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Interview | Text: Sabrina Kipp | Fotos: Sascha Kramer, Karsten Woelk<br />
Niemand, der wegschaut<br />
David Garrett im ~-Interview<br />
Er hält den Weltrekord als schnellster<br />
Geiger der Welt. Sein Publikum ist bunt<br />
gemischt. Alt und Jung zieht es zu seinen<br />
Konzerten weltweit. Blonde, lange<br />
Mähne, lasziver Blick und ein unwiderstehliches<br />
Grinsen: Fans schreien verzückt,<br />
wenn David Garrett mit seiner<br />
Stradivari die Bühne betritt. Doch Schönsein<br />
alleine bringt niemanden weiter, in<br />
den technisch schwierigen „Zigeunerweisen“<br />
von Sarasate muss man schon<br />
etwas drauf haben. Und er hat etwas<br />
drauf, ohne jede Frage. Nicht nur in der<br />
klassischen Streichmusik ist der 27-Jährige<br />
zu Hause. Von Michael Jackson bis<br />
AC/DC reicht sein Repertoire. Bevor er<br />
seinen Bogen in Münster tanzen lässt,<br />
nahm er sich Zeit für ein Interview.<br />
~: Kennst du Straßenmagazine und<br />
hast du schon mal eins gekauft?<br />
David Garrett: Ja, ich habe schon öfter<br />
welche gekauft. Auch gerade während<br />
meines Studiums in den USA. In New York<br />
gibt es ja auch Straßenzeitungen. Dort<br />
habe ich immer viele öffentliche Verkehrsmittel<br />
benutzt und oft vergessen, mir etwas<br />
zu lesen mitzunehmen. Dafür waren<br />
die dann perfekt.<br />
~: Dich umgibt täglich Glitter und<br />
Glamour. Gibt es für dich Kontakt zu wirklich<br />
armen Menschen?<br />
David Garrett: Dem Ausdruck ‘Glitter und<br />
Glamour’ möchte ich widersprechen. Weder<br />
Glitzer noch Glamour passen zu meinem<br />
Leben. Es sieht vielleicht nicht so aus,<br />
aber mein Beruf beruht wirklich auf harter<br />
Arbeit. Aber zu eurer Frage: Ich fahre<br />
oft in Länder Südamerikas oder Südostasiens,<br />
wo es natürlich viele ärmere Menschen<br />
gibt. Ich möchte mal behaupten,<br />
dass ich ein relatives gutes Gespür für<br />
Notleidende habe. Ich bin nicht jemand,<br />
der wegschaut, wenn es Menschen um<br />
mich herum nicht gut geht.<br />
~: Du bist weit in der Welt herum<br />
gekommen. Wo und durch welche Situationen<br />
ist dir der Unterschied zwischen<br />
Arm und Reich am meisten bewusst geworden?<br />
David Garrett: In China und Indien. Das<br />
sind zwei Nationen, in denen die Wirtschaft<br />
unglaublich schnell hoch geschossen<br />
ist. Gerade in diesen Nationen basiert<br />
der Reichtum von einigen wenigen<br />
auf vielen Armen und der Unterschied<br />
zwischen beiden ist einfach besonders<br />
groß.<br />
~: Fühlst du dich in deiner Wahlheimat<br />
New York zu Hause? Kommst du<br />
gerne in deine alte Heimat Aachen?<br />
David Garrett: Momentan fühle ich mich<br />
überall zu Hause, weil ich gar kein <strong>richtig</strong>es<br />
Zuhause habe. Ich aber komme immer<br />
auch gern nach Aachen.<br />
~: Hast du außer für's Fernsehen<br />
schon mal Straßenmusik gemacht? Wie<br />
war das für dich?<br />
David Garrett: Das habe ich als Kind schon<br />
öfter gemacht, wenn das Taschengeld zu<br />
knapp war. Dann habe ich mich an die<br />
Straße gesetzt und gefiedelt. Einmal im<br />
Italienurlaub wollte ich mir etwas kaufen,<br />
was meine Eltern mir nicht kaufen<br />
wollten, und dann habe ich dort gespielt<br />
und tatsächlich 47.000 Lira verdient.<br />
Das waren damals 47 DM und für<br />
mich äußerst lukrativ.<br />
~: Du spielst dein Instrument seit<br />
frühster Kindheit. Wann wurde dir klar,<br />
dass du ein außergewöhnliches Talent<br />
dafür besitzt?<br />
David Garrett: Man muss Selbstbewusstsein<br />
mitbringen. Im tiefsten Inneren weiß<br />
ich, dass ich Talent habe. Aber man muss<br />
sich das dennoch jeden Tag auf's Neue<br />
erarbeiten. Und es ist auch wichtig, trotzdem<br />
Zweifel daran zu haben, so dass man<br />
es sich immer wieder zeigen muss.<br />
~: Bist du sehr ehrgeizig?<br />
David Garrett: Ich kann auch faul sein.<br />
Aber ein innerer Ehrgeiz ist sicher da, besonders<br />
in Probenphasen, klar. Aber ich<br />
bin keiner, der nicht auch los lassen kann.<br />
~: Sicherlich sind deine Eltern an<br />
deiner Entwicklung nicht unbeteiligt.<br />
Würdest du deine Kinder diesem Druck<br />
aussetzen?<br />
David Garrett: Nein, das würde ich nicht.<br />
Ich glaube aber, jeder, der das einmal<br />
durchlebt hat, hat eine ganz andere Perspektive.<br />
Eltern sehen das subjektiv. Man<br />
kann das gar nicht beschreiben, wie sich<br />
das anfühlt und wie sich das seelisch manifestiert.<br />
Selbst wenn man viel Talent<br />
hat. Im Endeffekt muss das jedes Elternteil<br />
selber entscheiden, aber ich habe<br />
da meine Vorbehalte.