8 AHS Heustadelgasse zeitskleid, jenes war, welches Medea in das Blut des Zentauren getränkt hatte. Sofort wurde mir alles klar. Medea wollte nicht, dass Jason Glauke heiratet und dachte sich diese Untat aus. Jedoch for<strong>der</strong>te diese verrückte Tat nicht nur eine Tote. Selbst <strong>der</strong> König war tot, und alle Schnei<strong>der</strong> und Mägde von Glauke ebenfalls. Es war einfach nur schrecklich. Und Schuld dar<strong>an</strong> hat nur Medea, sie ist die Mör<strong>der</strong>in, sie wollte Jason das Leben zur Hölle machen.. und das hat sie auch geschafft. INTERVIEW MIT DER ANGEKLAGTEN Medea- Hexe, Kindesmör<strong>der</strong>in o<strong>der</strong> betrogene Ehefrau? Dieses Interview liefert einen tiefen Einblick in die Seele einer gefährlichen und faszinierenden Frau. I: Guten Tag, Medea. F<strong>an</strong>gen wir <strong>an</strong>? M: Nur zu. I: Gut… Erzählen Sie doch erst einmal, wie Sie und Jason sich kennen gelernt haben. M: Alles beg<strong>an</strong>n in Kolchis, wo ich als des Königs Tochter geboren und zur Frau her<strong>an</strong>gereift war. Ich war jung, leidenschaftlich, schön und klug, doch blieb mir das versagt, wovon meine Hofdamen nur flüsternd und mit glänzenden Augen zu erzählen wagten: Liebe. Sie können sich vorstellen, wie aufgewühlt ich war, als ich Jason zum ersten Mal sah. Ich wusste sofort, dass dieser M<strong>an</strong>n mein Apoll war. Meine wahre Liebe. Er war auf Wunsch seines Onkels nach Kolchis gekommen. Wenn er mit dem goldenen Vlies, dem Heiligtum meines Volkes, heimkehrte, würde er König werden. Mein Vater wollte ihn ob seinem dreisten Ansuchen hinrichten lassen, ich jedoch schlug vor, ihn einer Prüfung zu unterziehen, die kein sterblicher M<strong>an</strong>n bestehen würde. Mein Vater willigte ein. Später suchte ich Jason in seinem Zelt auf. Er hatte Angst, wollte unverrichteter Dinge umkehren. Ich offenbarte ihm meine magischen Kräfte. Für das Versprechen seiner ewigen Liebe verschaffte ich ihm das goldene Lammfell und wir flohen. Um zu entkommen musste ich jedoch meinen eigenen Bru<strong>der</strong> töten. I: Und… was fühlten Sie nach dieser Tat? M: Mir brach fast das Herz, jedoch war es <strong>der</strong> einzige Weg zu Freiheit und Glück. Die Königin <strong>der</strong> Phäaken gewährte uns Asyl, also konnten wir endlich als Paar zusammenleben. Aber Jason verhielt sich immer seltsamer. Er wurde verschlossen und ließ niem<strong>an</strong>den <strong>an</strong> sich her<strong>an</strong>. Als ich ihm mit etwas unorthodoxen Mitteln zur Königswürde verhalf, wurde es noch schlimmer. Mir wurde klar, dass ich seinen Zust<strong>an</strong>d verschuldet hatte. Meine forsche Art hatte ihn <strong>an</strong> unserer Liebe zweifeln lassen. Eine Freundin schlug vor, dass Jason und ich verreisen sollten. Die Flitterwochen, die wir nie hatten. Also fuhren wir nach Athen. Mein M<strong>an</strong>n blühte auf und beg<strong>an</strong>n wie<strong>der</strong> zu leben. Doch den Grund sollte ich bald herausfinden: Glauke, die schöne, scheue und rehäugige Königstochter. Jason bat mich, ihn zu entlassen, sodass er Glauke heiraten konnte. Was blieb mir <strong>an</strong><strong>der</strong>es übrig, als zu nicken und meine Tränen hinunterzuschlucken? Doch ich rächte mich, ich tötete Glauke auf die gleiche Weise, auf die Dei<strong>an</strong>ira Heracles getötet hatte: ein mit Zentaurenblut durchtränktes Kleid. I: Fühlten Sie dabei gar nichts? Kein Mitleid? Nichts? M: Nein. Jason hatte meine Gefühle, zusammen mit meinem Herzen, aus meiner Brust gerissen, als er mich verließ. Ich beschloss, ihn vollkommen zu vergessen. In all unseren Ehejahren hatte ich ihm zwei Söhne geboren, die ihm beide sehr ähnlich sahen. Sie hatten nichts von mir. So fiel es mir leichter, die letzten B<strong>an</strong>de, die mich <strong>an</strong> den treulosen Geliebten fesselten, zu zerschneiden und ich tötete meine Söhne. Als Jason bemerkte, was ich get<strong>an</strong> hatte, bat er mich tränenüberströmt, sie begraben zu dürfen. Ich lachte nur, bestieg meinen Wagen, <strong>der</strong> von geflügelten Rössern gezogen wurde, die toten Kin<strong>der</strong> neben mir, und stieg in die Lüfte. Ich wollte alles hinter mir lassen und einen Neustart machen. I: Aber eines verstehe ich nicht. Wie k<strong>an</strong>n jem<strong>an</strong>d so kaltblütig h<strong>an</strong>deln?! M: Nun…ich habe Jason alles gegeben, habe ihn zu einem reichen M<strong>an</strong>n und König gemacht. Ich hatte nicht vor, still und leise aus seinem Leben zu verschwinden. Meine Rache best<strong>an</strong>d darin, ihn wie<strong>der</strong> so zurückzulassen, wie er vor unserer ersten Begegnung gewesen war. Ich bereue nichts. PLÄDOyER DER VERTEIDIGUNG Ohne Zweifel hat Medea eines <strong>der</strong> wohl abscheulichsten Verbrechen beg<strong>an</strong>gen, die die Menschheit kennt. Doch was für eine Verzweiflung mag eine sonst so weise und gelehrte Frau aus fernen Län<strong>der</strong>n zu solch einer Tat gezwungen haben? Die Außenwelt meinte es nicht gut mit ihr. Ihr M<strong>an</strong>n verließ sie für eine Jüngere, was natürlich das Recht Jasons war, wohl aber eine Frau, die einen M<strong>an</strong>n von Herzen liebt, für den sie alles aufgab und ihre Heimat verließ, tief verletzt haben muss. Niem<strong>an</strong>d nahm sie in die Gesellschaft auf, ständig wurde sie <strong>an</strong> ihre Herkunft erinnert. Diese tiefe Enttäuschung hat sie dazu getrieben, ihre Existenz in ihren Taten wi<strong>der</strong>spiegeln zu lassen, so l<strong>an</strong>ge, bis ihr benebelter Geist sie dazu zw<strong>an</strong>g, den Menschen, die sie am meisten liebt, zu verletzen o<strong>der</strong> sogar das Leben zu nehmen. Wäre es nicht unsere Pflicht als Griechen, solchen Menschen, <strong>an</strong>statt sie zu verurteilen, den richtigen Weg zu weisen? Sobald die Wut und die Trauer verflogen ist, so wird sie erkennen, dass sie selbst wohl die tiefste Wunde davon tragen wird, nämlich die Ver<strong>an</strong>twortung für den Mord <strong>an</strong> ihren eigenen Kin<strong>der</strong>n übernehmen zu müssen. Daher empfiehlt die Verteidigung die Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher, um ihren aufgewühlten Geist in Gnade Frieden zu gewähren.
PLÄDOyER DES STAATSANWALTS Eine Frau, die ihre Kin<strong>der</strong> kaltblütig ermordet, nur um das Leben ihres Ex-M<strong>an</strong>nes zu zerstören. Diese furchtbare Tat hätte verhin<strong>der</strong>t werden können, denn Jason k<strong>an</strong>nte <strong>Medeas</strong> blutrünstige Natur, die nicht davor zurückschreckt, ihren eigenen Bru<strong>der</strong> zu töten. Wer ist diese Frau? Sie ist eine Auslän<strong>der</strong>in, eine Fremde, die in keiner Weise die Bereitschaft zeigte, sich in Griechenl<strong>an</strong>d zu integrieren, die ihren Platz in <strong>der</strong> Gesellschaft nicht akzeptieren wollte. Ein Leben l<strong>an</strong>g hat sie sich gegen ihren Vater aufgelehnt, später, als sie mit Iason durchbr<strong>an</strong>nte und sich kaltblütig ihrer Familie entledigte, auch gegen ihn. Auch war es Jasons Recht, sich eine jüngere, s<strong>an</strong>ftere Frau zu nehmen, die auf seine Bedürfnisse einging. Die Angeklagte sah das <strong>an</strong><strong>der</strong>s und war nicht gewillt, ihrem Ehem<strong>an</strong>n ein friedliches Leben zu gönnen, also wurde sie erneut zur Mör<strong>der</strong>in und tötete Glauke, Jasons Verlobte. War es eine Affekth<strong>an</strong>dlung? <strong>Medeas</strong> präzise Ausführung dieser bestialischen Taten weist auf das Gegenteil hin. Da diese Hexe eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, be<strong>an</strong>trage ich die Todesstrafe. AHS Heustadelgasse 9