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Neukölln vor 69 Jahren<br />
Elfride A., 1916 geboren, lebte mit ihrem Mann<br />
<strong>und</strong> zwei Kindern in der Mareschstr., in Neukölln.<br />
Anfang 1943 wurde ihr Mann an die Ostfront<br />
geschickt <strong>und</strong> kehrte nicht mehr zurück.<br />
Aus<br />
dem<br />
Tagebuch<br />
von<br />
Elfriede A.<br />
25. 4. 1943, Ostersonntag - Liebster Vati ...<br />
warum mußte das alles so kommen? 24 Briefe,<br />
die dich nicht mehr erreichten, habe ich heute mit<br />
dem Vermerk „vermisst” zurück bekommen. Kann<br />
ich denn nirgends erfahren, wo du bist? Wenn<br />
dich doch wenigstens ein Gruß von uns erreichen<br />
würde, der dir sagt, dass wir immer an dich<br />
denken...<br />
28. 4. 1943 - Heut kamen deine Sachen zurück.<br />
Warum müssen die W<strong>und</strong>en immer wieder neu<br />
aufgerissen werden; soll das nun so weiter gehen?<br />
Wann <strong>und</strong> wie ist das Ende?<br />
30. 4. 1943 - Wir bekommen eine neue Wohnung.<br />
Sie ist auch nicht sehr groß, hat aber viel, viel<br />
Sonne. Vati, wenn du die jetzt erleben könntest.<br />
1. 5. 1943 - Fast ein viertel Jahr fehlt nun schon<br />
jede Spur von dir. Ich gebe mir die größte Mühe,<br />
irgendetwas zu vermitteln, aber bisher war alles<br />
umsonst. Sollen wir denn nie wieder zusammen<br />
finden? Ich glaube das nicht; ich fühle, du lebst<br />
<strong>und</strong> ich warte auf dich.<br />
20. 5. 1943 - Endlich haben wir alle Umzugsfreuden<br />
<strong>und</strong> -leiden hinter uns. <strong>Mo</strong>nika <strong>und</strong><br />
Peterle sind begeistert vom schönen zu Hause. Ich<br />
glaube, Vati, das ist wirklich eine Wohnung auch<br />
nach deinem Geschmack. Was uns am meisten<br />
<strong>Fr</strong>eude bereitet; die viele, viele Sonne. Ach, wenn<br />
du doch jetzt bei uns sein könntest. <strong>Mo</strong>nika<br />
phantasiert den ganzen Tag vom Vati; wenn du<br />
wiederkommst wirst du staunen, wie wenig sie<br />
Sie hat diese Zeit in einem Tagebuch festgehalten.<br />
1994 ist sie verstorben, aber ihre Kinder<br />
haben uns das Tagebuch zur Verfügung gestellt.<br />
Wir möchten in den nächsten Ausgaben<br />
einige Auszüge abdrucken. Denn wir finden es<br />
wichtig, die Erinnerung an diese Zeit aufrecht zu<br />
erhalten. (1. Teil erschienen in Ausgabe 12)<br />
dich vergessen hat. - Die Kinder sind wieder ganz<br />
ges<strong>und</strong> (hatten beide nach der Grippe noch die<br />
Krätze) <strong>und</strong> entwickeln sich prächtig. Peter ist<br />
ein strammer, aber auch kesser Bengel geworden.<br />
<strong>Mo</strong>nika ist schon ein richtiges großes Mädel. Sie<br />
passt gut auf Peterlein auf. Ein paar mal hat sie<br />
sogar schon allein Schrippen geholt. Ich glaube,<br />
Vati, du wirst einmal die größte <strong>Fr</strong>eude an deinen<br />
Spatzen haben.<br />
2. 6. 1943 - Warum?<br />
6. 6. 1943 - Ich weiß nicht, was mich dazu trieb,<br />
nur dies eine Wort zu schreiben; ich war<br />
vollkommen erschüttert <strong>und</strong> herunter mit den<br />
Nerven. Es ist schwer, mit einem Kummer allein<br />
fertig zu werden, zumal man den Gr<strong>und</strong> nicht<br />
fassen, nicht begreifen kann. Wenn ich unsere<br />
lieben kleinen Spatzen, deine Kinder, jetzt nicht<br />
hätte, glaub mir, ich bin oft am verzweifeln, den<br />
Mut zu verlieren. Immer wieder sind es die<br />
Kinder, die mir Halt geben, die mich daran<br />
erinnern, dass ich ja stark bleiben muß <strong>und</strong><br />
ges<strong>und</strong>, für dich <strong>und</strong> sie. - <strong>Mo</strong>nika <strong>und</strong> Peterlein,<br />
wisst ihr denn, was ihr jetzt für mich bedeutet?<br />
Ohne euch wäre ich jetzt wohl nur noch ein<br />
Häuflein Elend; gebrochen an Herz <strong>und</strong> Seele...<br />
Ein Foto aus „besseren” Tagen: Im Sommer 1941.<br />
Urlaub mit Helmut <strong>und</strong> <strong>Mo</strong>nika, zusammen mit<br />
Oma <strong>und</strong> Opa. Fotos: privat<br />
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