liegen Sie richtig! - Draußen
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Bericht | Text und Foto: Sigi Nasner<br />
„Er beschäftigte sich mit Zierfischzucht...“<br />
Zoodirektor Jörg Adler liest aus seiner Stasi-Akte<br />
„Was wisst ihr schon von unserem Leben?“<br />
titelte unlängst die Wochenzeitung<br />
'Die Zeit'. Ein kritischer Titel, der<br />
nicht auf den ersten Blick erkennen<br />
lässt, worum es eigentlich geht, wäre da<br />
nicht diese kleine, daumengroße DDR-<br />
Flagge und der unauffällige Schriftzug:<br />
„20 Jahre nach der Wende“. Mit Blick auf<br />
den Erscheinungszeitraum wird die Kritik<br />
deutlich. In den zwei Dekaden seit<br />
dem Mauerfall hat sich die Vorstellung<br />
einer westdeutschen Erfolgsgeschichte<br />
etabliert, die ein Schwarz-Weiß Bild von<br />
Rettern und Geretteten erzeugt. Höchste<br />
Zeit, dass uns mal jemand von „dem<br />
Leben der Anderen“ erzählt. Jörg Adler<br />
las in der Epiphaniusgemeinde aus seiner<br />
Stasiakte und erzählte von seinem<br />
Leben in der DDR. Marcel-Philipp Werdier<br />
berichtet für die ~.<br />
_Die Atmosphäre ist freundschaftlich. Die<br />
meisten kennen sich, Grüße werden über<br />
die Tische hinweg getauscht und nach und<br />
nach füllen sich auch noch die letzten leeren<br />
Plätze. Viele sind heute erschienen,<br />
um gemeinsam etwas zu essen, Kaffee zu<br />
trinken und sich anschließend in ihrer<br />
Aufmerksamkeit ganz auf eine Person zu<br />
konzentrieren. Eine Person, die in Münster<br />
einen hohen Bekanntheitsgrad genießt<br />
und die meist in einem anderen Zusammenhang<br />
genannt wird, nämlich dem<br />
Allwetterzoo. Jörg Adler ist dessen Direktor<br />
und das schon seit 15 Jahren. Doch geht<br />
man in der Vergangenheit noch ein paar<br />
Jahre weiter zurück, in ein Kapitel der<br />
Geschichte, als es noch zwei Versionen<br />
eines deutschen Lebenslaufes gab, so<br />
sieht man, dass auch der „eingemünsterte“<br />
Zoodirektor einst zu den Deutschen<br />
gehörte, die 1989 in Scharen „rübermachten“.<br />
Doch halt! Formulieren wir<br />
nicht hier genau so, wie man es -<br />
betrachtet man einmal die<br />
Einzelschicksale- nicht tun sollte? Was<br />
wissen wir eigentlich von dem Leben in<br />
der DDR? War wirklich alles so schrecklich?<br />
Überwachte die Stasi jeden immer<br />
und überall?<br />
_Fragen, die nach Antworten verlangen.<br />
Einem Publikum, das gerne zuhört und<br />
jemandem, der sie zumindest aus eigener<br />
Erfahrung zu beantworten weiß. Nach ein<br />
paar warmen Worten des Gemeindepfarrers<br />
Hilge, wird aber zunächst einmal<br />
Mittag gegessen. Begleitet von angeregten<br />
Gesprächen servieren die freiwilligen<br />
Mitarbeiter Würstchen, Brote, Käse und<br />
anderen Aufschnitt, Cola und Wasser.<br />
Nachdem man sich über die wichtigsten<br />
Neuigkeiten ausgetauscht oder auch die<br />
ein oder andere neue Bekanntschaft gemacht<br />
hat, kehrt Ruhe ein. Pfarrer Hilge<br />
stellt sich neben das alte Holzklavier und<br />
richtet das Wort an seine Gäste. Freundlich<br />
erklärt der grauhaarige Mann mit dem<br />
bequemen, hellblauen Wollpullover, wie<br />
er auf die Idee kam den heutigen Gast<br />
einzuladen. Dieser habe sich auch nicht<br />
lange bitten lassen, wie er später selbst<br />
bestätigen wird. Aber bevor der Pfarrer<br />
die Bühne frei gibt, liest der Schutzherr<br />
der Gemeinde noch eine Geschichte vor.<br />
Eine Fabel über einen Zaren, seinen Bär<br />
und einen cleveren Priester. Mit Witz und<br />
Geschick vermag es dieser Priester, seinen<br />
Kopf, den er durch die blinde Wut des<br />
Fürsten verlieren soll, aus der Schlinge zu<br />
ziehen. Es ist eine Geschichte, die auf<br />
Hoffnung anspielt und auf Kraft, die in<br />
einer ruhigen und gelassenen Haltung<br />
liegt.<br />
_Ruhig und gelassen sind dann auch die<br />
Schritte, mit denen Jörg Adler den Platz<br />
auf der „Bühne“ einnimmt. Er wirkt nicht<br />
aufgesetzt oder nervös, vielmehr wie ein<br />
Bekannter, der sich bei einem geselligen<br />
Treffen zu einer Rede aufrafft. Mit freundlichen<br />
Worten bedankt er sich bei seinen<br />
gespannten Zuhörern für die Einladung<br />
und beginnt von seinem Leben zu erzählen.<br />
„Der Witz an der Geschichte ist…“<br />
eröffnet der 1946 in Leipzig geborene<br />
Tierpfleger seine Biographie „ich heiße<br />
Jörg Adler und bin […] in einer Tierklinik<br />
zur Welt gekommen.“ Er schwelgt kurz<br />
über die Jahre seiner Schulzeit, die er<br />
trotz seiner „Faulen-Lümmel- Mentalität<br />
schließlich erfolgreich mit dem Abitur abgeschlossen<br />
hat. Dann steigt er mit ein<br />
paar Worten zu Erich Honecker in die tiefere<br />
Thematik ein. Kritisch sei diese Figur<br />
zu sehen, auch wenn man in seiner Vor-<br />
Kalten Krieg Vergangenheit durchaus Engagement<br />
anerkennen müsse. Doch damals<br />
wie heute, spielten nach wie vor<br />
Beziehungen eine Rolle. Von unterster<br />
Schulebene bis hin in die unterschiedlichsten<br />
Bereiche. In der DDR waren es<br />
beispielsweise die Blockparteien, (SED,<br />
DBD, LDPD, NDPD und CDU). So bewahrte<br />
den damaligen Mitarbeiter des Leipziger<br />
Zoos vor der Mitgliedschaft in der SED nur<br />
der gescheite Einfall seines Chefs und ein