Auf Medeas Spuren - Theater an der Wien

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ORG1 Hegelgasse 12
Medea und die Mythologie
Mythologie ist ein Phänomen in einem virtuellen Raum. Gustav Schwab hat die Geschichten für
die meisten von uns formuliert. Wir kennen seine zusammenfassenden Erzählungen. Doch diese
Zusammenfassungen sind keineswegs das, wie sich ein Mythos in der Antike – und danach, in der
Rezeption – manifestiert. Da sind die Gedichte, Hymnen, Epen, Dramen, in denen ein Mythos behandelt
wird, oder besser gesagt, in denen ein Teil des Mythos dargestellt wird. Verschiedene Zeiten,
verschiedene Künstler zapfen den Mythos auf verschiedene Arten an, entnehmen das, was für sie
wichtig erscheint, und gießen es in die Form ihres Kunstwerks. Doch der Mythos ist viel mehr als
das einzelne Kunstwerk. Seine Quelle speist viele verschiedene Werke, lässt sich in viele verschiedene
Schalen füllen und Formen gießen.
Im Falle des Medea-Mythos sind es sicher Euripides und Seneca unter den Dramatikern der Antike,
die Werke geschaffen haben, die maßgeblich für die weitere Gestaltung späterer Generationen
gewesen sind. Eine Tragödie des römischen Dichters Ovid ist leider verloren gegangen. Doch Ovid
zeigt uns Medea in seinen Werken an vielen Stellen mit zahlreichen Facetten. Und auch sonst taucht
sie immer wieder in der Dichtung der Antike auf. Sie fasziniert und stößt gleichzeitig ab. Man hat
Mitleid mit der Fremden im fremden Land, findet die Zauberin vielleicht interessant, versteht aber eigentlich
nicht, warum sie ihre Kinder tötet – einer der größten möglichen Tabubrüche. Die Rivalin zu
beseitigen stößt auf einiges Verständnis, doch der Tod der ‚unschuldigen Kinder‘ löst nur Befremden
aus.
Wer ist diese Medea? Gibt es andere Frauengestalten in der Mythologie, deren Schicksal vergleichbar
ist? Wir haben vor allem zwei gefunden, die Parallelen zum Schicksal der Medea aufweisen: Ariadne,
die Tochter des Kreterkönigs Minos, und Dido, die sagenhafte Gründerin Karthagos. Zusammen
ergeben diese drei ein Bild weiblichen Schicksals: l’abbandonata, die Verlassene, wie sie die frühen
Opern genannt haben, die alle drei auf der Opernbühne auftreten lassen.
Wir haben einen gemeinsamen Steckbrief der drei Damen verfasst.
Namen der Eltern
Geschwister
Die Verlassenen: Ariadne – Medea – Dido
Ariadne Medea Dido Elissa
Vater: Minos, König
von Kreta
Mutter: Pasiphae
Vater: Aietes
Mutter: ?
Bruder: Absyrtos
Vater: Tyros
Bruder: Pygmalion
Schwester: Anna
Herkunft
Stand
Königstochter Königstochter Königstochter
Geburtsort/-land Kreta Kolchis am Schwarzen Phönizien
Meer
(Libanon)
Junges Mädchen Junges Mädchen im Reife Frau am Beginn
Alter
im heiratsfähigen heiratsfähigen Alter der Geschichte
Alter (unter 20) (unter 20)
Am Ende reife Frau (30
oder mehr)
Familienstand Anfangs: ledig Ledig,
verwitwet
Am Ende: Heirat mit verheiratet mit Jason,
Bacchus
getrennt von Jason
Ehemann Bacchus Jason Sychäus
Große Liebe Theseus
Jason, verlässt sie nach Aeneas
verlässt sie vor der Jahren der Ehe wegen verlässt sie, um
Heirat
einer anderen
höherem Befehl zu
folgen
Stellung
Königstochter Königstocher,
Karrierefrau, Politikerin
Beruf
Wird zuletzt
Vertriebene, Zauberin gründet eine Stadt,
unsterblich - Göttin Eine zeitlang nur Frau Königin in eigenem
und Mutter
Recht
wichtige Ereignisse Ein Fremder kommt Ein Fremder kommt Ein Fremder kommt
Besondere Taten
Verdienste
Sie hilft dem
Fremden
Mit magischem
Schwert und
Wollknäuel
Sie hilft dem Fremden
Mit ihrer Hilfe/ ihren
Zauberkünsten
erlangt er das Goldene
Vlies
Sie hilft dem Fremden
Sie nimmt den
Schiffbrüchigen auf
und bewirtet und
versorgt ihn
Besondere
Fähigkeiten
Zauberkenntnisse Zauberkenntnisse Organisationstalent
Besondere
arbeitet gegen ihre arbeitet gegen ihre hat mir ihrer
Situation/Probleme Familie und verlässt Familie und verlässt sie Herkunftsfamilie schon
sie um eines
um eines Mannes willen, vorher gebrochen
Mannes willen begeht sogar einen und ein neues Leben
Mord,
begonnen – Neues
Fremde in fremdem Land Glück mit Aeneas
scheitert
Änderung des Fährt mit Theseus Kommt nach Jolkos, Hat in Karthago eine
Wohnortes
nach Naxos, wird später nach Korinth neue Heimat
dort von Bacchus
gefunden und eine
verlassen gefunden
Stadt gegründet.
Nachkommen Vier Söhne aus der Zwei Söhne aus der Ehe Keine Kinder
Ehe mit Bacchus mit Jason – von ihr
getötet
Lebensende Happy end:
Sie tötet Rivalin und ihre Sie begeht
Ende der
Bacchus heiratet sie eigenen Kinder und fährt Selbstmord mit dem
Geschichte
auf einem
Schwert des Aeneas
Drachenwagen davon und verflucht ihn und
seine Nachkommen