strong>e 15 mal gegen<br />
Frischluft austausche. Als Gåste der Diskothek s<strong>in</strong>d nach Darstellung<br />
der Bf. nur Personen im Alter von çber 18 Jahren zugelassen. Der<br />
Anteil der Raucher habe bis August 2007 etwa 60% betragen. Bis zu<br />
diesem Zeitpunkt habe der monatliche Umsatz konstant zwischen 300<br />
000 Euro <strong>und</strong> 400 000 Euro gelegen. Seit dem Inkrafttreten des Rauchverbots<br />
seien die Umsåtze der Bf. um r<strong>und</strong> 30% gegençber den jeweiligen<br />
Vorjahresmonaten zurçckgegangen.<br />
Die Bf. trågt vor, die angegriffene landesgesetzliche Regelung verletze<br />
sie <strong>in</strong> ihrem Gr<strong>und</strong>recht aus <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I i. V. mit <strong>Art</strong>. 3 I <strong>GG</strong>. § 7 Bad-<br />
WçrttNRSG sei <strong>in</strong>soweit verfassungswidrig, als <strong>in</strong> <strong>Diskotheken</strong> das<br />
Rauchen absolut verboten sei.<br />
Das BVerfG hat entschieden:<br />
1. § 7 I 1 BadWçrttNRSG <strong>und</strong> § 2 I Nr. 8 BerlNRSG s<strong>in</strong>d nach Maûgabe<br />
der Grçnde mit <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>GG</strong> unvere<strong>in</strong>bar. Bis zu e<strong>in</strong>er Neuregelung,<br />
die die Gesetzgeber bis zum 31. <strong>12</strong>. 2009 zu treffen haben, gelten<br />
die Vorschriften mit der Maûgabe fort, dass <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> mit weniger<br />
als 75 m2 Gastflåche <strong>und</strong> ohne abgetrennten Nebenraum, zu denen<br />
Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr der Zutritt verwehrt<br />
wird, der <strong>Gastståtten</strong>betreiber das Rauchen gestatten darf, wenn er<br />
çber e<strong>in</strong>e <strong>Gastståtten</strong>erlaubnis verfçgt, die das Verabreichen zubereiteter<br />
Speisen zum Verzehr an Ort <strong>und</strong> Stelle nicht e<strong>in</strong>schlieût, <strong>und</strong> wenn<br />
die Gastståtte am E<strong>in</strong>gangsbereich <strong>in</strong> deutlich erkennbarer Weise als<br />
Rauchergastståtte, zu der Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr<br />
ke<strong>in</strong>en Zutritt haben, gekennzeichnet ist.<br />
2. § 7 II 2 BadWçrttNRSG ist mit <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I i. V. mit <strong>Art</strong>. 3 I <strong>GG</strong> unvere<strong>in</strong>bar.<br />
Bis zu e<strong>in</strong>er Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. <strong>12</strong>.<br />
2009 zu treffen hat, gilt die Vorschrift fort, nicht jedoch fçr solche<br />
<strong>Diskotheken</strong>, zu denen ausschlieûlich Personen ab vollendetem 18. Lebensjahr<br />
Zutritt erhalten, mit der Maûgabe, dass sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Nebenraum<br />
i. S. von § 7 II 1 BadWçrttNRSG ke<strong>in</strong>e Tanzflåche bef<strong>in</strong>den darf.<br />
Aus den Grçnden: [89] B. Die zulåssigen Verfassungsbeschwerden<br />
s<strong>in</strong>d begrçndet.<br />
[90] I. 1. Der Bf. zu 1 wird durch das <strong>in</strong> § 7 I 1 Bad-<br />
WçrttNRSG geregelte Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> <strong>in</strong> dem<br />
Gr<strong>und</strong>recht auf freie Berufsausçbung (<strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>GG</strong>) verletzt.<br />
Entsprechendes gilt fçr die Bf. zu 2 mit Blick auf das<br />
Rauchverbot nach § 2 I Nr. 8 BerlNRSG. E<strong>in</strong> Rauchverbot<br />
<strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> ist zwar nicht schlechth<strong>in</strong> mit der Verfassung<br />
unvere<strong>in</strong>bar. Die Verfassungswidrigkeit ergibt sich aber daraus,<br />
dass die Landesgesetzgeber bei den von ihnen gewåhlten<br />
Ausgestaltungen des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es ke<strong>in</strong>e Rege-<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm<br />
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4 NJW 2008_37<strong>14</strong>3_1<br />
lungen getroffen haben, die auch mit Rçcksicht auf die besonderen<br />
Belastungen e<strong>in</strong>er bestimmten Gruppe von <strong>Gastståtten</strong>betreibern<br />
<strong>in</strong>sgesamt zumutbar ersche<strong>in</strong>en.<br />
[91] a) Obwohl das Verbot, <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> zu rauchen,<br />
vornehmlich an die Gåste gerichtet ist, greift es auch <strong>in</strong> den<br />
Schutzbereich der Berufsfreiheit der <strong>Gastståtten</strong>betreiber e<strong>in</strong>.<br />
An der Eigentumsgarantie (<strong>Art</strong>. <strong>14</strong> I <strong>GG</strong>) ist das Rauchverbot<br />
h<strong>in</strong>gegen nicht zu messen. Zwar berçhrt es auch das<br />
durch <strong>Art</strong>. <strong>14</strong> I <strong>GG</strong> geschçtzte Hausrecht, der Schwerpunkt<br />
des E<strong>in</strong>griffs liegt jedoch nicht <strong>in</strong> der Begrenzung der Innehabung<br />
<strong>und</strong> Verwendung dieser Vermægensposition, sondern <strong>in</strong><br />
der Beschrånkung der <strong>in</strong>dividuellen Erwerbs- <strong>und</strong> Leistungståtigkeit<br />
des Gastwirts. Der Schutz der Eigentumsgarantie<br />
kommt hier daher nicht <strong>in</strong> Betracht (vgl. BVerfGE 30, 292<br />
[335] = NJW 1971, <strong>12</strong>55).<br />
[92] aa) Die Freiheit der Berufsausçbung wird durch<br />
<strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>GG</strong> umfassend geschçtzt (vgl. BVerfGE 85, 248<br />
[256] = NJW 1992, 2341). Der Schutz erstreckt sich auch<br />
auf das Recht, <strong>Art</strong> <strong>und</strong> Qualitåt der am Markt angebotenen<br />
Gçter <strong>und</strong> Leistungen selbst festzulegen (vgl. BVerfGE 106,<br />
275 [299] = NJW 2003, <strong>12</strong>32) <strong>und</strong> damit den Kreis der<br />
angesprochenen Interessenten selbst auszuwåhlen. Unter diesem<br />
Gesichtspunkt bee<strong>in</strong>tråchtigt das Rauchverbot die freie<br />
Berufsausçbung der Gastwirte.<br />
[93] Durch das Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong>, wie es <strong>in</strong> den<br />
vorliegenden Fållen durch § 7 I 1 BadWçrttNRSG <strong>und</strong> § 2 I<br />
Nr. 8 BerlNRSG geregelt ist, wird dem <strong>Gastståtten</strong>betreiber<br />
die Mæglichkeit genommen, selbst darçber zu bestimmen,<br />
ob den Besuchern <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gastståtte das Rauchen gestattet<br />
oder untersagt ist. Damit kann der Gastwirt nur noch <strong>in</strong> den<br />
gesetzlich geregelten Ausnahmefållen darçber entscheiden,<br />
ob er die Leistungen <strong>und</strong> Dienste se<strong>in</strong>es <strong>Gastståtten</strong>betriebs<br />
auch solchen Gåsten anbieten will, die diese zusammen mit<br />
dem Rauchen von Tabak <strong>in</strong> Anspruch nehmen mæchten.<br />
Dem Gastwirt wird es nicht nur erheblich erschwert, Raucher<br />
mit se<strong>in</strong>en Angeboten zu erreichen, sondern er wird<br />
regelmåûig daran geh<strong>in</strong>dert, se<strong>in</strong>e Leistungen <strong>in</strong>sbesondere<br />
<strong>in</strong> Form des Verabreichens von Speisen <strong>und</strong> Getrånken gegençber<br />
solchen Gåsten zu erbr<strong>in</strong>gen, die auf das Rauchen <strong>in</strong><br />
der Gastståtte nicht verzichten wollen.<br />
[94] bb) Diese Bee<strong>in</strong>tråchtigung der beruflichen Betåtigung<br />
ist nicht e<strong>in</strong> bloûer Reflex e<strong>in</strong>es an die Raucher gerichteten<br />
Verbots, sondern stellt e<strong>in</strong>en unmittelbaren E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die<br />
Berufsausçbungsfreiheit der <strong>Gastståtten</strong>betreiber dar. Aus<br />
der Systematik der gesetzlichen Regelungen çber das Rauchverbot<br />
<strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> folgt, dass durch diese Vorschriften<br />
auch den Gastwirten untersagt wird, ihre Leistungen <strong>und</strong><br />
Dienste den Rauchern unter ihren Gåsten anzubieten. Die<br />
angegriffenen <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetze verb<strong>in</strong>den nåmlich<br />
das an die Besucher von <strong>Gastståtten</strong> gerichtete Rauchverbot<br />
mit e<strong>in</strong>er Verpflichtung der Gastwirte, Verstæûe gegen dieses<br />
Verbot zu unterb<strong>in</strong>den <strong>und</strong> weitere Verstæûe zu verh<strong>in</strong>dern<br />
(§ 8 II 1 i. V. mit Abs. 1 S. 1 <strong>und</strong> 3 BadWçrttNRSG; § 6 I<br />
Nr. 2 i. V. mit Abs. 2 BerlNRSG). Dass diese Verpflichtung<br />
<strong>in</strong> Baden-Wçrttemberg ± im Unterschied zu Berl<strong>in</strong> (§ 7 I<br />
Nr. 2 lit. b BerlNRSG) <strong>und</strong> anderen B<strong>und</strong>eslåndern ± nicht<br />
buûgeldbewehrt ist, åndert nichts an ihrer Verb<strong>in</strong>dlichkeit<br />
<strong>und</strong> damit an ihrer Bedeutung zum Beispiel fçr die <strong>Gastståtten</strong>erlaubnis<br />
unter dem Gesichtspunkt der Zuverlåssigkeit<br />
des <strong>Gastståtten</strong>betreibers (§ 15 II i. V. mit § 4 I 1 Nr. 1<br />
GaststG). Diese Indienstnahme des Gastwirts zur Erfçllung<br />
æffentlicher Aufgaben setzt zwangslåufig voraus, dass ihn<br />
das Gesetz bereits an der Bewirtung von Rauchern h<strong>in</strong>dert.<br />
Der Gastwirt kann nicht e<strong>in</strong>erseits verpflichtet se<strong>in</strong>, das Rauchen<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gastståtte zu unterb<strong>in</strong>den, wåhrend er ande-<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm<br />
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rerseits den Aufenthalt rauchender Gåste h<strong>in</strong>nehmen <strong>und</strong><br />
diesen Speisen <strong>und</strong> Getrånke soll anbieten dçrfen.<br />
[95] b) Um vor der Garantie der Berufsfreiheit (<strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I<br />
<strong>GG</strong>) Bestand haben zu kænnen, mçssen E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> die<br />
Berufsausçbungsfreiheit auf e<strong>in</strong>er gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage beruhen,<br />
die durch ausreichende Grçnde des Geme<strong>in</strong>wohls<br />
gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 7, 377 [405 f.] = NJW 1958,<br />
1035; BVerfGE 94, 372 [390] = NJW 1996, 3067; BVerfGE<br />
101, 331 [347] = NJWE-FER 2000, 117). Die aus Grçnden<br />
des Geme<strong>in</strong>wohls unumgånglichen E<strong>in</strong>schrånkungen der Berufsfreiheit<br />
stehen unter dem Gebot der Verhåltnismåûigkeit<br />
(vgl. BVerfGE 19, 330 [336 f.] = NJW 1966, 291; BVerfGE<br />
54, 301 [313]; BVerfGE 104, 357 [364] = NJW 2002, 666).<br />
Daher mçssen die E<strong>in</strong>griffe zur Erreichung des E<strong>in</strong>griffsziels<br />
geeignet se<strong>in</strong> <strong>und</strong> dçrfen nicht weiter gehen, als es die Geme<strong>in</strong>wohlbelange<br />
erfordern (vgl. BVerfGE 101, 331 [347];<br />
BVerfGE 104, 357 [364] = NJW 2002, 666). Die E<strong>in</strong>griffsmittel<br />
dçrfen zudem nicht çbermåûig belastend se<strong>in</strong> (vgl.<br />
BVerfGE 19, 330 [337] = NJW 1966, 291), so dass bei e<strong>in</strong>er<br />
Gesamtabwågung zwischen der Schwere des E<strong>in</strong>griffs <strong>und</strong><br />
dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Grçnde die Grenze<br />
der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 103, 1<br />
[10] = NJW 2001, 353; BVerfGE 106, 181 [192] = NJW<br />
2003, 879). Diesen Anforderungen gençgen die angegriffenen<br />
Vorschriften çber das Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> nicht<br />
<strong>in</strong> jeder H<strong>in</strong>sicht. Es fehlt zwar nicht an e<strong>in</strong>er gesetzlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lage (aa) <strong>und</strong> den Verboten liegen auch legitime Zwecke<br />
zu Gr<strong>und</strong>e (bb), zu deren Erreichung die Vorschriften<br />
geeignet <strong>und</strong> erforderlich s<strong>in</strong>d (cc); <strong>in</strong> den hier zu beurteilenden<br />
Ausgestaltungen fçhrt das Rauchverbot jedoch zu<br />
e<strong>in</strong>er çbermåûigen Belastung e<strong>in</strong>er bestimmten Gruppe von<br />
<strong>Gastståtten</strong>betreibern, zu denen auch die Bf. zu 1 <strong>und</strong> 2<br />
zåhlen (dd).<br />
[96] aa) Den Anforderungen an e<strong>in</strong>e gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage<br />
fçr e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Berufsfreiheit (<strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I 2 <strong>GG</strong>) gençgt<br />
nur e<strong>in</strong> kompetenzgemåû erlassenes Gesetz (vgl.<br />
BVerfGE 98, 265 [298] = NJW 1999, 841; BVerfGE 102,<br />
197 [213] = NVwZ 2001, 790). Unter diesem Gesichtspunkt<br />
s<strong>in</strong>d die angegriffenen Vorschriften nicht zu beanstanden.<br />
[97] (1) Fçr den Erlass der angegriffenen Rauchverbote <strong>in</strong><br />
<strong>Gastståtten</strong> steht den Låndern nach <strong>Art</strong>. 70 I <strong>GG</strong> die Gesetzgebungskompetenz<br />
zu. Ob der B<strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Regelungsmaterie<br />
der konkurrierenden Gesetzgebung (<strong>Art</strong>. 74<br />
<strong>GG</strong>) e<strong>in</strong> solches Verbot anordnen kænnte, bedarf ke<strong>in</strong>er Entscheidung;<br />
denn von dieser etwaigen Zuståndigkeit hat der<br />
B<strong>und</strong> ke<strong>in</strong>en oder zum<strong>in</strong>dest ke<strong>in</strong>en umfassenden Gebrauch<br />
gemacht, so dass die Sperrwirkung des <strong>Art</strong>. 72 I <strong>GG</strong> landesgesetzlichen<br />
Bestimmungen nicht entgegensteht. Insbesondere<br />
hat der B<strong>und</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage se<strong>in</strong>er Gesetzgebungskompetenz<br />
fçr den Arbeitsschutz (<strong>Art</strong>. 74 I Nr. <strong>12</strong> <strong>GG</strong>) mit<br />
den Vorschriften çber den Erlass betrieblicher Rauchverbote<br />
<strong>in</strong> § 5 der Verordnung çber Arbeitsståtten (Arbeitsståttenverordnung<br />
± ArbStåttV) Regelungen zwar zum Schutz der<br />
nicht rauchenden Beschåftigten (vgl. § 5 I 1 ArbStåttV) getroffen,<br />
nicht aber auch ± wie die Landesgesetze zum <strong>Nichtraucherschutz</strong><br />
(vgl. § 1 I 2 BadWçrttNRSG; § 1 BerlNRSG)<br />
± mit dem Ziel des Schutzes der Bevælkerung <strong>in</strong>sgesamt ±<br />
<strong>und</strong> damit <strong>in</strong>sbesondere der Besucher von <strong>Gastståtten</strong> ± vor<br />
Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdungen durch Passivrauchen.<br />
[98] (2) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,<br />
wenn auch der Schutz der Ges<strong>und</strong>heit des <strong>Gastståtten</strong>personals<br />
zum Anliegen e<strong>in</strong>es Landesnichtraucherschutzgesetzes<br />
gemacht wird, so wie dies im Land Berl<strong>in</strong> ausweislich der<br />
Gesetzesbegrçndung beabsichtigt ist (vgl. Dr 16/0716 des<br />
Abgeordnetenhauses Berl<strong>in</strong>, Begrçndung Allgeme<strong>in</strong>es; auch<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm<br />
i
6 NJW 2008_37<strong>14</strong>3_1<br />
E<strong>in</strong>zelbegrçndung zu § 3 VII). Von dem Ziel des Schutzes<br />
der Gesamtbevælkerung durch e<strong>in</strong> Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong><br />
mçssen die Landesgesetzgeber die im Gastronomiegewerbe<br />
Beschåftigten nicht ausnehmen. Maûgebend fçr die<br />
Verteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
Låndern <strong>in</strong> <strong>Art</strong>. 74 <strong>GG</strong> ist der Gegenstand des jeweiligen<br />
Gesetzes (vgl. BVerfGE 4, 60 [67, 69 f.] = NJW 1954, 1762;<br />
BVerfGE 68, 319 [327 f.] = NJW 1985, 2185), nicht das<br />
vom Gesetzgeber <strong>in</strong> den Blick genommene Geme<strong>in</strong>wohlziel.<br />
Wirkt daher der angestrebte Schutz aller vor den Gefahren<br />
des Passivrauchens <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> auch zu Gunsten der dort<br />
Beschåftigten, so berçhrt dies h<strong>in</strong>sichtlich der Arbeitnehmer<br />
nicht die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des B<strong>und</strong>es<br />
fçr den Arbeitsschutz aus <strong>Art</strong>. 74 I Nr. <strong>12</strong> <strong>GG</strong>.<br />
[99] Auch wenn <strong>in</strong>soweit die Sperrwirkung des <strong>Art</strong>. 72 I<br />
<strong>GG</strong> nicht e<strong>in</strong>greift, muss der Landesgesetzgeber allerd<strong>in</strong>gs<br />
den Vorrang des B<strong>und</strong>esrechts nach <strong>Art</strong>. 31 <strong>GG</strong> beachten,<br />
wenn Regelungen des B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> des Landesrechts auf<br />
denselben Sachverhalt anwendbar s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> bei ihrer Anwendung<br />
zu verschiedenen Ergebnissen fçhren (vgl. BVerfGE<br />
96, 345 [364] = NJW 1998, <strong>12</strong>96; BVerfGE 98, <strong>14</strong>5 [159] =<br />
NJW 1999, 1095). Wåhrend § 7 III BadWçrttNRSG e<strong>in</strong>e<br />
Kollision mit den Vorschriften der Arbeitsståttenverordnung<br />
durch e<strong>in</strong>e ausdrçckliche Bestimmung vermeidet, nach der<br />
diese von den Bestimmungen des Landesnichtraucherschutzgesetzes<br />
unberçhrt bleiben sollen, fehlt im Berl<strong>in</strong>er <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetz<br />
e<strong>in</strong>e vergleichbare Vorschrift. Dies kann<br />
wegen abweichender Rechtsfolgen zur Kollision mit B<strong>und</strong>esrecht<br />
fçhren, weil nach § 4 V BerlNRSG bei såmtlichen Ausnahmen<br />
vom Rauchverbot <strong>und</strong> damit auch bei der E<strong>in</strong>richtung<br />
von Raucherråumen <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> Ges<strong>und</strong>heitsgefahren<br />
durch Passivrauchen auszuschlieûen s<strong>in</strong>d. Sollte diese<br />
Bestimmung auch zu Gunsten der <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> beschåftigten<br />
Personen Anwendung f<strong>in</strong>den, so geriete sie <strong>in</strong> Konflikt<br />
mit § 5 II ArbStåttV, wonach Schutzmaûnahmen fçr die<br />
nicht rauchenden Beschåftigten bei Arbeitsståtten mit Publikumsverkehr<br />
nur <strong>in</strong>soweit gefordert s<strong>in</strong>d, als die Natur des<br />
Betriebs <strong>und</strong> die <strong>Art</strong> der Beschåftigung es zulassen, was aber<br />
bei der Mæglichkeit der E<strong>in</strong>richtung von Raucherråumen <strong>in</strong><br />
<strong>Gastståtten</strong> gerade h<strong>in</strong>sichtlich der Bedienung der Gåste regelmåûig<br />
ausgeschlossen ersche<strong>in</strong>t.<br />
[100] E<strong>in</strong> solches Normverståndnis ist <strong>in</strong>dessen nicht zw<strong>in</strong>gend.<br />
Mit Blick auf die Bestimmungen zum Arbeitsschutz ist<br />
§ 4 V BerlNRSG vielmehr e<strong>in</strong>er systematischen Auslegung<br />
dah<strong>in</strong> zugånglich, dass ke<strong>in</strong> Schutz der Beschåftigten vor der<br />
Passivrauchbelastung <strong>in</strong> Raucherråumen herbeigefçhrt, sondern<br />
nur der <strong>Nichtraucherschutz</strong> auûerhalb der Raucherråume<br />
sichergestellt werden soll, <strong>in</strong>dem etwa das E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen<br />
von Tabakrauch <strong>in</strong> die angrenzenden Råumlichkeiten zu verh<strong>in</strong>dern<br />
ist. Dieses Normverståndnis ist als Ergebnis e<strong>in</strong>er<br />
verfassungskonformen Auslegung geboten, weil es e<strong>in</strong>e Kollision<br />
von Landes- <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esrecht <strong>und</strong> damit die Nichtigkeit<br />
der landesgesetzlichen Regelung wegen Verstoûes gegen<br />
den Vorrang des B<strong>und</strong>esrechts gem. <strong>Art</strong>. 31 <strong>GG</strong> (vgl. dazu<br />
BVerfGE 26, 116 [135] = NJW 1969, 1806) vermeidet (vgl.<br />
BVerfGE 1<strong>12</strong>, 164 [182 f.] = NJW 2005, 1923 m. w.<br />
Nachw.; st. Rspr.).<br />
[101] bb) Mit dem Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> verfolgen<br />
die Gesetzgeber e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>wohlziel, das auf vernçnftigen<br />
Erwågungen beruht <strong>und</strong> daher die Beschrånkung der Berufsausçbungsfreiheit<br />
gr<strong>und</strong>såtzlich zu legitimieren vermag.<br />
[102] (1) Beide Gesetze nennen als ihr Ziel den Schutz der<br />
Bevælkerung vor den Ges<strong>und</strong>heitsgefahren durch Passivrauchen<br />
(vgl. § 1 I 2 BadWçrttNRSG; § 1 BerlNRSG). Der<br />
Schutz der Bevælkerung vor Ges<strong>und</strong>heitsgefahren zåhlt zu<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm<br />
i
2008_37<strong>14</strong>3_1 NJW 7<br />
den çberragend wichtigen Geme<strong>in</strong>schaftsgçtern (vgl.<br />
BVerfGE 7, 377 [4<strong>14</strong>] = NJW 1958, 1035), die selbst objektive<br />
Berufszulassungsvoraussetzungen <strong>und</strong> damit erst recht<br />
auch Beschrånkungen der Berufsausçbung rechtfertigen kænnen.<br />
Die Freiwilligkeit der Entscheidung des E<strong>in</strong>zelnen, sich<br />
<strong>in</strong>sbesondere beim Besuch e<strong>in</strong>er Gastståtte der Belastung<br />
durch Tabakrauch auszusetzen, macht das Anliegen des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes<br />
nicht h<strong>in</strong>fållig. Jedenfalls solange es ke<strong>in</strong>e<br />
ausreichenden Mæglichkeiten fçr Nichtraucher gibt, <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong><br />
rauchfreie Råume zu f<strong>in</strong>den, bedeutet e<strong>in</strong>e solche<br />
Entscheidung typischerweise ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>verståndnis mit e<strong>in</strong>er<br />
Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdung durch Passivrauchen, sondern nur<br />
die faktisch unvermeidbare Inkaufnahme dieses Risikos, um<br />
une<strong>in</strong>geschrånkt am gesellschaftlichen Leben durch den Besuch<br />
e<strong>in</strong>er ausgewåhlte n Gastståtte teilnehmen zu kænnen.<br />
[103] (2) Ebenso wenig ist es verfassungsrechtlich zu beanstanden,<br />
dass die Landesgesetzgeber Passivrauchen, also Tabakrauch<br />
<strong>in</strong> der Umgebungsluft (¹environmental tobacco<br />
smoke`` ± ¹ETS``), als Gefahr fçr die Ges<strong>und</strong>heit der Bevælkerung<br />
angesehen <strong>und</strong> zum Anlass gesetzlicher Regelungen<br />
genommen haben. Wird der Gesetzgeber zur Verhçtung von<br />
Gefahren fçr die Allgeme<strong>in</strong>heit tåtig, so belåsst ihm die Verfassung<br />
bei der Prognose <strong>und</strong> E<strong>in</strong>schåtzung der <strong>in</strong> den Blick<br />
genommenen Gefåhrdung e<strong>in</strong>en Beurteilungsspielraum, der<br />
vom BVerfG bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung je<br />
nach der Eigenart des <strong>in</strong> Rede stehenden Sachbereichs, den<br />
Mæglichkeiten, sich e<strong>in</strong> h<strong>in</strong>reichend sicheres Urteil zu bilden,<br />
<strong>und</strong> der auf dem Spiel stehenden Rechtsgçter nur <strong>in</strong> begrenztem<br />
Umfang çberprçft werden kann. Der Beurteilungsspielraum<br />
ist erst dann çberschritten, wenn die Erwågungen des<br />
Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam s<strong>in</strong>d, dass sie vernçnftigerweise<br />
ke<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>lage fçr die angegriffenen gesetzgeberischen<br />
Maûnahmen abgeben kænnen (vgl. BVerfGE 77, 84<br />
[106] = NJW 1988, 1195; BVerfGE 110, <strong>14</strong>1 [157 f.] =<br />
NVwZ 2004, 597; BVerfGE 117, 163 [183] = NJW 2007,<br />
979).<br />
[104] (a) Hiernach durften sich die Landesgesetzgeber auf<br />
die zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen stçtzen,<br />
nach denen mit dem Passivrauchen schwerwiegende ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Risiken verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d (vgl. etwa Radon/Nowak,<br />
Passivrauchen ± aktueller Stand des Wissens, Deutsche Mediz<strong>in</strong>ische<br />
Wochenschrift 2004, 157).<br />
[105] So veræffentlichte das Deutsche Krebsforschungszentrum <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />
mit dem Institut fçr Epidemiologie <strong>und</strong> Sozialmediz<strong>in</strong><br />
der Universitåt Mçnster <strong>und</strong> dem Hygiene-Institut des Universitåtskl<strong>in</strong>ikums<br />
Heidelberg im Jahre 2005 erstmals Zahlen fçr die durch Passivrauchen<br />
erhæhte Sterblichkeit der nicht rauchenden Bevælkerung <strong>in</strong><br />
Deutschland auf Gr<strong>und</strong> von Lungenkrebs, chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen,<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen <strong>und</strong> plætzlichem<br />
K<strong>in</strong>dstod. Nach dieser als konservativ e<strong>in</strong>geschåtzten Berechnung versterben<br />
<strong>in</strong> Deutschland jåhrlich çber 3300 Nichtraucher an den Folgen<br />
des Passivrauchens. Beståtigt werden diese Gefahren durch die E<strong>in</strong>schåtzung,<br />
wonach Passivrauchen weltweit die drittwichtigste vermeidbare<br />
Todesursache darstellen soll (vgl. Raupach/Radon/Nowak/Andreas,<br />
Passivrauchen: Ges<strong>und</strong>heitliche Folgen, Effekte e<strong>in</strong>er Expositionskarenz<br />
<strong>und</strong> Pråventionsaspekte, Pneumologie 2008, 44).<br />
[106] Im Rahmen se<strong>in</strong>er fçr die vorliegenden Verfahren abgegebenen<br />
Stellungnahmen fçhrt das Deutsche Krebsforschungszentrum ferner an,<br />
dass h<strong>in</strong>sichtlich der Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdung durch Passivrauchen nationaler<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationaler Konsens bestehe. Der <strong>in</strong> die Raumluft<br />
durch das Glimmen abgegebene Nebenstromrauch von Tabakprodukten<br />
enthalte <strong>in</strong> deutlich hæherer Konzentration die gleichen giftigen <strong>und</strong><br />
krebserregenden Substanzen wie der ± vom Raucher e<strong>in</strong>gezogene <strong>und</strong><br />
wieder ausgeatmete ± Hauptstromrauch. Das Aktionsbçndnis Nichtrauchen<br />
verweist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Stellungnahme auf wissenschaftliche Belege<br />
fçr mehr als 40 im Tabakrauch enthaltene Substanzen, die erwiesenermaûen<br />
genschådigend <strong>und</strong> krebserregend seien. Fçr die genschådigen-<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm i<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
8 NJW 2008_37<strong>14</strong>3_1<br />
den <strong>und</strong> krebserregenden chemischen Stoffe im Tabakrauch gebe es<br />
ke<strong>in</strong>e Schwellendosis, unterhalb derer diese Stoffe unschådlich seien.<br />
[107] Die Deutsche Gesellschaft fçr Arbeitsmediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> Umweltmediz<strong>in</strong><br />
kommt <strong>in</strong> ihrer Stellungnahme zu dem Schluss, aus den Ergebnissen<br />
der epidemiologischen Studien <strong>und</strong> der nachgewiesenen Expositions-<br />
Wirkungs-Beziehungen lasse sich ableiten, dass Tabakrauchexposition<br />
das Risiko fçr Lungenkrebs im Vergleich zu nicht tabakrauchexponierten<br />
Personen um 20% bis 30% erhæhe. Das Aktionsbçndnis Nichtrauchen<br />
erlåutert hierzu weiter, die Annahme, e<strong>in</strong> kausaler Nachweis<br />
zwischen dem Passivrauchen <strong>und</strong> dem E<strong>in</strong>tritt e<strong>in</strong>er ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Bee<strong>in</strong>tråchtigung sei im E<strong>in</strong>zelfall nicht zu fçhren, sei nachweislich<br />
unzutreffend. Alle nationalen <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationalen Gremien bejahten die<br />
Frage, ob Passivrauchen ges<strong>und</strong>heitsschådlich sei <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere das<br />
Risiko fçr Lungenkrebs erhæhe.<br />
[108] Zudem hat auch die Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO) die<br />
wissenschaftlichen Erkenntnisse çber die Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdungen<br />
durch Passivrauchen zum Anlass genommen, auf e<strong>in</strong>er Konferenz der<br />
Vertragsparteien im Jahre 2007 Leitl<strong>in</strong>ien zum Schutz vor Passivrauchen<br />
zu verabschieden.<br />
[109] (b) Die Annahme der Landesgesetzgeber, gerade <strong>in</strong><br />
<strong>Gastståtten</strong> sei von e<strong>in</strong>er besonderen Gefåhrdung der Gåste<br />
<strong>und</strong> der Beschåftigten durch Passivrauchen auszugehen,<br />
stçtzt sich ebenfalls auf h<strong>in</strong>reichende tatsåchliche Gr<strong>und</strong>lagen.<br />
[110] So ist nach den im Jahre 2007 veræffentlichten Ergebnissen<br />
e<strong>in</strong>es unter Federfçhrung des Bayerischen Landesamts fçr Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Lebensmittelsicherheit durchgefçhrten Forschungsprojekts zur ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Bedeutung der Tabakrauchbelastung <strong>in</strong> æffentlich zugånglichen<br />
E<strong>in</strong>richtungen (abrufbar unter http:/www.lgl.bayern.de/ges<strong>und</strong>heit/umweltmediz<strong>in</strong>/tabakrauchbelastung.htm)<br />
die Belastung der<br />
Raumluft von Gastronomiebetrieben mit toxischen <strong>und</strong> krebserzeugenden<br />
Substanzen aus dem Tabakrauch erheblich <strong>und</strong> stellt e<strong>in</strong>e Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdung<br />
fçr Gåste <strong>und</strong> Beschåftigte dar. In allen Gastronomiebetrieben<br />
gleich welcher Kategorie ± ob Restaurant, Kneipe oder Diskothek<br />
± seien hohe Konzentrationen ges<strong>und</strong>heitsschådlicher Substanzen<br />
nachgewiesen worden. Diese Erkenntnisse werden durch das Deutsche<br />
Krebsforschungszentrum beståtigt (Deutsches Krebsforschungszentrum<br />
[Hrsg.], Erhæhtes Ges<strong>und</strong>heitsrisiko fçr Beschåftigte <strong>in</strong> der<br />
Gastronomie durch Passivrauchen am Arbeitsplatz, 2007). Danach sollen<br />
Beschåftigte <strong>in</strong> der Gastronomie als Folgeschåden unter akuten<br />
Ges<strong>und</strong>heitsstærungen bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er verånderten Lungenfunktion<br />
leiden. Als langfristige Ges<strong>und</strong>heitsbedrohung benennt der Report e<strong>in</strong>e<br />
Risikoerhæhung fçr Herz-Kreislauf-Erkrankungen <strong>und</strong> Lungenkrebs.<br />
Wåhrend <strong>in</strong> der Normalbevælkerung drei von 10 000 Personen an<br />
durch Tabakrauchbelastung verursachtem Lungenkrebs versterben, sollen<br />
dies unter den 40 Jahre lang <strong>in</strong> der Gastronomie Beschåftigten 41<br />
von 10 000 Personen se<strong>in</strong>.<br />
[111] (c) Der Annahme e<strong>in</strong>es h<strong>in</strong>reichenden legitimen Ziels<br />
steht nicht entgegen, dass Prof. Dr. Gerhard Scherer bei<br />
se<strong>in</strong>er Anhærung als sachk<strong>und</strong>ige Auskunftsperson die Auffassung<br />
vertreten hat, die Ges<strong>und</strong>heitsgefahren durch Passivrauchbelastung<br />
seien relativ ger<strong>in</strong>g <strong>und</strong> teilweise nicht nachweisbar,<br />
weshalb e<strong>in</strong>e ¹Nullexposition`` weder praktikabel<br />
noch notwendig sei. Angesichts der geschilderten, <strong>in</strong> der<br />
Wissenschaft ersichtlich ganz çberwiegend vertretenen Gegenme<strong>in</strong>ung<br />
ist die E<strong>in</strong>schåtzung der Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdung<br />
durch die Landesgesetzgeber vertretbar <strong>und</strong> nicht offensichtlich<br />
unrichtig. Schon die Schwere der drohenden ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Schådigungen <strong>und</strong> das hohe Gewicht, das dem Schutz<br />
des menschlichen Lebens <strong>und</strong> der menschlichen Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>in</strong> der Werteordnung des Gr<strong>und</strong>gesetzes zukommt (vgl.<br />
BVerfGE 110, <strong>14</strong>1 [163] = NVwZ 2004, 597), sprechen<br />
dafçr, selbst bei nicht vællig çbere<strong>in</strong>stimmenden Positionen<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Wissenschaft e<strong>in</strong>e ausreichende tatsåchliche<br />
Gr<strong>und</strong>lage fçr den Schutz vor Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdungen<br />
durch Passivrauchen als Geme<strong>in</strong>wohlbelang anzuerkennen.<br />
Das BVerfG hat auch bereits <strong>in</strong> der Vergangenheit die damals<br />
vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse als ausreichend<br />
angesehen, um sie zur Gr<strong>und</strong>lage fçr E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong><br />
die Freiheit der Berufsausçbung zum Schutz vor Ges<strong>und</strong>-<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm<br />
i
2008_37<strong>14</strong>3_1 NJW 9<br />
heitsgefåhrdungen durch Passivrauchen zu machen (vgl.<br />
BVerfGE 95, 173 [184 f.] = NJW 1997, 2871; zu Warnh<strong>in</strong>weisen<br />
auf Packungen von Tabakerzeugnissen).<br />
[1<strong>12</strong>] (3) Es bestand auch h<strong>in</strong>reichender Anlass fçr das Tåtigwerden<br />
der Gesetzgeber. Hierbei kann offenbleiben, ob zur Rechtfertigung des<br />
E<strong>in</strong>griffs <strong>in</strong> die Berufsfreiheit zunåchst e<strong>in</strong> kooperatives Modell mit<br />
e<strong>in</strong>er Selbstverpflichtung des Gastronomiegewerbes, fçr Nichtraucher<br />
e<strong>in</strong>e ausreichende Zahl von Plåtzen bereitzustellen, çberhaupt versucht<br />
werden musste; denn diesen Ansatz durften die Landesgesetzgeber<br />
jedenfalls als gescheitert betrachten. Die Vorgaben fçr die E<strong>in</strong>richtung<br />
von Nichtraucherbereichen <strong>in</strong> Speisegastståtten, die zwischen dem B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium<br />
fçr Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziale Sicherung <strong>und</strong> dem Deutschen<br />
Hotel- <strong>und</strong> <strong>Gastståtten</strong>verband (DEHOGA B<strong>und</strong>esverband) am<br />
1. 3. 2005 vere<strong>in</strong>bart wurden, s<strong>in</strong>d bereits auf der ersten der drei vorgesehenen<br />
Stufen deutlich verfehlt worden. Nachdem die durch das<br />
M<strong>in</strong>isterium veranlasste Ûberprçfung ergeben hatte, dass Anfang 2007<br />
nicht die vere<strong>in</strong>barten 30%, sondern nur 15,5% der betroffenen <strong>Gastståtten</strong><br />
nur 10,9% <strong>und</strong> nicht wie vere<strong>in</strong>bart 30% der Plåtze <strong>in</strong> der<br />
gebotenen Weise fçr Nichtraucher bereithielten, gab es ke<strong>in</strong>en Gr<strong>und</strong>,<br />
mit e<strong>in</strong>er gesetzlichen Regelung weiter zuzuwarten.<br />
[113] cc) Zum Schutz vor Gefåhrdungen der Ges<strong>und</strong>heit<br />
durch Passivrauchen s<strong>in</strong>d gesetzliche Rauchverbote <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong><br />
geeignet <strong>und</strong> erforderlich.<br />
[1<strong>14</strong>] (1) Fçr die Eignung reicht es aus, wenn durch die<br />
Berufsausçbungsregelung der gewçnschte Erfolg gefærdert<br />
werden kann. Es gençgt mith<strong>in</strong> bereits die Mæglichkeit e<strong>in</strong>er<br />
Zweckerreichung (vgl. BVerfGE 96, 10 [23] = NJW 1998,<br />
524; BVerfGE 100, 313 [373] = NJW 2000, 55; BVerfGE<br />
103, 293 [307] = NZA 2001, 777; BVerfGE 117, 163<br />
[188 f.] = NJW 2007, 979). Diese ist zu bejahen, weil e<strong>in</strong><br />
Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> zu e<strong>in</strong>er Verm<strong>in</strong>derung der Tabakrauchexposition<br />
beitrågt <strong>und</strong> damit das Ausmaû des Passivrauchens<br />
sowie die mit ihm verb<strong>und</strong>enen Ges<strong>und</strong>heitsrisiken<br />
reduziert werden.<br />
[115] (2) Da e<strong>in</strong> anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit<br />
weniger e<strong>in</strong>schrånkendes Mittel nicht zur Verfçgung<br />
steht, s<strong>in</strong>d die gesetzlichen Rauchverbote auch erforderlich<br />
(vgl. BVerfGE 80, 1 [30] = BVerwGE 80, 1 = NVwZ<br />
1989, 850; BVerfGE 117, 163 [189] = NJW 2007, 979). Es<br />
begegnet <strong>in</strong>sbesondere ke<strong>in</strong>en verfassungsrechtlichen Bedenken,<br />
dass die Gesetzgeber e<strong>in</strong>e Verpflichtung der Gastwirte,<br />
lediglich zwischen e<strong>in</strong>em Betrieb ihres Lokals entweder als<br />
Raucher- oder Nichtrauchergastståtte verb<strong>in</strong>dlich zu wåhlen,<br />
nicht als <strong>in</strong> gleicher Weise wirksam wie e<strong>in</strong> gesetzliches<br />
Rauchverbot e<strong>in</strong>geschåtzt haben. Namentlich die Erfahrungen<br />
mit der gescheiterten Umsetzung der Zielvere<strong>in</strong>barung<br />
mit dem DEHOGA B<strong>und</strong>esverband legen die Annahme nahe,<br />
dass die çberwiegende Zahl der <strong>Gastståtten</strong>betreiber mit<br />
Rçcksicht auf ihre geschåftlichen Interessen nicht bereit ist,<br />
die Attraktivitåt ihres Lokals fçr rauchende Gåste zu schmålern.<br />
Die Gesetzgeber durften daher auf der Gr<strong>und</strong>lage des<br />
ihnen auch hier zukommenden E<strong>in</strong>schåtzungs- <strong>und</strong> Prognosespielraums<br />
(vgl. BVerfGE 110, <strong>14</strong>1 [157 f.] = NVwZ<br />
2004, 597; BVerfGE 117, 163 [189] = NJW 2007, 979)<br />
davon ausgehen, dass bei e<strong>in</strong>er den <strong>Gastståtten</strong>betreibern<br />
çberlassenen freien Entscheidung çber die Ausrichtung ihrer<br />
Gastståtte als Raucher- oder Nichtraucherlokal mit Blick auf<br />
den erstrebten Ges<strong>und</strong>heitsschutz ke<strong>in</strong> Angebot fçr Nichtraucher<br />
zur Verfçgung stehen wird, das ihrem Anteil an der<br />
Gesamtbevælkerung <strong>in</strong> h<strong>in</strong>reichendem Maûe Rechnung<br />
trågt.<br />
[116] dd) Die angegriffenen Regelungen s<strong>in</strong>d jedoch nicht<br />
verhåltnismåûig im engeren S<strong>in</strong>ne; denn sie belasten <strong>in</strong> unzumutbarer<br />
Weise die Betreiber kle<strong>in</strong>erer E<strong>in</strong>raumgastståtten<br />
mit getrånkegeprågtem Angebot.<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm i<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
10 NJW 2008_37<strong>14</strong>3_1<br />
[117] (1) Trifft der Gesetzgeber Regelungen, die <strong>in</strong> die<br />
Freiheit der Berufsausçbung e<strong>in</strong>greifen, so muss bei e<strong>in</strong>er<br />
Gesamtabwågung zwischen der Schwere des E<strong>in</strong>griffs <strong>und</strong><br />
dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Grçnde die Grenze<br />
des Zumutbaren gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 102, 197<br />
[220] = NVwZ 2001, 790; BVerfGE 1<strong>12</strong>, 255 [267] = NJW<br />
2005, <strong>14</strong>83).<br />
[118] (a) E<strong>in</strong> Rauchverbot fçr <strong>Gastståtten</strong> stellt e<strong>in</strong>en<br />
schwerwiegenden E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die freie Berufsausçbung der<br />
Gastwirte dar. Da der Betreiber das Rauchen <strong>in</strong> den Råumen<br />
se<strong>in</strong>er Gastståtte nicht mehr erlauben darf, kann er mit<br />
se<strong>in</strong>en Angeboten <strong>in</strong>sbesondere an Speisen <strong>und</strong> Getrånken<br />
die Raucher unter se<strong>in</strong>en mæglichen Gåsten nur noch schwer<br />
oder, wenn diese auf das Rauchen <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> ke<strong>in</strong>esfalls<br />
verzichten mæchten, nicht mehr erreichen. Viele Raucher<br />
werden ± zum<strong>in</strong>dest vorçbergehend ± <strong>Gastståtten</strong> seltener<br />
aufsuchen oder die Dauer ihres Besuchs abkçrzen, weil der<br />
Aufenthalt fçr sie durch das Rauchverbot erheblich an Attraktivitåt<br />
verloren hat. In Anbetracht e<strong>in</strong>es Raucheranteils<br />
von 33,9% unter der erwachsenen Bevælkerung <strong>in</strong> Deutschland<br />
(vgl. Drogen- <strong>und</strong> Suchtbericht der Drogenbeauftragten<br />
der B<strong>und</strong>esregierung, Mai 2008, 38) kann dies je nach Ausrichtung<br />
der gastronomischen Angebote <strong>und</strong> der damit angesprochenen<br />
Besucherkreise fçr die Betreiber der <strong>Gastståtten</strong><br />
zu empf<strong>in</strong>dlichen Umsatzrçckgången fçhren.<br />
Beståtigt wird dies durch die Untersuchung des Statistischen B<strong>und</strong>esamts,<br />
nach der die Umsatzrçckgånge des <strong>Gastståtten</strong>gewerbes ± <strong>in</strong>sbesondere<br />
der getrånkegeprågten Gastronomie ± <strong>in</strong> den B<strong>und</strong>eslåndern<br />
mit Rauchverbot deutlich stårker waren als <strong>in</strong> den Låndern, <strong>in</strong> denen<br />
fçr <strong>Gastståtten</strong> noch ke<strong>in</strong>e Rauchverbote galten (vgl. Pressemitt. des<br />
Stat. B<strong>und</strong>esamts vom 6. 6. 2008 ± 207/08). Selbst wenn die Berichte<br />
aus Staaten mit bereits långer geltenden Rauchverboten çber e<strong>in</strong>e Erholung<br />
oder sogar Verbesserung des Umsatzes zutreffend se<strong>in</strong> <strong>und</strong> sich<br />
auch fçr Deutschland beståtigen sollten, mçssten die Betreiber von<br />
<strong>Gastståtten</strong> bis zu dieser Entwicklung çber e<strong>in</strong>e långere Zeit ger<strong>in</strong>gere<br />
E<strong>in</strong>nahmen h<strong>in</strong>nehmen. Schon das kann zu e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schrånkung oder<br />
sogar zur Schlieûung des Geschåftsbetriebs zw<strong>in</strong>gen.<br />
[119] (b) Dem steht allerd<strong>in</strong>gs gegençber, dass mit Rauchverboten<br />
<strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> çberragend wichtige Geme<strong>in</strong>wohlbelange<br />
verfolgt werden. Dies gilt zunåchst fçr den Schutz<br />
der Ges<strong>und</strong>heit der Bevælkerung, dem <strong>in</strong> der Werteordnung<br />
des Gr<strong>und</strong>gesetzes e<strong>in</strong> hohes Gewicht zukommt (vgl.<br />
BVerfGE 110, <strong>14</strong>1 [163] = NVwZ 2004, 597). Aus <strong>Art</strong>. 2 II<br />
<strong>GG</strong> kann daher e<strong>in</strong>e Schutzpflicht des Staates folgen, die<br />
e<strong>in</strong>e Risikovorsorge gegen Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdungen umfasst<br />
(vgl. BVerfGE 56, 54 [78] = NJW 1981, 1655). Angesichts<br />
der Zahl der Todesfålle, die sich nach wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen auf Erkrankungen durch Passivrauchen<br />
zurçckfçhren lassen, ist zudem auch der Schutz des menschlichen<br />
Lebens betroffen. Die Verfassung begrçndet auch <strong>in</strong>soweit<br />
e<strong>in</strong>e Schutzpflicht des Staates, die es ihm gebietet,<br />
sich schçtzend <strong>und</strong> færdernd vor das Leben jedes E<strong>in</strong>zelnen<br />
zu stellen (vgl. BVerfGE 39, 1 [42] = NJW 1975, 573;<br />
BVerfGE 46, 160 [164] = NJW 1977, 2255; BVerfGE 115,<br />
118 [152] = NJW 2006, 751). Die Annahme e<strong>in</strong>er betråchtlichen<br />
Gefåhrdung dieser Rechtsgçter begegnet ke<strong>in</strong>en verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken, weil sich die Landesgesetzgeber<br />
<strong>in</strong>soweit der <strong>in</strong> der Wissenschaft vorherrschenden E<strong>in</strong>schåtzung<br />
anschlieûen kænnen, wonach Tabakrauch auch<br />
bereits <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gsten Mengen wegen der enthaltenen gentoxischen<br />
Kanzerogene ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdend sei (vgl. oben<br />
B I 1 b bb [2] [a] [Rdnrn. 104 ff.).<br />
[<strong>12</strong>0] (2) Es ist Sache des Gesetzgebers, <strong>in</strong> Bezug auf den<br />
jeweiligen Lebensbereich darçber zu entscheiden, ob, mit<br />
welchem Schutzniveau <strong>und</strong> auf welche Weise Situationen<br />
entgegengewirkt werden soll, die nach se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schåtzung<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm i<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
2008_37<strong>14</strong>3_1 NJW 11<br />
zu Schåden fçhren kænnen (vgl. BVerfGE 110, <strong>14</strong>1 [159] =<br />
NVwZ 2004, 597; vgl. auch BVerfGE 111, 10 [38 = NJW<br />
2004, 2363, 43]). Hierbei kommt ihm gr<strong>und</strong>såtzlich e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>schåtzungs-,<br />
Wertungs- <strong>und</strong> Gestaltungsspielraum zu (vgl.<br />
BVerfGE 96, 56 [64] = NJW 1997, 1769). Dies ermæglicht<br />
es dem Gesetzgeber, bei se<strong>in</strong>er Wahl fçr e<strong>in</strong> Schutzkonzept<br />
auch Interessen zu berçcksichtigen, die gegenlåufig zu dem<br />
von ihm verfolgten Geme<strong>in</strong>wohlziel s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> so e<strong>in</strong>e Læsung<br />
durch Zuordnung <strong>und</strong> Abwågung kollidierender Rechtsgçter<br />
zu entwickeln. Soweit sich nicht <strong>in</strong> seltenen Ausnahmefållen<br />
der Verfassung e<strong>in</strong>e konkrete Schutzpflicht entnehmen låsst,<br />
die zu e<strong>in</strong>em bestimmten Tåtigwerden zw<strong>in</strong>gt, bleibt die<br />
Aufstellung <strong>und</strong> normative Umsetzung e<strong>in</strong>es Schutzkonzepts<br />
dem Gesetzgeber als dem dafçr zuståndigen staatlichen Organ<br />
çberlassen.<br />
[<strong>12</strong>1] (3) Auf der Gr<strong>und</strong>lage der ihm zuzubilligenden Spielråume<br />
wåre der Gesetzgeber nicht geh<strong>in</strong>dert, dem Ges<strong>und</strong>heitsschutz<br />
gegençber den damit bee<strong>in</strong>tråchtigten Freiheitsrechten,<br />
<strong>in</strong>sbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte <strong>und</strong><br />
der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang e<strong>in</strong>zuråumen<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong> striktes Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> zu verhången.<br />
[<strong>12</strong>2] (a) Da die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> erst recht das menschliche<br />
Leben zu den besonders hohen Gçtern zåhlen, darf ihr<br />
Schutz auch mit Mitteln angestrebt werden, die <strong>in</strong> das<br />
Gr<strong>und</strong>recht der Berufsfreiheit empf<strong>in</strong>dlich e<strong>in</strong>greifen (vgl.<br />
BVerfGE 17, 269 [276] = NJW 1964, 1175; BVerfGE 85,<br />
248 [261] = NJW 1992, 2341; BVerfGE 107, 186 [196] =<br />
NJW 2003, 1027). Der Gesetzgeber ist daher von Verfassungs<br />
wegen nicht gehalten, mit Rçcksicht auf die Berufsfreiheit<br />
der Betreiber von <strong>Gastståtten</strong> Ausnahmen von e<strong>in</strong>em<br />
Rauchverbot fçr <strong>Gastståtten</strong>betriebe <strong>in</strong> Gebåuden <strong>und</strong> vollståndig<br />
umschlossenen Råumen zuzulassen. Er kann sich<br />
vielmehr fçr e<strong>in</strong> Konzept des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es entscheiden,<br />
das e<strong>in</strong>er mæglichst groûen Reichweite <strong>und</strong> Effizienz des<br />
Schutzes vor den Gefahren des Passivrauchens Prioritåt gibt.<br />
Werden nåmlich Ausnahmen vom Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong><br />
<strong>in</strong>sbesondere fçr Raucherråume oder die Zeltgastronomie<br />
zugelassen, so bedeutet dies e<strong>in</strong>en teilweisen Verzicht auf<br />
das an sich angestrebte Ziel des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes. Um<br />
die ansonsten drohende ¹deutliche Reduzierung des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es``<br />
zu vermeiden, hat etwa der B<strong>und</strong>esgesetzgeber<br />
<strong>in</strong> § 1 III 2 des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren<br />
des Passivrauchens (vom 20. 7. 2007, BGBl I, 1595) fçr die<br />
Verkehrsmittel des æffentlichen Personenverkehrs, also <strong>in</strong>sbesondere<br />
fçr Eisenbahnen, Straûenbahnen, Omnibusse <strong>und</strong><br />
Flugzeuge, ke<strong>in</strong>e Ausnahmen vom Rauchverbot zugelassen<br />
(vgl. BT-Dr 16/5049, S. 9).<br />
[<strong>12</strong>3] (b) Entscheidet sich der Gesetzgeber wegen des hohen<br />
Rangs der zu schçtzenden Rechtsgçter fçr e<strong>in</strong> striktes<br />
Rauchverbot, so mçssen hiervon auch solche <strong>Gastståtten</strong><br />
nicht ausgenommen werden, die auf Gr<strong>und</strong> der ger<strong>in</strong>gen<br />
Zahl der Gåsteplåtze der Kle<strong>in</strong>gastronomie zuzurechnen<br />
s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> deren Angebot durch den Ausschank von Getrånken<br />
geprågt ist (¹Eckkneipen``).<br />
[<strong>12</strong>4] Zwar kann e<strong>in</strong> die Berufsfreiheit beschrånkendes Gesetz,<br />
das als solches dem Gr<strong>und</strong>satz der Verhåltnismåûigkeit<br />
entspricht, <strong>in</strong>soweit gegen <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I i. V. mit <strong>Art</strong>. 3 I <strong>GG</strong><br />
verstoûen, als bei der Regelung Ungleichheiten nicht berçcksichtigt<br />
wurden, die typischerweise <strong>in</strong>nerhalb der betroffenen<br />
Berufsgruppe bestehen. Dies ist anzunehmen, wenn Gruppenangehærige<br />
nicht nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen, aus dem Rahmen fallenden<br />
Sonderkonstellationen, sondern <strong>in</strong> bestimmten, wenn<br />
auch zahlenmåûig begrenzten typischen Fållen ohne zureichende<br />
sachliche Grçnde verhåltnismåûig stårker belastet<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm<br />
i
<strong>12</strong> NJW 2008_37<strong>14</strong>3_1<br />
werden als andere (vgl. BVerfGE 25, 236 [251] = NJW<br />
1969, 1571; BVerfGE 30, 292 [327] = NJW 1971, <strong>12</strong>55;<br />
BVerfGE 59, 336 [356] = NJW 1982, 1509; BVerfGE 68,<br />
155 [173] = NJW 1985, 963; BVerfGE 77, 84 [113] = NJW<br />
1988, 1195). Der Gesetzgeber kann dann gehalten se<strong>in</strong>, den<br />
unterschiedlichen Auswirkungen e<strong>in</strong>er gesetzlichen Regelung<br />
durch Hårteregelungen oder weitere Differenzierungen wie<br />
Ausnahmetatbestånden Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE<br />
34, 71 [80] = NJW 1972, 2261).<br />
[<strong>12</strong>5] Es bedarf jedoch an dieser Stelle ke<strong>in</strong>er Entscheidung,<br />
ob diese Voraussetzungen e<strong>in</strong>er besonderen Betroffenheit<br />
fçr kle<strong>in</strong>ere E<strong>in</strong>raumgastståtten erfçllt s<strong>in</strong>d. Denn e<strong>in</strong>e<br />
stårkere Belastung dieser Gruppe, e<strong>in</strong>schlieûlich der Gefåhrdung<br />
ihrer wirtschaftlichen Existenz, ist durch h<strong>in</strong>reichende<br />
sachliche Grçnde gerechtfertigt, weshalb e<strong>in</strong>e differenzierende<br />
Regelung nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 34, 71<br />
[79] = NJW 1972, 2261). Auf e<strong>in</strong>e Ausnahme fçr die Kle<strong>in</strong>gastronomie<br />
muss sich der Gesetzgeber nicht e<strong>in</strong>lassen,<br />
wenn er das Konzept e<strong>in</strong>es strikten Rauchverbots wåhlt.<br />
Denn dies håtte zur Folge, dass entgegen der ± von der<br />
Werteordnung des Gr<strong>und</strong>gesetzes gedeckten ± Regelungskonzeption<br />
des Gesetzgebers <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nicht unwesentlichen<br />
Teil des <strong>Gastståtten</strong>gewerbes auf den Schutz der Bevælkerung<br />
vor den Gefahren des Passivrauchens gånzlich <strong>und</strong> auf Dauer<br />
verzichtet werden mçsste. Auch die besonderen beruflichen<br />
<strong>und</strong> wirtschaftlichen Interessen der Betreiber von kle<strong>in</strong>en<br />
<strong>Gastståtten</strong> kænnen den Gesetzgeber jedoch nicht zw<strong>in</strong>gen,<br />
se<strong>in</strong>en Entschluss zur strikten Verfolgung çberragend wichtiger<br />
Geme<strong>in</strong>wohlbelange <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nicht unerheblichen Gefåhrdungsbereich<br />
vællig aufzugeben.<br />
[<strong>12</strong>6] (c) Auch wenn die Interessen der rauchwilligen Gåste<br />
<strong>in</strong> den Blick genommen werden, ist e<strong>in</strong> striktes Rauchverbot<br />
<strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> nicht unverhåltnismåûig. Zwar fçhrt das<br />
Rauchverbot zu e<strong>in</strong>er nicht unwesentlichen Bee<strong>in</strong>tråchtigung<br />
der Raucher, weil ihnen der Aufenthalt <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> durch<br />
den erzwungenen Verzicht auf das Tabakrauchen erschwert<br />
wird <strong>und</strong> der Besuch von <strong>Gastståtten</strong> zudem e<strong>in</strong>en nicht<br />
unwesentlichen Aspekt der Teilnahme am gesellschaftlichen<br />
Leben darstellt. Diese Bee<strong>in</strong>tråchtigung der Verhaltensfreiheit<br />
der Raucher (<strong>Art</strong>. 2 I <strong>GG</strong>) ersche<strong>in</strong>t jedoch wegen der<br />
herausragenden Bedeutung des mit dem Rauchverbot verfolgten<br />
Schutzziels nicht unangemessen, zumal die Mæglichkeit<br />
bleibt, e<strong>in</strong>e Gastståtte zum Rauchen vorçbergehend zu<br />
verlassen. Die Raucher werden hierbei nicht <strong>in</strong> unzulåssiger<br />
Weise bevorm<strong>und</strong>et, ihnen wird <strong>in</strong>sbesondere ke<strong>in</strong> Schutz<br />
vor Selbstgefåhrdung aufgedrångt (vgl. BVerfGE 59, 275<br />
[278 f.] = NJW 1982, <strong>12</strong>76). Die Landesnichtraucherschutzgesetze<br />
zielen weder auf Suchtpråvention noch auf den<br />
Schutz des E<strong>in</strong>zelnen vor sich selbst. Ihr Ziel ist vielmehr der<br />
Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens (vgl. § 1 I 2<br />
BadWçrttNRSG; § 1 BerlNRSG). Es geht um den Schutz der<br />
Ges<strong>und</strong>heit nicht des Rauchers, sondern der Ges<strong>und</strong>heit der<br />
anderen Personen, die <strong>in</strong> der jeweiligen Situation nicht selbst<br />
rauchen.<br />
[<strong>12</strong>7] Ebenso wenig wird den Nichtrauchern unter den<br />
<strong>Gastståtten</strong>besuchern der Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens<br />
aufgedrångt. Die gesetzliche Regelung trågt lediglich<br />
dem Umstand Rechnung, dass ihnen, solange es ke<strong>in</strong>e<br />
ausreichende Zahl von Plåtzen <strong>in</strong> rauchfreien Gastråumen<br />
gibt, ke<strong>in</strong>e andere Wahl bleibt, als bei dem Besuch e<strong>in</strong>er<br />
Gastståtte e<strong>in</strong>e Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdung durch Passivrauchen<br />
h<strong>in</strong>zunehmen (vgl. oben B I 1 b bb [1] [Rdnr. 102]). Nichtraucher<br />
sollen <strong>in</strong> diesem Bereich des gesellschaftlichen Lebens<br />
nicht nur um den Preis der Gefåhrdung ihrer Ges<strong>und</strong>heit<br />
teilnehmen kænnen.<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm i<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
2008_37<strong>14</strong>3_1 NJW 13<br />
[<strong>12</strong>8] (4) Zu e<strong>in</strong>em anderen Ergebnis fçhrt die Verhåltnismåûigkeitsprçfung<br />
jedoch, wenn ke<strong>in</strong> striktes Rauchverbot<br />
zur Entscheidung steht, sondern ± wie von den Landesgesetzgebern<br />
<strong>in</strong> den vorliegenden Fållen ± fçr den Schutz vor den<br />
Gefåhrdungen durch Passivrauchen e<strong>in</strong>e Konzeption gewåhlt<br />
wurde, bei der den Belangen der <strong>Gastståtten</strong>betreiber <strong>und</strong><br />
der Raucher stårkeres Gewicht beigelegt wird <strong>und</strong> mit Rçcksicht<br />
hierauf das Ziel des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes relativiert <strong>und</strong><br />
damit teilweise zurçckgenommen ist.<br />
[<strong>12</strong>9] (a) Zwar håtte der Gesetzgeber, wie ausgefçhrt (vgl.<br />
oben B I 1 b dd [3] [Rdnrn. <strong>12</strong>1 ff.]), die gegenlåufigen Interessen<br />
der <strong>Gastståtten</strong>betreiber <strong>und</strong> der Raucher im Ergebnis<br />
auch vollståndig zurçcktreten lassen dçrfen. Dies h<strong>in</strong>dert ihn<br />
angesichts des ihm zukommenden E<strong>in</strong>schåtzungs-, Wertungs-<br />
<strong>und</strong> Gestaltungsspielraums jedoch nicht, e<strong>in</strong> Schutzkonzept<br />
zu wåhlen, bei dem der Schutz der Ges<strong>und</strong>heit der<br />
Nichtraucher im Ausgleich mit den Freiheitsrechten der<br />
<strong>Gastståtten</strong>betreiber <strong>und</strong> der Raucher weniger str<strong>in</strong>gent verfolgt<br />
wird. Dass die Landesgesetzgeber bei der Wahl e<strong>in</strong>es<br />
solchen Konzepts die zum Ausgleich zu br<strong>in</strong>genden Belange<br />
der Betr. <strong>in</strong> verfassungsrechtlich nicht vertretbarer Weise<br />
fehlerhaft bewertet håtten, ist nicht erkennbar.<br />
[130] Die Wahl e<strong>in</strong>es solchen Schutzkonzepts, das den Freiheitsrechten<br />
der <strong>Gastståtten</strong>betreiber <strong>und</strong> Raucher mehr<br />
Raum gewåhrt, bleibt allerd<strong>in</strong>gs nicht ohne Folgen fçr die<br />
Prçfung der Verhåltnismåûigkeit der gleichwohl noch verbleibenden<br />
Gr<strong>und</strong>rechtse<strong>in</strong>griffe. Denn mit ihrer Entscheidung<br />
fçr e<strong>in</strong> bestimmtes Konzept bewerten die Landesgesetzgeber<br />
die Vor- <strong>und</strong> Nachteile fçr die jeweils betroffenen<br />
Rechtsgçter <strong>und</strong> wågen diese h<strong>in</strong>sichtlich der Folgen fçr die<br />
verschiedenen betroffenen Rechtsgçter gegene<strong>in</strong>ander ab. In<br />
dieser H<strong>in</strong>sicht ist es der Gesetzgeber, der im Rahmen der<br />
verfassungsrechtlichen Vorgaben darçber bestimmt, mit welcher<br />
Wertigkeit die von ihm verfolgten Interessen der Allgeme<strong>in</strong>heit<br />
<strong>in</strong> die Verhåltnismåûigkeitsprçfung e<strong>in</strong>gehen<br />
(vgl. BVerfGE 115, 205 [234] = NVwZ 2006, 1041 = MMR<br />
2006, 375).<br />
[131] (b) In Baden-Wçrttemberg hat der Landesgesetzgeber<br />
durch § 7 I 1 BadWçrttNRSG zunåchst e<strong>in</strong> Rauchverbot<br />
fçr alle <strong>Gastståtten</strong> ausgesprochen, ohne nach deren<br />
Græûe, bisherigen Nutzung oder Eigenarten etwa des K<strong>und</strong>enstamms<br />
zu differenzieren. In § 7 I 3 BadWçrttNRSG<br />
werden dann jedoch Ausnahmen vom Rauchverbot fçr Zeltwirtschaften,<br />
die Auûengastronomie sowie das Reisegewerbe<br />
zugelassen. Schlieûlich wird durch § 7 II BadWçrttNRSG<br />
die Mæglichkeit e<strong>in</strong>geråumt, abgetrennte Raucherråume vorzuhalten.<br />
In Berl<strong>in</strong> gelten vergleichbare Bestimmungen. Dort<br />
gilt das Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> (§ 2 I Nr. 8 BerlNRSG)<br />
zwar auch fçr die Zeltgastronomie (vgl. § 2 II BerlNRSG),<br />
die E<strong>in</strong>richtung von Raucherråumen ist nach § 4 III 1<br />
BerlNRSG aber auch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zulåssig. Damit werden <strong>in</strong><br />
beiden Låndern praktisch bedeutsame Ausnahmen zugelassen<br />
<strong>und</strong> auf diese Weise das Ziel des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes<br />
mit verm<strong>in</strong>derter Intensitåt verfolgt.<br />
[132] Die E<strong>in</strong>buûen an Ges<strong>und</strong>heitsschutz werden bei der<br />
E<strong>in</strong>richtung von Raucherråumen deutlich. Låsst der Gesetzgeber<br />
diese Ausnahme vom Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> zu,<br />
so ist nicht auszuschlieûen, dass Raucherråume auch von<br />
nicht rauchenden Gåsten aufgesucht werden, die Rauchern<br />
dorth<strong>in</strong> folgen oder wegen vollståndig belegter Plåtze im<br />
Nichtraucherbereich nach dort ausweichen. Besonders betroffen<br />
s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche, die von ihren erwachsenen<br />
Begleitpersonen <strong>in</strong> Raucherråume mitgenommen werden<br />
<strong>und</strong> denen ± nach den hier zu beurteilenden <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetzen<br />
± der Aufenthalt dort nicht untersagt ist.<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm<br />
i
<strong>14</strong> NJW 2008_37<strong>14</strong>3_1<br />
Obgleich die Landesgesetzgeber nicht geh<strong>in</strong>dert s<strong>in</strong>d, auch<br />
den Ges<strong>und</strong>heitsschutz des <strong>Gastståtten</strong>personals als Geme<strong>in</strong>wohlziel<br />
zu verfolgen (vgl. oben B I 1 b aa [1] [Rdnr. 97]),<br />
werden auûerdem Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdungen fçr diejenigen<br />
Beschåftigten h<strong>in</strong>genommen, die Raucherråume <strong>in</strong>sbesondere<br />
zur Bedienung der Gåste betreten mçssen. Schlieûlich<br />
weisen wissenschaftliche Untersuchungen darauf h<strong>in</strong>, dass<br />
die Giftstoffe des Tabakrauchs, die sich <strong>in</strong> Raucherråumen<br />
verbreiten, nicht zuverlåssig von den angrenzenden rauchfreien<br />
Råumlichkeiten ferngehalten werden kænnen <strong>und</strong> mith<strong>in</strong><br />
auch die Personen <strong>in</strong> den Nichtraucherbereichen belasten<br />
(vgl. Blank/Pætschke-Langer, <strong>in</strong>: Deutsches Krebsforschungszentrum<br />
[Hrsg.], Erhæhtes Ges<strong>und</strong>heitsrisiko fçr Beschåftigte<br />
<strong>in</strong> der Gastronomie durch Passivrauchen am Arbeitsplatz,<br />
2007, S. 18).<br />
[133] Fçr Bier-, We<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Festzelte, die <strong>in</strong> Baden-Wçrttemberg<br />
vom Rauchverbot ausgenommen s<strong>in</strong>d (§ 7 I 3 BAd-<br />
WçrttNRSG), gilt im Ergebnis nichts anderes. Selbst wenn es<br />
sich ± was <strong>in</strong> Baden-Wçrttemberg allerd<strong>in</strong>gs im Gesetz nicht<br />
bestimmt ist ± nur um vorçbergehende, zeitlich begrenzte<br />
E<strong>in</strong>richtungen handeln sollte, stellt die generelle Ausnahme<br />
fçr die Zeltgastronomie e<strong>in</strong>e erhebliche E<strong>in</strong>schrånkung des<br />
<strong>Nichtraucherschutz</strong>es dar, weil Besucher dort çberhaupt<br />
ke<strong>in</strong>e Mæglichkeit haben, sich der Belastung mit Tabakrauch<br />
zu entziehen. Dabei ist nicht h<strong>in</strong>reichend sichergestellt, dass<br />
Zelte stets oder auch nur im Regelfall besser als Gebåude<br />
durchlçftet s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> daher die Tabakrauchexposition der<br />
Besucher deutlich ger<strong>in</strong>ger ausfållt.<br />
[134] (c) Diese Ausnahmen s<strong>in</strong>d von Verfassungs wegen<br />
nicht geboten (vgl. oben B I 1 b dd [2] [Rdnr. <strong>12</strong>0). Die<br />
Landesgesetzgeber haben sie auf Gr<strong>und</strong> eigener Wertungs<strong>und</strong><br />
Gestaltungsentscheidungen zugelassen <strong>und</strong> sich damit<br />
fçr Konzeptionen des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es entschieden, die<br />
das Schutzziel nicht unbed<strong>in</strong>gt verfolgen, sondern mit Rçcksicht<br />
auf kollidierende Interessen e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>geschrånkten, von<br />
verschiedenen Ausnahmetatbestånden durchzogenen Schutz<br />
als h<strong>in</strong>reichend ansehen. Die Gefahren durch Passivrauchen<br />
werden danach zwar als erheblich e<strong>in</strong>geschåtzt, aber ± verfassungsrechtlich<br />
vertretbar ± nicht als derart schwerwiegend<br />
bewertet, dass der Ges<strong>und</strong>heitsschutz <strong>in</strong> jeder H<strong>in</strong>sicht Vorrang<br />
vor e<strong>in</strong>er Berçcksichtigung der beruflichen Interessen<br />
der <strong>Gastståtten</strong>betreiber <strong>und</strong> der Verhaltensfreiheit der Raucher<br />
genieûen mçsste.<br />
[135] Die Landesgesetzgeber bleiben an ihre Entscheidung,<br />
mit welcher Intensitåt sie den <strong>Nichtraucherschutz</strong> im Konflikt<br />
mit den Belangen der <strong>Gastståtten</strong>betreiber <strong>und</strong> der Raucher<br />
verfolgen wollen, auch dann geb<strong>und</strong>en, wenn ± wie <strong>in</strong><br />
den vorliegenden Fållen ± die Zumutbarkeit des Rauchverbots<br />
fçr die Betreiber kle<strong>in</strong>erer E<strong>in</strong>raumgastståtten zu beurteilen<br />
ist. Hat sich der Gesetzgeber auf Gr<strong>und</strong> des ihm zukommenden<br />
Spielraums zu e<strong>in</strong>er bestimmten E<strong>in</strong>schåtzung<br />
des Gefahrenpotenzials entschlossen, auf dieser Gr<strong>und</strong>lage<br />
die betroffenen Interessen bewertet <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Regelungskonzept<br />
gewåhlt, so muss er diese Entscheidung auch folgerichtig<br />
weiterverfolgen. Gefahre<strong>in</strong>schåtzungen s<strong>in</strong>d nicht schlçssig,<br />
wenn identischen Gefåhrdungen <strong>in</strong> demselben Gesetz<br />
unterschiedliches Gewicht beigemessen wird (vgl. BVerfGE<br />
107, 186 [197] = NJW 2003, 1027).<br />
[136] (d) Haben hiernach die Landesgesetzgeber durch<br />
weitreichende Ausnahmevorschriften die aktuelle Bedeutung<br />
des von ihnen verfolgten legitimen Ziels des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes<br />
relativiert, <strong>in</strong>dem sie <strong>in</strong>sbesondere die Berçcksichtigung<br />
der Interessen der <strong>Gastståtten</strong>betreiber zulassen, so<br />
erlangen folgerichtig die spezifischen Auswirkungen des<br />
Rauchverbots fçr die getrånkegeprågte Kle<strong>in</strong>gastronomie im<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm<br />
i
2008_37<strong>14</strong>3_1 NJW 15<br />
Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwågung e<strong>in</strong> stårkeres<br />
Gewicht.<br />
[137] Diese Betriebe unterscheiden sich nicht nur durch<br />
e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Zahl von Sitzplåtzen sowie das vorwiegend an<br />
Getrånken <strong>und</strong> weniger an Speisen ausgerichtete Angebot<br />
von den çbrigen <strong>Gastståtten</strong>, sondern auch durch die besondere<br />
Gåstestruktur. Solche <strong>Gastståtten</strong> sprechen çberwiegend<br />
Stammgåste an, unter denen sich wiederum e<strong>in</strong>e vergleichsweise<br />
groûe Zahl von Rauchern bef<strong>in</strong>det. Der DE-<br />
HOGA B<strong>und</strong>esverband hat hierzu <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ergånzenden<br />
Stellungnahme auf Untersuchungen verwiesen, wonach <strong>in</strong><br />
solchen <strong>Gastståtten</strong> der Raucheranteil unter den Gåsten m<strong>in</strong>destens<br />
50% betrågt <strong>und</strong> <strong>in</strong> vielen Fållen mehr als drei<br />
Viertel erreicht. Da die Betreiber solcher <strong>Gastståtten</strong> auf<br />
Gr<strong>und</strong> der begrenzten råumlichen Kapazitåten regelmåûig<br />
ke<strong>in</strong>e Raucherråume anbieten kænnen, verlieren ihre Lokale<br />
fçr den von ihnen vorwiegend angesprochenen K<strong>und</strong>enkreis<br />
der rauchenden Gåste erheblich an Attraktivitåt. Es ist daher<br />
zu erwarten, dass zahlreiche Raucher solche <strong>Gastståtten</strong>, bei<br />
denen sie ihren Aufenthalt nicht mit Tabakrauchen verb<strong>in</strong>den<br />
kænnen, entweder nicht mehr aufsuchen oder aber die<br />
Dauer ihres Besuchs deutlich verkçrzen werden.<br />
[138] Die damit e<strong>in</strong>hergehenden Umsatzrçckgånge werden<br />
durch die bereits erwåhnte Untersuchung des Statistischen<br />
B<strong>und</strong>esamts (vgl. oben B I 1 b dd [1] [a] [Rdnr. 118]) zum<strong>in</strong>dest<br />
tendenziell belegt. Danach s<strong>in</strong>d die Umsåtze <strong>in</strong> der<br />
getrånkegeprågten Gastronomie, der die angesprochenen<br />
<strong>Gastståtten</strong> typischerweise zuzuordnen s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> den B<strong>und</strong>eslåndern<br />
mit Rauchverboten fçr <strong>Gastståtten</strong> deutlich stårker<br />
zurçckgegangen als <strong>in</strong> den Låndern, <strong>in</strong> denen Rauchverbote<br />
noch nicht <strong>in</strong> Kraft getreten waren.<br />
So standen im dritten Quartal 2007 Umsatzrçckgånge von 9,8% solchen<br />
von 6,8% gegençber, wåhrend im vierten Quartal desselben Jahres<br />
sogar Rçckgånge von <strong>14</strong>,1% gegençber solchen von 8,8% zu verzeichnen<br />
waren. Die Untersuchung belegt zugleich die besondere Betroffenheit<br />
der <strong>Gastståtten</strong>, die vorwiegend Getrånke anbieten; denn fçr die<br />
speisegeprågte Gastronomie hat derselbe Vergleich fçr das dritte Quartal<br />
ke<strong>in</strong>en <strong>und</strong> im vierten Quartal nur e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Umsatzrçckgang<br />
ergeben.<br />
[139] Beståtigt wird diese Entwicklung durch weitere Untersuchungen,<br />
die zusammen mit den e<strong>in</strong>geholten Stellungnahmen vorgelegt worden<br />
s<strong>in</strong>d. So hat die Nichtraucher-Initiative Deutschland auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong><br />
ihrem Auftrag im Januar 2007 durchgefçhrte Umfrage der GfK Marktforschung<br />
verwiesen, nach der zwei Drittel der befragten Raucher die<br />
Absicht bek<strong>und</strong>eten, håufiger (45,1%) oder ausschlieûlich (22,1%)<br />
Kneipen <strong>und</strong> Bars aufzusuchen, falls diese von e<strong>in</strong>em Rauchverbot<br />
ausgenommen wçrden. In dieselbe Richtung weisen die Ergebnisse e<strong>in</strong>er<br />
vom Verband der Deutschen Rauchtabak<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> Auftrag gegebenen<br />
Stammgastbefragung durch das Me<strong>in</strong>ungsforschungs<strong>in</strong>stitut tns-emnid.<br />
Danach s<strong>in</strong>d nach E<strong>in</strong>fçhrung des Rauchverbots nur 53% der befragten<br />
Raucher ihren Stammgastståtten, bei denen es sich um ¹E<strong>in</strong>raumkneipen``<br />
handelte, treu geblieben.<br />
[<strong>14</strong>0] Zudem liegt die Annahme nahe, dass durch die Zulassung<br />
von abgetrennten Raucherråumen weitere Gåste, die<br />
auf Rauchen nicht verzichten wollen, sich von den kle<strong>in</strong>eren<br />
<strong>Gastståtten</strong>, die solche Råume nicht e<strong>in</strong>richten kænnen, abwenden<br />
<strong>und</strong> nun græûere <strong>Gastståtten</strong> mit Raucherråumen<br />
besuchen.<br />
Nicht nur das Aktionsbçndnis Nichtrauchen hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Stellungnahme<br />
die Auffassung vertreten, e<strong>in</strong>e Abwanderungsbewegung von<br />
E<strong>in</strong>raumgastståtten <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> mit Raucherraum sei nicht von der<br />
Hand zu weisen. Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum fçhrt zur<br />
Frage e<strong>in</strong>er Abwanderungsbewegung der Stammgåste von Eckkneipen<br />
<strong>in</strong> die Raucherråume græûerer <strong>Gastståtten</strong> aus, e<strong>in</strong> solches K<strong>und</strong>enverhalten<br />
sei aus ækonomischer Sicht sehr plausibel. E<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong><br />
solches Gåsteverhalten gibt zudem e<strong>in</strong>e Umfrage des DEHOGA Baden-<br />
Wçrttemberg zu den Folgen des Rauchverbots aus dem Mårz<br />
2008. Danach hat sich das <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetz <strong>in</strong> 77,7% der<br />
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Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm<br />
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E<strong>in</strong>raumbetriebe mit Umsatzverlusten von çber 20% negativ ausgewirkt,<br />
61,3% der E<strong>in</strong>raumbetriebe berichteten sogar von e<strong>in</strong>er Existenzgefåhrdung.<br />
Demgegençber soll sich das <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetz<br />
auf 11,4% der Mehrraumbetriebe sogar positiv ausgewirkt haben.<br />
Auch die bereits erwåhnte Befragung durch das Me<strong>in</strong>ungsforschungs<strong>in</strong>stitut<br />
tns-emnid beståtigt das Abwandern von Stammgåsten aus der<br />
Kle<strong>in</strong>gastronomie; denn hiernach gaben 24% der Befragten an, wegen<br />
des Rauchverbots von ¹E<strong>in</strong>raumkneipen`` <strong>in</strong> græûere <strong>Gastståtten</strong>, <strong>in</strong>sbesondere<br />
<strong>in</strong> solche mit separatem Raucherraum zu wechseln.<br />
[<strong>14</strong>1] Die durch das Rauchverbot verursachten Umsatzrçckgånge<br />
haben fçr die Betreiber kle<strong>in</strong>erer <strong>Gastståtten</strong> auch<br />
dann schwerwiegende Folgen, wenn sie sich nur auf e<strong>in</strong>e<br />
vorçbergehende Zeit erstrecken. Auf Gr<strong>und</strong> ihres ger<strong>in</strong>gen<br />
Platzangebots ermæglichen solche <strong>Gastståtten</strong> ihren Betreibern<br />
ke<strong>in</strong>e hohen E<strong>in</strong>nahmen <strong>und</strong> damit auch nicht die Bildung<br />
græûerer Rçcklagen. Umsatzrçckgånge bei unverånderten<br />
Fixkosten haben daher zur Folge, dass schwåchere Geschåftsphasen<br />
nicht fçr långere Zeit zu çberbrçcken s<strong>in</strong>d<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e solche Gastståtte bald nicht mehr rentabel betrieben<br />
werden kann.<br />
[<strong>14</strong>2] (e) Gemessen an den E<strong>in</strong>schåtzungs-, Wertungs- <strong>und</strong><br />
Gestaltungsentscheidungen, die den Konzeptionen des<br />
<strong>Nichtraucherschutz</strong>es <strong>in</strong> den vorliegenden Fållen zu Gr<strong>und</strong>e<br />
liegen, ist es den Gastwirten der getrånkegeprågten Kle<strong>in</strong>gastronomie<br />
nicht zuzumuten, diese besonderen Belastungen,<br />
die fçr sie durch das Rauchverbot geschaffen werden, h<strong>in</strong>zunehmen.<br />
[<strong>14</strong>3] Die Landesgesetzgeber haben Ausnahmen vom<br />
Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> fçr abgeschlossene Nebenråume<br />
zugelassen. Fçr græûere <strong>Gastståtten</strong>, die çber solche Nebenråume<br />
verfçgen oder solche e<strong>in</strong>richten kænnen, gilt hiernach<br />
nur e<strong>in</strong> relatives Rauchverbot; ihrem Interesse, auch den<br />
rauchenden Gåsten e<strong>in</strong> Angebot unterbreiten zu kænnen,<br />
wird damit nachgekommen. H<strong>in</strong>gegen besteht fçr kle<strong>in</strong>ere<br />
<strong>Gastståtten</strong> weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> absolutes Rauchverbot, sofern hier<br />
± wie auf Gr<strong>und</strong> der ger<strong>in</strong>geren Gr<strong>und</strong>flåche regelmåûig der<br />
Fall ± Nebenråume nicht verfçgbar s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> auch nicht<br />
geschaffen werden kænnen. Nur gegençber den Betreibern<br />
solcher <strong>Gastståtten</strong> bleibt es bei e<strong>in</strong>er strikten Verfolgung des<br />
Schutzziels. Die Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdungen durch Passivrauchen<br />
erhalten so bei der Abwågung gegençber der Berufsfreiheit<br />
der Gastwirte e<strong>in</strong> unterschiedliches Gewicht.<br />
[<strong>14</strong>4] Auf Gr<strong>und</strong> dieser ungleichen Gewichtung fçhrt das<br />
Rauchverbot fçr die Betreiber von kle<strong>in</strong>eren <strong>Gastståtten</strong> zu<br />
e<strong>in</strong>er erheblich stårkeren wirtschaftlichen Belastung als fçr<br />
die Betreiber græûerer Lokale. Nur Letztere vermægen ihre<br />
Angebote durch die Ausweisung von Raucherråumen fçr<br />
Raucher attraktiver zu gestalten. Fçr Betriebe der Kle<strong>in</strong>gastronomie<br />
kænnen sich h<strong>in</strong>gegen die Nachteile, die mit dem<br />
speziell fçr sie geltenden absoluten Rauchverbot verb<strong>und</strong>en<br />
s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> den geschilderten existenzbedrohenden Umsatzrçckgången<br />
niederschlagen. Betroffen s<strong>in</strong>d typischerweise Kle<strong>in</strong>gastståtten,<br />
deren Angebot sich im Wesentlichen auf den<br />
Ausschank von Getrånken beschrånkt. Von den Betreibern<br />
solcher <strong>Gastståtten</strong> wird mith<strong>in</strong> die strikte E<strong>in</strong>haltung des<br />
Rauchverbots selbst um den Preis des Verlustes ihrer wirtschaftlichen<br />
Existenz gefordert, obgleich die Landesgesetzgeber<br />
den angestrebten Ges<strong>und</strong>heitsschutz nicht une<strong>in</strong>geschrånkt,<br />
sondern nur unter Berçcksichtigung der beruflichen<br />
Belange der Gastwirte verfolgen wollen. Angesichts der<br />
Zurçcknahme des erstrebten Schutzziels steht das Maû der<br />
sie hiernach treffenden Belastung aber nicht mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
zumutbaren Verhåltnis zu den Vorteilen, die die Landesgesetzgeber<br />
mit dem gelockerten Rauchverbot fçr die Allgeme<strong>in</strong>heit<br />
erstreben.<br />
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Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
2008_37<strong>14</strong>3_1 NJW 17<br />
[<strong>14</strong>5] Dies gilt umso mehr, als bei der gewåhlten Konzeption<br />
fçr die Ausgestaltung des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es gerade<br />
die Berçcksichtigung auch der Interessen der getrånkegeprågten<br />
Kle<strong>in</strong>gastronomie folgerichtig wåre, weil diese<br />
von dem Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> ohneh<strong>in</strong> besonders<br />
nachteilig betroffen ist. Tatsåchlich ist diesem Gesichtspunkt<br />
jedoch, wie die Gesetzesmaterialien belegen, ke<strong>in</strong> nennenswerter<br />
Stellenwert e<strong>in</strong>geråumt worden. Die Ausnahmen vom<br />
Rauchverbot <strong>und</strong> dabei namentlich die Zulassung von Raucherråumen<br />
schaffen im Gegenteil noch e<strong>in</strong>e zusåtzliche Ursache<br />
fçr die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation<br />
der genannten Gastwirte. Die Landesgesetzgeber tragen<br />
durch die von ihnen gewåhlte Konzeption <strong>und</strong> Ausgestaltung<br />
des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es entscheidend dazu bei, dass sich<br />
die wirtschaftliche Lage der Kle<strong>in</strong>gastronomie noch weiter<br />
verschlechtert. Da fçr diese Lokale ke<strong>in</strong>e Raucherråume angeboten<br />
werden kænnen, mçssen ihre Betreiber nicht nur<br />
Verluste wegen der Raucher h<strong>in</strong>nehmen, die jetzt auf e<strong>in</strong>en<br />
<strong>Gastståtten</strong>besuch vællig verzichten oder ihren Aufenthalt<br />
verkçrzen; sie s<strong>in</strong>d vielmehr zusåtzlich noch durch die Abwanderung<br />
der Gåste belastet, die nunmehr <strong>Gastståtten</strong> mit<br />
Raucherråumen aufsuchen. Die gesetzliche Regelung verschårft<br />
so die Belastung der Betreiber kle<strong>in</strong>erer <strong>Gastståtten</strong>,<br />
<strong>in</strong>dem sie græûeren <strong>Gastståtten</strong>, bei denen abgetrennte Raucherråume<br />
e<strong>in</strong>gerichtet werden kænnen, Vorteile im Wettbewerb<br />
um die Gåste verschafft. Vor diesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><br />
kænnen die unterschiedlichen Auswirkungen der gesetzlichen<br />
Regelungen auf die e<strong>in</strong>zelnen <strong>Gastståtten</strong>sparten nicht lediglich<br />
als Ausdruck der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfåhigkeit<br />
<strong>und</strong> des Wettbewerbs unbeachtet bleiben.<br />
[<strong>14</strong>6] Zwar ist den Landesgesetzgebern <strong>in</strong> den vorliegenden<br />
Fållen zuzubilligen, dass die von ihnen gewåhlte Konzeption<br />
des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es von dem schlçssigen Ansatz<br />
ausgeht, dass e<strong>in</strong> Gast fçr jede beliebige Gastståtte die<br />
Mæglichkeit erhalten soll, e<strong>in</strong>en Platz zu f<strong>in</strong>den, an dem er<br />
ke<strong>in</strong>em Tabakrauch ausgesetzt ist. Dieser Gr<strong>und</strong>satz ist aber<br />
schon dadurch e<strong>in</strong>geschrånkt, dass durch den Verlust der fçr<br />
Raucher benætigten Platzkont<strong>in</strong>gente das Platzangebot im<br />
Nichtraucherbereich reduziert wird <strong>und</strong> sich Gåste deshalb<br />
veranlasst sehen, <strong>in</strong> Raucherråume auszuweichen. Ûberdies<br />
ist die gr<strong>und</strong>legende Konzeption e<strong>in</strong>es Rauchverbots mit<br />
Ausnahme fçr Nebenråume <strong>in</strong> Baden-Wçrttemberg durch<br />
die vællige Ausnahme der Zeltgastronomie vom Rauchverbot<br />
fçr e<strong>in</strong>en Teilbereich aufgegeben. Vor allem aber weicht das<br />
gewåhlte Schutzkonzept von se<strong>in</strong>em eigenen Gr<strong>und</strong>ansatz<br />
ab, e<strong>in</strong>en Interessenausgleich herzustellen, <strong>und</strong> berçcksichtigt<br />
nicht die Interessen der durch das Rauchverbot besonders<br />
betroffenen Kle<strong>in</strong>gastronomie, sondern alle<strong>in</strong> <strong>und</strong> e<strong>in</strong>seitig<br />
die Belange der nicht rauchenden <strong>Gastståtten</strong>besucher.<br />
[<strong>14</strong>7] Fçr deren Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist<br />
aber der Besuch kle<strong>in</strong>erer E<strong>in</strong>raumgastståtten mit getrånkeorientiertem<br />
Angebot typischerweise nicht von wesentlicher<br />
Bedeutung, so dass durch die gegenwårtigen Regelungen nur<br />
ger<strong>in</strong>ge Verbesserungen fçr den <strong>Nichtraucherschutz</strong> zu erwarten<br />
s<strong>in</strong>d. Die vom DEHOGA B<strong>und</strong>esverband genannte<br />
Zahl von 60 000 bis 80 000 E<strong>in</strong>raumgastståtten unter den<br />
etwa 243 000 Hotel- <strong>und</strong> <strong>Gastståtten</strong>betrieben ist <strong>in</strong>soweit<br />
nicht aussagekråftig. Sie differenziert weder h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es<br />
getrånke- oder speiseorientierten Angebots der E<strong>in</strong>raumgastståtten<br />
noch gibt sie Aufschluss çber die Raumgræûen<br />
<strong>und</strong> damit çber die Mæglichkeiten zur E<strong>in</strong>richtung von Raucherråumen.<br />
Wegen des typischerweise ger<strong>in</strong>gen Platzangebots<br />
låsst sich aus dem Anteil der E<strong>in</strong>raumbetriebe an der<br />
Gesamtgastronomie zudem nicht auf e<strong>in</strong>en entsprechend<br />
groûen Anteil an dem Gesamtangebot von Gåsteplåtzen<br />
schlieûen. Die ger<strong>in</strong>ge Bedeutung, die kle<strong>in</strong>eren E<strong>in</strong>raum-<br />
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Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm<br />
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18 NJW 2008_37<strong>14</strong>3_1<br />
gastståtten mit getrånkeorientiertem Angebot fçr e<strong>in</strong>en effektiven<br />
<strong>Nichtraucherschutz</strong> zukommt, zeigt sich stattdessen<br />
an dem auûergewæhnlich hohen Raucheranteil unter ihren<br />
Gåsten. Vor allem aber belegen die betråchtlichen Umsatzrçckgånge<br />
nach dem Inkrafttreten der Rauchverbote, dass es<br />
den Betreibern solcher <strong>Gastståtten</strong> offensichtlich nicht gel<strong>in</strong>gt,<br />
nunmehr fçr ihre gastronomischen Angebote verstårkt<br />
nicht rauchende Gåste zu <strong>in</strong>teressieren. Die Landesgesetzgeber<br />
mussten mith<strong>in</strong> davon ausgehen, dass mit e<strong>in</strong>er Ausnahme<br />
vom Rauchverbot fçr kle<strong>in</strong>ere E<strong>in</strong>raumgastståtten<br />
mit getrånkeorientiertem Angebot das Ziel e<strong>in</strong>es ± nach der<br />
ihrem Konzept zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Bewertung ± ausreichenden<br />
<strong>Nichtraucherschutz</strong>es nicht ernsthaft <strong>in</strong> Frage gestellt<br />
wird, weil <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> gençgendes Angebot an rauchfreien<br />
Plåtzen <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> zur Verfçgung steht.<br />
[<strong>14</strong>8] 2. Auch die Verfassungsbeschwerde der Bf. zu 3, die<br />
sich gegen § 7 II 2 BadWçrttNRSG richtet, ist begrçndet.<br />
Im Unterschied zu den Bf. zu 1 <strong>und</strong> 2 erstrebt die Bf. zu 3<br />
ke<strong>in</strong>e zusåtzliche Ausnahme vom Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong>,<br />
sondern wendet sich dagegen, dass ihr e<strong>in</strong> bereits gesetzlich<br />
geregelter Ausnahmetatbestand vorenthalten wird. Damit<br />
hat sie Erfolg. Es ist mit <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I i. V. mit <strong>Art</strong>. 3 I <strong>GG</strong><br />
nicht vere<strong>in</strong>bar, dass auch <strong>Diskotheken</strong>, zu denen Jugendliche<br />
ke<strong>in</strong>en Zutritt erhalten, von der Mæglichkeit ausgeschlossen<br />
s<strong>in</strong>d, nach Maûgabe des § 7 II 1 Bad-<br />
WçrttNRSG Raucherråume e<strong>in</strong>zurichten.<br />
[<strong>14</strong>9] a) Ungeachtet der Anforderungen, die sich unmittelbar<br />
aus <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>GG</strong> ergeben, kænnen Berufsausçbungsregelungen<br />
nur dann Bestand haben, wenn sie auch sonst <strong>in</strong><br />
jeder H<strong>in</strong>sicht verfassungsmåûig s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere den<br />
allgeme<strong>in</strong>en Gleichheitssatz des <strong>Art</strong>. 3 I <strong>GG</strong> beachten (vgl.<br />
BVerfGE 25, 236 [251] = NJW 1969, 1571).<br />
[150] Der allgeme<strong>in</strong>e Gleichheitssatz des <strong>Art</strong>. 3 I <strong>GG</strong> verpflichtet<br />
den Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich <strong>und</strong><br />
wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE<br />
1, <strong>14</strong> [52] = NJW 1951, 877; BVerfGE 98, 365 [385] =<br />
NZA 1999, 194; BVerfGE 116, 164 [180] = NJW 2006,<br />
2757; st. Rspr.). Damit ist dem Gesetzgeber allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />
jede Differenzierung verwehrt. Aus dem allgeme<strong>in</strong>en Gleichheitssatz<br />
ergeben sich vielmehr je nach Regelungsgegenstand<br />
<strong>und</strong> Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen,<br />
die vom bloûen Willkçrverbot bis zu e<strong>in</strong>er strengen B<strong>in</strong>dung<br />
an Verhåltnismåûigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE<br />
110, 274 [291] = NVwZ 2004, 846; BVerfGE 117, 1 [30] =<br />
NJW 2007, 573; st. Rspr.). Da der Gr<strong>und</strong>satz, dass alle<br />
Menschen vor dem Gesetz gleich s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e<br />
ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verh<strong>in</strong>dern<br />
soll, unterliegt der Gesetzgeber bei e<strong>in</strong>er Ungleichbehandlung<br />
von Personengruppen regelmåûig e<strong>in</strong>er strengen<br />
B<strong>in</strong>dung (vgl. BVerfGE 88, 87 [96] = NJW 1993, 1517).<br />
Daher ist das Gleichheitsgr<strong>und</strong>recht verletzt, wenn der Gesetzgeber<br />
bei Regelungen, die Personengruppen betreffen,<br />
e<strong>in</strong>e Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu e<strong>in</strong>er anderen<br />
Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden<br />
Gruppen ke<strong>in</strong>e Unterschiede von solcher <strong>Art</strong> <strong>und</strong> solchem<br />
Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen<br />
kænnten (vgl. BVerfGE 102, 41 [54] = NJW 2000,<br />
1855; BVerfGE 104, <strong>12</strong>6 [<strong>14</strong>4 f.] = NJW 2003, 739 L;<br />
BVerfGE 107, 133 [<strong>14</strong>1] = NJW 2003, 737; st. Rspr.). Diese<br />
Gr<strong>und</strong>såtze gelten aber auch dann, wenn e<strong>in</strong>e Ungleichbehandlung<br />
von Sachverhalten mittelbar e<strong>in</strong>e Ungleichbehandlung<br />
von Personengruppen bewirkt. Deshalb s<strong>in</strong>d dem Gestaltungsspielraum<br />
des Gesetzgebers umso engere Grenzen<br />
gesetzt, je stårker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausçbung<br />
gr<strong>und</strong>rechtlich geschçtzter Freiheiten, namentlich auf<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm i<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
2008_37<strong>14</strong>3_1 NJW 19<br />
die durch <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>GG</strong> geschçtzte freie Berufsausçbung (vgl.<br />
BVerfGE 62, 256 [274] = NJW 1983, 617), nachteilig auswirken<br />
kann (vgl. BVerfGE 92, 53 [69] = NJW 1995, 2279;<br />
st. Rspr.).<br />
[151] Der allgeme<strong>in</strong>e Gleichheitssatz gilt fçr ungleiche Belastungen<br />
wie auch fçr ungleiche Begçnstigungen. Verboten<br />
ist auch e<strong>in</strong> gleichheitswidriger Begçnstigungsausschluss, bei<br />
dem e<strong>in</strong>e Begçnstigung e<strong>in</strong>em Personenkreis gewåhrt, e<strong>in</strong>em<br />
anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfGE<br />
116, 164 [180] = NJW 2006, 2757 m. w. Nachw.).<br />
[152] b) Daran gemessen ist der generelle Ausschluss der<br />
<strong>Diskotheken</strong> von der Begçnstigung, die <strong>in</strong> der Ausnahme<br />
abgetrennter Raucherråume vom Rauchverbot gem. § 7 II 1<br />
BadWçrttNRSG zu sehen ist, nicht gerechtfertigt.<br />
[153] aa) Mit der vorliegend zu beurteilenden Differenzierung<br />
zwischen <strong>Gastståtten</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en <strong>und</strong> solchen der<br />
besonderen Betriebsart ¹Diskothek`` (vgl. § 3 I GaststG)<br />
werden Sachverhalte unterschiedlich behandelt. Gleichwohl<br />
ist bei der Prçfung von e<strong>in</strong>er strengeren B<strong>in</strong>dung des Gesetzgebers<br />
auszugehen, weil hier die Ungleichbehandlung der<br />
Sachverhalte e<strong>in</strong>e Ungleichbehandlung von Personengruppen<br />
bewirkt. Die differenzierenden Regelungen <strong>in</strong> § 7 II 1 <strong>und</strong> 2<br />
BadWçrttNRSG fçhren dazu, dass die Betreiber von <strong>Diskotheken</strong><br />
anders als die çbrigen <strong>Gastståtten</strong>betreiber daran<br />
geh<strong>in</strong>dert s<strong>in</strong>d, fçr ihre Gåste Raucherråume e<strong>in</strong>zurichten.<br />
Dies hat zur Folge, dass <strong>Diskotheken</strong>betreiber nicht <strong>in</strong> freier<br />
Ausçbung ihres Berufs das Angebot ihrer <strong>Gastståtten</strong> auch<br />
fçr Raucher attraktiv gestalten kænnen. Damit wirkt sich die<br />
Ungleichbehandlung der Sachverhalte nachteilig auf die Ausçbung<br />
gr<strong>und</strong>rechtlich geschçtzter Freiheiten, nåmlich auf die<br />
Berufsfreiheit aus, die auch die Bf. zu 3 als Kommanditgesellschaft<br />
gem. <strong>Art</strong>. 19 III <strong>GG</strong> fçr sich beanspruchen kann (vgl.<br />
BVerfGE 105, 252 [265] = NJW 2002, 2621; st. Rspr.).<br />
[154] bb) Fçr diese Ungleichbehandlung fehlt es an h<strong>in</strong>reichenden<br />
Grçnden.<br />
[155] (1) Nach der Begrçndung des Gesetzentwurfs der Landesregierung<br />
von Baden-Wçrttemberg verfolgt das Landesnichtraucherschutzgesetz<br />
mit dem ausnahmslosen Rauchverbot fçr <strong>Diskotheken</strong> vor allem<br />
den Schutz der Jugendlichen vor den Gefahren des Passivrauchens. Es<br />
werde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Schadstoffkonzentration<br />
<strong>in</strong> <strong>Diskotheken</strong> besonders hoch sei, was bei gleichzeitiger kærperlicher<br />
Aktivitåt der Gåste zu stårkerer Inhalation der schadstoffhaltigen<br />
Innenraumluft fçhre (vgl. LT-Dr <strong>14</strong>/1359, S. 16). Das ausnahmslose<br />
Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Diskotheken</strong> sei zudem notwendig, weil bei Jugendlichen<br />
Nachahm- <strong>und</strong> Nachfolgeeffekte e<strong>in</strong>e groûe Rolle spielten. Gåbe<br />
es e<strong>in</strong>en Raucherraum <strong>in</strong> der Diskothek <strong>und</strong> hielte sich der Kern der<br />
Clique dort auf, wçrde der Gruppenzwang dazu fçhren, dass sich auch<br />
die Nichtraucher dorth<strong>in</strong> begåben <strong>und</strong> damit dem Passivrauchen ausgesetzt<br />
seien (vgl. LT-Dr <strong>14</strong>/1359, S. 24).<br />
[156] (2) Diese Grçnde s<strong>in</strong>d nicht von solcher <strong>Art</strong> <strong>und</strong><br />
solchem Gewicht, dass sie ungleiche Rechtsfolgen fçr <strong>Diskotheken</strong><br />
e<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong> die çbrigen <strong>Gastståtten</strong> andererseits<br />
rechtfertigen kænnten.<br />
[157] (aa) Dies gilt zunåchst, soweit der Gesetzgeber fçr<br />
<strong>Diskotheken</strong> von e<strong>in</strong>em gesteigerten Schutzbedarf zu Gunsten<br />
der Gåste ausgeht. Zwar steht dem Gesetzgeber auch<br />
hier e<strong>in</strong> Spielraum h<strong>in</strong>sichtlich der E<strong>in</strong>schåtzung von Gefahren<br />
zu, die der Allgeme<strong>in</strong>heit drohen. Es ist daher verfassungsrechtlich<br />
nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber<br />
se<strong>in</strong>en Ûberlegungen e<strong>in</strong>e besonders hohe Schadstoffkonzentration<br />
<strong>in</strong> <strong>Diskotheken</strong> zu Gr<strong>und</strong>e gelegt hat. Er kann<br />
sich hierfçr auf e<strong>in</strong>schlågige wissenschaftliche Untersuchungen<br />
wie etwa die Ergebnisse des bereits erwåhnten Forschungsprojekts<br />
unter der Federfçhrung des Bayerischen<br />
Landesamts fçr Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Lebensmittelsicherheit (vgl.<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm i<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
20 NJW 2008_37<strong>14</strong>3_1<br />
oben B I 1 b bb [2] [b] [Rdnrn. 109 f.]) berufen. Danach<br />
wurde fçr alle Gastronomiebetriebe gleich welcher Kategorie<br />
e<strong>in</strong>e hohe Belastung der Raumluft mit toxischen <strong>und</strong> krebserzeugenden<br />
Substanzen aus dem Tabakrauch festgestellt,<br />
wobei die hæchsten Belastungen auf <strong>Diskotheken</strong> entfallen.<br />
Dieser Umstand macht jedoch, wenn fçr andere <strong>Gastståtten</strong><br />
Raucherråume zugelassen werden, den generellen Ausschluss<br />
dieser Ausnahme fçr <strong>Diskotheken</strong> nicht erforderlich. Ist das<br />
Rauchen nur noch <strong>in</strong> vollståndig abgetrennten Nebenråumen<br />
erlaubt, so entfållt das an die besondere Betriebsart anknçpfende<br />
Argument der gesteigerten Gefåhrlichkeit von Passivrauchen<br />
<strong>in</strong> <strong>Diskotheken</strong>. E<strong>in</strong>e Gefåhrdung der Gåste <strong>in</strong> den<br />
Nichtraucherbereichen kann durch strikte E<strong>in</strong>haltung der<br />
Vorgaben des § 7 II 1 BadWçrttNRSG verh<strong>in</strong>dert werden,<br />
der auch fçr Raucherråume <strong>in</strong> <strong>Diskotheken</strong> zu beachten ist.<br />
Hiernach dçrfen durch die E<strong>in</strong>richtung von Raucherråumen<br />
die Belange des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es nicht bee<strong>in</strong>tråchtigt<br />
werden, so dass ± nætigenfalls durch technische Maûnahmen<br />
± sichergestellt se<strong>in</strong> muss, dass e<strong>in</strong>e Belastung der Luftqualitåt<br />
durch Tabakrauch auûerhalb der Raucherråume nicht zu<br />
verzeichnen ist.<br />
[158] (b) Der H<strong>in</strong>weis auf die groûe Bedeutung von Nachahm-<br />
<strong>und</strong> Nachfolgeeffekten bei Jugendlichen oder jungen<br />
Erwachsenen vermag die unterschiedliche Behandlung von<br />
<strong>Diskotheken</strong> gegençber anderen <strong>Gastståtten</strong>arten ebenfalls<br />
nicht zu rechtfertigen.<br />
[159] Auf Gr<strong>und</strong> des E<strong>in</strong>schåtzungsspielraums des Gesetzgebers<br />
begegnet zwar auch die Annahme dieser Gefåhrdungssituation<br />
fçr Jugendliche ke<strong>in</strong>en verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken. Das ausnahmslose Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Diskotheken</strong><br />
ist jedoch nicht erforderlich, um Jugendliche davor zu bewahren,<br />
ihrer Clique oder e<strong>in</strong>zelnen Personen <strong>in</strong> den Raucherbereich<br />
zu folgen. Um den angestrebten Schutz dieser<br />
Bevælkerungsgruppe zu erreichen, reicht es nåmlich aus,<br />
wenn ± wie etwa im Land Berl<strong>in</strong> durch § 4 III 2 BerlNRSG<br />
geregelt ± der Ausschluss von Raucherråumen auf solche<br />
<strong>Diskotheken</strong> beschrånkt wird, zu denen Personen mit nicht<br />
vollendetem 18. Lebensjahr Zutritt haben. Die Betreiber vieler<br />
<strong>Diskotheken</strong> ± so auch die Bf. zu 3 ± sehen ohneh<strong>in</strong><br />
Altersbegrenzungen fçr ihr Publikum vor <strong>und</strong> kænnten auf<br />
diese Weise selbst entscheiden, ob sie es vorziehen, auf die<br />
E<strong>in</strong>richtung von Raucherråumen zu verzichten oder aber den<br />
Publikumszutritt beschrånken wollen. E<strong>in</strong>e solche, Wahlmæglichkeiten<br />
der <strong>Diskotheken</strong>betreiber eræffnende Regelung<br />
stellt das mildere Mittel gegençber dem generellen Ausschluss<br />
von Raucherzimmern dar.<br />
[160] Auch mit dem Ziel, Nachfolge- <strong>und</strong> Cliqueneffekte<br />
bei dem erwachsenen Publikum <strong>in</strong> <strong>Diskotheken</strong> zu verh<strong>in</strong>dern,<br />
ist der Ausschluss von Raucherzimmern nicht gerechtfertigt.<br />
Der Landesgesetzgeber hat schon mit der allgeme<strong>in</strong>en<br />
Zulassung von Raucherråumen <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> <strong>in</strong> Kauf genommen,<br />
dass sich dort auch Nichtraucher aufhalten. Damit<br />
s<strong>in</strong>d aber auch Nachfolgeeffekte bei Erwachsenen akzeptiert<br />
worden, die nicht <strong>in</strong> gleichheitswidriger Weise nur bei <strong>Diskotheken</strong><br />
unterb<strong>und</strong>en werden dçrfen. Selbst e<strong>in</strong>em gesteigerten<br />
Nachfolgeeffekt, von dem der Gesetzgeber auf Gr<strong>und</strong><br />
des vorwiegend aus jungen Erwachsenen bestehenden <strong>Diskotheken</strong>publikums<br />
ausgeht, kann auf weniger belastende<br />
Weise dadurch entgegengewirkt werden, dass die Attraktivitåt<br />
der Raucherråume reduziert wird. Hierfçr kommt <strong>in</strong>sbesondere<br />
die Mæglichkeit <strong>in</strong> Betracht, die E<strong>in</strong>richtung von<br />
Tanzflåchen <strong>in</strong> Raucherråumen zu untersagen. Dah<strong>in</strong>gehende<br />
Regelungen bestehen etwa fçr die Freie Hansestadt<br />
Bremen (§ 3 VI 3 des Bremischen <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetzes<br />
[BremNiSchG]) <strong>und</strong> die Lånder Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz (§ 7 I 2<br />
Satzspiegelhæhe: 257mm i<br />
Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
2008_37<strong>14</strong>3_1 NJW 21<br />
des RhPfNRSG), Saarland (§ 3 V 2 SaarlNRSG]) <strong>und</strong> Thçr<strong>in</strong>gen<br />
(§ 5 S. 3 ThçrNRSG).<br />
[161] II. Die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Bestimmungen<br />
fçhrt nicht zu deren Nichtigkeit. Da den Landesgesetzgebern<br />
fçr die Neuregelung mehrere Mæglichkeiten<br />
zur Verfçgung stehen, kann lediglich die Unvere<strong>in</strong>barkeit der<br />
gegenwårtigen Regelungen mit dem Gr<strong>und</strong>gesetz festgestellt<br />
werden (vgl. BVerfGE 117, 163 [199] = NJW 2007, 979<br />
m. w. Nachw.).<br />
[162] Fçr den Erlass verfassungsgemåûer Neuregelungen<br />
steht den Landesgesetzgebern e<strong>in</strong>e Frist bis zum 31. <strong>12</strong>.<br />
2009 zur Verfçgung. Die Långe dieser Frist ersche<strong>in</strong>t ausreichend<br />
bemessen, um den Landesgesetzgebern h<strong>in</strong>reichende<br />
Zeit auch fçr e<strong>in</strong>e Entscheidung çber das gr<strong>und</strong>legende Konzept<br />
fçr die gesetzliche Ausgestaltung e<strong>in</strong>es Rauchverbots <strong>in</strong><br />
<strong>Gastståtten</strong> zu belassen.<br />
[163] 1. Die Landesgesetzgeber kænnen entweder dem Ziel<br />
des Schutzes der Ges<strong>und</strong>heit der Bevælkerung vor den Gefahren<br />
des Passivrauchens Vorrang geben <strong>und</strong> sich unter Verzicht<br />
auf Ausnahmetatbestånde fçr e<strong>in</strong>e strenge Konzeption<br />
des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> entscheiden, oder<br />
sie kænnen im Rahmen e<strong>in</strong>es weniger strengen Schutzkonzepts,<br />
das den Interessen der <strong>Gastståtten</strong>betreiber <strong>und</strong> der<br />
Raucher mehr Raum gibt, Ausnahmen vom Rauchverbot<br />
zulassen. Mit der Entscheidung zu Gunsten e<strong>in</strong>es strikten<br />
<strong>Nichtraucherschutz</strong>es <strong>in</strong> Baden-Wçrttemberg entfiele auch<br />
die Gr<strong>und</strong>lage fçr die von der Bf. zu 3 beanstandete Ungleichbehandlung.<br />
Gibt es ke<strong>in</strong>e Ausnahme vom Rauchverbot,<br />
so wird den Betreibern von <strong>Diskotheken</strong> durch das<br />
Verbot von Raucherråumen ke<strong>in</strong>e Vergçnstigung vorenthalten.<br />
[164] 2. Fållt die Entscheidung zu Gunsten e<strong>in</strong>es zurçckgenommenen<br />
Ges<strong>und</strong>heitsschutzes, so mçssen die zugelassenen<br />
Ausnahmen vom Rauchverbot allerd<strong>in</strong>gs folgerichtig<br />
auch auf besondere Belastungen e<strong>in</strong>zelner Bereiche des <strong>Gastståtten</strong>gewerbes<br />
Rçcksicht nehmen <strong>und</strong> gleichheitsgerecht<br />
ausgestaltet se<strong>in</strong>. Daher darf der Gesetzgeber, der als Ausnahme<br />
von e<strong>in</strong>em Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> das Rauchen<br />
<strong>in</strong> abgetrennten Nebenråumen gestattet, <strong>in</strong>sbesondere die Interessen<br />
der ohneh<strong>in</strong> verhåltnismåûig stark betroffenen <strong>und</strong><br />
durch diese Gestaltung noch vermehrt belasteten getrånkegeprågten<br />
Kle<strong>in</strong>gastronomie nicht aus dem Blick verlieren.<br />
Da die beengte råumliche Situation dieser <strong>Gastståtten</strong> typischerweise<br />
nicht die E<strong>in</strong>richtung abgetrennter Raucherbereiche<br />
erlaubt, kommt fçr sie nur die Freistellung vom Rauchverbot<br />
<strong>in</strong> Betracht. Nicht anders als bei der Zeltgastronomie<br />
<strong>in</strong> Baden-Wçrttemberg bleibt dann jedem <strong>Gastståtten</strong>betreiber<br />
die Entscheidung çberlassen, ob er se<strong>in</strong> Lokal als Raucher-<br />
oder als Nichtrauchergastståtte fçhren will. Die Freistellung<br />
vom Rauchverbot davon abhångig zu machen, dass<br />
<strong>in</strong> zumutbarer Nåhe e<strong>in</strong> vollwertiges Nichtraucherangebot<br />
zur Verfçgung steht, dçrfte h<strong>in</strong>gegen daran scheitern, dass<br />
sich diese Voraussetzung <strong>in</strong> der Praxis mit vernçnftigem Aufwand<br />
nicht feststellen lassen wird. Zudem muss die Freistellung<br />
von Dauer se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e nur çbergangsweise Ausnahme<br />
vom Rauchverbot kænnte die drohende Existenzgefåhrdung<br />
der betroffenen <strong>Gastståtten</strong> lediglich aufschieben, nicht jedoch<br />
ausråumen. Da <strong>in</strong> der Kle<strong>in</strong>gastronomie græûere Rçcklagen<br />
regelmåûig nicht gebildet werden kænnen (vgl. oben<br />
B I 1 b dd [4] [d] [Rdnrn. 136 ff.]), låsst sich die Ûbergangszeit<br />
nicht dazu nutzen, um die nætigen f<strong>in</strong>anziellen Mittel fçr<br />
e<strong>in</strong>e Umorientierung, <strong>in</strong>sbesondere fçr e<strong>in</strong>e Vergræûerung<br />
des <strong>Gastståtten</strong>betriebs <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es Raucherraums<br />
zu sammeln.<br />
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Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm
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[165] 3. Bei der Bestimmung der genauen Voraussetzungen<br />
fçr den Ausnahmetatbestand zu Gunsten der Kle<strong>in</strong>gastronomie<br />
s<strong>in</strong>d die Landesgesetzgeber, weil es um die Ordnung von<br />
Massenvorgången geht, an typisierenden Regelungen nicht<br />
geh<strong>in</strong>dert (vgl. BVerfGE 111, 115 [137] = LKV 2005, 351).<br />
So låsst sich dem Merkmal des spezifisch getrånkeorientierten<br />
Angebots der betroffenen <strong>Gastståtten</strong> dadurch Rechnung<br />
tragen, dass Betriebe, fçr die das Verabreichen zubereiteter<br />
Speisen gem. § 3 GaststG erlaubt worden ist, von der Ausnahme<br />
nicht erfasst werden. Zur E<strong>in</strong>grenzung der Ausnahme<br />
auf kle<strong>in</strong>ere <strong>Gastståtten</strong> ohne abtrennbaren Nebenraum<br />
kommt die Festlegung e<strong>in</strong>es Hæchstmaûes fçr die Gr<strong>und</strong>flåche<br />
des Gastraums oder die Zahl der fçr Gåste vorgehaltenen<br />
Sitzplåtze <strong>in</strong> Betracht; beide Parameter kænnen auch<br />
komb<strong>in</strong>iert werden. Mæglich ist es ferner, den Umstand, ob<br />
e<strong>in</strong>e Gastståtte i. S. von § 3 III Nr. 2 SaarlNRSG ¹<strong>in</strong>habergefçhrt``<br />
betrieben werden kann, als Anknçpfungspunkt fçr die<br />
besonders belastete Kle<strong>in</strong>gastronomie zu wåhlen. Den Landesgesetzgebern<br />
bleibt es ferner unbenommen, fçr <strong>Gastståtten</strong>,<br />
die als Raucherlokale betrieben werden, e<strong>in</strong>e Kennzeichnungspflicht<br />
vorzusehen, um Gåste bereits vor dem Betreten<br />
solcher Lokale darauf aufmerksam zu machen, dass sie sich<br />
<strong>in</strong> Råumen aufhalten werden, <strong>in</strong> denen sie ke<strong>in</strong>en Schutz vor<br />
den Gefahren des Passivrauchens erwarten kænnen.<br />
[166] III. Die angegriffenen Bestimmungen bleiben wegen<br />
der hohen Bedeutung des Schutzes der Bevælkerung vor den<br />
Gefahren des Passivrauchens <strong>in</strong> der Zwischenzeit bis zu den<br />
verfassungsgemåûen Neuregelungen anwendbar. Gemåû den<br />
Bestimmungen der jeweiligen <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetze ist<br />
danach weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> Baden-Wçrttemberg <strong>und</strong> Berl<strong>in</strong> das<br />
Rauchen <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> untersagt.<br />
[167] 1. Mit Blick auf die Berufsfreiheit der <strong>Gastståtten</strong>betreiber<br />
<strong>und</strong> um fçr sie <strong>in</strong> beruflicher H<strong>in</strong>sicht existentielle<br />
Nachteile zu vermeiden, besteht jedoch fçr den Zeitraum bis<br />
zu den gesetzlichen Neuregelungen e<strong>in</strong> unabwendbares Bedçrfnis<br />
nach e<strong>in</strong>er Zwischenregelung durch das BVerfG auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage des § 35 BVerf<strong>GG</strong> (vgl. BVerfGE 48, <strong>12</strong>7<br />
[184] = NJW 1978, <strong>12</strong>45; BVerfGE 84, 9 [21] = StAZ 1991,<br />
89 = NJW 1991, 1602). Da hierbei græûtmægliche Schonung<br />
der Gestaltungsfreiheit der Landesgesetzgeber geboten ist<br />
(vgl. BVerfGE 103, 111 [<strong>14</strong>1 f.] = NJW 2001, 1048), gilt es,<br />
das Regelungskonzept des Gesetzgebers so weit als mæglich<br />
zu erhalten <strong>und</strong> ihm nach Mæglichkeit nicht vorzugreifen<br />
(vgl. BVerfGE 84, 9 [23] = StAZ 1991, 89 = NJW 1991,<br />
1602; BVerfGE 109, 256 [274] = StAZ 2004, 104 = NJW<br />
2004, 1155). Das BVerfG setzt daher nicht <strong>in</strong> Abweichung<br />
von der bisherigen Schutzkonzeption der Landesgesetzgeber<br />
såmtliche Ausnahmen vom Rauchverbot aus, sondern erweitert<br />
die <strong>in</strong> den <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetzen bereits vorgesehenen<br />
Ausnahmen um e<strong>in</strong>e weitere zu Gunsten der getrånkegeprågten<br />
Kle<strong>in</strong>gastronomie. Die vorlåufige Regelung der<br />
von dieser zusåtzlichen Ausnahme erfassten <strong>Gastståtten</strong> orientiert<br />
sich an der Zielvere<strong>in</strong>barung zum <strong>Nichtraucherschutz</strong><br />
<strong>in</strong> Hotellerie <strong>und</strong> Gastronomie zwischen dem B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium<br />
fçr Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziale Sicherung <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esverband<br />
des Deutschen Hotel- <strong>und</strong> <strong>Gastståtten</strong>verbandes<br />
vom 1. 3. 2005. Dort wurde mit den Interessenvertretern<br />
des <strong>Gastståtten</strong>gewerbes als e<strong>in</strong> Maûstab fçr die Befreiung<br />
vom <strong>Nichtraucherschutz</strong> e<strong>in</strong>e Gastflåche ± def<strong>in</strong>iert als der<br />
Bereich, <strong>in</strong> dem Tische <strong>und</strong> Stçhle fçr den Aufenthalt von<br />
Gåsten bereitgehalten werden ± von weniger als 75 qm vere<strong>in</strong>bart,<br />
weil fçr derart kle<strong>in</strong>e Lokale e<strong>in</strong>e Trennung von<br />
Raucher- <strong>und</strong> Nichtraucherbereichen ¹<strong>in</strong> aller Regel nicht<br />
s<strong>in</strong>nvoll`` sei. Anders als die ± ohne Zwang zur råumlichen<br />
Trennung ± alternativ vere<strong>in</strong>barte Grenze von weniger als 40<br />
Sitzplåtzen, ersche<strong>in</strong>t die ± nicht ohne Weiteres zu ver-<br />
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Hæhe der gesamten Fahne: 7056mm<br />
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åndernde ± Gastflåche als geeignete Græûe, um bei typisierender<br />
Betrachtung als Indikator fçr die Mæglichkeit der<br />
E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es abgetrennten Raucherzimmers zu dienen.<br />
Soweit solche <strong>Gastståtten</strong> trotz der ger<strong>in</strong>gen Gastflåche e<strong>in</strong>en<br />
abgetrennten Nebenraum i. S. von § 7 II 1 Bad-<br />
WçrttNRSG bzw. § 4 III 1 BerlNRSG vorweisen <strong>und</strong> damit<br />
e<strong>in</strong>en Raucherbereich e<strong>in</strong>richten kænnen, gibt es allerd<strong>in</strong>gs<br />
ke<strong>in</strong>en Anlass fçr e<strong>in</strong>e Ausnahme vom Rauchverbot. Auûerdem<br />
ist die Befreiung, um die typischerweise besonders belastete<br />
Gruppe zu erfassen, auf solche <strong>Gastståtten</strong> zu beschrånken,<br />
die ke<strong>in</strong>e zubereiteten Speisen anbieten <strong>und</strong> nicht<br />
çber e<strong>in</strong>e entsprechende Erlaubnis nach § 3 GaststG verfçgen.<br />
[168] Dem weiteren Regelungsziel der Landesgesetzgeber,<br />
<strong>in</strong>sbesondere K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche vor den Gefahren des<br />
Passivrauchens zu schçtzen (so fçr Baden-Wçrttemberg ausdrçcklich<br />
§ 1 I 2 BadWçrttNRSG; fçr Berl<strong>in</strong> vgl. § 4 III 2<br />
BerlNRSG; Dr 16/0716 des Abgeordnetenhauses Berl<strong>in</strong>, E<strong>in</strong>zelbegrçndung<br />
zu § 4 III), wird fçr die Ûbergangszeit dadurch<br />
Rechnung getragen, dass e<strong>in</strong> Gastwirt von der Ausnahme<br />
vom Rauchverbot nur Gebrauch machen kann, wenn<br />
er Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr den Zutritt<br />
zu se<strong>in</strong>er Gastståtte verwehrt. Am bisherigen gesetzgeberischen<br />
Konzept ausgerichtet (vgl. § 7 II 1 Bad-<br />
WçrttNRSG; § 5 S. 3 BerlNRSG) ist auch die Regelung zur<br />
Kennzeichnungspflicht der Rauchergastståtte <strong>und</strong> der damit<br />
geltenden Zutrittsbeschrånkung.<br />
[169] 2. Fçr <strong>Diskotheken</strong> ergånzt die Zwischenregelung<br />
zur Vermeidung weiterer erheblicher wirtschaftlicher Nachteile<br />
den § 7 II 2 BadWçrttNRSG um die Maûgabe, dass die<br />
Zulassung von Raucherråumen gem. § 7 II 1 Bad-<br />
WçrttNRSG nur fçr solche <strong>Diskotheken</strong> nicht gilt, zu denen<br />
Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr Zutritt haben.<br />
Damit wird der bestehende Gleichheitsverstoû vorlåufig<br />
im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Wahlrechts des Hausrechts<strong>in</strong>habers aufgelæst.<br />
Entscheidet sich der <strong>Diskotheken</strong>betreiber dafçr, se<strong>in</strong>en Betrieb<br />
nicht fçr Jugendliche zu æffnen, so kann er Raucherråume<br />
e<strong>in</strong>richten. Anderenfalls verbleibt es bei der Regelung<br />
des § 7 II 2 BadWçrttNRSG. Fçhrt der Betreiber e<strong>in</strong>e entsprechende<br />
Zugangsbeschrånkung durch, so ist allerd<strong>in</strong>gs<br />
die E<strong>in</strong>schåtzung des Gesetzgebers zu respektieren, dass die<br />
Schadstoffkonzentration <strong>in</strong> <strong>Diskotheken</strong> besonders hoch sei<br />
<strong>und</strong> die gleichzeitige kærperliche Aktivitåt der Gåste zu stårkerer<br />
Inhalation der schadstoffhaltigen Innenraumluft fçhre<br />
(LT-Dr <strong>14</strong>/1359, S. 16). Dem ist im Rahmen der verfassungsgerichtlichen<br />
Ûbergangsregelung durch e<strong>in</strong>en Ausschluss von<br />
Tanzflåchen <strong>in</strong> Raucherråumen zu entsprechen.<br />
[170] IV. Da die Verfassungsbeschwerden der Bf. zu 1 bis 3<br />
<strong>in</strong> vollem Umfang Erfolg haben, s<strong>in</strong>d ihnen såmtliche notwendigen<br />
Auslagen gem. § 34 a II BVerf<strong>GG</strong> zu erstatten.<br />
[171] Die Entscheidung ist h<strong>in</strong>sichtlich der Zulåssigkeit<br />
e<strong>in</strong>es strikten Rauchverbots <strong>und</strong> h<strong>in</strong>sichtlich der Unverhåltnismåûigkeit<br />
der Regelung fçr die getrånkegeprågte Kle<strong>in</strong>gastronomie<br />
mit jeweils 6:2 Stimmen <strong>und</strong> im Ûbrigen e<strong>in</strong>stimmig<br />
ergangen.<br />
Abweichende Me<strong>in</strong>ung des Richters Bryde<br />
[172] Mit der Mehrheit des Senats b<strong>in</strong> ich der Auffassung, dass der<br />
Gesetzgeber mit dem <strong>Nichtraucherschutz</strong> e<strong>in</strong> besonders wichtiges Geme<strong>in</strong>wohlziel<br />
verfolgt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse çber die<br />
Gefahren nicht nur des Rauchens sondern auch des Passivrauchens s<strong>in</strong>d<br />
so e<strong>in</strong>deutig, dass die staatliche Schutzpflicht fçr Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
gefordert ist.<br />
[173] Ebenfalls mit der Mehrheit halte ich daher auch e<strong>in</strong> vollståndiges<br />
Rauchverbot <strong>in</strong> fçr die Úffentlichkeit bestimmten Råumen e<strong>in</strong>-<br />
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schlieûlich der Gastronomie fçr verfassungsrechtlich zulåssig. Die Berufsfreiheit<br />
hat <strong>in</strong> diesem Fall auch dann, wenn das fçr e<strong>in</strong>zelne Betriebe<br />
tiefgreifende Folgen hat, h<strong>in</strong>ter dem Ges<strong>und</strong>heitsschutz zurçckzutreten.<br />
Das wåre noch deutlicher, wenn e<strong>in</strong>e generelle b<strong>und</strong>esweit geltende<br />
<strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetzgebung nicht an ± mæglicherweise unbegrçndeten<br />
± Zweifeln an e<strong>in</strong>er Gesetzgebungskompetenz des B<strong>und</strong>es gescheitert<br />
wåre. Die wirtschaftlichen Auswirkungen e<strong>in</strong>er solchen generellen<br />
Verbannung des Rauchens aus æffentlichen Råumen wåre nåmlich fçr<br />
die (mit-)betroffene Gastronomie gr<strong>und</strong>rechtlich nur Reflex gewesen<br />
<strong>und</strong> håtte den Schutz des <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>GG</strong> damit çberhaupt nicht mobilisiert.<br />
Es ist Teil der Berufsfreiheit, sich im Rahmen der bestehenden<br />
Gesetze das Suchtverhalten des Publikums wirtschaftlich zu Nutze zu<br />
machen, aber <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>GG</strong> schçtzt nicht davor, dass der Gesetzgeber<br />
solches Verhalten zum Schutz von Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit erfolgreich<br />
bekåmpft.<br />
[174] Im Ansatz kann ich auch der Ûberlegung der Mehrheit folgen,<br />
dass e<strong>in</strong> Gesetzgeber, der ke<strong>in</strong> absolutes Rauchverbot fçr die Gastronomie<br />
anordnet, sondern Ausnahmen zulåsst, dabei nicht willkçrlich vorgehen<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>zelne Gruppen unverhåltnismåûig treffen darf. Das ist<br />
jedoch im vorliegenden Fall bei Anwendung der <strong>in</strong> der Rechtsprechung<br />
des BVerfG çblichen Maûståbe fçr die Ûberprçfung des berufsregelnden<br />
Gesetzgebers an Verhåltnismåûigkeitspr<strong>in</strong>zip <strong>und</strong> Gleichheitssatz<br />
auch nicht geschehen. Den angegriffenen Landesgesetzen liegt aus der<br />
Perspektive des Gesetzgebers e<strong>in</strong> schlçssiges Konzept zu Gr<strong>und</strong>e. Ich<br />
kann nicht erkennen, dass die Landesgesetzgeber das Ziel des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es<br />
relativiert håtten, so dass Lebens- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz<br />
auch als Abwågungsposition gegençber wirtschaftlichen Interessen<br />
relativiert werden kænnten. Die Gesetze wollen Nichtrauchern e<strong>in</strong>e<br />
rauchfreie Gastronomie garantieren, das heiût m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>en rauchfreien<br />
Hauptraum. Ausnahmen vom Rauchverbot sollen nur <strong>in</strong>soweit<br />
zugelassen werden, als diese den <strong>Nichtraucherschutz</strong> nicht gefåhrden.<br />
Die Umsetzung dieses Konzepts mag dem Gesetzgeber nicht perfekt<br />
gelungen se<strong>in</strong>. Die Annahme, Festzelte glichen eher Auûenbereichen als<br />
Innenråumen ist mæglicherweise wissenschaftlich unzutreffend <strong>und</strong><br />
auch die Zulassung des Rauchens <strong>in</strong> Nebenråumen mag <strong>in</strong> der Praxis<br />
Auswirkungen auf Nichtraucher haben. Aber nach der E<strong>in</strong>schåtzung<br />
des Gesetzgebers sollte das gerade nicht der Fall se<strong>in</strong>, er wollte den<br />
<strong>Nichtraucherschutz</strong> so umfassend garantieren wie mæglich <strong>und</strong> nur<br />
dort zurçcktreten lassen, wo er ke<strong>in</strong>en Schutz fçr nætig hielt. Wenn er<br />
dabei geirrt hat, mag die praktische Erfahrung den Gesetzgeber zum<br />
Nachbessern zw<strong>in</strong>gen, das gef<strong>und</strong>ene Modell liegt aber im Rahmen<br />
se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schåtzungsprårogative. Er håtte sich umgekehrt Vorwçrfen<br />
e<strong>in</strong>er unverhåltnismåûigen Regelung ausgesetzt, wenn er das Rauchen<br />
auch dort noch verboten håtte, wo dies nach se<strong>in</strong>er vertretbaren E<strong>in</strong>schåtzung<br />
fçr den <strong>Nichtraucherschutz</strong> nicht erforderlich ist.<br />
[175] Das BVerfG hat dem Gesetzgeber bei der Regelung der Berufsausçbung<br />
mit Recht <strong>in</strong> ståndiger Rechtsprechung e<strong>in</strong>en weiten Spielraum<br />
e<strong>in</strong>geråumt, der auch notwendig ist, will es nicht zum Ersatzgesetzgeber<br />
werden. Das gilt besonders beim Schutz von wichtigen<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsgçtern ± <strong>und</strong> mit Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit stehen hier die<br />
wichtigsten auf dem Spiel ±, bei dem der Gesetzgeber von Verfassungs<br />
wegen ohneh<strong>in</strong> schon zwischen Untermaûverbot h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er mæglichen<br />
Verletzung der Schutzpflicht <strong>und</strong> Ûbermaûverbot h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
durch die Regelung Betroffenen e<strong>in</strong>geklemmt ist. Davon weicht die<br />
Mehrheit im vorliegenden Fall ab. Dabei wåre das Festhalte n an e<strong>in</strong>em<br />
weiten Spielraum gerade hier wichtig. E<strong>in</strong>e gesetzliche Reform wie der<br />
<strong>Nichtraucherschutz</strong> ± aber Vergleichbares lieûe sich fçr viele Fålle aktueller<br />
Reformbemçhungen im Verbraucher-, Umwelt- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz<br />
sagen ± ist e<strong>in</strong> politischer Kraftakt, bei dem der Gesetzgeber<br />
massivsten Widerstånden måchtiger Lobbys ausgesetzt ist. Welche Widerstånde<br />
zu çberw<strong>in</strong>den waren, zeigt sich schon daran, dass die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland im <strong>Nichtraucherschutz</strong> e<strong>in</strong> Nachzçgler <strong>in</strong><br />
Westeuropa ist. Unter solchen Bed<strong>in</strong>gungen wird im ersten Anlauf<br />
håufig nur e<strong>in</strong> mehr oder weniger durchlæcherter Kompromiss mæglich<br />
se<strong>in</strong> ± <strong>und</strong> Kompromiss ist geradezu Wesensmerkmal demokratischer<br />
Politik. Das BVerfG darf ke<strong>in</strong>e Folgerichtigkeit <strong>und</strong> Systemre<strong>in</strong>heit<br />
e<strong>in</strong>fordern, die ke<strong>in</strong> demokratischer Gesetzgeber leisten kann. Zw<strong>in</strong>gt<br />
man den Gesetzgeber unter solchen politischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> alles oder nichts, <strong>in</strong>dem man ihm zwar theoretisch e<strong>in</strong>e ± politisch<br />
kaum durchsetzbare ± Radikallæsung erlaubt, aber Ausnahmen <strong>und</strong><br />
Unvollkommenheiten benutzt, die erreichten Fortschritte zu kassieren,<br />
gefåhrdet das die Reformfåhigkeit von Politik.<br />
Abweichende Me<strong>in</strong>ung des Richters Mas<strong>in</strong>g<br />
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[176] Der Entscheidung des Senats vermag ich weder <strong>in</strong>soweit, als sie<br />
von den angegriffenen Rauchverboten weitreichende Ausnahmen fordert,<br />
noch <strong>in</strong>soweit, als sie den Gesetzgeber auf die Mæglichkeit e<strong>in</strong>es<br />
ausnahmslos strikten Rauchverbots verweist, zuzustimmen. Der Senat<br />
schlågt dem Gesetzgeber ohne Gr<strong>und</strong> e<strong>in</strong> von diesem entwickeltes Konzept<br />
fçr e<strong>in</strong>en anspruchsvollen, aber ausbalancierten <strong>Nichtraucherschutz</strong><br />
aus der Hand (I) <strong>und</strong> æffnet zugleich den Weg fçr e<strong>in</strong>e Extremlæsung,<br />
die mangels Interessenausgleichs unverhåltnismåûig ist <strong>und</strong> die<br />
Gefahr paternalistischer Bevorm<strong>und</strong>ung birgt (II).<br />
[177] I. Die angegriffenen Regelungen verwirklichen e<strong>in</strong> Schutzkonzept,<br />
das als Ausgleich verschiedener Interessen auch gegençber kle<strong>in</strong>en<br />
E<strong>in</strong>raumgastståtten mit getrånkeorientiertem Angebot (¹Eckkneipen``)<br />
gr<strong>und</strong>såtzlich mit <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>GG</strong> vere<strong>in</strong>bar <strong>und</strong> verhåltnismåûig ist.<br />
Indem der Senat fçr alle derartigen <strong>Gastståtten</strong> e<strong>in</strong>e Ausnahme fordert,<br />
nimmt er diesem Konzept se<strong>in</strong>e Str<strong>in</strong>genz <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en groûen Teil se<strong>in</strong>er<br />
Wirkung.<br />
[178] 1. Der Gesetzgeber verfolgt das Konzept e<strong>in</strong>es gr<strong>und</strong>såtzlichen<br />
Vorrangs des Schutzes von Nichtrauchern bei nachrangiger Ermæglichung<br />
e<strong>in</strong>es ergånzenden Raucherangebots. Jeder <strong>Gastståtten</strong>betreiber<br />
hat danach die Pflicht, primår das Angebot auf Nichtraucher auszurichten.<br />
E<strong>in</strong> Nichtraucher soll nicht vor die Alternative gestellt werden,<br />
entweder auf e<strong>in</strong>en <strong>Gastståtten</strong>besuch verzichten oder sich ges<strong>und</strong>heitsschådlichem<br />
Rauch aussetzen zu mçssen. Erst wenn der <strong>Nichtraucherschutz</strong><br />
gesichert ist, s<strong>in</strong>d daneben auch Raucherangebote erlaubt. Abgesehen<br />
von dem untergeordneten ± <strong>und</strong> <strong>in</strong>soweit konzeptwidrigen ±<br />
Sonderfall der Festzelte nach § 7 I 3 BadWçrttNRSG, erstreckt der<br />
jeweilige Gesetzgeber diese Regelung gleichermaûen <strong>und</strong> konsequent<br />
auf alle <strong>Gastståtten</strong>. Er råumt dem Ges<strong>und</strong>heitsschutz <strong>in</strong>soweit strikten<br />
Vorrang e<strong>in</strong>. Andererseits trågt er durch die nachrangige Mæglichkeit<br />
e<strong>in</strong>es råumlich zu trennenden Raucherangebots zugleich auch den Interessen<br />
der Raucher Rechnung.<br />
[179] 2. Gegençber den Gastwirten s<strong>in</strong>d diese Regelungen ± dar<strong>in</strong><br />
stimme ich mit dem Senat çbere<strong>in</strong> ± e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Berufsausçbungsfreiheit,<br />
der durch das Ziel des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes legitimiert sowie<br />
hierfçr geeignet <strong>und</strong> erforderlich ist. Entgegen der Auffassung des<br />
Senats ist dieser E<strong>in</strong>griff aber gr<strong>und</strong>såtzlich auch <strong>in</strong> Bezug auf ¹Eckkneipen``<br />
verhåltnismåûig im engeren S<strong>in</strong>ne. Das Ziel, Nichtraucher vor<br />
der Alternative zu schçtzen, sich Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdungen auszusetzen<br />
oder auf e<strong>in</strong>en <strong>Gastståtten</strong>besuch zu verzichten, hat h<strong>in</strong>reichendes Gewicht,<br />
um e<strong>in</strong>e solche Inpflichtnahme auch ihnen gegençber zu tragen.<br />
Die hierzu konzeptbezogen wechselnde Argumentation des Senats ist<br />
dem gegençber widersprçchlich. Warum der Ges<strong>und</strong>heitsschutz zwar<br />
e<strong>in</strong> ausnahmsloses Rauchverbot, wie der Senat me<strong>in</strong>t (dazu unten II),<br />
nicht aber auch e<strong>in</strong> Rauchverbot, das dem Vorrangpr<strong>in</strong>zip folgt, gegençber<br />
¹Eckkneipen`` tragen soll, ist nicht e<strong>in</strong>zusehen. Das verfassungsrechtliche<br />
Gewicht des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes ist nicht Folge gesetzlicher<br />
Wertungen, sondern deren Maûstab. Angesichts der klaren Vorrangverpflichtung<br />
zu Nichtraucherangeboten vor Raucherangeboten låsst sich<br />
dem Gesetzgeber auch nicht vorhalten, er selbst habe e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende<br />
Prioritåt des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes nicht gewollt.<br />
[180] Freilich treffen die Gesetze <strong>Gastståtten</strong> je nach deren Mæglichkeit,<br />
Raucherråume e<strong>in</strong>zurichten, faktisch verschieden stark. Dabei<br />
werden ¹Eckkneipen`` besonders stark belastet: In der Regel kann <strong>in</strong><br />
ihnen e<strong>in</strong> Raucherraum nicht abgetrennt werden <strong>und</strong> haben sie zugleich<br />
e<strong>in</strong>en besonders groûen Anteil an rauchenden Gåsten, die vielfach<br />
abwandern werden. Dennoch ist die Regelung auch <strong>in</strong>soweit nicht<br />
unverhåltnismåûig. Dass sich durch die Ønderung von gesetzlichen<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zum Schutz der Ges<strong>und</strong>heit, der Umwelt oder zur<br />
Durchsetzung sozialer Belange auch die Marktchancen der betroffenen<br />
Gewerbetreibenden oder Unternehmen åndern, schlieût <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>GG</strong><br />
nicht aus. Er gewåhrleistet weder e<strong>in</strong>en Anspruch auf gleichbleibende<br />
Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen noch auf Erfolg im Wettbewerb oder auf<br />
Sicherung kçnftiger Erwerbschancen (vgl. BVerfGE 24, 236 [251] =<br />
NJW 1969, 31; BVerfGE 34, 252 [256] = NJW 1973, 499; BVerfGE<br />
105, 252 [265] = NJW 2002, 2621; BVerfGE 106, 275 [299] = NJW<br />
2003, <strong>12</strong>32; BVerfGE 110, 274 [288] = NVwZ 2004, 846; BVerfGE<br />
116, 135 [152] = NJW 2006, 3701). Die unterschiedlichen Auswirkungen<br />
der Regelungen auf die <strong>Gastståtten</strong>, je nachdem, ob sie ihrer Græûe<br />
<strong>und</strong> Mæglichkeit nach Nichtraucherråume e<strong>in</strong>richten kænnen, s<strong>in</strong>d angesichts<br />
gestiegener Anforderungen an den Ges<strong>und</strong>heitsschutz Ausdruck<br />
ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfåhigkeit <strong>und</strong> des Wettbewerbs.<br />
Von daher ist auch e<strong>in</strong> Verstoû gegen den Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz<br />
nicht zu erkennen: Ebenso wenig wie etwa im Umweltrecht kænnen<br />
auch vorliegend Schutzanforderungen, die fçr alle gleich gelten, alle<strong>in</strong><br />
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wegen ihrer verschiedenen wirtschaftlichen Folgen das Verdikt der verfassungswidrigen<br />
Ungleichbehandlung begrçnden. Dass auch der relativ<br />
hohe Raucheranteil <strong>in</strong> ¹Eckkneipen`` nicht deren Freistellung von<br />
Schutzanforderungen aus Gleichheitsgrçnden erfordert, beurteilt bezogen<br />
auf e<strong>in</strong> striktes Rauchverbot auch der Senat nicht anders. Warum<br />
der Ges<strong>und</strong>heitsschutz im Rahmen des vom Gesetzgeber gewåhlten<br />
Vorrangkonzepts diese Ungleichbehandlung dem gegençber nicht rechtfertigen<br />
soll, leuchtet nicht e<strong>in</strong>.<br />
[181] Allerd<strong>in</strong>gs kænnen unter dem Gesichtspunkt der Verhåltnismåûigkeit<br />
Hårteregelungen zur Abpufferung e<strong>in</strong>er Ûbergangszeit geboten<br />
se<strong>in</strong>, wie zum Beispiel Regelungen, die <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfållen Zeit geben<br />
zur Verlegung oder Zusammenlegung von Betrieben, zur Erarbeitung<br />
von alternativen Angebotskonzepten, zur Anpassung von Dauervertrågen<br />
oder zur Amortisierung von Investitionen. Auch kænnen Ausnahmen<br />
fçr Fålle erforderlich se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> denen offenk<strong>und</strong>ig e<strong>in</strong> vollwertiges<br />
Nichtraucherangebot <strong>in</strong> zumutbarer Nåhe besteht. Diesbezçglich gençgen<br />
die angegriffenen Regelungen <strong>in</strong> der Tat nicht <strong>in</strong> jeder H<strong>in</strong>sicht den<br />
verfassungsrechtlichen Anforderungen. Ob der Gesetzgeber solche Regeln<br />
fçr praktikabel hålt oder aus verwaltungspraktischen Grçnden die<br />
Ausnahmen dann typisierend ausweiten will, hat nicht das BVerfG,<br />
sondern er selbst zu entscheiden.<br />
[182] Ûber solche e<strong>in</strong>zelfallbezogenen Ûbergangs- <strong>und</strong> Ausnahmeklauseln<br />
h<strong>in</strong>aus ist dem gegençber von Verfassungs wegen e<strong>in</strong>e Korrektur<br />
der Gesetze nicht geboten. Im Gr<strong>und</strong>satz ist die Hårte der Regelung<br />
fçr ¹Eckkneipen`` nur die Konsequenz e<strong>in</strong>es vom Gesetzgeber im Rahmen<br />
se<strong>in</strong>er Gestaltungsmæglichkeiten zulåssig <strong>in</strong> den Vordergr<strong>und</strong> gestellten<br />
Ges<strong>und</strong>heitsschutzes fçr Nichtraucher <strong>und</strong> verfassungsrechtlich<br />
nicht zu beanstanden.<br />
[183] 3. Demgegençber entwertet der Senat den durch die angegriffenen<br />
Regelungen <strong>in</strong>s Werk gesetzten <strong>Nichtraucherschutz</strong> pr<strong>in</strong>zipiell <strong>und</strong><br />
erheblich. Indem er fçr alle ¹Eckkneipen`` unterschiedslos e<strong>in</strong>e Ausnahme<br />
vom Rauchverbot fordert, wird e<strong>in</strong>e groûe Zahl von <strong>Gastståtten</strong><br />
von dem Rauchverbot ausgenommen (auf B<strong>und</strong>esebene sollen von etwa<br />
243 000 Hotel- <strong>und</strong> <strong>Gastståtten</strong>betrieben beziehungsweise 187 000<br />
Betrieben des <strong>Gastståtten</strong>gewerbes 60 000 bis 80 000 çberwiegend<br />
getrånkegeprågte E<strong>in</strong>raumbetriebe se<strong>in</strong>; vgl. Stellungnahme DEHOGA<br />
B<strong>und</strong>esverband). Auch wenn diese angesichts ihrer Græûe nur çber<br />
vergleichsweise wenige Sitzplåtze verfçgen <strong>und</strong> zu den vom Senat erfassten<br />
¹Eckkneipen`` ke<strong>in</strong>e genauen Zahlenangaben mæglich s<strong>in</strong>d, ist<br />
doch deutlich, dass die geforderte Ausnahme das gesetzgeberische<br />
Schutzkonzept weit mehr als am Rande betrifft. Sie setzt <strong>in</strong> weitem<br />
Umfang schon den Gr<strong>und</strong>gedanken des Konzepts selbst auûer Kraft<br />
<strong>und</strong> erlaubt das Rauchen auch dort, wo fçr Nichtraucher ke<strong>in</strong>e Ausweichmæglichkeiten<br />
bestehen.<br />
[184] II. Als politische Alternative verweist der Senat auf die Mæglichkeit<br />
e<strong>in</strong>es radikalen Rauchverbots <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> ohne jede Ausnahme.<br />
Diese Ausfçhrungen s<strong>in</strong>d weder veranlasst noch <strong>in</strong> der Sache tragfåhig.<br />
E<strong>in</strong> ausnahmsloses Rauchverbot ist zum Schutz der Nichtraucher nicht<br />
erforderlich <strong>und</strong> als Maûnahme der Suchtpråvention zum Schutz der<br />
Bçrger vor sich selbst unverhåltnismåûig. Es wåre e<strong>in</strong> Schritt <strong>in</strong> Richtung<br />
e<strong>in</strong>er staatlichen Inpflichtnahme zu e<strong>in</strong>em ¹guten Leben``, die mit<br />
der Freiheitsordnung des Gr<strong>und</strong>gesetzes nicht vere<strong>in</strong>bar ist.<br />
[185] 1. Die Ausfçhrungen zur Verfassungsmåûigkeit e<strong>in</strong>es radikalen<br />
Rauchverbots s<strong>in</strong>d fçr die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen<br />
Vorschriften weder erforderlich noch fçr die Begrçndung des<br />
Senats tragend. Zumal <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong> solches Konzept bisher <strong>in</strong><br />
ke<strong>in</strong>em B<strong>und</strong>esland ± nach der praxisleitenden Interpretation des geltenden<br />
Rechts auch nicht <strong>in</strong> Bayern ± politisch durchgesetzt wurde, gibt<br />
es fçr e<strong>in</strong> solches obiter dictum ke<strong>in</strong>en Anlass. Wenn der Senat dennoch<br />
hierzu breite Ausfçhrungen macht, liegt dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong> unzulåssiger Ûbergriff<br />
<strong>in</strong> die Gesetzgebungspolitik.<br />
[186] 2. E<strong>in</strong> ausnahmsloses Rauchverbot <strong>in</strong> allen <strong>Gastståtten</strong> wåre<br />
me<strong>in</strong>es Erachtens auch <strong>in</strong> der Sache verfassungswidrig. Es handelte sich<br />
hierbei um e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>griff sowohl <strong>in</strong> die Berufsfreiheit der Gastwirte<br />
nach <strong>Art</strong>. <strong>12</strong> I <strong>GG</strong> als auch <strong>in</strong> die Freiheit der Raucher nach <strong>Art</strong>. 2 I<br />
<strong>GG</strong>, der mit dem Verhåltnismåûigkeitsgr<strong>und</strong>satz nicht vere<strong>in</strong>bar wåre.<br />
[187] a) Mit Blick auf den Schutz der Nichtraucher vor den Gefahren<br />
des Passivrauchens fehlt es fçr e<strong>in</strong> ausnahmsloses Rauchverbot schon<br />
an der Erforderlichkeit. Wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gastståtte e<strong>in</strong> vollwertiges<br />
Nichtraucherangebot gewåhrleistet ist, åndert e<strong>in</strong> ergånzender Raucherraum<br />
nichts daran, dass die Inanspruchnahme der gastronomischen<br />
Leistung ohne Ges<strong>und</strong>heitsgefåhrdung mæglich ist. E<strong>in</strong> umfassendes<br />
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Verbot auch von Rauchernebenråumen låsst sich <strong>in</strong>sbesondere nicht<br />
dadurch rechtfertigen, dass Nichtraucher mæglicherweise gerade <strong>in</strong> diesen<br />
Nebenraum e<strong>in</strong>kehren mæchten, um die Gesellschaft der dort bef<strong>in</strong>dlichen<br />
Gåste zu genieûen. E<strong>in</strong>e solche Argumentation, die alle<strong>in</strong> den<br />
Wunsch e<strong>in</strong>es Nichtrauchers nach der Gesellschaft von Rauchern h<strong>in</strong>reichen<br />
låsst, um Letzteren das Rauchen zu untersagen, stellt das freiheitsbestimmte<br />
Nebene<strong>in</strong>ander von Rauchern <strong>und</strong> Nichtrauchern selbst<br />
<strong>in</strong> Frage. Sie stårkt nicht den <strong>Nichtraucherschutz</strong> beim <strong>Gastståtten</strong>besuch,<br />
sondern eræffnet es Nichtrauchern, sich Rauchern gegen ihren<br />
Willen auch dann aufzudrången, wenn diese sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en eigenen<br />
Bereich zurçckziehen. Verfassungsrechtlich gibt es hierfçr ke<strong>in</strong>e Rechtfertigung.<br />
[188] b) E<strong>in</strong> ausnahmsloses Rauchverbot kann auch nicht auf den<br />
Schutz der ¹Eck-Kneipen`` vor Abwanderung von deren rauchenden<br />
Gåsten gestçtzt werden. Dass e<strong>in</strong> mit dem Ges<strong>und</strong>heitsschutz Dritter<br />
vere<strong>in</strong>bares Raucherangebot wirtschaftlich nicht allen <strong>Gastståtten</strong> gleichermaûen<br />
mæglich ist, legitimiert es nicht, e<strong>in</strong> entsprechendes Angebot<br />
<strong>in</strong>sgesamt zu verbieten. Die Festschreibung tatsåchlicher Marktkråfte<br />
ist ke<strong>in</strong> h<strong>in</strong>reichender Gr<strong>und</strong>, um Rauchern den Genuss von Tabak bei<br />
Speise <strong>und</strong> Trank <strong>in</strong> der Úffentlichkeit auch dort zu untersagen, wo es<br />
aus Grçnden des <strong>Nichtraucherschutz</strong>es nicht erforderlich ist.<br />
[189] c) Der Landesgesetzgeber kann e<strong>in</strong> ausnahmsloses Rauchverbot<br />
auch nicht mit dem Schutz der Beschåftigten rechtfertigen. Ihm fehlt fçr<br />
e<strong>in</strong>e darauf bezogene Regelung die Kompetenz. Den Konflikt zwischen<br />
Arbeitsschutz <strong>und</strong> den Gefåhrdungen des Passivrauchens hat der B<strong>und</strong><br />
durch se<strong>in</strong>e Arbeitsståttenverordnung abschlieûend geregelt. Gegençber<br />
Regelungen der Lånder, die spezifisch diesen Konflikt aufgriffen, ihn<br />
anders bewerteten <strong>und</strong> zum Anlass oder zur Rechtfertigung e<strong>in</strong>er strengeren<br />
Regelung nåhmen, entfaltet diese Regelung gem. <strong>Art</strong>. 72 I <strong>GG</strong><br />
Sperrwirkung. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuståndigkeit<br />
weist das Gr<strong>und</strong>gesetz den Låndern nicht die Kompetenz zu,<br />
abschlieûende B<strong>und</strong>esregelungen, die sie fçr unzulånglich <strong>und</strong> reformbedçrftig<br />
halten, durch andere weitergehende Normen ¹nachzubessern``<br />
(vgl. BVerfGE 36, 193 [211] = NJW 1974, 356; BVerfGE 109,<br />
190 [230] = NJW 2004, 750; st. Rspr.).<br />
[190] d) E<strong>in</strong> absolutes Rauchverbot låsst sich auch nicht auf das<br />
allgeme<strong>in</strong>e Anliegen der Suchtpråvention <strong>und</strong> den dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschlossenen<br />
Gedanken des Schutzes der Bçrger vor sich selbst stçtzen.<br />
[191] Allerd<strong>in</strong>gs ist die Suchtpråvention e<strong>in</strong> legitimes Anliegen des<br />
Gesetzgebers, das es erlauben kann, freiheitsverbçrgte Verhaltensweisen,<br />
die zugleich e<strong>in</strong> Suchtpotenzial haben, zu erschweren, e<strong>in</strong>zugrenzen<br />
oder e<strong>in</strong> Stçck weit aus der æffentlichen Wahrnehmung zu drången. Der<br />
Gesetzgeber kann <strong>in</strong>soweit <strong>in</strong> Blick auf negative Folgen fçr Dritte oder<br />
die Allgeme<strong>in</strong>heit oder auch unmittelbar zur Verm<strong>in</strong>derung von Abhångigkeiten<br />
Regelungen zum Schutze der Betr. vor Versuchungen <strong>und</strong><br />
damit letztlich vor sich selbst treffen.<br />
[192] Auch dieses Anliegen aber ± auf das die <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetze<br />
bisher auffålligerweise nicht gestçtzt wurden ± kænnte e<strong>in</strong> ausnahmsloses<br />
Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> nicht tragen. Zwar mag es<br />
geeignet <strong>und</strong> erforderlich se<strong>in</strong>, um die Attraktivitåt des Rauchens <strong>und</strong><br />
damit auch Wege <strong>in</strong> die Abhångigkeit zu verr<strong>in</strong>gern. Es wåre <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Kompromisslosigkeit aber unverhåltnismåûig.<br />
[193] Mit e<strong>in</strong>em absoluten gastståttenrechtlichen Rauchverbot wird<br />
das gesellige Beisammense<strong>in</strong> <strong>und</strong> Feiern bei Tabak, Speise <strong>und</strong> Trank<br />
vællig aus dem æffentlichen Raum <strong>und</strong> dem gewerblichen Angebot verbannt.<br />
Soll es ohne Umgehungsmæglichkeit ernst genommen werden,<br />
muss es gr<strong>und</strong>såtzlich auch entsprechende gewerbliche Angebote im<br />
Rahmen von privaten Vere<strong>in</strong>en umfassen. Der Genuss von Tabak bei<br />
Speise <strong>und</strong> Trank wåre danach im Wesentlichen nur noch <strong>in</strong>nerhalb der<br />
privaten vier Wånde mæglich. Dieses aber ist angesichts e<strong>in</strong>er Tradition,<br />
<strong>in</strong> der diese Verb<strong>in</strong>dung seit Jahrh<strong>und</strong>erten von vielen als Teil von<br />
Lebensfreude empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> gepflegt wird, <strong>und</strong> angesichts e<strong>in</strong>es Raucheranteils<br />
von mehr als 30% der erwachsenen Bevælkerung unverhåltnismåûig.<br />
Auch wenn der Tabakkonsum çberaus ges<strong>und</strong>heitsschådlich<br />
<strong>und</strong> der Genuss von Tabak wie der Genuss jeder Droge unvernçnftig ist<br />
<strong>und</strong> auch wenn er e<strong>in</strong>en groûen Teil der Raucher <strong>in</strong> bedrçckende<br />
Abhångigkeit br<strong>in</strong>gt, so åndert das nichts daran, dass er als Bestandteil<br />
unserer Kultur von der allgeme<strong>in</strong>en Handlungsfreiheit geschçtzt ist.<br />
Das gastståttenrechtliche Rauchverbot ist <strong>in</strong>soweit auch mehr als die<br />
Bagatellbelastung, zur Befriedigung e<strong>in</strong>er Sucht vor die Tçr treten zu<br />
mçssen. Es unterb<strong>in</strong>det vielmehr e<strong>in</strong>e tradierte Form des kommunikativen<br />
Mite<strong>in</strong>anders <strong>in</strong> als persænlich wichtig angesehenen Situationen, fçr<br />
die der ± zu Recht oder zu Unrecht als subjektiv frei empf<strong>und</strong>ene ±<br />
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Rçckgriff auf den ges<strong>und</strong>heitsschådigenden Tabak als wesentlich erlebt<br />
wird. In Blick auf damit verb<strong>und</strong>ene Gefahren kann der Gesetzgeber<br />
auf solche Traditionen e<strong>in</strong>wirken <strong>und</strong> sie zurçckdrången. Dabei hat er<br />
auch e<strong>in</strong>en erheblichen Gestaltungsspielraum. Er kann aber nicht auf<br />
dem Verbotswege die Verb<strong>in</strong>dung von Tabak, Speise <strong>und</strong> Trank vællig<br />
dem gewerblichen Angebot <strong>in</strong> der Úffentlichkeit entziehen.<br />
[194] 3. Die Freiheitsrechte des Gr<strong>und</strong>gesetzes verpflichten den Gesetzgeber<br />
auf Regelungen, die der schwierigen Spannung von Schutz<br />
<strong>und</strong> Freiheit ausgleichend Rechnung tragen. Damit vertrågt sich die<br />
Radikallæsung e<strong>in</strong>es absoluten gastståttenrechtlichen Rauchverbots<br />
nicht. Mit ihr wird vielmehr e<strong>in</strong> Weg edukatorischer Bevorm<strong>und</strong>ung<br />
vorgezeichnet, der sich auf weitere Bereiche ausdehnen kænnte <strong>und</strong><br />
dann erstickend wirkt. In der Praxis wird e<strong>in</strong> solches Konzept çberdies<br />
Gefahr laufen, doppelbædige Ausweichstrategien oder Vollzugsdefizite<br />
hervorzubr<strong>in</strong>gen, <strong>und</strong> auch von daher das Rechtsstaatspr<strong>in</strong>zip aufweichen.<br />
Indem der Senat e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> auf Ausgleich bedachtes <strong>Nichtraucherschutz</strong>konzept<br />
entkråftet, anderseits aber auf e<strong>in</strong>e kompromisslose<br />
Maximallæsung verweist, verstellt er dem Gesetzgeber Mittellæsungen,<br />
wie sie e<strong>in</strong>er freiheitlichen Ordnung gemåû s<strong>in</strong>d.<br />
Anm. d. Schriftltg.: Mit fæderalen Regelungsbefugnissen fçr æffentliche<br />
Rauchverbote beschåftigen sich Rossi/Lenski, NJW 2006,<br />
2657; zur Zuståndigkeit des B<strong>und</strong>es zum Erlass umfassender Rauchverbote<br />
nach Inkrafttreten der ersten Stufe der Fæderalismusreform s.<br />
Siekmann, NJW 2006, 3382; zu Tabakprozessen <strong>in</strong> den USA, Deutschland<br />
<strong>und</strong> anderen europåischen Låndern s. Molitoris, NJW 2004,<br />
3662. Zum Rauchverbot <strong>in</strong> <strong>Gastståtten</strong> <strong>und</strong> Freizeite<strong>in</strong>richtungen vgl.<br />
auch VG Mçnchen, NVwZ 2008, 808; zum <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetz<br />
<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz RhPfVerfGH, NVwZ 2008, 552; zur Versagung des<br />
vorlåufigen Rechtsschutzes gegen das Hessische <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetz<br />
s. BVerfG, NJW 2008, 638; zum Niedersåchsischen <strong>Nichtraucherschutz</strong>gesetz<br />
VG Oldenburg, Beschl. v. 28. 3. 2008 ± <strong>12</strong> B 438/08,<br />
BeckRS 2008, 35 835. &<br />
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