Auf Medeas Spuren - Theater an der Wien
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Probenbesuch & Gespräch mit Fabio Luisi am 29. Februar 2008<br />
Unterricht einmal <strong>an</strong><strong>der</strong>s<br />
Wie wird m<strong>an</strong> Dirigent und k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> davon auch leben? In welchem<br />
Alter wussten Sie, dass Sie Dirigent werden? Was ist Ihr Lieblingswerk?<br />
Wie viele Sprachen spricht ein Dirigent? Ist „Médée“<br />
eigentlich eine Operette? Fragen über Fragen, die Jugendliche <strong>an</strong><br />
Fabio Luisi haben. Die Gelegenheit, sie zu stellen, gab‘s in <strong>der</strong><br />
„Hölle“…<br />
Es ist Freitag, halb elf am Vormittag und es regnet. Ein g<strong>an</strong>z normaler Schultag in <strong>Wien</strong>.<br />
Ein g<strong>an</strong>z normaler Schultag? Nein! Nach <strong>der</strong> dritten Stunde verlassen die Schülerinnen<br />
und Schüler des <strong>Wien</strong>er Musikgymnasiums die Neustiftgasse und machen sich auf ins<br />
<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>. Die drei Klassen sind die ersten, die eintreffen, kurz darauf stoßen<br />
zwei Klassen <strong>der</strong> ORG Hegelgasse 12 dazu und zum Schluss, von weiter her, die kleine<br />
Gruppe des Schulschiffs. M<strong>an</strong>che <strong>der</strong> Jugendlichen waren schon mal hier, für <strong>an</strong><strong>der</strong>e ist<br />
es das erste Mal. An diesem Vormittag besuchen sie jedoch keine normale Vorstellung,<br />
son<strong>der</strong>n sehen den KünstlerInnen bei <strong>der</strong> Arbeit zu. Arbeit, das beinhaltet in diesem Fall<br />
singen, spielen, dirigieren, inszenieren und noch vieles <strong>an</strong><strong>der</strong>e, was hinter den Kulissen<br />
passiert. Dabei sieht das fertige Produkt immer so einfach aus! Was dahinter steht, bemerkt<br />
im Normalfall niem<strong>an</strong>d.<br />
Billeteurinnen und Gardarobe gibt´s heut extra für die SchülerInnen, Jacken und Taschen<br />
werden abgegeben und über die Treppen geht‘s hinauf in den zweiten und dritten R<strong>an</strong>g.<br />
Damit niem<strong>an</strong>d gestört wird, werden die jungen Leute nach oben verb<strong>an</strong>nt, dort können<br />
sie in Ruhe zusehen.<br />
Die Probe knüpft dort <strong>an</strong>, wo gestern am Abend aufgehört wurde: am Ende des zweiten<br />
Aktes. Da die SchülerInnen sich bereits mit <strong>der</strong> Oper befasst haben, wissen sie sofort,<br />
worum es geht. Die Hochzeit von Jason und Dircé findet gerade statt, kurz darauf stirbt<br />
Dircé. Die Szenen laufen nicht g<strong>an</strong>z reibungslos ab, immer wie<strong>der</strong> unterbricht Fabio Luisi,<br />
korrigiert, kommentiert und wie<strong>der</strong>holt die Stelle, so l<strong>an</strong>ge, bis er zufrieden ist. So funktioniert<br />
das in den Bühnen-Orchester-Proben: Der Dirigent bringt das Orchester mit dem<br />
Geschehen auf <strong>der</strong> Bühne in Einkl<strong>an</strong>g. Torsten Fischer, <strong>der</strong> Regisseur, ist natürlich auch<br />
da, mischt sich heute aber nicht viel ein, zumindest nicht hörbar.<br />
Nach eineinhalb Stunden ist die Oper am Ende und es gibt eine kurze Pause, d<strong>an</strong>n geht’s<br />
noch mal von vorne los. Nicht g<strong>an</strong>z von vorne, son<strong>der</strong>n von da, wo wir heute begonnen<br />
hatten, von <strong>der</strong> Hochzeit. Sp<strong>an</strong>nend ist vor allem, was zwischen den Szenen passiert,<br />
was dem Dirigenten alles auffällt, wie I<strong>an</strong>o Tamar mit „ihren“ Kin<strong>der</strong>n scherzt, dass ein<br />
zusätzlicher Monitor für den Chor besorgt werden muss, wie <strong>der</strong> Regisseur auf die Bühne<br />
kommt, um Kleinigkeiten zu korrigieren – kurz: all das, was m<strong>an</strong> sonst nicht sieht.<br />
Um halb zwei machen sich die ersten SchülerInnen auf den Heimweg, voller neuer Eindrücke<br />
und m<strong>an</strong>che etwas schläfrig von fast drei Stunden harter, echter Probe. Die Musiktheater-Gruppe<br />
des Schulschiffs und die Klassen des Musikgymnasiums bleiben noch,<br />
schließlich wollen sie sich die Ch<strong>an</strong>ce nicht entgehen lassen, den Dirigenten persönlich<br />
zu erleben.<br />
Und es lohnt sich. Trotz <strong>an</strong>strengen<strong>der</strong> Probe nimmt sich Fabio Luisi eine Stunde Zeit für<br />
die Jugendlichen und be<strong>an</strong>twortet ihre Fragen ausführlich, ernst und gleichzeitig humorvoll.<br />
Jugendarbeit ist sehr wichtig für den Dirigenten, schließlich werden die Jungen es<br />
sein, die in Zukunft Oper besuchen und produzieren.<br />
Die SchülerInnen sitzen in <strong>der</strong> „Hölle“, dem großen Pausenfoyer des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Wien</strong>. Nora Schmid, Chefdramaturgin des Hauses, spricht ein paar einleitende Worte und<br />
stellt Fragen <strong>an</strong> Luisi, d<strong>an</strong>n stürmen bereits die ersten SchülerInnen auf ihn ein. Fragen<br />
über Fragen tauchen auf, <strong>der</strong> Dirigent hat kaum Zeit zum Atmen. Geduldig erklärt er,<br />
dass es g<strong>an</strong>z selbstverständlich auch die <strong>Auf</strong>gabe eines Operndirigenten ist, Kompromisse<br />
mit dem Regisseur zu schließen, g<strong>an</strong>z im Sinne <strong>der</strong> Verschmelzung von Musik und<br />
szenischem Geschehen; dass er sich in <strong>der</strong> Regel schon zwei bis drei Jahre vorher das<br />
erste Mal mit <strong>der</strong> Partitur ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzt und dass er mit <strong>der</strong> Probe zufrieden war, aber<br />
doch nicht g<strong>an</strong>z.