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Jugend an der Wien – VorSchau - Theater an der Wien

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glückliche Spaghetti<br />

Von Flavio zu Flavia: Wie die <strong>Jugend</strong>oper Rodelinda entst<strong>an</strong>d.<br />

catherine leiter<br />

im chorsaal herrscht Verwirrung. eduige, Garibaldo, Grimoaldo und co. schwirren durch den raum und<br />

werden von barockmusik begleitet. Die l<strong>an</strong>gobarden in mail<strong>an</strong>d, händel in engl<strong>an</strong>d, bertarido im exil,<br />

Flavio in not und rodelinda im theater <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>. Wo soll das hinführen?<br />

rodelinda ist eine starke, konsequente, treue Frau <strong>an</strong> <strong>der</strong> seite ihres m<strong>an</strong>nes bertarido, zu dem sie<br />

bedingungslos steht. bertarido, <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs noch schwach, entwickelt sich im laufe <strong>der</strong> Geschichte zum<br />

perfekten, großmütigen und bewun<strong>der</strong>nswerten helden. Die Gegenspielerin eduige ist eifersüchtig,<br />

intrig<strong>an</strong>t <strong>–</strong> und irgendwie cool. Das böse gewinnt zu beginn <strong>an</strong> macht, setzt sich aber nicht durch.<br />

am schluss steht ein happy end. trotz <strong>der</strong> Verletzungen, intrigen und Verleumdungen verzeihen alle<br />

ein<strong>an</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> tun zumindest so, als wäre alles wie<strong>der</strong> gut. im Grunde hört sich das G<strong>an</strong>ze wie ein<br />

Fernsehdrama <strong>an</strong> <strong>–</strong> <strong>der</strong> stoff würde sich eignen.<br />

Die <strong>Jugend</strong>lichen im theater <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> berührt hauptsächlich das schicksal von rodelindas sohn<br />

Flavio: ein kind, das zwischen erwachsenen hin und her geschoben wird und spielball sowie rettungs-<br />

<strong>an</strong>ker zugleich ist. rodelinda stellt Grimoaldo eine bedingung, von <strong>der</strong> sie glaubt, dass er sie nicht erfüllen<br />

wird <strong>–</strong> wenn er sie heiraten möchte, muss er ihren sohn, den wahren thronfolger, umbringen. Flavio<br />

selbst wird we<strong>der</strong> in die entscheidung mit eingebunden noch informiert, die pläne werden in <strong>der</strong> Welt<br />

<strong>der</strong> erwachsenen ausgeheckt und unter sich ausgemacht. Vor allem die kindliche machtlosigkeit kommt<br />

den <strong>Jugend</strong>lichen bek<strong>an</strong>nt vor, sie identifizieren sich mit Flavio. Die Geschichte um rodelindas <strong>an</strong>-<br />

gebot sorgt für heftige Diskussionen. Wie k<strong>an</strong>n seine mutter den tod vorschlagen? Wie k<strong>an</strong>n sie sich<br />

sicher sein, dass nichts passiert? Flavios Gefühle kommen in <strong>der</strong> Oper nicht vor. seine rolle ist eine<br />

stumme rolle <strong>–</strong> in <strong>der</strong> Welt des barock hatte ein kind nichts zu sagen. kin<strong>der</strong> kamen auch in <strong>der</strong> Oper<br />

nur selten vor und wenn, d<strong>an</strong>n meist als mittel zum zweck o<strong>der</strong> als stumme Figuren. Wenige Opern be-<br />

rücksichtigen die perspektiven von kin<strong>der</strong>n und <strong>Jugend</strong>lichen. <strong>Jugend</strong>-Rodelinda auf jeden Fall.<br />

in die <strong>Jugend</strong>oper wurde ein chor integriert, <strong>der</strong> das Volk darstellt. in Rodelinda sind es sieben perso-<br />

nen, die auf <strong>der</strong> bühne agieren, in <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>oper hingegen spielt eine g<strong>an</strong>ze Gruppe die tragende<br />

rolle. Was wäre ein könig ohne sein Volk? Ohne die unterstützung <strong>der</strong> massen droht eine revolution<br />

und keine regierung k<strong>an</strong>n ohne <strong>der</strong>en zustimmung auf Dauer überleben. Wie aber sollte ein herrscher<br />

sein? „keineswegs darf er zu leichtgläubig o<strong>der</strong> zu mitleidig sein, aber auch nicht zu ängstlich, son<strong>der</strong>n<br />

mit klugheit und menschlichkeit maßvoll verfahren, damit ihn we<strong>der</strong> zu großes Vertrauen unvorsich-<br />

tig noch zu großes misstrauen unerträglich macht“, meint niccolò machiavelli. We<strong>der</strong> zu große brutalität<br />

noch zu viel schwäche lassen einen herrscher bestehen. Das wird Grimoaldo zum Verhängnis:<br />

er ist zu schwach und Garibaldo (in <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>oper: die vier bösen) zu brutal. Die bösen Gehilfen hetzen<br />

Grimoaldo auf und wollen ihn dazu bringen, Flavio tatsächlich umzubringen. Diese brutalität geht<br />

dem Volk zu weit und Grimoaldos schwäche spricht nicht für seine Führungsqualitäten. Das Volk holt<br />

zum schluss bertarido als neuen alten herrscher zurück.<br />

„Frau bauer! Frau müller! haben’s scho g’hört? Der bertarido ist tot! rodelinda tut mir leid.“ in einer<br />

improvisation <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>lichen im laufe <strong>der</strong> Workshop-phase treffen sich vier Waschweiber auf dem<br />

marktplatz und tauschen den neuesten klatsch und tratsch aus. Das Volk wird zum kommentator gemacht.<br />

einerseits ist es also für die legitimierung des herrschers zuständig, <strong>an</strong><strong>der</strong>erseits beobachtet<br />

es die Geschichte im herrscherhaus von außen und ist wahnsinnig neugierig. Was gibt es neues aus<br />

dem königshaus? Der marktplatz weiß es. im sogen<strong>an</strong>nten tratschchor, den ein teil des Volkes übernimmt,<br />

wird die h<strong>an</strong>dlung vor<strong>an</strong>getrieben und die Geschichte kommentiert.<br />

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