Auf Medeas Spuren - Theater an der Wien

Theater an der Wien Jugendmagazin | März 2008
Theater an der Wien | Linke Wienzeile 6 | 1060 Wien
www.theater-wien.at
Vereinigte Bühnen Wien Ges.m.b.H.
Ein Unternehmen der Wien Holding
DAS NEUE OPERNHAUS
aUF
Medeas
sPURen
Jugend an der wien#125

2
Teilnehmende Klassen:
(ca. 270 SchülerInnen)
6. und 7. Klasse Wiedner Gymnasium / Sir Karl Popperschule
(Prof. Elisabeth Labschütz)
6 A GRG23 AltErlaa
(Mag. a Verena Friedrich, Dr. Gertraud Müller, Mag. Werner Krause, Mag. a Renate Bohn)
5 E und 6 F ORG 1 Hegelgasse
(Mag. a Marie-Therese Schmetterer)
6. Klasse AHS Heustadelgasse
(Dr. Nina Aringer)
Modulklasse „Werkstatt Musiktheater“ Gymnasium Schulschiff „Bertha von Suttner“
(Mag. a Barbara Holy-Kiermayr)
6 A, 7 A und 7 C Musikgymnasium Wien
(Mag. Manfred Hörzinger, Mag. a Ilse Rollett)
iMPRessUM:
Theater an der Wien – Intendant DI Roland Geyer | Medieninhaber und Herausgeber:
Vereinigte Bühnen Wien Ges.m.b.H. – Geschäftsführer GD KR Franz Häußler
Ein Unternehmen der Wien Holding | Theater an der Wien, Linke Wienzeile 6, 1060 Wien
Tel. (+43/1) 588 30-660 | oper@theater-wien.at | www.theater-wien.at
Konzept und Redaktion: Catherine Leiter | Produktion: Tina Osterauer | Grafik: Anna Graf
Herstellung: Walla Druck, 1050 Wien | Redaktionsschluss: 11. März 2008
Änderungen und Irrtümer vorbehalten | DVR 0518751
Bildnachweis:
Alle Szenenfotos © Armin Bardel
S. 4 Médée-Sujet © Corbis / Modellfotos: Theater an der Wien / Iano Tamar
© unbezeichnet / Bildergalerie: Fabio Luisi © Barbara Luisi / Torsten
Fischer © unbezeichnet / Olaf Bär © EMI / Henriette Bonde-Hansen, Zoran
Todorovich, Birgit Remmert, Petra Simková, Alaine Rodin © unbezeichnet //
Fotos S. 6 © Catherine Leiter // Fotos 20-24 © Harald Illeditsch
TexTnachweis:
„Aufruhr des Herzens“ schrieb Nora Schmid für das Theatermagazin
Zwei Null Acht / Die Handlung von „Médé“ verfasste Johanna Öttl für das
Programmheft des Theater an der Wien / Die Texte S: 7-19 stammen von den
beteiligten Schulen und wurden in der Originalfassung übernommen.

inhalt
Zur Oper Médée von Luigi Cherubini 4
TEIL EINS
1. Medea vor Gericht
AHS Heustadelgasse
7
2. Wohin der Zorn mich bringen wird, werde ich folgen! 10
GRG23 AltErlaa
3. Medea und die Mythologie
ORG1 Hegelgasse
12
4. Christa Wolf: Medea Stimmen
Musikgymnasium Wien
14
5. Rund um Médée 16
Sir Karl Popperschule
6. Frauengestalten 18
Gymnasium Schulschiff „Bertha von Suttner“
TEIL ZWEI
1. Unterricht einmal anders 20
Probenbesuch & Gespräch mit Fabio Luisi
2. Und wofür sind Sie eigentlich zuständig?
Gespräch mit Torsten Fischer
22
Liebe Leserin, lieber Leser!
Was hat Oper mit Unterricht, Jugend
mit Médée und Schule mit dem Theater
an der Wien zu tun? Die Antwort
finden Sie auf den folgenden Seiten in
„Jugend an der Wien“, der Zeitschrift
zum Jugendprojekt Médée.
Bereits seit Monaten beschäftigen sich
die SchülerInnen der zehn am Projekt
beteiligten Wiener Oberstufen-Klassen
mit dem Mythos Medea, der an sich
schon sehr vielfältig ist. Ob literarisch,
musikalisch, darstellerisch oder bildnerisch:
Diese Frauengestalt der griechischen
Mythologie ist im Laufe der
Jahrhunderte unzählige Male dargestellt
worden und bietet viel Stoff, sich auch
im Unterricht damit auseinanderzusetzen.
Begleitend zu dieser Auseinandersetzung
im Unterricht gab es für die Klassen
die Möglichkeit, die Médée-Produktion
im Theater an der Wien kennen zu
lernen und gleichzeitig zu erleben, was
in einem Opernhaus vor sich geht und
wer an der Entstehung einer Opernaufführung
beteiligt ist. Probenbesuche,
Gespräche mit Dirigent Fabio Luisi
sowie mit Regisseur Torsten Fischer,
Fragerunden mit den Dramaturginnen
Nora Schmid und Johanna Öttl bzw.
ein Besuch derer an den Schulen selbst,
Führungen durchs Theater an der Wien
und ein Kontingent an verbilligten Karten
für bestimmte Vorstellungen sollten
den SchülerInnen die Hintergründe
einer Opernproduktion und eines
Opernhauses näher bringen.
Die vielfältigen Ergebnisse der einzelnen
Schulklassen finden Sie in Teil Eins
unseres Magazins, Berichte über die
begleitenden Aktivitäten in Teil Zwei
und als Einleitung kurze Informationen
rund um die Oper „Médée“ von Luigi
Cherubini.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim
Lesen und bei der persönlichen Auseinandersetzung
mit Medea und „Médée“
und hoffe, Sie entdecken auch für sich
noch Neues an einem alten Mythos…
Catherine Leiter
INHALT
3

4
Médée
Oper in drei Akten (1797)
MUSIK VON LUIGI CHERUBINI
LIBRETTO VON FRANçOIS BENOIT
HOFFMANN
NACH EURIPIDES
In französischer Sprache mit deutschen
Übertiteln
Musikalische Leitung: Fabio Luisi
Inszenierung: Torsten Fischer
Bühne: Herbert Schäfer
Kostüme: Andreas Janczyk
Licht: Hartmut Litzinger
Médée: Iano Tamar
Créon: Olaf Bär
Dircé: Henriette Bonde-Hansen
Jason: Zoran Todorovich
Néris: Birgit Remmert
Erste Begleiterin der Dircé: Petra Simková
Zweite Begleiterin der Dircé: Alaine Rodin
Médées Kinder:
Noah Kainz/Bernhard Mendel
Alexander Zerbes/Simon Jung
Wiener Symphoniker
Arnold Schoenberg Chor
PREMIERE:
Donnerstag, 6. März, 19.00 bis ca. 22.00 Uhr
AUFFÜHRUNGEN:
9., 11., 15., 17. & 20. März
EINFÜHRUNGSMATINEE:
Sonntag, 2. März, 11.00 Uhr
Bühnenbildmodell von Herbert Schäfer
aufruhr des herzens
Torsten Fischer inszeniert Luigi Cherubinis Médée als „Drama
über das Anderssein und die Schwierigkeit, zu lieben“.
Sie ist eine der faszinierendsten und widersprüchlichsten mythologischen Figuren. Von Euripides
als Kindsmörderin in die Literatur eingeführt, haben sie AutorInnen späterer Jahrhunderte wie
Pierre Corneille, Franz Grillparzer oder Christa Wolf immer wieder um- und neu gedeutet: Medea.
Heilerin, Priesterin, Zauberin, Liebende, Eifersüchtige, Verräterin, Intrigantin und Verbrecherin. Die
mythische Medea, die Jason in ihrer Heimat Kolchis zum Goldenen Vlies verhilft, die mit ihm nach
Korinth flieht und dort nach der Geburt zweier Kinder und Jahren des Zusammenlebens von Jason
zu Gunsten der Königstochter verlassen wird, rächt sich schließlich auf grausame Art an dem Verrat
ihrer Liebe: Sie tötet ihre beiden gemeinsamen Kinder.
Medeas Geschichte wird oftmals als tragischer Ausgang einer Konfrontation zwischen der archaischen,
instinktiv verhafteten Welt der Kolcher und der zivilisierten, vernunftgeleiteten Gesellschaft
der Griechen dargestellt. Eine neuere Lesart entwickelte jedoch auch ein wachsendes Interesse
für den Bereich der Gefühle. Hier wird Jason zum zweckrational, opportunistisch handelnden
Techniker, während Medea den Aufruhr des Herzens verkörpert.
Ganz diesen starken Leidenschaften entsprechend, hat Medea auch auf der Opernbühne nie zu
singen aufgehört, angefangen bei Francesco Cavallis Giasone (1649) über Marc-Antoine Charpentiers
Médée (1693) und Simon Mayrs Medea in Corinto (1813) bis hin zu Rolf Liebermanns Medea (2001).
Einer der Höhepunkte in der musiktheatralischen Deutung des Mythos ist gewiss Luigi Cherubinis
französische Oper Médée, die 1797 in Paris uraufgeführt wurde und deren Musik Rezensenten der
Uraufführung als „kühn, ausdrucksvoll, majestätisch und furchterregend“ beschrieben. Cherubini
und sein Librettist François Benoît Hoffmann richteten ihr Hauptaugenmerk auf die Wucht
von Médées wechselnden Leidenschaften, wobei ihnen die Gattung der Opéra comique mit ihrer
Mischung von musikalischen Nummern und gesprochenen Dialogen entgegenkam. Bis zur letzten
Konsequenz führt uns Cherubinis Oper die menschliche Tragödie dieser zwischen Gut und Böse oszillierenden
Figur vor Augen, deren Handeln das Ergebnis ihrer emotionalen und gesellschaftlichen
Ausgrenzung ist.
Fabio Luisi · Torsten Fischer · Olaf Bär · Henriette Bonde-Hansen · Zoran Todorovich

Szenenfoto vom 29.2.
Der deutsche Regisseur Torsten Fischer hat in den vergangenen Jahren beim KlangBogen Festival im
Theater an der Wien mit großem Erfolg Louis Spohrs Faust, Jules Massenets Don Quichotte sowie
Bedˇrich Smetanas Dalibor inszeniert; drei Stücke über komplexe, legendäre und starke Figuren. Im
Wissen um die vielfältige Interpretation des Medea-Mythos will er sich von der Vielschichtigkeit des
Stoffes neu inspirieren lassen. Fischer, der zeitweise in Griechenland lebt und den Originalschauplatz
in Korinth besucht hat, ist davon überzeugt, dass Medea nie aufhört, aktuell zu sein: „Die Griechen
sehen in ihr noch heute einen Spiegel für ihren eigenen Charakter. Nach wie vor wird in Griechenland
kein Kind auf den Namen Medea getauft.“
Betrachtet man einen Mythos als Spiegelbild
unserer Zivilisation, so gilt es, zeitgenössische
Probleme aus den scheinbar weit zurückliegenden
Stoffen herauszufiltern. Dadurch
wird der Mythos nicht nur zum Spiegel jedes
einzelnen Menschen, sondern gleichzeitig auch
zum Spiegel des Kollektivs. Zeitgeschichte
hat mehrfach aufgezeigt, welche Gefahren in
anonymen Massen lauern: „Ich halte den Menschen
für das Schönste und für das Schrecklichste
zugleich,“ sagt Torsten Fischer. Medea
verkörpert für ihn nicht nur das Böse und die
zerstörerische Gewalt der Leidenschaften. Er will
sie von der alleinigen Schuld befreien, ohne sie
dabei zu verharmlosen. Konsequenterweise gehören
seine Sympathien in diesem Stück beiden
Frauen: Médée und Dircé, wie die Königstochter
Kreusa in der Oper genannt ist. In diesen beiden
Figuren sieht Torsten Fischer nicht verfeindete
Rivalinnen, sondern zwei Opfer derselben macht-
Iano Tamar
politischen Verhältnisse. Weil Jason an die Regierungsspitze will, verzichtet er auf die Liebe zu Médée
und stimmt schließlich Créons Plan zu, der ihm im Gegenzug zum Goldenen Vlies die Heirat mit
seiner Tochter Dircé verspricht. Als Konsequenz dieser politischen Intrige wird das Goldene Vlies zur
Perversion einer Ikone, und Médée wird zur Außenseiterin, die nicht in diese Scheinwelt hineinpasst.
Neben Jasons politischen Ambitionen ist es schließlich auch „das Gift von Fremdenhass, das zu der
Tragödie führt“, sagt Torsten Fischer. Für ihn ist Cherubinis Médée „ein Drama über das Anderssein
und die Schwierigkeit zu lieben“. Nora Schmid
Birgit Remmert · Petra Simková · Alaine Rodin
handlung der Oper
VORGESCHICHTE
Der aus Jolkos in Thessalien stammende Königssohn
Jason zog mit seinen Kriegern in einem Eroberungszug
nach Kolchis, um das mit Macht und Ruhm verbundene
Goldene Vlies an sich zu bringen. Kolchis liegt am
Schwarzen Meer im heutigen Georgien und wird von
Médées Vater regiert; die Königstochter verliebte sich in
Jason und verhalf ihm, das Goldene Vlies in seinen Besitz
zu bekommen – der Preis dafür waren die Ermordung
ihres Bruders und der Verrat an ihrem Vater. Médée und
Jason, mittlerweile verheiratet und Eltern zweier Söhne,
flohen daraufhin ins griechische Korinth, wo sie von
König Créon aufgenommen wurden. Créon möchte nun
seine Tochter Dircé (in der antiken Mythologie
stets Kreusa oder Glauke genannt) mit Jason verheiraten
– an diesem Punkt setzt die Handlung der Oper ein.
I. AKT
In Korinth werden die Vorbereitungen für die Hochzeit
von Jason und Dircé getroffen. Diese beglücken zwar das
Volk von Korinth, nicht aber Dircé, die von der bevorstehenden
Heirat befürchtet, schlimmes Unglück könne
daraus hervorgehen – schließlich ist Jason immer noch
mit Médée verheiratet. Dass sie jedoch keine Möglichkeit
hat, der Vermählung zu entrinnen, geben ihr die korinthischen
Damen und ihr Vater zu verstehen.
Im Zuge einer pompösen Feierlichkeit präsentieren Jason
und seine Soldaten Dircé das Symbol ihrer Siege und ihres
Ruhmes: das Goldene Vlies. Dieses Machtsymbol soll
nun in den Besitz Korinths übergehen, als Dank werden
Jason Macht und Schutz für seine Kinder versprochen
– es zeigt sich, dass die Hochzeit eher ein politischer Akt
als eine Liebesheirat sein wird. Unvermittelt platzt Médée
in die Vorbereitungen und bittet Créon vergeblich darum,
die ehebrecherische Vermählung zwischen Dircé und
Jason zu verhindern; auch ihr Versuch, Jason zurück zu
gewinnen, scheitert.
II. AKT
Für die Verbrechen, die Médée in der Vergangenheit
begangen haben soll, wird sie von Créon aus Korinth
verbannt, mit ihrem Flehen kann sie nur bewirken,
noch einen weiteren Tag in Korinth bleiben zu dürfen.
Médées Vertraute Néris sieht ihr den Schmerz und die
Verzweiflung über die Verbannung an. In einem weiteren
Gespräch mit Jason versucht Médée, ihn zu überreden,
ihr die gemeinsamen Söhne zu überlassen. Jason lehnt
diese Bitte ab, gewährt ihr allerdings, die Kinder noch
einmal sehen zu dürfen. Während die Hochzeitsrituale
für Jasons Heirat mit Dircé beginnen, plant Médée Rache
für die ihr zugefügten Verletzungen.
III. AKT
Das letzte Zusammentreffen zwischen Médée und ihren
Söhnen findet statt: Néris bringt die Kinder zu ihrer Mutter.
Diese denkt an die Möglichkeit, die Kinder zu töten,
um sich an Jason zu rächen, schafft es jedoch nicht, den
Plan auszuführen. Médée fühlt, dass ihre Söhne weder in
ihrer Nähe noch an einem anderen Ort in Korinth sicher
sind und bittet Néris, die Kinder zu verstecken. Während
Médée mit ihren ambivalenten Gefühlen ringt,verbreitet
sich die Nachricht vom Tod Dircés: Médée hat ihr einen
Schleier gegeben... Wenig später findet das Volk Médée
gemeinsam mit ihren beiden Söhnen – die Kinder
müssen sterben und Jason bleibt vor den Trümmern
seiner Ehe zurück, während Médée den Schauplatz des
Verbrechens verlässt.
5

Medea vor Gericht
eifersuchtsdrama nimmt blutiges ende
Mutter schneidet Kindern die Kehle auf
Vor wenigen Jahren schien die Welt noch in Ordnung. M. und J., ein glückliches Paar, lebten mit ihren
beiden Söhnen in Korinth. Doch jetzt ist von dieser scheinbaren Idylle nichts mehr übrig.
Vor wenigen Tagen musste die Polizei einen grausamen Fund machen. Der Nachbar der „4-köpfigen“
Familie alarmierte die Rettung, da er den Familienvater im Schockzustand und nicht ansprechbar vor
dem Haus vorfand. Nach dem Eintreffen der Rettung wurde sofort die Mordkommission gerufen.
„Beim Betreten des Hauses fanden wir die beiden Söhne mit aufgeschnittenen Kehlen vor!“, berichtet
der Polizeiinspektor fassungslos. Alle Indizien weisen darauf hin, dass die Mutter, die zurzeit unauffindbar
ist, für den Mord verantwortlich ist. Hauptursache dieser schrecklichen Tat dürfte ein großes
Eifersuchtsdrama zwischen M. und J. sein, das bis jetzt aber noch nicht aufgeklärt werden konnte.
Weitere Beweggründe für den Mord könnten aber auch die fehlende Integration der Mutter gewesen
sein. J. befindet sich zurzeit in psychologischer Betreuung und wird nicht verdächtigt.
* Namen der Eltern v. d. Red. geändert.
MEDEAS AMME
Ich hätte es wissen müssen. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, um meine Herrin,
Medea, zu warnen. Hätte sie doch nur nicht für Jason ihre Heimat verlassen. Sie wäre nie zu so einer
kaltblütigen Mörderin geworden. Aber Jason war selbst Schuld. Er war schließlich derjenige, der sie
kaum noch erblickte. Verstoßen hatte er sie, verstoßen hatte er sie. Und plötzlich stand sie völlig
allein in der Welt, zurückgeblieben mit den Söhnen. Noch dazu als Fremde in Griechenland. Alles nur
wegen der Tochter des Königs, Glauke. Ich versuchte, sie zu beruhigen. Aber nichts half mehr, ihre
Wut wurde immer größer und sie nahm Rache. Sie musste ihre Rivalin auslöschen und töten. Noch
dazu konnte sie ihre eigenen Kinder schon bald nicht mehr erblicken. Ihm konnte sie sie nicht geben,
denn warum solle er nun das Recht der Erziehung erlangen? Sie erzählte mir oft, dass sie in ihnen
nur noch den Vater sah und dass sie den Schmerz nicht mehr lange aushielte. Schließlich waren es
auch SEINE Kinder und sie wollte mit IHM absolut nichts mehr zu tun haben. Jason hat sie verletzt.
Warum hat denn überhaupt ein Mann das Recht zu bestimmen, dass es vorbei ist? Sie war am Rande
ihrer Kräfte. Sie wollte zu viel und konnte nicht anders, als alles, was er liebte zu beseitigen. Somit
mussten auch die Leben der Kinder ein Ende nehmen. Ich hätte es voraussehen müssen.
ZEUGENAUSSAGE
Mein Name ist Gaius Maximus, ich möchte gerne aussagen, da ich am Tag der Hochzeit von Jason
und Glauke gesehen habe, wie sich der schreckliche Vorfall ereignet hat. Als ich mir gerade am Buffet
einen Wein gönnte, hörte ich plötzlich laute Hilfeschreie und sah alle Gäste zu einem Fenster laufen.
Natürlich folgte ich ihnen, um zu sehen was geschehen ist. Durch ein Fenster konnte man in einen
Raum hineinsehen. Alle drängten sich davor und waren entsetzt. Als ich mich dann zum Fenster
vorgeschoben hatte, konnte ich sehen, dass Glaucke in Flammen stand. Plötzlich fingen die Leute um
sie herum auch Feuer. Es war schrecklich! Ihre komplette Haut hatte sich durchgebrannt und sie sank
tot zu Boden, genau wie alle anderen um sie. Die Leiber umzog eine schwarze Kruste. Der Gestank
von versengter Haut lag in der Luft.
AUGENZEUGENBERICHT
Mein Name ist Oktavius Suprimus. Ich möchte gegen Medea aussagen, weil ich ihre Untaten beweisen
will. Es ist schlimm genug, was sie Jason angetan hat.
Hier mein Bericht:
Am 27. Tag des März diesen Jahres, war ich meine Schafe in der Nähe des Zentaurenwaldes hüten,
als ich diese Frau sah. Sie war nicht alleine, es waren noch sechs bewaffnete Männer bei ihr. Ich
versteckte mich, so schnell es ging, als ich die Schwerter in den Händen der Männer sah. Die Gruppe
ging in den Wald hinein. So neugierig wie ich bin, folgte ich ihnen. Medea und ihre Gefolgsmänner
gingen ganz schön tief in den Wald hinein, ich hatte schon Gedanken umzukehren, weil meine Schafe
vielleicht wegrennen könnten, doch dann hörte ich Medea schreien: Da ist einer!
Ich wusste nicht, was sie meinte. In Distanz bleibend, näherte ich mich der Gruppe und sah was ihr
Ansehen erregt hatte: ein Zentaur.
Die Männer rannten voller Wut auf den Zentauren los und töteten ihn mit ein paar Schlägen. Ich
wollte sie schon zurückhalten, doch ich hatte Angst, dass sie mich dann auch angreifen würden. So
blieb ich in meinem Versteck und beobachtete, was Medea machte. Sie zog ein weißes Kleid aus ihrer
Tasche, ein wunderschönes Kleid und ging damit zum Toten Zentauren. Was sie dann tat, konnte ich
gar nicht fassen. Sie bückte sich hinunter, zum Toten Wesen und tränkte das Kleid in dessen Blut.
Ich wusste, was dies zu bedeuten hatte, und fragte mich, warum sie das tat. Schnell versuchte ich,
unbemerkt zu meinen Schafen zurückzukehren und schaffte dies auch.
Zwei Tage nach diesem Vorfall fand die Hochzeit von Jason und Glauke statt. Das ganze Volk war
eingeladen und uns wurde versichert, dass es für alle ein Festmahl geben würde. Also machte ich
mich gemeinsam mit meinem Sohn davon, um die Hochzeit der beiden zu feiern. Wir waren schon
eine ganze Weile vor Beginn angekommen, als wir grausliche Schreie aus einer Kammer im inneren
des Gebäudes hörten. Wir rannten so schnell wie möglich an das Fenster, weil wir den Eingang nicht
finden konnten, um zu sehen, was los war. Sobald ich durchs Fenster schaute, war ich geschockt. Vor
mir brannte Glauke in einem roten Kleid, und alle um sie Stehenden fingen ebenfalls an zu brennen.
Es war grausam. Als ich mir die Situation genauer anschaute, stellte ich fest, dass Glaukes Hoch-
AHS Heustadelgasse
Pädagogisch-psychologisches
Gutachten
1. Persönliche Daten
Name des Probanden (Pb): M.
Geschlecht: weiblich
Alter (Zeitpunkt der Untersuchung): 17
Nationalität: Griechisch
Status: verheiratet, Mörderin
Namen der Gutachterinnen (GA): Muffat F.
Untersuchungszeitraum: 3.5.-27.5, 400 v. Chr.
2. Untersuchungsanlass
Die Untersuchung wurde veranlasst durch das
Gerichtsverfahren, über ein von Frau M. begangenes
Morddelikt. Standardisiertes Verfahren bei einem
Gerichtsprozess.
3. Fragestellung
M. heiratete einen gewissen J., von dem sie von
einer Insel „entführt“ wurde, wobei zur Annahme
steht, dass diese Entführung nur vorgetäuscht war.
Der Vater von M. verfolgte diese mit einem Schiff
(M. und J. flohen ebenfalls mit einem Schiff), dieser
veranlasste M. zu einem grausamen Mord und in
weiterer Folge auch zu 2 Kindermorden. War Frau
M. zu dieser Zeit bei vollem Bewusstsein? Wäre dies
nicht der Fall, dann wäre die Anklage hinfällig.
Vorgehensweise und verwendete Verfahren:
Gespräch mit Herrn J. am 3. 5. 400 v. Chr. von 16:00-
17:00 Uhr
Beobachtung in der Gruppe (Inkludierung in die
Gefängnisstruktur) am 13. 5. 400 v. Chr. von 9:00-
10:30 Uhr
Testdurchführung ET 6-6 am 22. 5. 400 v. Chr. von
10:00-11:00 Uhr
Beobachtung zur Testdurchführung am 22. 5. 400 v.
Chr. von 10:00-11:00
Test AF Reaktion auf die ständige Beobachtung am
24. 5. 400 v. Chr. von 10:00-13:00 Uhr
4. Ergebnisse
Familiäre Situation, Freizeit und Interessen:
Die Person weist eine unerklärliche Liebe zu Herrn J.
auf. Da der Begriff Liebe nicht erklärbar ist, nennen
wir das Geltungsbedürfnis. Also ihr unerklärliches
Geltungsbedürfnis veranlasste sie zu ihrem ersten
Mord an Herrn K., der ihr Bruder war. Sie ist aus
diesem Grund auch mit ihrem Vater in einem Zwist,
da er es nicht gern sah, dass sein Sohn zerstückelt
wurde. Die familiäre Situation der Frau M. ist also
äußerst schlecht. Womit sie ihre Freizeit verbringt,
war leider nicht herauszufinden, aber es muss etwas
sehr Persönliches sein, da sie sich so gegen die
Veröffentlichung sträubte.
5. Entwicklungsstand
Ihr Entwicklungsstand ist, wider Erwarten, eigentlich
dem eines „weisen Menschen “ gleichzusetzen, da
sie ihre Instinkte unterdrückte, um Menschenleben
zu retten, wobei dies eig. auch ein Instinkt ist:
nämlich der größte, dem der Mensch jemals folgte.
Wieso weise? Sie tötete ihren Bruder, um das Leben
ihres Mannes zu retten, ist dies mit Aufopferung
gleichzusetzen? Oder ist das mehr ein Austausch
von Menschenleben? Schlussendlich ist das psychologisch
gesehen eine Überwindung (also das Töten
ihres Bruders) für eine andere Person. Außerdem
ist das mit Notwehr gleichzusetzen. Töten um nicht
getötet zu werden.
Wobei die Kindermorde nicht mit dieser These
erklärbar sind. Diese verschließen sich jeder Logik.
7

8
AHS Heustadelgasse
zeitskleid, jenes war, welches Medea in das Blut des Zentauren getränkt hatte. Sofort wurde mir alles
klar. Medea wollte nicht, dass Jason Glauke heiratet und dachte sich diese Untat aus. Jedoch forderte
diese verrückte Tat nicht nur eine Tote. Selbst der König war tot, und alle Schneider und Mägde von
Glauke ebenfalls. Es war einfach nur schrecklich. Und Schuld daran hat nur Medea, sie ist die Mörderin,
sie wollte Jason das Leben zur Hölle machen.. und das hat sie auch geschafft.
INTERVIEW MIT DER ANGEKLAGTEN
Medea- Hexe, Kindesmörderin oder betrogene Ehefrau?
Dieses Interview liefert einen tiefen Einblick in die Seele einer gefährlichen und faszinierenden Frau.
I: Guten Tag, Medea. Fangen wir an?
M: Nur zu.
I: Gut… Erzählen Sie doch erst einmal, wie Sie und Jason sich kennen gelernt haben.
M: Alles begann in Kolchis, wo ich als des Königs Tochter geboren und zur Frau herangereift war. Ich
war jung, leidenschaftlich, schön und klug, doch blieb mir das versagt, wovon meine Hofdamen nur
flüsternd und mit glänzenden Augen zu erzählen wagten: Liebe.
Sie können sich vorstellen, wie aufgewühlt ich war, als ich Jason zum ersten Mal sah. Ich wusste
sofort, dass dieser Mann mein Apoll war. Meine wahre Liebe. Er war auf Wunsch seines Onkels nach
Kolchis gekommen. Wenn er mit dem goldenen Vlies, dem Heiligtum meines Volkes, heimkehrte,
würde er König werden.
Mein Vater wollte ihn ob seinem dreisten Ansuchen hinrichten lassen, ich jedoch schlug vor, ihn
einer Prüfung zu unterziehen, die kein sterblicher Mann bestehen würde. Mein Vater willigte ein.
Später suchte ich Jason in seinem Zelt auf. Er hatte Angst, wollte unverrichteter Dinge umkehren. Ich
offenbarte ihm meine magischen Kräfte. Für das Versprechen seiner ewigen Liebe verschaffte ich ihm
das goldene Lammfell und wir flohen. Um zu entkommen musste ich jedoch meinen eigenen Bruder
töten.
I: Und… was fühlten Sie nach dieser Tat?
M: Mir brach fast das Herz, jedoch war es der einzige Weg zu Freiheit und Glück. Die Königin der
Phäaken gewährte uns Asyl, also konnten wir endlich als Paar zusammenleben. Aber Jason verhielt
sich immer seltsamer. Er wurde verschlossen und ließ niemanden an sich heran. Als ich ihm mit
etwas unorthodoxen Mitteln zur Königswürde verhalf, wurde es noch schlimmer.
Mir wurde klar, dass ich seinen Zustand verschuldet hatte. Meine forsche Art hatte ihn an unserer
Liebe zweifeln lassen.
Eine Freundin schlug vor, dass Jason und ich verreisen sollten. Die Flitterwochen, die wir nie hatten.
Also fuhren wir nach Athen.
Mein Mann blühte auf und begann wieder zu leben. Doch den Grund sollte ich bald herausfinden:
Glauke, die schöne, scheue und rehäugige Königstochter. Jason bat mich, ihn zu entlassen, sodass
er Glauke heiraten konnte. Was blieb mir anderes übrig, als zu nicken und meine Tränen hinunterzuschlucken?
Doch ich rächte mich, ich tötete Glauke auf die gleiche Weise, auf die Deianira Heracles getötet
hatte: ein mit Zentaurenblut durchtränktes Kleid.
I: Fühlten Sie dabei gar nichts? Kein Mitleid? Nichts?
M: Nein. Jason hatte meine Gefühle, zusammen mit meinem Herzen, aus meiner Brust gerissen, als
er mich verließ. Ich beschloss, ihn vollkommen zu vergessen.
In all unseren Ehejahren hatte ich ihm zwei Söhne geboren, die ihm beide sehr ähnlich sahen. Sie
hatten nichts von mir. So fiel es mir leichter, die letzten Bande, die mich an den treulosen Geliebten
fesselten, zu zerschneiden und ich tötete meine Söhne. Als Jason bemerkte, was ich getan hatte, bat
er mich tränenüberströmt, sie begraben zu dürfen. Ich lachte nur, bestieg meinen Wagen, der von
geflügelten Rössern gezogen wurde, die toten Kinder neben mir, und stieg in die Lüfte. Ich wollte
alles hinter mir lassen und einen Neustart machen.
I: Aber eines verstehe ich nicht. Wie kann jemand so kaltblütig handeln?!
M: Nun…ich habe Jason alles gegeben, habe ihn zu einem reichen Mann und König gemacht. Ich
hatte nicht vor, still und leise aus seinem Leben zu verschwinden. Meine Rache bestand darin, ihn
wieder so zurückzulassen, wie er vor unserer ersten Begegnung gewesen war. Ich bereue nichts.
PLÄDOyER DER VERTEIDIGUNG
Ohne Zweifel hat Medea eines der wohl abscheulichsten Verbrechen begangen, die die Menschheit
kennt. Doch was für eine Verzweiflung mag eine sonst so weise und gelehrte Frau aus fernen Ländern
zu solch einer Tat gezwungen haben?
Die Außenwelt meinte es nicht gut mit ihr. Ihr Mann verließ sie für eine Jüngere, was natürlich das
Recht Jasons war, wohl aber eine Frau, die einen Mann von Herzen liebt, für den sie alles aufgab und
ihre Heimat verließ, tief verletzt haben muss. Niemand nahm sie in die Gesellschaft auf, ständig wurde
sie an ihre Herkunft erinnert. Diese tiefe Enttäuschung hat sie dazu getrieben, ihre Existenz in ihren
Taten widerspiegeln zu lassen, so lange, bis ihr benebelter Geist sie dazu zwang, den Menschen,
die sie am meisten liebt, zu verletzen oder sogar das Leben zu nehmen. Wäre es nicht unsere Pflicht
als Griechen, solchen Menschen, anstatt sie zu verurteilen, den richtigen Weg zu weisen?
Sobald die Wut und die Trauer verflogen ist, so wird sie erkennen, dass sie selbst wohl die tiefste
Wunde davon tragen wird, nämlich die Verantwortung für den Mord an ihren eigenen Kindern übernehmen
zu müssen. Daher empfiehlt die Verteidigung die Einweisung in eine Anstalt für abnorme
Rechtsbrecher, um ihren aufgewühlten Geist in Gnade Frieden zu gewähren.

PLÄDOyER DES STAATSANWALTS
Eine Frau, die ihre Kinder kaltblütig ermordet, nur um das Leben ihres Ex-Mannes zu zerstören.
Diese furchtbare Tat hätte verhindert werden können, denn Jason kannte Medeas blutrünstige Natur,
die nicht davor zurückschreckt, ihren eigenen Bruder zu töten.
Wer ist diese Frau?
Sie ist eine Ausländerin, eine Fremde, die in keiner Weise die Bereitschaft zeigte, sich in Griechenland
zu integrieren, die ihren Platz in der Gesellschaft nicht akzeptieren wollte.
Ein Leben lang hat sie sich gegen ihren Vater aufgelehnt, später, als sie mit Iason durchbrannte und
sich kaltblütig ihrer Familie entledigte, auch gegen ihn.
Auch war es Jasons Recht, sich eine jüngere, sanftere Frau zu nehmen, die auf seine Bedürfnisse
einging.
Die Angeklagte sah das anders und war nicht gewillt, ihrem Ehemann ein friedliches Leben zu gönnen,
also wurde sie erneut zur Mörderin und tötete Glauke, Jasons Verlobte.
War es eine Affekthandlung?
Medeas präzise Ausführung dieser bestialischen Taten weist auf das Gegenteil hin.
Da diese Hexe eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, beantrage ich die Todesstrafe.
AHS Heustadelgasse
9

10
GRG23 AltErlaa
Ovid: stellt Medea schwankend dar, Kindermord und Ende
Jasons kommen nicht vor und werden als bekannt
vorausgesetzt.
Michael Köhlmeier: stellt Medea böse dar, Kindermord
wird als „Privatsache“ bezeichnet.
Quo feret ira, sequar!
Wohin der Zorn mich bringen wird, werde ich folgen!
Verschiedene Bearbeitun gen der Medea – Sage:
Lars von Trier: stellt Medea ausgenützt dar, Medea
erhängt Kinder, Jason stirbt vor Verzweiflung und
Erschöpfung (unklar).
Luigi Cherubini: neutral zu Medea, Medea bringt Kinder
mit Dolch um, alles versinkt in Flammen.
Gustav Schwab: verteidigt Medea, Medea ist verblendet,
erschlägt ihre Kinder, Jason stürzt sich in sein Schwert.
_____________________________________________________
Et dabit ante fidem, cogamque in foedera testes esse deos.
Und er wird vorher ein Versprechen geben, und ich werde erzwingen, dass in unserem Abkommen die
Götter Zeugen sind. (Ovid)
_____________________________________________________
Arie Médée :
Médée wirft Jason vor, dass er sie verlassen hat, obwohl
sie ihren Vater und ihre Heimat zurückgelassen und alles
für ihn geopfert hat. Médée ist unglücklich und wünscht
sich Jason zurück. Diesen Moment unterstreicht Cherubini
mit ruhiger, fließender Musik, Akkordschlägen in Moll und
langen Notenwerten, um Mitleid beim Zuhörer zu erregen.
„Nichts will ich, nur dich allein, meinem Zorn schwöre ich
ab! Medée weint, Medée umklammert deine Knie! Um
alles was sie tat, gebt ihr den Gatten wieder!“
Arie Jason:
Erleichtert, dass er Médée verlassen hat, ist er verliebt,
hoffnungsvoll und beruhigt Dircé.
Die Oper:
Arie Creon:
Warnt Médée („Dieser Tag wird Médées letzter sein“) um
dadurch seine Tochter Dircé zu beruhigen.
Arie Dircé:
Sie ist hin und her gerissen zwischen Misstrauen,
Unsicherheit, Angst vor Medea und erwartungsvoller
Hoffnung und Liebe.
_____________________________________________________
Et luctata diu, postquam ratione furorem vincere non poterat.
Und nachdem sie lange gekämpft hatte und nachdem sie die Raserei nicht durch Vernunft besiegen
konnte (Ovid), tötete sie im Wahnsinn die Schlafenden [Kinder], um Jason und sich selbst das
teuerste zu nehmen. (Gustav Schwab)
_____________________________________________________
Nichts dazugelernt seit der Antike?
Kindermord aus Rachsucht – auch heute noch aktuell
Zwei Söhne im oberpfälzischen Beratzhausen getötet: Die vermutlich depressive 37-Jährige
wollte mit ihrer Tat verhindern, dass ihre zwei und drei Jahre alten Söhne allein bei ihrem Ehemann
und ihren Schwiegereltern bleiben müssen. (www.poolalarm.de)
"Immer handelt es sich um eine Situation, bei denen die Menschen keinen anderen Ausweg sehen", sagt der Psychologe und
Leiter der kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, Prof. Rudolf Egg.
… weil sie, ihm ward’s auch selbst bald klar,
nicht ganz gesellschaftsfähig war.
Dazu ward sie auch alt und fett,
er fand sie plötzlich nicht mehr nett;
beglückt von neuen Liebeshimmeln
versuchte er, sie abzuwimmeln.
Sie ging auch wirklich später fort,
doch vorher gab’s noch Mord um Mord.
(Eugen Roth)

GRG23 AltErlaa
11

12
ORG1 Hegelgasse 12
Medea und die Mythologie
Mythologie ist ein Phänomen in einem virtuellen Raum. Gustav Schwab hat die Geschichten für
die meisten von uns formuliert. Wir kennen seine zusammenfassenden Erzählungen. Doch diese
Zusammenfassungen sind keineswegs das, wie sich ein Mythos in der Antike – und danach, in der
Rezeption – manifestiert. Da sind die Gedichte, Hymnen, Epen, Dramen, in denen ein Mythos behandelt
wird, oder besser gesagt, in denen ein Teil des Mythos dargestellt wird. Verschiedene Zeiten,
verschiedene Künstler zapfen den Mythos auf verschiedene Arten an, entnehmen das, was für sie
wichtig erscheint, und gießen es in die Form ihres Kunstwerks. Doch der Mythos ist viel mehr als
das einzelne Kunstwerk. Seine Quelle speist viele verschiedene Werke, lässt sich in viele verschiedene
Schalen füllen und Formen gießen.
Im Falle des Medea-Mythos sind es sicher Euripides und Seneca unter den Dramatikern der Antike,
die Werke geschaffen haben, die maßgeblich für die weitere Gestaltung späterer Generationen
gewesen sind. Eine Tragödie des römischen Dichters Ovid ist leider verloren gegangen. Doch Ovid
zeigt uns Medea in seinen Werken an vielen Stellen mit zahlreichen Facetten. Und auch sonst taucht
sie immer wieder in der Dichtung der Antike auf. Sie fasziniert und stößt gleichzeitig ab. Man hat
Mitleid mit der Fremden im fremden Land, findet die Zauberin vielleicht interessant, versteht aber eigentlich
nicht, warum sie ihre Kinder tötet – einer der größten möglichen Tabubrüche. Die Rivalin zu
beseitigen stößt auf einiges Verständnis, doch der Tod der ‚unschuldigen Kinder‘ löst nur Befremden
aus.
Wer ist diese Medea? Gibt es andere Frauengestalten in der Mythologie, deren Schicksal vergleichbar
ist? Wir haben vor allem zwei gefunden, die Parallelen zum Schicksal der Medea aufweisen: Ariadne,
die Tochter des Kreterkönigs Minos, und Dido, die sagenhafte Gründerin Karthagos. Zusammen
ergeben diese drei ein Bild weiblichen Schicksals: l’abbandonata, die Verlassene, wie sie die frühen
Opern genannt haben, die alle drei auf der Opernbühne auftreten lassen.
Wir haben einen gemeinsamen Steckbrief der drei Damen verfasst.
Namen der Eltern
Geschwister
Die Verlassenen: Ariadne – Medea – Dido
Ariadne Medea Dido Elissa
Vater: Minos, König
von Kreta
Mutter: Pasiphae
Vater: Aietes
Mutter: ?
Bruder: Absyrtos
Vater: Tyros
Bruder: Pygmalion
Schwester: Anna
Herkunft
Stand
Königstochter Königstochter Königstochter
Geburtsort/-land Kreta Kolchis am Schwarzen Phönizien
Meer
(Libanon)
Junges Mädchen Junges Mädchen im Reife Frau am Beginn
Alter
im heiratsfähigen heiratsfähigen Alter der Geschichte
Alter (unter 20) (unter 20)
Am Ende reife Frau (30
oder mehr)
Familienstand Anfangs: ledig Ledig,
verwitwet
Am Ende: Heirat mit verheiratet mit Jason,
Bacchus
getrennt von Jason
Ehemann Bacchus Jason Sychäus
Große Liebe Theseus
Jason, verlässt sie nach Aeneas
verlässt sie vor der Jahren der Ehe wegen verlässt sie, um
Heirat
einer anderen
höherem Befehl zu
folgen
Stellung
Königstochter Königstocher,
Karrierefrau, Politikerin
Beruf
Wird zuletzt
Vertriebene, Zauberin gründet eine Stadt,
unsterblich - Göttin Eine zeitlang nur Frau Königin in eigenem
und Mutter
Recht
wichtige Ereignisse Ein Fremder kommt Ein Fremder kommt Ein Fremder kommt
Besondere Taten
Verdienste
Sie hilft dem
Fremden
Mit magischem
Schwert und
Wollknäuel
Sie hilft dem Fremden
Mit ihrer Hilfe/ ihren
Zauberkünsten
erlangt er das Goldene
Vlies
Sie hilft dem Fremden
Sie nimmt den
Schiffbrüchigen auf
und bewirtet und
versorgt ihn
Besondere
Fähigkeiten
Zauberkenntnisse Zauberkenntnisse Organisationstalent
Besondere
arbeitet gegen ihre arbeitet gegen ihre hat mir ihrer
Situation/Probleme Familie und verlässt Familie und verlässt sie Herkunftsfamilie schon
sie um eines
um eines Mannes willen, vorher gebrochen
Mannes willen begeht sogar einen und ein neues Leben
Mord,
begonnen – Neues
Fremde in fremdem Land Glück mit Aeneas
scheitert
Änderung des Fährt mit Theseus Kommt nach Jolkos, Hat in Karthago eine
Wohnortes
nach Naxos, wird später nach Korinth neue Heimat
dort von Bacchus
gefunden und eine
verlassen gefunden
Stadt gegründet.
Nachkommen Vier Söhne aus der Zwei Söhne aus der Ehe Keine Kinder
Ehe mit Bacchus mit Jason – von ihr
getötet
Lebensende Happy end:
Sie tötet Rivalin und ihre Sie begeht
Ende der
Bacchus heiratet sie eigenen Kinder und fährt Selbstmord mit dem
Geschichte
auf einem
Schwert des Aeneas
Drachenwagen davon und verflucht ihn und
seine Nachkommen

FREMDE IM FREMDEN LAND
so steht es nun einmal: der Mensch weiß nichts von Recht;
eh er des nächsten art zu kennen sich bemüht,
ist er verärgert, ob ihm gleich kein leid geschah.
drum füge sich der Fremde rasch dem landesbrauch;
doch schelt’ ich auch den Bürger, der Mitbürger kränkt,
weil er in seinem dünkel nur sich selber sieht.
Euripides, Medea
Ein Text, der trotz seines hohen Alters nichts an Aktualität verloren hat, der gerade in einer Gesellschaft
wie der österreichischen, die seit Jahrhunderten geprägt ist vom Zusammentreffen von Menschen
verschiedener Kulturen und Anschichten, gültig ist wie eh und je. Menschen aus dem Osten
– damals Kolchis, heute vielleicht der Balkan, die Türkei, der Orient -, dunkel und verdächtig, anders,
daher verdächtig.
Wie steht es mit Herrn und Frau Österreicher und ihrem Bemühen, „des Nächsten Art zu kennen“?
Wie steht es mit der Bereitschaft der Fremden, „sich rasch dem Landesbrauch zu fügen“? Wie sehr
ist er/sie – Eingeborene(r) oder Zugereiste(r) – „verärgert über des Nächsten Art, ob ihm gleich kein
Leid geschah“?
„In seinem Dünkel nur sich selber sehen“ macht auch heute das Zusammenleben vieler Menschen
im Großen wie im Kleinen, in Österreich und Anderswo zum Problem. Die Medea des Euripides
fordert hier die Toleranz von beiden Seiten ein.
ORG1 Hegelgasse 12
13

14
Musikgymnasium Wien
christa wolf: Medea. stimmen
„Wovor lauft ihr alle eigentlich davon“
Wir, die Klasse 7A des Musikgymnasium Wien,
haben uns lange mit dem großartigen Roman
„Medea. Stimmen“ von Christa Wolf auseinander
gesetzt und bei diesem Projekt mitgemacht. Wir
hatten die Idee einige Zitate auszuwählen und
unsere Meinungen und Interpretationen dazu zusammenzufassen.
Im Gegensatz zu Euripides stellt
Christa Wolf Medea als eine starke, unbeugsame
Frau dar, die nicht die Schuld am Tod ihrer Kinder
trägt.
ZUM INHALT:
Sechs verschiedene Personen erzählen in
inneren Monologen in 11 Kapiteln die Geschichte
von Medea aus ihrer Sicht. Die Stimmen
beschreiben in Zeitsprüngen abwechselnd
Ereignisse aus der Vergangenheit. Die Handlung
verfolgt die Geschichte Medeas von dem Zeitpunkt
an, als sie in Korinth auf die Spur eines
Verbrechens kommt. Die junge Königstochter
und mögliche Thronfolgerin wurde ermordet.
Als Medea dieses Verbrechen aufdeckt, wird sie,
um die Macht des Königs nicht zu gefährden,
zum Sündenbock abgestempelt. Dadurch können
die Machthaber auch von ihren Verbrechen
ablenken. Sie werfen Medea vor, die sich nicht
den korinthischen Gebräuchen unterordnen will,
ihren Bruder und ihre eigenen Kinder ermordet
zu haben. Schließlich wird sie sogar von ihrem
eigenen Ehemann Jason verstoßen. Christa
Wolf versucht eine Neuinterpretation des
Medeamythos. Nein, Medea hat ihr Kinder nicht
umgebracht. Die weise Seherin Medea wird
dieser Tat beschuldigt, um sie daran zu hindern,
die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Medea: „Warum war ich aus Kolchis geflohen. Es war mir unerträglich erschienen, vor die Wahl zwischen
zwei Übeln gestellt zu sein. Ich Törin. Jetzt hatte ich nur noch zwischen zwei Verbrechen wählen können.“
Medea bereut, dass sie aus Kolchis weggegangen ist, denn sie bemerkt, dass es in Korinth nicht
besser ist. Hier ist es genauso verdorben wie in Kolchis, und Medea ist verzweifelt. Sie findet, dass
sie sehr dumm war, dass sie alles in Korinth aufgegeben hat. Wegen der bestehenden Verhältnisse
kann sie nur zwischen zwei Übeln wählen, und eigentlich kann sie nicht mehr wirklich wählen. Sie
kann ihr Schicksal nur annehmen und das ist sehr schwierig für eine starke, kämpfischere Frau wie
Medea. Heui Soo Park
Zum Unterschied zwischen Kolchis und Korinth: Schon der Unterschied der hierarchischen Strukturen
ist enorm. Während in Kolchis das Ideal der Gleichheit vorherrscht, durch welches Frauen und
Männer in etwa die gleiche Stellung innehaben und Aites samt Königsfamilie die Spitze bildet, fand
in Korinth eine deutliche Hierarchisierung statt, wo Klassengesellschaften vorherrschen, Frauen
eine niedrigere Stellung als Männer innehaben und welche den König allein an die Spitze stellt.
Zudem handelt es sich bei Korinth um einen Umschwung zum Patriarchat, wohingegen Kolchis ein
Matriachat ist. Auch die Einstellung zu materiellem Wohlstand weist Unterschiede auf. Der goldene
und steinerne Palast in Korinth bildet einen deutlichen Gegenpol zu dem hölzernen Königshaus der
Kolcher, woraus man schließen kann, dass den Korinthern mehr an materiellem Wohlstand gelegen
ist, insbesondere, um sich nach außen hin zu präsentieren. Die Korinther sind besessen von der Gier
nach Gold. Gudrun Stefanitsch
Medea: „Wohin mit mir. Ist eine Welt zu denken, eine Zeit, in die ich passen würde. Niemand da, den ich
fragen könnte. Das ist die Antwort.“
Medea fühlt sich einsam und verlassen am Ende des Buches. Nach der Verbannung hat sie keine
Vertrauens- bzw. Bezugsperson mehr. Sie ist auch in sich verloren, da sie sich fragt: „Wohin mit mir“.
Sie kann sich nicht vorstellen, jemals wieder in irgendeine Welt oder Zeit zu passen. Das ist ihre
Antwort auf all die Fragen, die sich stellen oder die sie sich stellen könnte. Damit beruhigt sie sich
und ihre aufgewühlte Seele. Katharina Dudas
Medea: „Wie habe ich mich täuschen können, aber nichts täuscht sicherer als Glück, und es gibt keinen
Platz, der die Schärfe der Wahrnehmung so trübt wie der Platz im Gefolge des Königs.“
Dieses Zitat zeigt ganz deutlich, wie manche Menschen, auch in unserem heutigen Leben, sich anpassen,
um gewissen Erwartungen gerecht zu werden und dadurch gesellschaftliche oder politische
Positionen verliehen bekommen. Die Personen in Wolfs „Medea“ kriegen in aller Deutlichkeit die
Folgen zu spüren: Sie befinden sich im ständigen Zwiespalt über Medea, die sie eigentlich hassen
oder, laut der allgemeinen korinthischen Ansicht, hassen sollen; außer Agameda ist sich keiner ganz
darüber im Klaren, ob er Medea jetzt wirklich loswerden will oder nicht. Samuel Toro-Perez
Glauke: „Es hat lange gedauert, bis ich zugeben mußte, daß ich mich auch in diesem Punkt getäuscht
habe, habe täuschen lassen, aber was ist denn überhaupt richtig, kann ich denn meinen Augen noch trauen,
kann ich mich noch auf irgendeinen Menschen verlassen.“
Glauke ist die Person in dem Stück, bei der man am besten sieht, weviel die Korinther durch ihren
Hass auf Medea angerichtet und zerstört haben. Denn Medea war die Einzige, die Glauke verstanden
hat, die den Zusammenhang zwischen dem Mord an Iphinoe und Glaukes Krankheit begriffen
hat. Sie war die Einzige, die ihr auch hätte helfen können. Und man kann auch sehen, dass die
Korinther dadurch nicht nur Medeas Leben zerstören, sondern auch das von Leuten aus ihren
eigenen Reihen. Ich hatte an der Stelle, bei der Glauke zu Wort kommt, einfach nur Mitleid mit ihr,
weil die Korinther sie, die wirklich absolut keine Schuld an irgendeinem Ereignis trägt, so für ihre
Machtspielchen missbrauchen, dass sie letzten Endes nicht einmal mehr der einzigen Person, die
ihr immer nur Gutes wollte, traut, sondern fest davon überzeugt ist, sich auch in ihr getäuscht zu
haben. Monika Demmer
Akamas: „Ich gab einer verqueren Regung nach und erklärte Medea, wie Korinth funktioniert, was auch
bedeutet, sie nach und nach wissen zu lassen, auf welche Weise ich meine Macht ausübe, zu der gehört,
daß sie unsichtbar bleibt und jedermann, besonders der König, fest überzeugt ist, er allein, Kreon, sei die
Quelle der Macht in Korinth. Ich konnte dem Kitzel nicht widerstehen, die Einsamkeit und Verschwiegenheit,
zu der ich verurteilt bin, zu durchbrechen und diese Frau, die nicht von unserer Welt ist, zu einer Art
Vertrauten zu machen; es erheiterte mich, daß sie das Geschenk, das ich ihr machte, gar nicht zu schätzen
wußte, weil sie es für selbstverständlich hielt.“
Eine von Akamas’ Aufgaben ist es, Kreon im Glauben zu lassen, er wäre der mächtigste Mann. Was
ich allerdings überhaupt nicht verstehe, ist, wieso Akamas seine Macht nicht nutzt, um Medea zu
retten. Er schätzt sie sehr, anscheinend ist aber sein Wunsch nach Macht größer als seine Menschlichkeit.
Aber er respektiert Medea und sie gibt ihm ein Gefühl von Vertrautheit, so sehr, dass er das
ausspricht, was er sonst vielleicht nie auszusprechen gewagt hätte. Deshalb sieht Akamas sie als
gleichberechtigt an. Dass Medea das als selbstverständlich empfindet, zeigt, dass Frauen in Kolchis
den Männern gleichgestellt wurden. Akamas respektiert sie aber deswegen nicht weniger, sondern
er versteht diesen Unterschied sogar und er stört ihn nicht. Akamas begehrt Medea auch nicht,
vielleicht ein wichtiger Aspekt, wieso er sie als gleichberechtigt akzeptieren kann. Trotzdem hätte
er Größe beweisen können, indem er im Hintergrund die Fäden zieht und sie vor ihrem Schicksal
bewahrt. Elisabeth Plank

Christa Wolf schafft es anhand der Medea, sehr realistisch Fremdenfeindlichkeit zu beschreiben:
Medea, die Fremde, macht vielen Korinthern Angst. Den Mächtigen wegen ihrer Gabe, die ganzen
Missstände in Korinth so schonungslos zu durchschauen. Den ärmeren und einfachen Leuten wegen
ihrer ungewohnten Bräuche und Verhaltensweise. Da es aber schwer ist sich einzugestehen, dass
allein das „Fremde“ Grund genug ist, um Angst zu haben, sind sie dankbar für alle Gerüchte, die
Akamas und Agameda in Umlauf setzen. Das Gerücht des Brudermordes z.B. gibt diesen Leuten das
Gefühl, sich zu Recht vor ihr zu fürchten. Überhaupt ist es erschreckend, wie treffend Christa Wolf
die Tricks der Mächtigen beschreibt, die angewendet werden, um das Volk ruhig zu halten. Akamas
ist z.B. selbst erstaunt, wie einfach ganz Korinth die plumpe Lüge über das Verschwinden Iphinoes
hinnimmt. Er sagt, dass die Menschen gerne bereit sind, jede noch so plumpe Lüge zu glauben, nur
um sich ein schöneres Bild ihrer Stadt zu machen, an deren Ansehen doch allen Menschen etwas zu
liegen scheint. Realitätsverweigerung also, um sich selbst zu schonen. Martin Listabarth
Ich persönlich finde es sehr spannend, dass Christa Wolf sich anhand einer mythologischen Gestalt
mit den Themen Fremdenunverständnis (bis hin zu Fremdenhass) und der Projektion innerer
Probleme eines Staates/einer Stadt auf Menschen aus einem anderen Kulturkreis auseinandersetzt.
Besonders, weil ich selber nie auf die Idee gekommen wäre, z.B. die Probleme, die junge Menschen
besonders in der Schule haben, mit Hilfe einer mythologischen Gestalt darzustellen: So z.B. die Tatsache,
dass die SchülerInnen von den meisten LehrerInnen nicht als eigenständige Persönlichkeiten
mit eigener Meinung anerkannt werden oder dass deren Meinung nicht genauso viel Gewichtung
hat, wie die der LehrerInnen. Ich finde, dass Christa Wolf genau das mit der Medea macht. Sie zeigt
bis zu einem gewissen Grad, bewusst oder unbewusst, die Probleme unserer modernen Gesellschaft,
wie z.B. die schwierige Integration von Menschen aus anderen Kulturen und die mangelnde Gleichberechtigung
von Mann und Frau. Sophie Breit
„Sie fragte: Wovor lauft ihr alle eigentlich davon.“
Medea beobachtet schon seit ihrer Ankunft in Korinth, dass alle Bewohner sich in das korinthische
Herrschaftssystem einfügen, ohne Unzulänglichkeiten oder Fehler zu erkennen, beziehungsweise
wahr haben zu wollen. Diejenigen, die diese Fehler erkennen, wie zum Beispiel Oistros, sagen
oder tun nichts, um die übrigen Bewohner darauf aufmerksam zu machen. Ich glaube, das Volk
WILL nichts ändern, es ist zu bequem. Denn eine politische Veränderung würde ein Umdenken
und Bewusstsein der Bevölkerung voraussetzen, dass den herrschenden Mächten und allen damit
verbundenen Personen (z.B.: Männern) viele Vorteile entzogen werden würden. Und weil die Leute
nichts an sich ändern wollen, müssen sie ihre eigenen Ansichten ignorieren und vor ihren Wünschen
davon laufen. Medea ist zwar nicht die Einzige, die diese Situation bemerkt, aber die Einzige, die
davon redet. Sie sucht den Grund für diese Missstände und deckt dabei zu viele dunkle Punkte aus
Korinths Vergangenheit auf (z.B.: Iphinoe). Viele Bewohner glauben zu Unrecht, dass sie wegen
dieses Wissens Veränderungen herbeiführen will und wollen sie aus diesem Grund aus dem Weg
schaffen. Anna-Sophie Vetter und Monika Demmer
Musikgymnasium Wien
15

16
Sir Karl Popper Schule
Medea live
„Médée“ szenisch-dramatisch nachempfi nden
1. Wie würdet ihr Médée charakterisieren? Notiert stichwortartig alles
was euch zu ihr einfällt!
Médé
2. Ihr habt verschiedene 3 Aufgaben die insgesamt ein Ganzes ergeben:
• Eine/Einer verkörpert Médée als Standbild
! sucht Tücher und Gegenstände die zu Médée passen (welche Farben? usw.)
! verkleidet ein Gruppenmitglied als Médée
! findet eine Position die Médée besonders stark charakterisiert und beschreibt
achtet dabei auf Mimik und Gestik
! formt wie Bildhauer gemeinsam eure Médee
• Einer/Eine trägt Médées Text vor
! achtet auf gute Sprache und einen ausdrucksvollen Vortrag!
(stellt euch vor ihr seid ein Schauspieler der einen Monolog auf der
Theaterbühne spricht!!!)
• kreiert gemeinsam eine Musik die Médée charakterisiert
! sucht euch passende Instrumente
! die Musik soll so lange wie der Monolog dauern, da sie dann gleichzeitig zum
Sprechvortrag gespielt wird, der Text soll gut verständlich bleiben
! die Musik kann auch stellenweise auf den Text reagieren, sie soll aber vorrangig
Médées Charakter musikalisch darstellen
3. Fügt alle drei Elemente – das Standbild, den Textvortrag und die Musik
– zu einem „Charakterbild“ zusammen
4. Präsentiert Médée dem Rest der Klasse
! nach jedem „Charakterbild“ folg ein passendes Hörbeispiel aus der Oper
e

ARIE MéDéE
dem entsetzlichen schmerz der mich verzehrt,
Kommt nichts an schrecken gleich.
O liebe Kinder, ich bete euch an
Und war bereit, euch das herz zu durchbohren.
Unsterbliche Götter, heilige Gerechtigkeit!
ihr habt meinen arm entwaffnet,
Rettet mich; erlaubt nicht diese abscheuliche Opferung.
der treulose Gatte vergehe,
Vergehen soll der eidbrüchige Urheber meiner leiden!
sein Tod, sein Blut genüge meiner Rache!
der Verräter! ha!
sein name allein weckt meine wut.
dem entsetzlichen schmerz der mich verzehrt,
Kommt nichts an schrecken gleich.
O liebe Kinder, ich bete euch an.
Und gegen meinen willen verspüre ich wieder,
Verspüre ich bei eurem anblick, wie meine wut wieder auflebt.
ARIE JASON
Für immer von einer grausamen Frau getrennt,
die meine schande und mein Unglück darstellte,
Verblasst mir die erinnerung an einen Fehler,
den ich zu lange ertragen habe,
Und mein schicksal nimmt einen neuen lauf.
war die ehe mir bislang eine Qual,
wird sie nun mein Glück schaffen.
eure Reize, eure Tugenden vermochten mein herz zu rühren.
sie werden mich ewig ketten.
der glückliche Jason schwört dies zu euren Füßen:
nichts kann ihn von nun an von euch trennen.
hart, härter, Jason
Argonauten, die Rockstars der griechisch-antiken
Helden. Unter der Führung ihres Anführers Jason
reisen sie auf dem Schiff Argo durch die Meere.
Wer ist Jason? Wer ist der große Held?
Jason ist der Sohn von Aison. Er wurde aber
aufgezogen von einem Kentaur namens Chiron,
der schon viele Helden gelehrt hat. Um ehrlich zu
sein hat Jason von Anfang an sich nicht wirklich
als Held hervor getan. Er schummelte, log, war
feige, dumm, prahlerisch und arrogant. Ein echter
Mann eben. Aber Jason bestach durch Charisma
und Charme.
Eines Tages wird er vom König (der der Bruder
seines Vaters ist [lange unwichtige Geschichte])
nach Kolchis geschickt, wo er das goldene Vließ
holen soll.
In Kolchis verlieben sich Jason und Medea,
die Tochter des dortigen Königs. Diplomatisch
gesehen eine ungünstige Situation, die auch sehr
ungünstig ausgeht. Medea wird von ihrem Vater
verstoßen und beide müssen die Insel verlassen,
allerdings kann Jason mit Medeas Hilfe das
Goldene Vließ erbeuten und hat seine Aufgabe so
eigentlich erfüllt.
Aber durch einen unglücklichen Zufall eben nicht,
und Jason und Medea suchen Schutz bei Jasons
Onkel, dem König von Korinth.
Dort kommt es zum unrühmlichen Ende. Die
barbarische Medea wird von den ach so tollen
Griechen rassistisch und aufgrund ihrer Zauberei
ausgeschlossen, und obwohl sie versucht sich der
griechischen Kultur anzupassen, absolut nicht
akzeptiert. Schließlich tötet sie Jasons und ihre
Kinder und macht mit Jason Schluss.
Ihre Geschichte verliert sich, aber von Jason
erfährt man schlussendlich, dass der Balken der
Argo auf ihn herabfällt und ihn unter sich begräbt.
Clemens Sternbach
Sir Karl Popper Schule
17

18
Schulschiff „Bertha von Suttner“
Frauengestalten
Erst seit Februar ’08 arbeiten wir in der Modulklasse „Werkstatt Musiktheater“ des Schulschiffs zum Projekt „Médée“.
Als erste Annäherung assoziierten die Schülerinnen gemeinsam zu folgenden Fragen und skizzierten eigene Frauengestalten. In Einzelarbeit verfassten sie
dann eigene Texte, die gewisse Berührungspunkte mit Medea aufweisen:
Frauen wie Medea … Was erlauben sie sich? Was löst Irritation aus? Was könnten sie verbrochen haben? Was ist ihnen geschehen?
DAS DRAMA EINER VERBOTENEN LIEBE
„Nein, ich möchte nicht heiraten!“, schrie
Victoria ihren Vater an. Schließlich wollte dieser
sie mit dem Prinzen von Aaronburg verheiraten.
„Ich liebe Benjamin!“, „Aber du kannst doch
keinen Schwarzen lieben!“, protestierte ihr Vater,
der König von Altenburg. „Und ob ich das tue!
Ich werde diesen Mann heiraten!“
Wie gesagt, so getan. Victoria und Benjamin heirateten
2 Wochen später gegen den Willen ihrer
Familie. Benjamin war ein angesehener Bürger
Altenburgs, doch er war schwarz. Victorias
Familie konnte sich nicht damit abfinden, dass
ihre einzige Tochter sich ihnen widersetzt. Um
den Problemen mit der Familie aus dem Weg zu
gehen, flohen die beiden nach Italien. Der engste
Vertraute Benjamins, Hugo, begleitete sie auf ihrer
Reise. Die 3 ließen sich in Florenz nieder, um
ein glückliches Leben zu führen. Eines Morgens
sagte Hugo zu Benjamin: „Gestern Abend sah
ich deine Frau mit Flavio reden…bist du sicher,
dass sie dir treu ist?“
„Aber natürlich! Meine Victoria würde mir so
etwas niemals antun! Woher kommt dein Misstrauen?“,
fragte Benjamin. „Nun, sie ist eine
schöne Frau und du bist ein armer schwarzer
Mann, vielleicht hat sie Interesse an der anderen
Seite gefunden…verstehst du?“
„Hm, du könntest Recht haben…ich werde
aufpassen. Danke, mein Freund.“, mit diesen
Worten verließ Benjamin nachdenklich sein
Haus. Jeden Tag sprach Hugo seinen Freund ins
Gewissen, bis dieser ihm glaubte.
Benjamin kochte vor Wut, er war sogar dazu
bereit sie umzubringen! Die unschuldige Victoria
ahnte natürlich nichts von dieser schrecklichen
Lüge und dachte nicht einmal in ihren Träumen
daran, dass sie ihren Mann erzürnt haben
könnte.
Als Victoria eines Abends nach Hause kam,
stand Benjamin voller Wut vor ihr, mit einem
Messer in der Hand. Sie war geschockt und
wusste nicht, was vor sich ging.
„Du hast mich betrogen, dafür musst du bezahlen!“,
sagte ihr Mann mit kalter Stimme. „Was?
Wovon redest du? Ich habe dich nie betrogen!
Ich liebe dich doch!“, flüsterte Victoria mit
zittriger Stimme.
Doch es war schon zu spät. Er ging auf sie zu
und stach ihr mitten ins Herz.
Genau in diesem Moment kam Hugo ins
Zimmer. Er schrie: „Oh Gott! NEIN! Was hast du
gemacht?? Ich liebte diese Frau über alles! Ich
wollte doch nur, dass du sie verlässt! Sie hat dich
nie betrogen!“
Benjamin konnte es nicht fassen. Sein bester
Freund hat ihn belogen! Benjamin hatte seine
Frau doch auch noch geliebt! Warum hat er sich
nur so etwas einreden lassen? Rasend vor Zorn
schritt er auf den weinenden Hugo zu und tötete
ihn ebenfalls. „Ich möchte ohne Victoria auch
nicht mehr auf dieser Welt bleiben!“, meinte er
verzweifelt, legte sich neben seine tote Frau und
nahm sich selber das Leben.
Hana Cincurak
LIZ MCGUIRE
„Liz McGuire verschwand am 26. April spurlos,
es wird vermutet, dass sie schuld an dem Tod
ihres Mannes ist und deshalb vor der Polizei
geflüchtet. Die 26-jährige …“, so ein Unsinn, ich
habe ihn nicht umgebracht. Ich wäre niemals
im Stande einen Menschen zu töten! Natürlich
wusste ich, dass es nicht wie ein Unfall ausgesehen
hatte und ich wusste auch, dass er viele
einflussreiche Freunde hatte, die ihn auf jeden
Fall rächen würden.
Ein kalter Tropfen fiel auf meine Hand, endlich,
es regnete. Schnell stellte ich ein paar Flaschen
und Gefäße, die ich in der Nähe des alten Campingplatzes
gefunden hatte, auf und lief schnell
in den alten Wohnwagen rein. Es war völlig klar,
dass hier seit mindestens zwanzig Jahren niemand
mehr war (die Zeitung verriet es mir).
Jetzt schüttete es richtig, ich hörte irgendetwas draußen, aber durch den Lärm des Regens konnte ich
nicht erkennen, was es war.
Charly! Ja, es wird wahrscheinlich Charly sein, der Unterschlupf sucht. Ich weiß, es ist nicht üblich,
sich mit einem Wolf anzufreunden, aber so fühl ich mich nicht so alleine in den großen Wäldern
Britanniens, und Schutz bat er mir auch.
Die Tür klemmte wieder ein bisschen: „Gleich, Charly, gleich!“ Mit einem Ruck ging die alte Tür auf.
Da stand wirklich mein Charly. Sein Fell war schon total nass, als er hinein ging, schüttelte er sich,
und alles, inklusive mir, war nass. „Vielen Dank auch!“, schrie ich scherzhalber und hielt mir den
Bauch beim Lachen. Mir fiel ein, dass ich hinten ein paar Handtücher gesehen hatte, ich kniete mich
mit einem hin, wartete ab, ob er zu mir kommt und sich abtrocknen ließ. Er sprang Schwanz wedelnd
zu mir auf und ließ sich trocknen.
Wir schliefen am Bett zusammengekuschelt ein. Ich hätte nie gedacht, dass Wölfe so zahm sein
können! Die Sonne schien auf uns und weckte uns mit ihren warmen Strahlen. Der Ofen ging leider
nicht, deswegen machte ich draußen immer ein Feuer. Ein ganz kleines natürlich, ich hätte sonst eine
viel zu große Angst, entdeckt zu werden. Ich weiß nicht wie lange ich noch hier im Wald leben will,
aber mittlerweile hab ich mich ziemlich gut eingelebt. Vielleicht noch ein paar Wochen oder Monate,
so lange bis sie im Radio nichts mehr von mir sagen und aufgehört haben mich zu suchen.
Das Dosengulasch hing mir schon ziemlich aus dem Hals raus, Charly freute sich jedoch immer wie
ein Wahnsinniger, wenn er etwas abbekam. Ohne ihn wäre ich, glaub ich, verloren. Irgendwie spürt er
es, wenn ich traurig bin und nicht mehr weiter weiß, da setzt er sich immer zu mir und schaut mich
schief mit seinen braunen Augen an, das bringt mich immer zum Lachen.
Am Abend bekam ich Hunger, also ging ich auf Beerensuche. Letztens habe ich nämlich einen Himbeerstrauch
gefunden. Charly begleitete mich, alleine hätte ich vermutlich große Angst … Plötzlich
hörte ich ein böses Knurren, das kam aber nicht
von meinem Magen. „Charly?“ fragte ich. Er
antwortete mit einem Schnauben und lief zu
meinen Füßen. Kurz darauf kam ein Wolfsrudel
zum Vorschein. Ich bekam Angst, große Angst.
Es folgte ein Austausch von Knurren und Heulen.
Der größte Wolf, ich nahm an, dass das der
Anführer war, näherte sich mir. Charly wich nicht
von meiner Seite. Er sprang ihn an und verletzte
sich. Das Rudel verzog sich wieder, es sah so
aus, als hätte Charly gewonnen. Mit Entsetzen
sah ich die Wunde auf seiner Pfote. Er humpelte
tapfer zurück zum Wohnwagen. Das letzte Stück
lies er sich tragen. Oh, nein …Charly.. Ich reinigte
die Wunde, soweit er es zuließ und pflegte
ihn. Nach ein paar Wochen war es wieder fast
geheilt. Ab und zu humpelte er noch, aber ich
war mir sicher, es geht wieder vorbei.
Eines Tages ging ich wieder auf Entdeckungsreise,
mittlerweile traute ich mich auch schon alleine. Ich fand eine Waffe, es waren sogar noch Patronen
drinnen! Ich würde zwar keine Tiere erschießen wollen, aber zum Schutz war es nicht schlecht.
Charly kam mir hinterher gehumpelt. Er sah einen Hasen oder so, zum ersten Mal seit Wochen lief er
wieder! Man sah die Freude in seinen Augen. Auf einmal hörte man einen Schuss! Charly quietschte
auf. Nein! Charly! Ich rannte zu ihm. Ich sah einen Jäger. Ohne zu überlegen nahm ich meine Waffe
und schoss auf ihn. Er ging zu Boden, ich wendete meine Aufmerksamkeit wieder meinem Charly zu.
Er winselte und schleckte meine Hand ab, kurz darauf starb er.
Denise Tibitanzl, 6b

LENA
Lena ist eine junge naive Frau, sie wurde von ihrer Familie verstoßen, da sie einen Mann liebte, den
sie nicht lieben durfte.
“Wo die Liebe hinfällt“. Sie war sehr glücklich darüber, so einen hübschen, liebevollen, humorvollen,
einfach einen für sie perfekten Mann zu haben. Sie zog mit ihm in ein schönes, traumhaftes Haus
mit großem Garten und vielem mehr.
Doch immer wieder ist Lena sehr eifersüchtig und hat das Gefühl, dass sie ihren geliebten Mann,
Martin, nicht nur für sich alleine hat. Lena hat aber gar keinen Grund zur Eifersucht, da Martin nur
sie liebt und zwar über alles. Jeder kennt dieses Gefühl, man ist von einer Sache ganz überzeugt
und lässt sich das von niemandem ausreden, genauso ist es Lena auch gegangen: Keiner konnte sie
davon überzeugen, dass ihre Eifersucht ohne Grund war. Sie nervte ihn sehr damit, auch wenn sie es
nicht wollte, sie liebte ihn einfach zu sehr – so sehr, dass es schon krankhaft erschien.
Eines Abends saß Lena traurig und verzweifelt auf dem Sofa und wusste nicht, was sie machen
sollte. Martin hätte bereits vor drei Stunden zu Hause sein sollen. Am Handy war er nicht erreichbar
und sonst gab es auch keine Möglichkeit ihn zu erreichen. Auch ihre beste Freundin Jeanny konnte
sie nicht erreichen und nach einem Rat fragen. Einmal wollte sie es noch versuchen und holte das Telefon,
um Martins Nummer zu wählen, in dem Moment klopfte es an der Tür. Erwartungsvoll machte
sie die Tür auf, doch als sie die Polizei vor ihr sah, erstarrte ihr Blick. Sie brach zusammen, als sie
erfuhr, dass ihr Mann heute Nacht ermordet worden war. Die Leiche wurde im Wald gefunden.
Warum ausgerechnet er? Waren es ihre Eltern?
Tausende Fragen gingen ihr durch den Kopf!
Sie verstand einfach nicht, wer so eine schreckliche Tat begehen konnte. Sie konnte es einfach niemanden
zutrauen.
Den nächsten Tag verbrachte sie damit, ihre Gedanken zu ordnen und um alles ein wenig zu verdauen.
Doch dann brauchte sie einmal jemanden, um ihr Herz auszuschütten, natürlich ihre Freundin
Jeanny. Sie rief an, doch da Jeanny nicht abnahm, ging sie einfach zu ihrem Haus und läutete. Jeanny
machte die Tür auf und bat sie einzutreten. Man merkte, dass es ihr sehr unangenehm und sie sehr
schockiert war.
Lena merkte Jeannys Verhalten nicht, ihre Gedanken waren nur bei ihrem verstorbenen Mann.
Doch dann fiel ihr doch noch etwas auf, sie sah Martins Jacke – sie erschrak und wusste nicht ganz,
was sie nun denken sollte. Sie sprach Jeanny darauf an, doch diese blockte ab und sagte: „Tja, Männerbesuch,
aber er hat seine Jacke hier vergessen“. Lena gab sich mit der Antwort zufrieden, aber als
Jeanny in die Küche ging um etwas zu Trinken zu holen, schaute sich Lena die Jacke schnell genauer
an. Unglaublich, die Jacke hatte Martin auch an, als er aus dem Haus ging und es war seine Größe.
Sie griff in die Taschen und fand sogar sein Handy, sie steckte es ein und setzte sich schnell wieder
hin, da sie Jeanny schon kommen hörte.
Sie verstand die Welt nicht mehr. Eines war klar:
Martin war hier. Was machte er hier? Ist Jeanny
schuld?
Sie hielt es nicht mehr aus und sprach sie darauf
an, man merkte, Jeanny war sehr erschrocken
und wusste nicht, was sie jetzt sagen soll. Doch
die Freundschaft konnte nun nichts mehr retten
und da Lena immer aggressiver wurde, machte
Jeanny ihr alles klar. Sie sagte ihr ins Gesicht,
dass sie ein Verhältnis mit dem Mann ihrer
besten Freundin hatte.
Dass er jeden Tag nach der Arbeit zu ihr kam,
um abzuschalten und um sich Liebe zu holen. Er
hatte ein Verhältnis mit ihr und das schon sehr
lange.
Sie merkte, wie tief der Schmerz in Lena war und
dass sie Lena mit jedem weiteren Wort mehr
verletzte, doch genau das war, was sie brauchte, es machte ihr Spaß.
Lena konnte nicht mehr. Die Worte verletzten sie so sehr, dass sie fast erneut zusammenbrach, doch
sie wollte Klarheit, sie wollte wissen, was nun mit ihrem Mann passiert ist. Jeanny sagte ihr alles
ohne Scheu ins Gesicht, sie wusste, dass sie nun schon ertappt worden war und nichts mehr ändern
konnte.
Also genoss sie es nun lieber, ihre Freundin zu verletzten. Sie sagte ihr zu, dass sie die Mörderin
war – und zwar deshalb, weil sie Martin ihre Liebe gestanden hatte, er sie aber nur ausgelacht hatte
mit den Worten: „Ach Jeanny, du weißt doch, was für eine Beziehung wir haben, da wird nicht mehr
draus, lieben tu ich Lena, sonst hätte ich sie nicht zur Frau“. Diese Worte verletzten Jeanny so sehr,
dass sie meinte, wenn ich ihn nicht haben kann, dann keine – und so ist es nun auch. Lena stand auf
und lief hinaus, Jeanny verfolgte Lena noch ein Stückchen, doch dann verlor sie die Spur. Lena lief
weiter, ohne auch nur kurz zu stoppen – erst als sie ein Polizeirevier sah und es betreten hatte, fing
sie wieder an, ruhig zu atmen.
Sie gab der Polizei alles bekannt und fuhr dann mit einigen Polizeibeamten zu Jeannys Haus. Natürlich
gab es keine Spur mehr von ihr. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Lena wollte unbedingt,
dass ihre Freundin dafür bestraft wurde. Auch wenn sie erfahren hat, dass ihr Mann angeblich eine
Affäre mit ihrer besten Freundin hatte, sie konnte es ihm verzeihen. Doch ihrer damaligen besten
Freundin konnte und wollte sie nicht verzeihen. Sie wird noch immer von der Polizei gesucht.
Julia Hochrathner
Schulschiff „Bertha von Suttner“
KELLy
Kelly war eine junge, hübsche und erfolgreiche
Frau. Sie wurde in guten Familienverhältnissen
groß und ihre Eltern versuchten ihr immer
alles zu ermöglichen, was nicht besonders
schwer war, da diese über das nötige Kleingeld
verfügten.
Ihr geregeltes Leben änderte sich aber schlagartig,
als sie den Kubaner Carlos kennen lernte.
Ihre Eltern waren immer gegen die Beziehung
gewesen und als rausgekommen war, das die
beiden heiraten wollen, meinten ihre Eltern nur
sie brauche sich nicht mehr melden und sie
würde mit der Hochzeit in ihr Unglück laufen.
Nachdem Kelly zwei Söhne von Carlos bekam,
zogen die beiden in eine weit entfernte Stadt.
Kelly bekam immer mehr das Gefühl, dass Carlos
Liebe nur gespielt war und sich viel mehr auf
ihr Geld bezog. Nach einem Jahr in der neuen
Stadt merkte Kelly, dass Carlos sie mit einer
anderen Frau betrog. Sie versuchte ihn darüber
auszuspionieren und durch das wusste sie, dass
diese Frau mehr Geld hatte als sie selbst und
so wurde ihr richtig bewusst, dass Carlos sie
nur wegen des Geldes geheiratet hat. Kurze Zeit
später trennten sich die beiden, da Carlos die
Scheidung einreichte.
Er bekam sogar das Sorgerecht für die beiden
Kinder.
Es dauerte nicht mal ein halbes Jahr, als er
wieder heiratete. Es war die Frau, mit der er
Kelly betrog und es war, da war sich Kelly sicher,
wieder nur wegen des Geldes.
Kelly schwor Rache… in der Nacht vor der Hochzeit
vergiftete sie Carlos Verlobte mit Pralinen.
Durch ihre Wut auf Carlos brachte sie es sogar
übers Herz, ihre beiden Söhne zu erwürgen,
sie wollte ihn leiden sehen, das war ihr einziger
Wunsch.
Um nach diesen Morden nicht ins Gefängnis
zu kommen, setzte sie sich ab, sie lebte fortan
in Südafrika. Dort wusste niemand von ihrer
Vergangenheit und sie konnte neu beginnen.
Kathi Ebhart
19

20
Probenbesuch & Gespräch mit Fabio Luisi am 29. Februar 2008
Unterricht einmal anders
Wie wird man Dirigent und kann man davon auch leben? In welchem
Alter wussten Sie, dass Sie Dirigent werden? Was ist Ihr Lieblingswerk?
Wie viele Sprachen spricht ein Dirigent? Ist „Médée“
eigentlich eine Operette? Fragen über Fragen, die Jugendliche an
Fabio Luisi haben. Die Gelegenheit, sie zu stellen, gab‘s in der
„Hölle“…
Es ist Freitag, halb elf am Vormittag und es regnet. Ein ganz normaler Schultag in Wien.
Ein ganz normaler Schultag? Nein! Nach der dritten Stunde verlassen die Schülerinnen
und Schüler des Wiener Musikgymnasiums die Neustiftgasse und machen sich auf ins
Theater an der Wien. Die drei Klassen sind die ersten, die eintreffen, kurz darauf stoßen
zwei Klassen der ORG Hegelgasse 12 dazu und zum Schluss, von weiter her, die kleine
Gruppe des Schulschiffs. Manche der Jugendlichen waren schon mal hier, für andere ist
es das erste Mal. An diesem Vormittag besuchen sie jedoch keine normale Vorstellung,
sondern sehen den KünstlerInnen bei der Arbeit zu. Arbeit, das beinhaltet in diesem Fall
singen, spielen, dirigieren, inszenieren und noch vieles andere, was hinter den Kulissen
passiert. Dabei sieht das fertige Produkt immer so einfach aus! Was dahinter steht, bemerkt
im Normalfall niemand.
Billeteurinnen und Gardarobe gibt´s heut extra für die SchülerInnen, Jacken und Taschen
werden abgegeben und über die Treppen geht‘s hinauf in den zweiten und dritten Rang.
Damit niemand gestört wird, werden die jungen Leute nach oben verbannt, dort können
sie in Ruhe zusehen.
Die Probe knüpft dort an, wo gestern am Abend aufgehört wurde: am Ende des zweiten
Aktes. Da die SchülerInnen sich bereits mit der Oper befasst haben, wissen sie sofort,
worum es geht. Die Hochzeit von Jason und Dircé findet gerade statt, kurz darauf stirbt
Dircé. Die Szenen laufen nicht ganz reibungslos ab, immer wieder unterbricht Fabio Luisi,
korrigiert, kommentiert und wiederholt die Stelle, so lange, bis er zufrieden ist. So funktioniert
das in den Bühnen-Orchester-Proben: Der Dirigent bringt das Orchester mit dem
Geschehen auf der Bühne in Einklang. Torsten Fischer, der Regisseur, ist natürlich auch
da, mischt sich heute aber nicht viel ein, zumindest nicht hörbar.
Nach eineinhalb Stunden ist die Oper am Ende und es gibt eine kurze Pause, dann geht’s
noch mal von vorne los. Nicht ganz von vorne, sondern von da, wo wir heute begonnen
hatten, von der Hochzeit. Spannend ist vor allem, was zwischen den Szenen passiert,
was dem Dirigenten alles auffällt, wie Iano Tamar mit „ihren“ Kindern scherzt, dass ein
zusätzlicher Monitor für den Chor besorgt werden muss, wie der Regisseur auf die Bühne
kommt, um Kleinigkeiten zu korrigieren – kurz: all das, was man sonst nicht sieht.
Um halb zwei machen sich die ersten SchülerInnen auf den Heimweg, voller neuer Eindrücke
und manche etwas schläfrig von fast drei Stunden harter, echter Probe. Die Musiktheater-Gruppe
des Schulschiffs und die Klassen des Musikgymnasiums bleiben noch,
schließlich wollen sie sich die Chance nicht entgehen lassen, den Dirigenten persönlich
zu erleben.
Und es lohnt sich. Trotz anstrengender Probe nimmt sich Fabio Luisi eine Stunde Zeit für
die Jugendlichen und beantwortet ihre Fragen ausführlich, ernst und gleichzeitig humorvoll.
Jugendarbeit ist sehr wichtig für den Dirigenten, schließlich werden die Jungen es
sein, die in Zukunft Oper besuchen und produzieren.
Die SchülerInnen sitzen in der „Hölle“, dem großen Pausenfoyer des Theater an der
Wien. Nora Schmid, Chefdramaturgin des Hauses, spricht ein paar einleitende Worte und
stellt Fragen an Luisi, dann stürmen bereits die ersten SchülerInnen auf ihn ein. Fragen
über Fragen tauchen auf, der Dirigent hat kaum Zeit zum Atmen. Geduldig erklärt er,
dass es ganz selbstverständlich auch die Aufgabe eines Operndirigenten ist, Kompromisse
mit dem Regisseur zu schließen, ganz im Sinne der Verschmelzung von Musik und
szenischem Geschehen; dass er sich in der Regel schon zwei bis drei Jahre vorher das
erste Mal mit der Partitur auseinandersetzt und dass er mit der Probe zufrieden war, aber
doch nicht ganz.

Vieles und noch mehr wollen die SchülerInnen wissen und hören aufmerksam zu, wenn
Luisi erzählt. Auch er hat sich mit dem Stoff rund um Medea auseinandergesetzt, nicht
nur mit der Musik - obwohl er dazu sagt, dass das Wissen drum herum zwar gut, aber für
einen Dirigenten nicht das Wichtigste ist. Das allererste, worauf er in einer Partitur achtet,
ist der Rhythmus, dann erst kommt der ganze Rest.
Wie viele Sprachen er denn spräche, fragt ein interessierter Schüler aus der ersten Reihe
und welche denn notwendig seien, für so ein Dirigentendasein. Um Englisch käme man
international nicht herum, meint Luisi, zusätzlich Italienisch oder Französisch wären auch
nicht schlecht, je nach Sprache der Oper, welche dirigiert wird. Er selbst dirigiert niemals
eine Oper, deren Sprache er nicht versteht.
Was er alles an „Médée“ verändert hat, wollen die SchülerInnen noch wissen und ob die
Oper dadurch ihre eigene „message“ verloren hätte. Nora Schmid und Fabio Luisi erörtern
diese Frage gemeinsam und erklären den Begriff der französischen „opera comique“,
welche reichlich Dialoge aufweist. Für die „Médée“-Inszenierung am Theater an der Wien
mussten die meisten der Dialoge dran glauben, trotzdem ging an Inhalt nichts verloren.
„Wir sind es in der heutigen Zeit einfach nicht mehr gewohnt, dass lange Dialoge die
spannende musikalische Dramaturgie unterbrechen“, meint Luisi. Im Musikalischen
wurden nur einige wenige sich wiederholenden Elemente gestrichen, keine neue „musikalische
Idee“.
Aus der letzten Reihe kommt dann noch die Frage, was man studiert, um Dirigent oder Dirigentin
zu werden und was er denn so verdiente. „Genug, um meine Familie zu erhalten
und je nach dem, wie viel und wo ich dirigiere“, antwortet Luisi mit einem Schmunzeln.
Zum Dirigent-Sein führen mehrere Wege, von einem Kapellmeisterstudium und idealerweise
einem abgeschlossenen Instrumentalstudium über Dirigentenwettbewerbe oder
Korrepetitor-Dasein zum Ziel, erklärt er.
Von schulischem Interesse war dann noch die letzte Frage: Was Fabio Luisi für das Musikfest
des Musikgymnasiums 2010, das er gestalten soll, geplant habe? Diese Frage wurde
leider nicht gänzlich beantwortet, die Spannung bleibt…
Catherine Leiter
Probenbesuch & Gespräch mit Fabio Luisi am 29. Februar 2008
21

22
Gespräch mit Torsten Fischer am 05. März 2008
Und wofür sind sie eigentlich zuständig?
Torsten Fischer: Aus dem Nähkästchen geplaudert
Eigentlich war er ja Lehrer. Für Chemie und Naturwissenschaften. In einem Gefängnis in
Berlin. Und dann? Dann hat es ihn zufällig in die Regie verschlagen, so läuft es eben im
Leben.
Ganz lässig sitzt Torsten Fischer vorne auf dem kleinen Podest, worauf ein Kaffeehaustisch
mit zwei Stühlen und zwei Mikros platziert sind, neben ihm Nora Schmid, die
Chefdramaturgin des Hauses. Lieber hätte er sich mit den SchülerInnen auf Augenhöhe
unterhalten, doch dann würde man ihn von den letzten Reihen aus nicht mehr sehen können.
Er trägt eine Adidas-Trainingsjacke, Jeans, braune Freizeitschuhe und eine Lederjacke,
die er gleich zu Anfang auszieht. Ob sich die SchülerInnen des Musikgymnasiums
einen erfolgreichen Opernregisseur so vorgestellt hatten?
Torsten Fischer benimmt sich, wie er sich präsentiert: Lässig, unkompliziert und ohne
jegliche Starallüren. Er erzählt von sich, seinem Werdegang, von Medea und „Médée“
und bemüht sich, jede Frage der SchülerInnen ausführlich und befriedigend zu beantworten.
Trotz Erfolgs und Gefragt-Seins ist er geblieben wie er ist, in seinen Inszenierungen
geht es ihm einzig und allein um die Sache selbst, nicht um sich oder um eigene Profilierung.
Ständig im Mittelpunkt zu stehen liegt ihm fern.
„Anfangs wollte ich „Médée“ spontan absagen“, gibt der Regisseur zu, aber im Laufe der
Zeit sei es immer spannender geworden, sich mit dem Stoff auseinander zu setzen und
er habe die Aktualität der Geschichte erst mit der Zeit begriffen. Medea sei für ihn ein
zeitloses Märchen. Seine erste Idee war, die Oper an einem Flughafen anzusiedeln, im
Niemandsland, wo niemand für die Menschen zuständig ist und Fremde bei Problemen
weder zurück in ihr eigens Land können, noch angenommen werden – wie Medea.
Es ist still in der „Hölle“, die siebzig SchülerInnen hören gebannt zu und stellen jede
Menge interessierter Fragen, ihr Lehrer Manfred Hörzinger kommt mit dem Herumreichen
des Mikros gar nicht nach. Nur das Murmeln einer Schülerin, die ihrer japanischen
Kollegin ins Englische übersetzt, schwirrt mit.
„Als erstes höre ich die Musik, meistens im Auto“, antwortet Torsten Fischer auf die
Frage, wie er sich denn einer Oper nähere. Bis zur Idee und Realisierung der Inszenierung
sei es dann viel Arbeit, die ebenfalls nie am Schreibtisch stattfinde, „ich habe gar keinen
Schreibtisch“, sagt der Regisseur leicht grinsend dazu. Der Weg zu Médée sei ein bitterer
gewesen, meint er dann, „Medea war richtig hart“. Er hätte enorme Angst gehabt, an dem
Werk zu scheitern. Nicht am Publikum, sondern am Werk.
„Mit Anfang der Proben war dann auch die Angst plötzlich weg“, erzählt er, da hätte er
Menschen gefunden, mit denen er gemeinsam etwas erschaffen konnte. Er lege sehr viel
Wert darauf, mit den SängerInnen zusammen zu arbeiten, ihnen nicht Ton für Ton alles
vorzugeben, sondern das Geschehen aus dem Leben heraus entstehen zu lassen, fügt er
nachher hinzu.
„Und wofür sind Sie eigentlich zuständig?“ fragt plötzlich eine Schülerin in der fünften
Reihe, was erstmal Gelächter im Publikum und am Podium auslöst. „Gute Frage“, meint
Torsten Fischer, „ich kann nichts richtig aber alles ein bisschen. Ich erzähle die Geschichte,
gemeinsam mit Menschen, die ihre eigene Geschichte mitbringen.“
Mittlerweile ist die Atmosphäre im Raum sehr locker und angenehm, Torsten Fischer hat
es geschafft, sich den SchülerInnen auf sympathische und authentische Art zu nähern. Er
wirkt nicht wie eine Autoritätsperson oder wie eine distanzierte Berühmtheit, im Gegenteil,
man hat das Gefühl, ihn alles fragen zu können.
Medea ist für Torsten Fischer eine durchschnittliche Frau, die in eine Männerwelt
gepresst und politisch bedrängt wird: das Opfer und der Sündenbock der Masse, des
Volkes. Er will in seiner Inszenierung zeigen, wie bedrohlich ein Kollektiv sein kann, dass
eine Gruppe von Menschen viel gefährlicher ist als einzelne.
Jason sei für ihn eine Vollflasche, meint er mit einem Augenzwinkern und erntet dafür
das Gelächter des Publikums, wird aber gleich wieder ernst. Jason nähme den Kindern
die Mutter weg und sei trotzdem nie bei ihnen, kritisiert er. Die Kinder ahnten seiner

Meinung nach schon, dass sie keine Chance hätten, sie werden von allen Seiten bedroht.
Wer den Mord begeht, bleibt in seiner Inszenierung offen.
Was sein Traum wäre? Theater machen für alle – nicht nur für eine gewisse Elite, die es
sich leisten kann. Torsten Fischer würde am liebsten keinen Eintritt verlangen und das
Theater für alle öffnen. Er findet, Schauspiel, Oper und Theater gehörten zu den Grundbedürfnissen
des Menschen und sollten für jede und jeden zugänglich sein.
„Noch fünf Minuten, dann muss ich wieder zur Probe!“, mahnt der Regisseur kurz vor
zwölf, die Fragerunde hätte sonst wohl lange kein Ende genommen. Aber so ist das
am Tag vor der Premiere, Ruhe gibt es keine. Noch dazu, wo in dieser Produktion zwei
SängerInnen aus Krankheitsgründen ausfielen und die Einspringerin und der Einspringer
innerhalb kürzester Zeit ihre Rollen lernen mussten. Das war natürlich nicht geplant und
so kam der gesamte Probenplan durcheinander: Zusatzproben wurden eingeschoben, die
Generalprobe, an der auch die SchülerInnen ursprünglich teilnehmen sollten, fiel aus, die
Angespanntheit nahm zu.
„Wie schlimm ist es für Sie, wenn Sie ausgebuht werden?“, fragt zum Schluss noch eine
Schülerin aus den ersten Reihen. „Völlig wurscht“, lautet die Antwort, „dieser ganze
Schnickschnack interessiert mich nicht.“ Er misst seine Zufriedenheit mit der Inszenierung
nicht an der Masse und am Kollektiv.
„Trotzdem wünschen wir Ihnen viel Glück für morgen!“, sagt der Lehrer Manfred Hörzinger
daraufhin zum Abschluss. Mittlerweile ist es schon nach zwölf, die Zeit ist um und
nach kräftigem Applaus und Dank von allen Seiten ist Torsten Fischer auch schon wieder
verschwunden. Genauso unscheinbar, wie er anfangs plötzlich zwischen den SchülerInnen
auftauchte.
Catherine Leiter
Gespräch mit Torsten Fischer am 05. März 2008
23

AHS Heustadelgasse
DAS NEUE OPERNHAUS
Das nächste Jugendprojekt ist für November 2008 geplant.
Kontakt Theater an der Wien: Mag. a Catherine Leiter, Tel.: 01 58830 616 / E-mail: catherine.leiter@theater-wien.at
Medienpartner Hauptsponsoren des Theater an der Wien