ost west contact - Vojvodina Investment Promotion
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16<br />
Serbien<br />
AKTUELLE RECHTSENTWICKLUNG<br />
Im besten Interesse des Unternehmens<br />
Haftungsfragen der Geschäftsführung nach dem neuen Unternehmensgesetz/ Entscheidungen<br />
sollten auf fundierter Basis getroffen werden<br />
Von Ljubica Tomić<br />
Seit dem 1. Februar 2012 ist ein neues Unternehmensgesetz in Serbien in Kraft, wonach die Geschäftsführung in<br />
allen Unternehmen in Einklang mit der neuen Gesetzeslage zu bringen ist. Ein entscheidender Punkt ist die Frage<br />
der Innen- und Außenhaftung der Geschäftsführung.<br />
Die Geschäftsführung kann nach dem neuen<br />
Unternehmensgesetz nach wie vor von ausländischen<br />
oder serbischen natürlichen Personen<br />
ausgeübt werden. Neu ist, dass diese<br />
Funktion nun auch von Rechtspersonen, die<br />
dafür in Serbien registriert sind, ausgeübt<br />
werden kann.<br />
Eine Rechtspraxis der Geschäftsführung<br />
durch Rechtspersonen besteht in Serbien<br />
zwar noch nicht, doch die gesetzliche Möglichkeit<br />
hierfür ist damit gegeben. An dieser<br />
Stelle möchten wir zwei interessante Aspekte<br />
der neuen Gesetzgebung vorstellen: Einen<br />
im Bereich der Innenhaftung („Business Judgement<br />
Rule“) und den anderen im Bereich<br />
der Außenhaftung („Insolvenzantragspflicht“)<br />
durch die Geschäftsführung.<br />
Innenhaftung („Business<br />
Judgement Rule“)<br />
Im neuen Gesetz wurde eine detaillierte<br />
Regelung für unternehmerische Entscheidungen<br />
der Geschäftsführung ausgearbeitet,<br />
welche sich auf die Innenhaftung<br />
der Geschäftsführung, also die Haftung<br />
gegenüber der Gesellschaft selbst bezieht.<br />
Diese Regel verpflichtet die Geschäftsführung,<br />
alle Tätigkeiten mit der Sorgfalt eines<br />
ordentlichen Kaufmannes gutgläubig vorzunehmen<br />
und in der Auffassung, dass sie<br />
im besten Interesse (also zum Wohle) des<br />
Unternehmens handelt („Business Judgement<br />
Rule“).<br />
„Sorgfalt eines ordentlichen<br />
Kaufmanns“ defi niert<br />
Der oben genannte Rechtsstandard „Sorgfalt<br />
eines ordentlichen Kaufmanns“ wurde<br />
nun im neuen Gesetz definiert. Dies ist die<br />
Sorgfalt, welche bei einer vernünftigen Aufmerksamkeit<br />
der Personen mit Kenntnissen,<br />
Fähigkeiten und Erfahrungen, die zu einer<br />
Geschäftsführung berechtigt sind, zu erwarten<br />
ist. Sollte der Geschäftsführer besondere<br />
Kenntnisse, Fähigkeiten oder Erfahrun-<br />
� Die Autorin<br />
Ljubica Tomić ist Corporate Governance<br />
Rechtsspezialistin und Managing Partner bei<br />
Tomić Stević Dulić Rechtsanwälte in Belgrad.<br />
gen haben, dann werden diese zusätzlich<br />
bei Bewertung von unternehmerischen<br />
Entscheidungen der Geschäftsführung in<br />
Betracht gezogen (Art.63.2 des Unternehmensgesetzes).<br />
Schadensersatz bei<br />
Nichtbeachtung<br />
We n n d i e Ge s c h ä f t s f ü h r u n g Ent s c h e i d u n g e n<br />
trifft, die nicht dem „Business Judgement<br />
Rule“ entsprechen, haftet die Geschäftsführung<br />
dem Unternehmen für den Schadensersatz.<br />
Das Vorliegen einer Fahrlässigkeit ist<br />
für die Schadensersatzpflicht der Geschäftsführung<br />
bereits ausreichend. Um so stärker<br />
fällt natürlich die Schadensersatzpflicht bei<br />
grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz aus (Art.<br />
64 des Unternehmensgesetzes).<br />
Dem Geschäftsführer wird empfohlen, seine<br />
gesamten Handlungen auf Informationen<br />
und Gutachten von Fachleuten zu gründen.<br />
Denn sollte es zu einem Schadensvorfall<br />
kommen, besteht keine Haftung des<br />
Geschäftsführers, wenn seine Handlungen<br />
auf genannten eingeholten Informationen<br />
und Gutachten beruhen, wenn er diese in<br />
Vernunft für gutgläubig hielt. Die Beweislast<br />
liegt im Streitfall allerdings beim Geschäftsführer<br />
selbst (Art. 63.4.5 des Unternehmensgesetzes).<br />
Klage wegen<br />
Zuwiderhandlungen<br />
Die Klage gegen die Geschäftsführung<br />
kann vom Unternehmen selbst, aber auch<br />
von einem oder mehreren Gesellschaftern<br />
(die über ein Minimum von fünf Prozent der<br />
Unternehmensanteile verfügen, oder auch<br />
ohne diese Anteilsquote, dann jedoch nach<br />
Durchführung eines gesonderten Mahnverfahrens)<br />
im eigenen Namen und auf die<br />
Rechnung des Unternehmens („Derivatklage“)<br />
eingereicht werden.<br />
Es ist zu berücksichtigen, dass sich die „Business<br />
Judgement Rule“-Regelung auch auf<br />
alle Mitglieder des Aufsichtsrates erstreckt,<br />
selbst wenn die Aufsichtsratsmitglieder ausländische<br />
Staatsbürger sind, sowie ebenfalls<br />
auf die Liquidationsverwalter des Unternehmens<br />
bezieht (Art. 61.1.4 und 63.1 des Unternehmensgesetzes).<br />
Außenhaftung des<br />
Geschäftsführers<br />
Im Rahmen der Außenhaftung des<br />
Geschäftsführers wird von den deutschen<br />
Rechtsanwälten immer wieder die Frage der<br />
Regelung der Insolvenzantragspflicht nach<br />
serbischem Recht gestellt. Die Insolvenzantragspflicht<br />
ist im serbischen Recht nicht<br />
geregelt, selbst im neuen Unternehmensgesetz<br />
findet sich keine Norm und keine Sanktion<br />
diesbezüglich.<br />
Bei einer GmbH ist jedoch im Rahmen der<br />
Außenhaftung der Geschäftsführung eine<br />
neue Spezialnorm zu berücksichtigen.<br />
Wenn der Geschäftsführer wusste, dass<br />
sich zwischen dem Ende des vorherigen<br />
Geschäftsjahres und dem Tag des Gesellschafterbeschlusses<br />
über die Verabschiedung<br />
der Jahresberichte der Zustand des<br />
Unternehmensvermögens verschlechtert<br />
hat – etwa wegen Verlusten oder Wertminderung<br />
des Vermögens –, so ist er verpflichtet,<br />
die Gesellschafterversammlung darüber<br />
in Kenntnis zu setzen.<br />
Haftung wegen vorgenommener<br />
Gewinnausschüttung<br />
Sollte der Geschäftsführer dies unterlassen,<br />
so haftet er den Gesellschaftern und<br />
den Gläubigern des Unternehmens für den<br />
Schaden, der wegen der vorgenommenen<br />
Gewinnausschüttung entstanden ist<br />
(Art.184.3 des Unternehmensgesetzes). Die<br />
gleiche Regelung ist auf die Mitglieder des<br />
Aufsichtsrates einer GmbH anwendbar.<br />
Eine Rechtspraxis in Bezug auf die beschriebene<br />
Außenhaftung und Innenhaftung der<br />
Geschäftsführung ist noch nicht in Serbien<br />
entwickelt worden. Die Berücksichtigung<br />
der genannten Normen ist jedoch für alle<br />
aktuellen Geschäftsführer sowie Aufsichtsratsmitglieder<br />
in serbischen Unternehmen<br />
ohne Rücksicht auf ihre Nationalität für alle<br />
zukünftigen Handlungen wesentlich.<br />
KONTAKT<br />
Tomić Stević Dulić Rechtsanwälte, Belgrad<br />
Tel.: 00381/ 11/ 32 85 153<br />
ljubica.tomic@tomic-stevic.co.rs<br />
www.tomic-stevic.co.rs<br />
Ost-West-Contact 11/2012 | Special Serbien