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Phytotherapie in der Neurologie - SMGP

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zaenmagaz<strong>in</strong><br />

26. SchweizeriSche JahreStagung für PhytotheraPie<br />

<strong>Phytotherapie</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Neurologie</strong><br />

Das Interesse <strong>der</strong> Patienten an pflanzlichen Arzneimitteln und<br />

ihre Anwendung nimmt immer mehr zu, so dass sich auch die<br />

neurologisch tätigen Mediz<strong>in</strong>er zunehmend mit <strong>der</strong>en Wirkungen,<br />

Nebenwirkungen und Kontra<strong>in</strong>dikationen <strong>der</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen<br />

müssen. Nicht von ungefähr hat sich deshalb auch die 26.<br />

Schweizerische Jahrestagung für <strong>Phytotherapie</strong> (17. November<br />

2011 im Kongresszentrum Trafo <strong>in</strong> Baden, CH) speziell diesem<br />

Thema gewidmet. Dr. med. RobeRt KäufeleR, stellvertreten<strong>der</strong><br />

Chefarzt <strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong>burg-Kl<strong>in</strong>ik, Walzenhausen und Prof. Dr.med.<br />

Re<strong>in</strong>haRd SalleR von <strong>der</strong> Universität Zürich (Institut für Naturheilkunde)<br />

und Prof Dr. beat MeieR von <strong>der</strong> Zürcher Hochschule für<br />

angewandte Wissenschaften ZHAW (Fachgruppe Phytopharmazie)<br />

stellten das wissenschaftliche Programm zusammen. Hier<br />

e<strong>in</strong>ige Schwerpunkte:<br />

Was leisten Cannabis-Wirkstoffe?<br />

Dr. med. Regula SpReyeRMann, leitende Ärzt<strong>in</strong> und Dr. med. holgeR<br />

lochMann, Oberarzt, beide vom Zentrum für Querschnittgelähmte<br />

und Hirnverletzte des Schweizerischen Paraplegiker zentrum<br />

an <strong>der</strong> REHAB Basel präsentierten unter<br />

dem Titel „Cannabis-THC: Stützt<br />

neues Wissen die Erfahrung?“ den<br />

E<strong>in</strong>satz von Cannabis-Wirkstoffen bei<br />

Querschnittsgelähmten zur Behandlung<br />

von Spastik und neuropathischen<br />

Schmerzen, <strong>der</strong> wichtigsten Probleme<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachsorge. Zu <strong>der</strong>en Behandlung<br />

stehen zwar Medikamente zur<br />

Verfügung, <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>satz ist aber we-<br />

Dr. med. Regula<br />

Spreyermann<br />

Dr. med. Robert Käufeler,<br />

Prof. Dr.med. Re<strong>in</strong>hard Saller<br />

und Prof Dr. Beat Meier<br />

gen ihrer Nebenwirkungen und/o<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>folge nachlassen<strong>der</strong> Wirksamkeit <strong>in</strong><br />

Kongressbericht<br />

<strong>der</strong> Dauertherapie limitiert. Aus <strong>in</strong>ternistischer Sicht ist es zudem<br />

nicht s<strong>in</strong>nvoll, Schmerzmittel lebenslänglich und hoch dosiert<br />

e<strong>in</strong>zusetzen. Im Rahmen <strong>der</strong> Nachsorge berichteten Patient<strong>in</strong>nen<br />

und Patienten über e<strong>in</strong> gutes Ansprechen <strong>der</strong> spastischen<br />

Symptome auf Cannabis. Da die Anwendung <strong>der</strong> herkömmlichen<br />

Antispastika wie Lioresal, Dantamacr<strong>in</strong>, Musaril und Valium<br />

sehr frustrierend ist, entstand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik die Idee, diesen<br />

Aussagen mittels e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Studie nachzugehen.<br />

Die Verabreichung von Tetrahydrocannab<strong>in</strong>ol (Mar<strong>in</strong>ol®, mit Son<strong>der</strong>bewilligung<br />

aus den USA e<strong>in</strong>geführt) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Dosis von m<strong>in</strong>destens<br />

15-20 mg täglich zeigte e<strong>in</strong>en statistisch signifikanten<br />

positiven Effekt.<br />

holgeR lochMann widmete sich dem Thema „E<strong>in</strong>satz von<br />

Cannabis-Wirkstoff im Ambulatorium bei Querschnitt-<br />

Patienten heute“. Für fast alle im REHAB betreuten Patienten<br />

s<strong>in</strong>d unabhängig von <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen<br />

Diagnose zwei Themen relevant:<br />

Die Spastik und die neuropathischen<br />

Schmerzen. Die Spastik wird <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie mit Physiotherapie und Ergotherapie<br />

sowie medikamentös behandelt.<br />

Alternativen s<strong>in</strong>d Botox <strong>in</strong>tramuskulär,<br />

die <strong>in</strong>trathekale Baclofenpumpe und<br />

neuroorthopädischen E<strong>in</strong>griffe. Für die<br />

Therapie neuropathischer Schmerzen<br />

werden Antiepileptika, oft <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation<br />

mit Opiaten verwendet. Auch<br />

Schmerzmodulatoren aus <strong>der</strong> Reihe<br />

<strong>der</strong> Antidepressiva s<strong>in</strong>d üblich. Die Toleranz <strong>der</strong> Patienten gegenüber<br />

diesen klassischen Medikamenten ist beson<strong>der</strong>s im<br />

fortgeschrittenen Alter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Dazu kommen e<strong>in</strong> Verlust<br />

<strong>der</strong> Wirksamkeit sowie Interaktionen mit neuen, zusätzlich verordneten<br />

an<strong>der</strong>en Medikamenten.<br />

Als Add-on-, beziehungsweise als Last-L<strong>in</strong>e-Therapie wird<br />

am Paraplegikerzentrum das THC-Präparat Dronab<strong>in</strong>ol® verordnet.<br />

Nach Beobachtungen des Referenten sprechen Querschnittsgelähmte<br />

zu etwa 50 % an. In optimalen Fällen werden<br />

sowohl die Spastik als auch die neuropathischen Schmerzen positiv<br />

bee<strong>in</strong>flusst, zentrale Nebenwirkungen fehlen.<br />

G<strong>in</strong>kgo – e<strong>in</strong> Versuch bei Hirnleistungsstörung<br />

E<strong>in</strong>e Demenzerkrankung beg<strong>in</strong>nt oft unbemerkt mit e<strong>in</strong>er subjektiven<br />

Gedächtnisstörung, die später <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e milde Hirnleistungsstörung<br />

(MCI) übergeht. Das erläuterte<br />

Dr. med. iRene bopp-KiStleR von<br />

<strong>der</strong> Memory Kl<strong>in</strong>ik, Kl<strong>in</strong>ik für Akutgeriatrie<br />

des Stadtspital Waid <strong>in</strong> ihrem Referat<br />

mit dem Titel „Mild Cognitive<br />

Impairment (MCI): nur e<strong>in</strong>e Trenddiagnose?“<br />

Unter e<strong>in</strong>em MCI wird<br />

e<strong>in</strong>e milde kognitive Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

verstanden, die ke<strong>in</strong>e wesentliche E<strong>in</strong>schränkung<br />

im Alltag mit sich br<strong>in</strong>gt.<br />

Dr. med. Irene Bopp-<br />

Kistler<br />

Holger Lochmann<br />

Ist das Gedächtnis gestört, spricht man<br />

von e<strong>in</strong>em „amnestic MCI (aMCI)“. Das<br />

MCI geht nicht bei allen Patienten <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Demenz über. Der Verlauf ist oft stabil, auch e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />

o<strong>der</strong> gar e<strong>in</strong>e Normalisierung s<strong>in</strong>d möglich. Das aMCI<br />

40 1/2012


1/2012<br />

Kongressbericht<br />

ist aber oft die Vorstufe zu e<strong>in</strong>er Alzheimer- o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en<br />

Demenzerkrankung. Zu Beg<strong>in</strong>n letzterer stehen neuropsychologische<br />

Defizite im Vor<strong>der</strong>grund, bei <strong>der</strong> Lewy-Body-Demenz beispielsweise<br />

visuokonstruktive Störungen und Wahrnehmungsstörungen<br />

im Raum.<br />

Der E<strong>in</strong>satz von Medikamenten für dieses Patientenklientel<br />

ist beschränkt. Sowohl zum E<strong>in</strong>satz von Acetylchol<strong>in</strong>esterasehemmer<br />

als auch zur Anwendung von G<strong>in</strong>kgo biloba bei MCI-<br />

Patienten liegen gegenwärtig kontroverse Ergebnisse vor. Erstere<br />

werden <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> Nebenwirkung von <strong>der</strong> Referent<strong>in</strong> nicht<br />

empfohlen, Da die Therapie mit G<strong>in</strong>kgo kaum zu Nebenwirkungen<br />

führt, kann sie versucht werden. Sie hat namentlich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Behandlung e<strong>in</strong>er subjektiven Gedächtnisstörung ihren Wert.<br />

Senioren: synthetische o<strong>der</strong> pflanzliche Mediz<strong>in</strong>?<br />

Prof. Dr. dieteR loew, Wiesbaden, präsentierte unter dem Titel<br />

„Pflanzliche versus synthetische Arzneimittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geriatrie-<br />

e<strong>in</strong>e Betrachtung zur Arzneimittelsicherheit<br />

aus pharmakologischer<br />

und pharmakok<strong>in</strong>etischer<br />

Sicht“ bedenkenswerte Fakten: Der<br />

Anteil <strong>der</strong> betagten Menschen an <strong>der</strong><br />

Gesamtbevölkerung nimmt stetig zu.<br />

Im Alter gibt es typische physiologische<br />

Verän<strong>der</strong>ungen und typische, multiple<br />

Krankheiten, die bei <strong>der</strong> medikamentösen<br />

Behandlung <strong>der</strong> Patienten und Pati-<br />

Prof. Dr. Dieter Loew<br />

ent<strong>in</strong>nen zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d. Zum<br />

Beispiel besteht e<strong>in</strong>e Hypalbum<strong>in</strong> ämie<br />

mit <strong>der</strong> Gefahr von Überdosierung,<br />

Wechselwirkungen und entsprechend auch Nebenwirkungen.<br />

Betagte werden häufig mit e<strong>in</strong>er Vielzahl von Medikamenten<br />

behandelt.<br />

Phytopharmaka als Alternative zu Synthetika bei älteren Patienten<br />

Indikation Chemisch-def<strong>in</strong>ierte<br />

Substanz<br />

Chron. Herz<strong>in</strong>suffizienz<br />

NYHA II<br />

Chron. Herz<strong>in</strong>suffizienz<br />

NYHA II-III<br />

Diuretika, Betablocker, ACE-<br />

Hemmer, AT 1 -Antagonisten<br />

Diuretika, Betablocker, ACE-<br />

Hemmer, AT 1 -Antagonisten,<br />

Digitalis<br />

Pflanzliches Arzneimittel<br />

Crataegus-Blätter mit Blüten<br />

Dosis: 3 x 300 bzw.<br />

2 x 450 mg<br />

Standard, statt Digitalis<br />

Crataegus-Blätter mit Blüten<br />

Unruhe, Schlafstörung Hypnotika, Benzodiazep<strong>in</strong>e Baldrian, Baldriankomb<strong>in</strong>ation<br />

Leichte und mittlere<br />

Depression<br />

Tri-,Tetrazyclika, SSRI, SNRI,<br />

SSNRI, MAO-Hemmer<br />

Hirnleistungsstörung Acetylchol<strong>in</strong>esterase-Hemmer,<br />

Memant<strong>in</strong><br />

Periphere arterielle<br />

Verschlusskrankheit<br />

Reizmagen-Reizdarm-<br />

Syndrom<br />

Benignes Prostata-<br />

Syndrom<br />

Klimakterische Beschwerden<br />

Buflomedil, Naftidrofuryl,<br />

Pentoxifyll<strong>in</strong><br />

Metoclopramid, Domperidon,<br />

Alizaprid<br />

α-Rezeptorenblocker,<br />

α-Reduktasehemmer<br />

Hypericum-Extrakt<br />

Dosis: 3 x 300 mg,<br />

2 x 450 mg<br />

G<strong>in</strong>kgo-biloba-Extrakt<br />

Dosis 240 mg/Tag<br />

G<strong>in</strong>kgo-biloba-Extrakt<br />

Dosis 240 mg/Tag<br />

Iberogast, Pfefferm<strong>in</strong>zöl,<br />

Pfefferm<strong>in</strong>zöl + Kümmel öl<br />

Sägepalme, Brennnesselwurzel,<br />

Roggenpollen,<br />

Kürbissamen<br />

Östrogene, Gestagene Cimicifuga Wurzelstock,<br />

sibirischer Rhabarber<br />

Spannungskopfschmerz ASS, Paracetamol lokal 10%iges Pfefferm<strong>in</strong>zöl<br />

Arthrosen, Wirbelkörper-<br />

Syndrom, Myalgie<br />

Nichtsteroidale Antiphlogistika,<br />

Analgetika, Myotonolytika<br />

Teufelskralle, Weidenr<strong>in</strong>de,<br />

Capsicum<br />

zaenmagaz<strong>in</strong><br />

Die Vorteile von pflanzlichen Arzneimitteln, namentlich bei<br />

<strong>der</strong> Anwendung beim alten Patienten, s<strong>in</strong>d vielfältig: Deren Prote<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

ist im Allgeme<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>g, entsprechend besteht<br />

kaum Gefahr von Überdosierungen durch Verdrängung an<strong>der</strong>er<br />

Arzneimittel aus <strong>der</strong> Prote<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung. Xenobiotika werden im Allgeme<strong>in</strong>en<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Leber durch CYP450 entgiftet. In Arzneipflanzen<br />

selten vorkommende problematische Bestandteile lassen<br />

sich mit entsprechenden Herstellungsverfahren elim<strong>in</strong>ieren, so<br />

z.B. die Pyrrolizid<strong>in</strong>alkaloide. Mit <strong>der</strong> Ausnahme von vere<strong>in</strong>zelten<br />

Tubulus-Irritationen durch hochdosiertes Wachol<strong>der</strong>öl s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e<br />

glomerulotoxische o<strong>der</strong> tubulotoxische Schädigungen, ke<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>terstitiellen Reaktionen und ke<strong>in</strong>e Kumulation bei Nieren<strong>in</strong>suffizienz<br />

durch pflanzlichen Arzneimittel bekannt.<br />

Perphere Nerven mit Capsaic<strong>in</strong> behandeln?<br />

Dr. med. Stefan hägele-l<strong>in</strong>K begann se<strong>in</strong>en Vortrag über die<br />

„ Lokale Behandlung <strong>der</strong> Polyneuropathie mit Capsaic<strong>in</strong>“<br />

mit <strong>der</strong> Beschreibung des Krankheitsbildes <strong>der</strong> Polyneuropathie:<br />

Die typischen Symptome <strong>der</strong> Polyneuropathie<br />

s<strong>in</strong>d sensible Reiz- und<br />

Ausfallsersche<strong>in</strong>ungen, motorische<br />

Schwäche, Muskelzuckungen, Krämpfe<br />

und Atrophien. Die häufigste Ursache<br />

für e<strong>in</strong>e Polyneuropathie ist <strong>der</strong> Diabetes<br />

mellitus. In über 20 % <strong>der</strong> Fälle kann<br />

die Ursache trotz ausführlicher Abklärung<br />

nicht ausf<strong>in</strong>dig gemacht werden.<br />

Gel<strong>in</strong>gt es nicht, die kausale Ursache<br />

Dr. med. Stefan<br />

Hägele-L<strong>in</strong>k<br />

zu identifizieren, steht die symptomatische<br />

Therapie im Vor<strong>der</strong>grund, namentlich<br />

die Bekämpfung des Schmerzes.<br />

Dazu stehen Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Calciumkanäle<br />

wie Gabapent<strong>in</strong> und Lamotrig<strong>in</strong> zur Verfügung. Auch<br />

Antidepressiva wie Amitryptil<strong>in</strong> und selektive Seroton<strong>in</strong>- und<br />

Noradrenal<strong>in</strong>wie<strong>der</strong>aufnahme-Hemmer sowie lang wirksame<br />

Opioide werden e<strong>in</strong>gesetzt. Die topische Behandlung neuropathischer<br />

Schmerzen mit Capsaic<strong>in</strong> ist beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressant. Das<br />

Capsaic<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong> Alkaloid aus <strong>der</strong> Paprikapflanze, dessen Wirkung<br />

auf e<strong>in</strong>er Aktivierung des sogenannten TRPV1 (Transient Receptor<br />

Potential Vanilloid-1) Rezeptors beruht, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en nicht selektiven<br />

Kationenkanal darstellt. Die langfristige Zuführung e<strong>in</strong>er<br />

niedrigen Dosis o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e kurzfristige Zuführung e<strong>in</strong>er hohen<br />

Dosis von Capsaic<strong>in</strong> führt zu e<strong>in</strong>em histologisch nachweisbaren<br />

„Rückzug“ <strong>der</strong> für die Schmerzwahrnehmung verantwortlichen<br />

Nozizeptoren. Capsaic<strong>in</strong> wird typischerweise als Pflaster o<strong>der</strong><br />

als Crème appliziert und ist <strong>in</strong> unterschiedlicher Dosierung für<br />

verschiedene Formen <strong>der</strong> Schmerztherapie zugelassen. Die e<strong>in</strong>malige,<br />

topische Applikation e<strong>in</strong>er 8 %-igen Zubereitung führt<br />

nach neusten Erkenntnissen zu e<strong>in</strong>er drei Monate anhaltenden<br />

Schmerzl<strong>in</strong><strong>der</strong>ung.<br />

Helfen L-Dopa-haltige Pflanzen bei Park<strong>in</strong>son?<br />

Den Stand des Wissens bezüglich „L-Dopa <strong>in</strong> Arzneipflanzen<br />

und <strong>der</strong>en Anwendung für Park<strong>in</strong>sonpatienten“ resumierte<br />

Dr. rer. nat. KlauS peteR latté, Landeslabor Berl<strong>in</strong>-Brandenburg,<br />

Berl<strong>in</strong>. Der Morbus Park<strong>in</strong>son ist die zweithäufigste neurodegenerative<br />

Erkrankung. Weltweit s<strong>in</strong>d etwa 1 % <strong>der</strong> über 60-Jäh-<br />

41


zaenmagaz<strong>in</strong><br />

Dr. rer. nat. Klaus<br />

Peter Latté<br />

rigen und 3 % <strong>der</strong> über 80-Jährigen<br />

betroffen. Im Verlauf <strong>der</strong> Krankheit<br />

nimmt die Dopam<strong>in</strong>-Konzentration <strong>in</strong><br />

bestimmten Hirnarealen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Substantia<br />

nigra und im Striatum ab. Zur<br />

Behandlung gibt es zurzeit synthetisch<br />

hergestellte L-Dopa-Präparate, die bei<br />

lang dauernde E<strong>in</strong>nahme jedoch bei<br />

fast allen Patienten zu e<strong>in</strong>em Wirkungsverlust<br />

und zu motorischen Störungen<br />

führen.<br />

Ackerbohne: Auf <strong>der</strong> Suche nach<br />

besser verträglichen Therapiemöglich-<br />

keiten erforschte man L-Dopa-haltigen Pflanzen. Fündig wurde<br />

man z.B. bei <strong>der</strong> empirisch schon länger bekannten Ackerbohne,<br />

<strong>der</strong> Vicia faba (Fabaceae). Sie enthält <strong>in</strong> den Samen und Hülsen<br />

0.25 - 0.5 % L-Dopa, daneben essentielle Am<strong>in</strong>osäuren und Prote<strong>in</strong>e.<br />

Ausgehend von Fallberichten zur Wirkung von frischen,<br />

grünen Hülsen bzw. getrockneten Samen, wurden <strong>in</strong> offenen,<br />

vergleichenden Studien die Wirkung von Vicia-faba-Extrakten<br />

und „synthetischem“ L-Dopa <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit e<strong>in</strong>em peripheren<br />

Decarboxylase-Hemmer bei E<strong>in</strong>malgabe untersucht. Sowohl<br />

nach E<strong>in</strong>nahme von „synthetischem“ L-Dopa als auch e<strong>in</strong>es Viciafaba-Extraktes<br />

wurden signifikante Verbesserungen <strong>der</strong> motorischen<br />

Symptome bei guter Verträglichkeit berichtet. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

wird die Anwendung von Vicia faba durch Begleitstoffe begrenzt,<br />

die für den Favismus (genetisch bed<strong>in</strong>gte Form e<strong>in</strong>er hämolytischen<br />

Anämie), Lathyrismus (Neurotoxizität durch Nitril haltige<br />

Am<strong>in</strong>osäuren) o<strong>der</strong> akute Anämien verantwortlich s<strong>in</strong>d. In e<strong>in</strong>er<br />

weiteren Studie am Menschen wurde die Wirksamkeit von Viciafaba-Sprossen<br />

bei Park<strong>in</strong>son-Patienten im Vergleich zu „synthetischem“<br />

L-Dopa <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit e<strong>in</strong>em peripheren Decarboxylase-Hemmer<br />

nach e<strong>in</strong>maliger Gabe untersucht. Die 13 Tage<br />

alten Sprossen enthielten ca. 3 - 5 % L-Dopa (bezogen auf das<br />

Trockengewicht). In <strong>der</strong> Vicia-faba-Gruppe wurde wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> L-<br />

Dopa-Gruppe signifikante Verbesserungen motorischer Symptome<br />

bei guter Verträglichkeit beobachtet. Mögliche Begleitstoffe,<br />

die zu unerwünschten Wirkungen führen könnten, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />

Sprossen <strong>in</strong> weit ger<strong>in</strong>geren Mengen enthalten als <strong>in</strong> den Samen<br />

o<strong>der</strong> den Hülsen.<br />

Juckbohne: E<strong>in</strong>e ebenfalls für die Park<strong>in</strong>son-Therapie <strong>in</strong>teressante<br />

Pflanze ist die Juckbohne, die Mucuna pruriens var. pruriens<br />

(Fabaceae), e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>dischen Ayurveda schon lang bekannte<br />

Pflanze. Die Samendroge enthält L-Dopa <strong>in</strong> Mengen von<br />

5 - 6 %, daneben Tetrahydroisoch<strong>in</strong>ol<strong>in</strong>e und Tryptam<strong>in</strong>-Derivate.<br />

Tierexperimentelle Studien belegen e<strong>in</strong>e hohe Wirksamkeit von<br />

Kongressbericht<br />

Mucuna-pruriens-Extrakten <strong>in</strong> verschiedenen, etablierten Tiermodellen.<br />

In e<strong>in</strong>er offenen Beobachtungsstudie wurde nach<br />

durchschnittlich 20 Monaten Behandlung mit e<strong>in</strong>em Mucuna-<br />

pruriens-Extrakt e<strong>in</strong>e gute Wirksamkeit bei e<strong>in</strong>er guten Verträglichkeit<br />

gefunden, weitere Studien konnten das bestätigen.<br />

Welche Vorteile haben pflanzliche Sedativa?<br />

Prof. Dr. JüRgen dRewe, Universitätsspital Basel setzte se<strong>in</strong> Referat<br />

unter den Titel „Vorteile pflanzlicher Sedativa – E<strong>in</strong>e Abschätzung<br />

anhand pharmakologischer und kl<strong>in</strong>ischer Profile“.<br />

Die umfangreichste Datenlage existiert<br />

für Johanniskraut. 18 randomisierte,<br />

kontrollierte Studien s<strong>in</strong>d veröffentlicht.<br />

Zwei Metaanalysen zeigten e<strong>in</strong>e<br />

statistisch signifikante Überlegenheit<br />

gegenüber Placebo und e<strong>in</strong>e therapeutische<br />

Wirksamkeit, die mit <strong>der</strong> von<br />

klassischen Antidepressiva (tri- und tetracyclische<br />

Antidepressiva und SSRI)<br />

vergleichbar ist. Die Häufigkeit von<br />

Prof. Dr. Jürgen<br />

Drewe<br />

kl<strong>in</strong>isch relevanten unerwünschten<br />

Wirkungen war statistisch signifikant<br />

niedriger. Metaanalysen gibt es auch<br />

für die Anwendung von Baldrian, des-<br />

sen Extrakte <strong>in</strong> Vergleichsstudien ebenso gut abschneiden wie<br />

Benzodiazep<strong>in</strong>e, ohne <strong>der</strong>en Nebenwirkungspotential aufzuweisen.<br />

Die verbesserte Schlafqualität wird nicht mit den Problemen<br />

e<strong>in</strong>es „Hang-Over“ reduziert. Das Evidenz-Niveau ist trotzdem<br />

deutlich ger<strong>in</strong>ger als bei Johanniskraut, da die Zahl an gut geplanten,<br />

mo<strong>der</strong>nen Studien noch zu ger<strong>in</strong>g ist und viele kle<strong>in</strong>ere<br />

Studien mit schlechter Bewertung und/o<strong>der</strong> schlechten Resultaten<br />

das Gesamtergebnis bee<strong>in</strong>flussen. Etabliert hat sich <strong>in</strong> den<br />

letzten Jahren die Komb<strong>in</strong>ation von Baldrian und Hopfen, bei <strong>der</strong><br />

nach neusten pharmakologischen Forschungen sich ergänzende<br />

Wirkpr<strong>in</strong>zipien (Baldrian aktiviert den Adenos<strong>in</strong>-A-Rezeptor<br />

und Hopfen b<strong>in</strong>det an den Melaton<strong>in</strong>-Rezeptor) zum pharmakologisch<br />

begründeten Erfolg führen. (r/ms)<br />

Quelle: Jean Michel Jeann<strong>in</strong>, Prof. Dr. sc. nat. beat MeieR,<br />

Geschaftsstelle <strong>SMGP</strong>, c/o Zürcher Hochschule für angewandte<br />

Wissenschaften, Fachgruppe Phytopharmazie,<br />

Life Sciences und Facility Management, Gruental,<br />

Postfach 335, CH-8820 Wadenswil, e-Mail: Beat.Meier@<br />

zhaw.ch. Die vollständigen Kurzfassungen zu den Vorträgen<br />

s<strong>in</strong>d publiziert auf http://www.smgp.ch/archiv/<br />

archivxfiles/jtg.html<br />

42 1/2012

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