Auf Medeas Spuren - Theater an der Wien
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Szenenfoto vom 29.2.<br />
Der deutsche Regisseur Torsten Fischer hat in den verg<strong>an</strong>genen Jahren beim Kl<strong>an</strong>gBogen Festival im<br />
<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> mit großem Erfolg Louis Spohrs Faust, Jules Massenets Don Quichotte sowie<br />
Bedˇrich Smet<strong>an</strong>as Dalibor inszeniert; drei Stücke über komplexe, legendäre und starke Figuren. Im<br />
Wissen um die vielfältige Interpretation des Medea-Mythos will er sich von <strong>der</strong> Vielschichtigkeit des<br />
Stoffes neu inspirieren lassen. Fischer, <strong>der</strong> zeitweise in Griechenl<strong>an</strong>d lebt und den Originalschauplatz<br />
in Korinth besucht hat, ist davon überzeugt, dass Medea nie aufhört, aktuell zu sein: „Die Griechen<br />
sehen in ihr noch heute einen Spiegel für ihren eigenen Charakter. Nach wie vor wird in Griechenl<strong>an</strong>d<br />
kein Kind auf den Namen Medea getauft.“<br />
Betrachtet m<strong>an</strong> einen Mythos als Spiegelbild<br />
unserer Zivilisation, so gilt es, zeitgenössische<br />
Probleme aus den scheinbar weit zurückliegenden<br />
Stoffen herauszufiltern. Dadurch<br />
wird <strong>der</strong> Mythos nicht nur zum Spiegel jedes<br />
einzelnen Menschen, son<strong>der</strong>n gleichzeitig auch<br />
zum Spiegel des Kollektivs. Zeitgeschichte<br />
hat mehrfach aufgezeigt, welche Gefahren in<br />
<strong>an</strong>onymen Massen lauern: „Ich halte den Menschen<br />
für das Schönste und für das Schrecklichste<br />
zugleich,“ sagt Torsten Fischer. Medea<br />
verkörpert für ihn nicht nur das Böse und die<br />
zerstörerische Gewalt <strong>der</strong> Leidenschaften. Er will<br />
sie von <strong>der</strong> alleinigen Schuld befreien, ohne sie<br />
dabei zu verharmlosen. Konsequenterweise gehören<br />
seine Sympathien in diesem Stück beiden<br />
Frauen: Médée und Dircé, wie die Königstochter<br />
Kreusa in <strong>der</strong> Oper gen<strong>an</strong>nt ist. In diesen beiden<br />
Figuren sieht Torsten Fischer nicht verfeindete<br />
Rivalinnen, son<strong>der</strong>n zwei Opfer <strong>der</strong>selben macht-<br />
I<strong>an</strong>o Tamar<br />
politischen Verhältnisse. Weil Jason <strong>an</strong> die Regierungsspitze will, verzichtet er auf die Liebe zu Médée<br />
und stimmt schließlich Créons Pl<strong>an</strong> zu, <strong>der</strong> ihm im Gegenzug zum Goldenen Vlies die Heirat mit<br />
seiner Tochter Dircé verspricht. Als Konsequenz dieser politischen Intrige wird das Goldene Vlies zur<br />
Perversion einer Ikone, und Médée wird zur Außenseiterin, die nicht in diese Scheinwelt hineinpasst.<br />
Neben Jasons politischen Ambitionen ist es schließlich auch „das Gift von Fremdenhass, das zu <strong>der</strong><br />
Tragödie führt“, sagt Torsten Fischer. Für ihn ist Cherubinis Médée „ein Drama über das An<strong>der</strong>ssein<br />
und die Schwierigkeit zu lieben“. Nora Schmid<br />
Birgit Remmert · Petra Simková · Alaine Rodin<br />
h<strong>an</strong>dlung <strong>der</strong> Oper<br />
VORGESCHICHTE<br />
Der aus Jolkos in Thessalien stammende Königssohn<br />
Jason zog mit seinen Kriegern in einem Eroberungszug<br />
nach Kolchis, um das mit Macht und Ruhm verbundene<br />
Goldene Vlies <strong>an</strong> sich zu bringen. Kolchis liegt am<br />
Schwarzen Meer im heutigen Georgien und wird von<br />
Médées Vater regiert; die Königstochter verliebte sich in<br />
Jason und verhalf ihm, das Goldene Vlies in seinen Besitz<br />
zu bekommen – <strong>der</strong> Preis dafür waren die Ermordung<br />
ihres Bru<strong>der</strong>s und <strong>der</strong> Verrat <strong>an</strong> ihrem Vater. Médée und<br />
Jason, mittlerweile verheiratet und Eltern zweier Söhne,<br />
flohen daraufhin ins griechische Korinth, wo sie von<br />
König Créon aufgenommen wurden. Créon möchte nun<br />
seine Tochter Dircé (in <strong>der</strong> <strong>an</strong>tiken Mythologie<br />
stets Kreusa o<strong>der</strong> Glauke gen<strong>an</strong>nt) mit Jason verheiraten<br />
– <strong>an</strong> diesem Punkt setzt die H<strong>an</strong>dlung <strong>der</strong> Oper ein.<br />
I. AKT<br />
In Korinth werden die Vorbereitungen für die Hochzeit<br />
von Jason und Dircé getroffen. Diese beglücken zwar das<br />
Volk von Korinth, nicht aber Dircé, die von <strong>der</strong> bevorstehenden<br />
Heirat befürchtet, schlimmes Unglück könne<br />
daraus hervorgehen – schließlich ist Jason immer noch<br />
mit Médée verheiratet. Dass sie jedoch keine Möglichkeit<br />
hat, <strong>der</strong> Vermählung zu entrinnen, geben ihr die korinthischen<br />
Damen und ihr Vater zu verstehen.<br />
Im Zuge einer pompösen Feierlichkeit präsentieren Jason<br />
und seine Soldaten Dircé das Symbol ihrer Siege und ihres<br />
Ruhmes: das Goldene Vlies. Dieses Machtsymbol soll<br />
nun in den Besitz Korinths übergehen, als D<strong>an</strong>k werden<br />
Jason Macht und Schutz für seine Kin<strong>der</strong> versprochen<br />
– es zeigt sich, dass die Hochzeit eher ein politischer Akt<br />
als eine Liebesheirat sein wird. Unvermittelt platzt Médée<br />
in die Vorbereitungen und bittet Créon vergeblich darum,<br />
die ehebrecherische Vermählung zwischen Dircé und<br />
Jason zu verhin<strong>der</strong>n; auch ihr Versuch, Jason zurück zu<br />
gewinnen, scheitert.<br />
II. AKT<br />
Für die Verbrechen, die Médée in <strong>der</strong> Verg<strong>an</strong>genheit<br />
beg<strong>an</strong>gen haben soll, wird sie von Créon aus Korinth<br />
verb<strong>an</strong>nt, mit ihrem Flehen k<strong>an</strong>n sie nur bewirken,<br />
noch einen weiteren Tag in Korinth bleiben zu dürfen.<br />
Médées Vertraute Néris sieht ihr den Schmerz und die<br />
Verzweiflung über die Verb<strong>an</strong>nung <strong>an</strong>. In einem weiteren<br />
Gespräch mit Jason versucht Médée, ihn zu überreden,<br />
ihr die gemeinsamen Söhne zu überlassen. Jason lehnt<br />
diese Bitte ab, gewährt ihr allerdings, die Kin<strong>der</strong> noch<br />
einmal sehen zu dürfen. Während die Hochzeitsrituale<br />
für Jasons Heirat mit Dircé beginnen, pl<strong>an</strong>t Médée Rache<br />
für die ihr zugefügten Verletzungen.<br />
III. AKT<br />
Das letzte Zusammentreffen zwischen Médée und ihren<br />
Söhnen findet statt: Néris bringt die Kin<strong>der</strong> zu ihrer Mutter.<br />
Diese denkt <strong>an</strong> die Möglichkeit, die Kin<strong>der</strong> zu töten,<br />
um sich <strong>an</strong> Jason zu rächen, schafft es jedoch nicht, den<br />
Pl<strong>an</strong> auszuführen. Médée fühlt, dass ihre Söhne we<strong>der</strong> in<br />
ihrer Nähe noch <strong>an</strong> einem <strong>an</strong><strong>der</strong>en Ort in Korinth sicher<br />
sind und bittet Néris, die Kin<strong>der</strong> zu verstecken. Während<br />
Médée mit ihren ambivalenten Gefühlen ringt,verbreitet<br />
sich die Nachricht vom Tod Dircés: Médée hat ihr einen<br />
Schleier gegeben... Wenig später findet das Volk Médée<br />
gemeinsam mit ihren beiden Söhnen – die Kin<strong>der</strong><br />
müssen sterben und Jason bleibt vor den Trümmern<br />
seiner Ehe zurück, während Médée den Schauplatz des<br />
Verbrechens verlässt.<br />
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